Das Schweizer Magazin fürMode,SchönheitundKultur MAI 2012 CHF 8.50 € 6.– www.boleromagazin.ch
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NEW WAVE Die neue Bademode gibt sich sexy und flirtet neben klassischem Schwarz auch mit Animal-Prints. FOTOS: GIANLUCA FONTANA REALISATION: MARTINA RIEBECK MODEL: YULIYA/FASHION HAIR & MAKE-UP: GIGI TAVELLI/FREELANCER FOTOASSISTENZ: LUCA TOMBOLINI
Bikini mit Bandeautop und schmalem Slip in Leo-Print, Jet Set. Tuch im Haar, Windsor. Auf allen Seiten: Totenkopfkette und Fusskettchen mit Sternen, Schield Collection. Gr端ne Perlenkette, HTC.
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Unschuldiges Weiss, Flapperkleider, Cloche-H端te und glitzernde Abendkleider feiern den Stil der Roaring Twenties. FOTOS: AMANDA CAMENISCH REALISATION: MIRIAM DEMBACH HAIR UND MAKE-UP: DANIELA KOLLER/BALCONY JUMP MODELS: WHITNEY COBLE/PREMIER & CLARK/SELECT FOTOASSISTENZ: TOMAS POLACH
Hellgraues, bodenlanges Halterneckkleid aus Seide. Fransenjacke in Hellgrau. Beides von Etro. LINKE SEITE Zweifarbiges Seidenkleid. Cremefarbene Highheels. Beides Sonia Rykiel. VintageKette von Gianfranco FerrĂŠ und Vintage-ArtdĂŠco-Ohrringe, beides gesehen bei Les Bijoux de Ghislaine. Goldring mit Diamanten und grauer Tahiti-Perle, Belmacz. Armband aus geflochtenen Silberketten, Assya.
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Fotos: Craig McDean/Art + Commerce (1), Cinetext (1)
STIL Stilikonen im Mai: Mary-Kate und Ashley Olsen. Von der Leinwand auf den Laufsteg. TEXT: SARA ALLERSTORFER
Es gibt designende Schauspieler und es gibt schauspielernde Designer. Und es gibt Mary-Kate und Ashley Olsen. Jene Zwillinge, die im Alter von 9 Monaten zu den berühmtesten Kinderdarstellerinnen Amerikas wurden und in den darauffolgenden Jahren zu den vermutlich «einflussreichsten jungen Frauen Hollywoods» heranwuchsen, wie der «Hollywood Reporter» schreibt. Am meisten brillieren die beiden Schwestern derzeit auf dem Gebiet der Mode. Mit ihren 25 Jahren zählen Mary-Kate und Ashley nicht nur zu den Stilikonen der Generation Facebook, sondern wurden auch 2011 von Anna Wintour auf ihre «Vogue Best Dressed»-Liste gesetzt. Nebenbei haben sie 2006 ein Luxus-Modelabel lanciert, das zu den besten Newcomer-Marken zählt. «The Row» ist mit seinen hochwertigen Basics und seinem selbstverständlichen, zeitlosen Look jedes Mal ein Highlight der New Yorker Fashion Week. Im Grunde sind «The Row» und die etwas später lancierte, zeitgemässe Kollektion «Elizabeth and James» das Spiegelbild des Olsen-Stils: klassisch, aber edgy einerseits, bohemien und Rock’n’Roll andererseits. Was den persönlichen Stil der Schwestern betrifft, so können wir nur neidlos eingestehen, dass wir diesen intuitiv zusammengetragenen Look aus Designer- und Vintage-Stücken, der keinen offensichtlichen Regeln folgt, gerne auch selber beherrschen würden.
Mit der US-amerikanischen Sitcom «Full House» (1987 bis 1995) wurden Mary-Kate und Ashley Olsen berühmt. Es folgten unzählige Filme, Werbespots, Bücher und Merchandising-Produkte. Heute gehören sie zu den stilsichersten jungen Frauen ihrer Generation. In den letzten Jahren haben sie sich auch zu ernst zu nehmenden Designerinnen und Unternehmerinnen entwickelt.
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STIL neuigkeiten Elsa Schiaparelli
Miuccia Prada
Ausstellung
Prada und «Schiap» Im «Met» kommen zwei Modeschöpferinnen erstmals ins Gespräch. Das «Met» lädt von Mitte Mai bis Mitte August zur Sonderschau «Schiaparelli and Prada: Impossible Conversations». Dabei geht das New Yorker Museum der Frage nach, was die beiden Designerinnen aus zwei Zeitepochen gemeinsam haben und lässt diese ins Gespräch kommen. Wie aber können die 1973 verstorbene Designerin «Schiap» und Miuccia Prada dies? Die Kuratoren Harold Koda und Andrew Bolton liessen sich für diese Unmöglichkeit vom in den dreissiger Jahren erschienenen Artikel «Unmögliche Interviews» von Miguel Covarrubias inspirieren. Was dabei herauskam, sind fiktive Konversationen zwischen den Ikonen in Form von Videoinstallationen. Daneben können in diversen Räumen Kreationen der Modeschöpferinnen bestaunt werden. 10. Mai bis 19. August. | ALB www.metmuseum.org
Neue Kleiderlinie
KARL FÜR ALLE KARL LAGERFELD GEHT MIT SEINER NEUEN LINIE «KARL» UNTER DIE MASSE. DAS TOLLE: DIE KLEIDER UND ACCESSOIRES GIBT ES ZU ERSCHWINGLICHEN PREISEN. «Ich habe schon lange von einer Eleganz für die breite Masse geträumt. Ich denke, es ist meine Aufgabe, diese unter meinem Namen zu erschaffen», sagt der Modeschöpfer. Für Karl Lagerfeld ist die Lancierung einer preiswerten Damen- und Herrenkollektion der Weg der Moderne. Die neue Modelinie «KARL» bezeichnet er gar als «Mastige»-Linie, eine Mischung aus Masse und Prestige.
Die Kollektion besteht aus urbanen Klamotten samt Accessoires. Schwarz, Weiss, Grau, Silber, Burgunder und Pink sind die Farben, grafisch-
Das florentinische Luxusmodehaus Gucci lanciert die exklusive City-Kollektion: Eine sportliche Accessoire-Linie, bestehend aus Taschen, Shopper, HighTop-Sneakers und iPad-Cases. Charakteristisches Merkmal ist die Skyline Londons, die die Accessoires ziert. Mehrfarbige Lederabschlüsse sowie das weisse Leder betonen den funktionalen Chic. Ab Mai in europäischen Gucci-Stores erhältlich. | ALB
elegant sind die Silhouetten der Frühjahrs-/Sommerkollektion. Neben eine minimalistische Lederweste, Lederröcke oder Kleider mit Rücken-Reissverschluss reihen sich etwa T-Shirts aus metallischer Seide, Seidenblusen mit Rundkragen oder Kapuzen- und Flanellsweatshirts. Die Preise für die Teile variieren zwischen 75 und 360 Franken, Lederstücke kosten maximal 1200 Franken. Kommenden Herbst werden neben der DamenKollektion auch eine Herrenlinie sowie eine Unterkollektion mit androgyn anmutenden Designs angeboten. Hoffen wir nur, dass bis dahin auch der Online-Versand in die Schweiz gewährleistet ist. | ALB
www.gucci.com
www.karl.com
Sommerschuhe
Ahoi! Designer zelebrieren das Wellenspiel und schwelgen diesen Sommer in den Tiefen des Ozeans, wo Meerjungfrau und Seepferdchen zuhause sind. Letztere können wir fortan auch ausführen, nämlich auf den «Crystal»Sandalen mit Seepferdchen von Miu Miu. CHF 810.–. | ALB www.miumiu.com
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Accessoire-Kollektion
GUCCI IN THE CITY
BEAUTY
Lust auf Meer
Die Farben des Ozeans sind in der Mode und in der Kosmetik omnipr채sent und versetzen uns in einen blauen Farbrausch. Pflege-Innovationen bestechen mit Mikroorganismen aus dem Meer, die extrem widerstandsf채hig und n채hrstoffreich sind. FOTOS: ARMIN ZOGBAUM REDAKTION: VANESSA FINK WO ZU KAUFEN SEITE 128
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BEAUTY lust auf meer WASSERFARBEN-LOOK
1. Den dunkelblauen «Eye Shadow Nautical» von M.A.C zieren Matrosen-Streifen. 2. «Vernis 401 Saint-Tropez» von Dior leuchtet in Türkis. 3. Fasziniert Sie die Farbe des Meeres? Der Nagellack «Mezmerised» von Essie besticht mit einem Farbton in Ozeanblau. 4. Das Lidschattenduo «Marie-Galante» von Nars in Königsblau und Dunkelviolett ist nach einer Karibikinsel benannt. 5. «Terracotta Gloss 12 Porto Azzurro» von Guerlain hüllt die Lippen in ein transparentes Indigoblau. 6. Die erfrischenden Eaux de Toilette aus der «Splash Tropical»-Kollektion von Marc Jacobs präsentieren sich neu in 100-ml-Würfeln. Hier: «Rain» mit Moschus und weisser Orchidee. 7. Lidschattenpalette «5 Couleurs 224 Swimming Pool» von Dior in fünf Pastellnuancen. 8. Giorgio Armanis Lidschatten «Palette Yeux» ist eine Hommage an die Schönheit des Mittelmeeres.
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KULTUR
— Irritation handgemacht — Die kubanische Künstlergruppe Los Carpinteros lässt Vertrautes verschwinden. TEXT: LEONI JESSICA HOF
Sie schrumpfen Hochhäuser zu Schubladenschränken und Betten mutieren bei ihnen schon mal zur Achterbahn: Das kubanische Künstlerduo Los Carpinteros, zu Deutsch «Die Schreiner», schafft monumentale Installationen, die die Funktionalität und den Gebrauch von Architektur, Möbeln und Designobjekten hinterfragen. Nun zeigt das Kunstmuseum Thun ihre erste Einzelausstellung in der Schweiz. Seit dem Studienabschluss an der Kunsthochschule in Havanna arbeiten die Carpinteros zusammen, sie leben in Kuba und in Madrid. Begonnen hatten sie als Trio, seit 2003 erschaffen Marco Castillo (*1971) und Dagoberto Rodriguez (*1969) die raumgreifenden Skulpturen und kommentieren dabei gleichzeitig Gesellschaft und Politik. Vertrautes verschwindet und neue Bezüge werden hergestellt, Überraschungen inbegriffen. Unangestrengt witzig mutieren die Installationen und Skulpturen der kubanischen Schreiner zu ausschweifenden Hybriden, die einfach – aber nicht nur – Spass machen.
OBEN: «16m», 2010. 200 Anzüge und Hemden. Courtesy Ivorypress. UNTEN: Marco Castillo und Dagoberto Rodriguez mit «Patas de rana turquesa, size S, 2011. Courtesy Los Carpinteros und Ivorypress, El País/Luis Sevillano.
«Los Carpinteros», Kunstmuseum Thun, 28. April bis 8. Juli
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KULTUR musik
VON LINKS: Céu, Dino Saluzzi und The Nits.
Kleiner Saal, grosse Musik — ewz.unplugged präsentiert tolle Musik in wunderschönem Ambiente. TEXT: JÖRG SCHWERZMANN
Seit fünf Jahren offeriert die Konzertagentur AllBlues jeweils im Frühjahr eine Konzertreihe der besonderen Art. An der Selnaustrasse in Zürich liegt ein Bauwerk, das früher vom EWZ der Stadt Zürich genutzt wurde. Für die Konzerte verwandelt sich eine Industriehalle in einen temporären Konzertsaal mit spezieller Atmosphäre. Im intimen, fast clubartigen Rahmen kann man an vier Abenden akustische Musik, also ohne Verstärkergedröhn, querbeet durch alle Stile geniessen. Für die sechste Ausgabe bringt AllBlues wieder ein verlockendes Programm auf die Bühne.
Zu erleben gibts das Dino Saluzzi Trio mit argentinischen Tangoklängen, die Schweizer Kultgruppe Stiller Has, die holländischen Kammer-Pop-Poeten The Nits und zum Abschluss die Stimmen von Krystle Warren aus Kansas und der zauberhaft quirligen Sängerin Céu aus Brasilien. Man darf grosse Musik zu erfreulich moderaten Ticketpreisen erwarten. «ewz.unplugged», ewz-Unterwerk Selnau Zürich, 28. – 31. März. Info: www.allblues.ch
Unsere fünf Richtigen des Monats
Tord Gustavsen Quartet
Die Antwoord
Speech Debelle Freedom of Speech
Christoph Stiefel, Lisette Spinnler
Swatka City
Ten$ion
The Well
Zef Records
Big Dada
Bima Sakti
Kuenschtli.ch
Traumton/MV
ECM/Musicora Der norwegische Jazzpianist Tord Gustavsen ist ein Aushängeschild der skandinavischen Popund Jazzszene. In seiner Musik findet sich alles, was wir an den Klängen aus Europas Norden lieben: grosse Räume, langer Atem und das stille Feuer, das durch die cool gestimmten Sounds leuchtet. | JSC
Nighthawks
Die Antwoord sind mit einem Wort: extrem. Hohe Stimmen, harte Beats, explizite Texte. Die Südafrikaner machen dort weiter, wo M.I.A. einst aufhörte. Raggamuffin gemischt mit Techno und HipHop, gemixt zu einem Kultur-Clash. Aber irgendwie macht der Sound Spass. | SAD
Speechs Songs klingen harmonisch, die Beats sanft – so ganz anders als der Stoff, den die Londoner Rapperin in ihren Texten verarbeitet: verpfuschte Kindheit, keine Perspektiven. 2009 gewann sie mit «Speech Therapy» den renommierten «Mercury Prize». Sie sagt, was Englands Jugend derzeit fühlt. | SAD
Stiefel am Flügel und Spinnler mit ihrer traumhaftsicherenStimme verwandeln Songs von Dolly Parton, Anouar Brahem und Ryuichi Sakamoto in ihre eigene Musik. Zurückhaltend, aber selbstbewusst entwickeln die beiden Schweizer Musiker einen Sound von schlichter Schönheit. | JSC
Vier Jungs aus Bern, die mit ihrem Power-Pop durch die Welt tourten, lancieren ihr Debut. Swatka City ist die Schweizer Antwort auf Phoenix. Natürlich klingt nicht immer alles so perfekt wie bei den Profis. Doch da kann Grosses entstehen. | SAD LIVE: 29. 3. ChopRecords Bern
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ANGESAGT text: leoni jessica hof foto: terry richardson/art partner
Working man Schauspieler James Franco ist ein Tausendsassa – den Künstler mimt der Hollywood-Beau nicht nur. Dieser Mann ist ein Überflieger. Den Pilotenschein in der Tasche, zieht es James Franco (*1978) aber nicht nur hoch hinaus, was die Wahl seines Fortbewegungsmittels betrifft. Auch mit beiden Beinen auf dem Boden scheint für ihn die Maxime zu gelten: Der Horizont ist nicht genug. Respektive die Kinoleinwand. Denn längst hat sich Franco freigemacht von seinem Image als Hollywood-Beau. Er fotografiert, zeichnet, malt, filmt, macht Musik mit dem Performancekünstler Kalup Linzy und schreibt Bücher. Längst hat auch die Modebranche Feuer gefangen: Gucci wirbt mit dem Kalifornier, für den Denim-Brand 7 For All Mankind inszenierte er die Frühlingskampagne 2012, ein Multimedia-Kurzfilm, auf den im Mai ein Film in Spielfilmlänge folgen soll. Ein oscarnominierter Hansdampf in allen Gassen, kann das gutgehen? Ist da nicht wieder einer dieser Schauspieler, der seinem Image einen intellektuellen Anstrich geben möchte? Oder ist Franco ein Grenzgänger? Die Fallhöhe ist unbestreitbar hoch, die Blamage scheint unausweichlich – aber Franco wird ernst genommen. Er arbeitet mit Künstlern wie Gus Van Sant, Ed Ruscha, oder Paul McCarthy. Ist auf du und du mit dem New Yorker Museumschef und MoMAKurator Klaus Biesenbach. Im Gespräch mit ihm, gefragt nach Segen oder Fluch seines Ruhms, sagt er: «Natürlich kann man sagen, dass die Leute auf mich schauen, weil ich berühmt bin. Aber keiner kann behaupten, dass ich nicht extrem hart dafür gearbeitet hätte.» Wer also ist dieser Schwerstarbeiter Franco, der sich vom Leinwandschönling zum Mutimedia-Künstler mausert und >
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ANGESAGT
LINKS: Für seine Rolle als James Dean erhielt Franco den «Golden Globe». RECHTS: Mit Sean Penn in «Milk».
von dem der Spiegel-Kritiker Georg Diez sagt, er sei «seine eigene Spezies»? Niemand Geringeres als James Dean hat Namensvetter Franco bekannt gemacht. Der spielte das Idol der fünfziger Jahre in der TV-Produktion «James Dean – Ein Leben auf der Überholspur» für das er mit dem «Emmy» und dem «Golden Globe» ausgezeichnet wurde. Aufgewachsen mit zwei Brüdern in Palo Alto, Kalifornien, sei er als Teenager alles andere als gutaussehend gewesen: «Ich hatte schiefe Zähne und wollte keine Klammer im Mund. Bis mir meine Mutter sagte, gerade Zähne würden mir dabei helfen, Schauspieler zu werden.» Franco scheint kein einfacher Sohn gewesen zu sein, immer wieder zerschrottete er Autos, trank: «Ich wäre fast im Jugendgefängnis gelandet, wenn ich nicht so gute Noten in der Schule gehabt hätte.» Während der Vater im Silicon Valley arbeitet, ist die Mutter Lektorin und schreibt Jugendbücher, eine Grossmutter schrieb ebenfalls, die andere betrieb eine Kunstgalerie. Man kann also sagen, dass die Kunst Franco immer begleitet hat. Schon während der Schulzeit begann er zu zeichnen: «Ich bin nach der Schule immer zum Zeichenunterricht gegangen. Zuerst, um nicht schon wieder in Schwierigkeiten zu geraten. Später dann, weil mir klar wurde, dass das Zeichnen etwas war, was ich wirklich machen wollte. Ich habe dort zum ersten Mal entdeckt, was Leidenschaft ist und absolute Hingabe an eine Sache.» Nach der Schule schrieb er sich für ein Jahr an der Universität ein, um dann doch auf eine Schauspielkarriere zu setzen. 2006 studierte er weiter Kreatives Schreiben und schloss sein Studium mit überdurch-
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schnittlichen Noten ab. Den Bachelor of Arts erwarb er mit seiner Abschlussarbeit, einem Roman. Franco zog es nach New York – auch hier drückte er wieder die Schulbank und studierte an mehreren Universitäten gleichzeitig. An der Columbia University machte er 2010 seinen Master of Fine Arts. Derzeit schreibt er an seiner Doktorarbeit in Literatur an der altehrwürdigen Bildungsschmiede in Yale. «Ich brauche neben der Schauspielerei eine andere Sache, auf die ich mich konzentrieren kann. Das Uni-Leben bietet mir die Möglichkeit, mich mit schlauen Menschen zu umgeben. So bleibe ich auf dem Boden», sagt er ohne das kokett zu meinen in einem Interview. Über sein Studentenleben (dem er gar seine Langzeitbeziehung mit Schauspielerin Ahna O’Reilly geopfert hat) spricht er gern, genau wie über seine Kunst. Weniger redselig wird er, wenn es um die Rolle geht, die ihn berühmt machte. An der Seite von Tobey Maguire spielte er im Kassenschlager «Spiderman» den AntiHelden Harry Osborne. Daneben mimte er in «Milk» den schwulen Geliebten Sean Penns, scheute sich aber auch nicht, als Performance-Künstler im «General Hospital» aufzutreten. Für Danny Boyles «127 Hours» wurde er oscarnominiert und in «Howl» spielte er mit Hornbrille auf der Nase den BeatPoeten Allen Ginsberg. Mit einer Sensibilität und Eindrücklichkeit, die darüber hinwegsehen lassen, dass sein Ginsberg eben doch ein sehr hübsches Gesicht hat. 2010 dann trat er selbst als Autor an die Öffentlichkeit, er veröffentlichte eine Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel «Palo Alto» (erschien auf Deutsch dieses Frühjahr im Eichborn Verlag).
Hier schreibt er über seine Heimatstadt, über junge Leute, die sich mit Sex, Drogen und Partys die Zeit vertreiben. Das ist natürlich nicht neu und diese Shortstorys machen Franco nicht zum Schriftsteller von Weltrang, eine gute Portion Talent aber kann man ihm kaum absprechen. Da hat sich einer auf den Weg gemacht, sein Potenzial auszuschöpfen. Schöpfen tut er auch aus dem Angebot moderner Vertriebswege: Sein nächstes Projekt, Francos erster Roman «Actors Anonymous», wird nicht bei einem traditionellen Verlag, sondern direkt vom OnlineBuchhändler Amazon.com verlegt, was als Coup der neueren Verlagsgeschichte gilt. James Franco spielt mit den Erwartungen, er verführt und macht stutzig. Es ist schwierig, ihn zu fassen, sein Image ist löchrig wie Schweizer Käse. In der Renaissance kam der Begriff des Universalgenies auf, einer, der vor Inspiration sprudelt. Vielleicht kommt der Künstler, Star, Schriftsteller, die «eigene Spezies» Franco, diesem nah. Warum also sich für eine Karriere entscheiden? Er selbst sagt: «Jetzt arbeite ich nur noch mit Regisseuren, die ich als Künstler respektiere. Aber gleichzeitig muss ich meine eigenen Visionen verwirklichen. Es ist mir ein Bedürfnis, selbst Kunst zu schaffen, sonst würde ich mich zu Tode langweilen. Sie ist mein Medium und Instrument, um mit der Welt zu kommunizieren.» Trotzdem wird man ihn in naher Zukunft auch auf der Leinwand wiedersehen. 2013 wird er im Biopic der Regisseurin Ondi Timoner den Künstler Robert Mapplethorpe mimen. Ebenfalls im nächsten Frühjahr spielt er den Zauberer von Oz. Jenen Zauberer, der zwar ein weiser Mann, aber doch kein Magier ist, wie alle von ihm denken. Sein ungewöhnliches Transportmittel, ein Heissluftballon, führte zu diesem Trugschluss, den Oz nicht aufklärt. Höhenflieger Franco braucht keine Kniffe, wir sind auch so überzeugt, dass wir noch viel von ihm erwarten dürfen. Dank < harter Arbeit und ganz ohne Zauberei.
ART DE VIVRE — Gold für Cornwall — Während in London das Olympiafieber grassiert, lockt der Südwesten Englands als facettenreiche Sommerfrische. TEXT & FOTOS: LEONI JESSICA HOF
Sie kamen wegen des Lichts. Die goldenen Stunden von St. Ives zogen Ende des 19. Jahrhunderts die Künstler in Scharen in das Fischernest im Westen Cornwalls. Eine Stunde vor Sonnenaufgang und eine vor Sonnenuntergang erlebt man diese ganz besondere Zeit, und während die untergehende Sonne den Strand in ein warm leuchtendes Licht taucht, meint man, die Maler von einst dort unten stehen zu sehen. Mit ihren Staffeleien und Skizzenblöcken, argwöhnisch beäugt von an ihren Pfeifen saugenden Fischern, denen man ihre Arbeit bei Wind und Wetter am Gesicht ablesen kann. Einen Reim konnten die sich nicht auf die kreativen Wunderlinge machen, die St. Ives zum Hotspot ihrer Sommerfrische erkoren hatten. Mit der seit 1877 in Betrieb genommenen Great Western Railway kamen sie aus der ganzen Welt und besiedelten den Strand, der als einer der schönsten Cornwalls gilt. Heute lässt sich wunderbar auf den Spuren derer wandeln, die hier einst wirkten. Was St. Ives – mittlerweile zu einem Städtchen angewachsen – zu einem attraktiven Startpunkt macht für die Erkundung des wilden Westens von England. Denn der hat so viel mehr zu bieten als seine vielbeschriebenen Gärten. Die Kultur treibt hier zuweilen ähnlich üppige Blüten. >
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DIE VERSCHIEDENEN GESICHTER CORNWALLS Ein guter Morgen beginnt mit Bohnen, Porridge und Tee. Die Wolken ziehen tief über die normannische Kirche St. Materiana. Was die Surfer am Strand vor der Tate Gallery St. Ives wenig kümmert. Shetlandponys trotzen dem rauen Wetter der Halbinsel The Lizard. Wie «Eden Project» mit seinen futuristischen Kuppeln. Ein Blick in Atelier und Garten Barbara Hepworths – und der wichtigsten Sehenswürdigkeit Truros, der Kathedrale. Pompöser ist es nur beim Tee im Lanhydrock House.
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