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Verlag, „Bibliothek der unbekannten Länder - Republik Moldau“
Union verknüpfen, übertrieben. Auch kam ihr der Gesinnungswandel heuchlerisch vor: „Zu meiner Schulzeit hätten sich viele Lehrer eher die Zunge abgebissen, als das Wort Europa auszusprechen. Wenn man es nicht vermeiden konnte, wich man auf Eurasien aus.“ T i p p
Das Goethe-Institut bietet auf seiner Seite Informationen zu Nicoleta Esinencu, ein Interview und Auszüge aus „FUCK YOU, Eu.ro.Pah“ auf Deutsch. http://www.goethe.de/kue/the/prj/atf/aus/ esi/enindex.htm Ihr intellektueller Punk-Nihilismus hat Nicoleta unter anderem ein Stipendium auf Schloss Solitude eingebracht. In diesen Monaten hat sie ein wenig Deutsch gelernt. Wir konnten keine 200 Meter durch Chisinau gehen, ohne dass sie irgendetwas als „Scheise“ bezeichnete. Manchmal wechselte sie auch ins Englische, um ihrem Unmut über die verquere Situation, in der sich ihr Land befindet, Ausdruck zu verleihen. „Come on!“, sagte sie dann und rollte die Augen. Und ihr „It’s so crazy“ hörte ich noch Wochen nach der gemeinsamen Reise im Schlaf. Wir befanden uns in einem verrückten Land mit einem verrückten Sprachengewirr, verrückten Kommunisten, Antikommunisten, Nationalisten, EU-Hassern und glühenden EU-Befürwortern, verrückten, stolzen und gebrochenen Menschen. Dabei ließ Nicoleta unter ihrer ruppigen Art eine zutiefst humane Weltsicht durchblicken. „Die Leute hier sagen, in der Republik Moldau solle es nach der Unabhängigkeit keinen russischen Einfluss mehr geben. Come on! Hier leben nun mal jede Menge Russen … Sollen die sich denn in Luft auflösen? Nach 1991 gab es überall den Spruch ‚Koffer! Bahnhof ! Russland!‘. Man hätte am liebsten alle Russen aus dem Land geworfen.“
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Die Anreise
Am Anfang nichts Wir wollten nicht mit dem Flugzeug kommen, nicht nach zwei Stunden in einer stickigen Aluminiumröhre in einer anderen Welt aussteigen. Die Kilometer spüren, mit den Einheimischen auf Tuchfühlung sein, das wollten wir. Deshalb hatten wir uns Busticket gekauft: Mannheim – Chisinau in 34 Stunden. Eine Reise aus zwei Blickwinkeln. „Am Anfang nichts“, antwortete Steffi, eine flüchtige Internetbekanntschaft, auf die Frage, was ihr an Moldau gefallen habe: „Am Anfang nichts.“ Trotz aller Trostlosigkeit schwingt in dieser Aussage Hoffnung mit. Darauf, dass noch etwas kommt, etwas, das besser oder sogar wirklich gut ist. Für uns schien es noch nicht einmal einen Anfang zu geben. Zehn Minuten vor Abfahrt des Busses waren wir am Zentralen Omnibusbahnhof. Wir hatten es uns anders vorgestellt. Um uns herum nur Beton und wenig Leben. Erwartet hatten wir eine Menschenmenge, mit großem Gepäck, Kind und Kegel, auf dem Weg in die Heimat. Stattdessen ein einsamer Bus, der laut Schild im Fenster nach Wroclaw in Polen fuhr. Eine Handvoll Fahrgäste stieg ein, kein Gedränge, kein Geschiebe und kein Bus nach Chisinau.
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Radu war gekommen mit seiner Freundin. Er ist Moldauer, sie Kasachin. Sie wollten uns verabschieden und eine weiße Tasche mitgeben. Ich musste an die inquisitorischen Fragen an amerikanischen Flughäfen denken: „Haben Sie Ihren Koffer selbst gepackt?“ „Gehören alle Gepäckstücke Ihnen?“ Aber Radu war vertrauenswürdig. Er arbeitet bei der Universität, ist Mitglied im Migrationsbeirat der Stadt Mannheim und er ist Profi: Die Tasche enthielt Spielzeug,
Harte Bänke, schöne Wände: Der Wartesaal im Zentralen Busbahnhof von Chisinau.
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Verlag, „Blind Copy“
1. Kapitel Reise zurück Um 7 Uhr schaltet sich der Radiowecker ein und die gleichmütige Stimme des Nachrichtensprechers berichtet über ein Selbstmordattentat in Kabul, den Siedlungsbau im Westjordanland, bestechliche deutsche Ärzte, Hungertote in der Sahelzone und den vergoldeten Sarg eines abgehalfterten Popstars. Der übliche Wahnsinn. Sabine Benckendorf dreht sich um, öffnet die Augen, sieht die leere Betthälfte und schließt die Augen schnell wieder. Ein Morgen ohne Sören. Das ist sie gewöhnt. Als Vertreter für Auslandsrechte und Lizenzen eines großen Sachbuchverlages ist ihr Mann häufig unterwegs. Doch an den Tagen ohne ihn fällt ihr das Aufstehen ein bisschen schwerer als sonst. Sie zieht die Beine an. Embryonalhaltung, ihre bevorzugte Schlafposition. Weiterschlafen! Nein, hoch mit dir! Sabine lächelt. Die zwei Seelen in ihrer Brust führen mal wieder einen Dialog, genau nach dem Muster, das sie in ihrem zuletzt veröffentlichten Buch „Das Du im Ich. Warum wir Selbstgespräche führen“ analysiert hat. Sie wartet, bis die beiden einen Kompromiss ausgehandelt haben: Noch fünf Minuten! Bis sich die letzten Schwaden der Traumwelt verflüchtigt haben. Aber keine Minute länger!
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Wettervorhersage, Verkehrsnachrichten dringen als Geräuschteppich in ihr Ohr, doch der Programmhinweis für eine Sendung um 11 Uhr macht sie plötzlich hellwach. Fälschungen in der Wissenschaft, ein brisantes Thema, lockt der Moderator. Na, und ob! Um den koreanischen Klonforscher Hwang Woo-suk wird es gehen, erfährt Sabine, um den deutschen Physiker Jan Hendrik Schön, aber auch um den Norweger John SudbØ und seine gefälschten Krebsstudien. Was war das Motiv, fragt der Moderator, warum haben diese hochkarätigen Wissenschaftler so etwas getan? War es das Streben nach einer großen Karriere, nach Anerkennung und Ruhm? Die Sendung interessiert Onkel Karl bestimmt auch! Onkel Karl ist tot. Mit einem Ruck dreht sich Sabine auf den Rücken und wirft die Bettdecke zur Seite. Sie weiß wieder, warum sie sich an einem Samstag um 7 Uhr hat wecken lassen. Sie wird nach Bilster fahren, um an der Trauerfeier für Dr. Karl Färber teilzunehmen. Ich werde dich auf deinem letzten Weg begleiten, Onkel Karl. Werde dir das letzte Geleit geben. Die letzte Ehre erweisen. Einen letzten Gruß … Ein letztes Mal … Steh lieber auf, sonst wirst du nur ein letztes Mal zu spät kommen! Sabine steigt aus dem Bett, streckt sich, geht zum Fenster und öffnet es. Sie atmet ein paar Mal tief durch. Die Luft ist frisch und kalt, aber nicht mehr eiskalt wie noch am Wochenanfang. Sie fröstelt, geht schnell in das dank Zeitschaltuhr vorgewärmte, geräumige Bad und genießt die heißen Wasserstrahlen unter der Dusche. Und jetzt kalt! Nein! Doch! Zur Durchblutungsförderung.
Heute mal nicht! Ist sowieso ein furchtbarer Tag. Keine faule Ausrede! Sie dreht die Mischbatterie auf kalt und führt den Brausekopf im Eiltempo über ihren Körper. So! Das reicht! Sie ignoriert die Stimme, die sich als ihr besseres Ich geriert, und eine Wiederholung der Prozedur fordert. Der innere Schweinehund triumphiert. Sie steigt aus der Dusche, rubbelt sich mit einem vorgewärmten Handtuch ab und zieht mechanisch die Kleidungsstücke an, die sie sich gestern Abend bereit gelegt hat. Zuerst schlüpft sie in die mollige Angora-Unterwäsche. Sehr sexy! Sieht ja keiner! Sie streift eine schwarze Strumpfhose über ihre langen, schlanken Beine. Eine Wollstrumpfhose? Mit 20Prozent Elastan. Wärmt und sitzt doch garantiert faltenfrei. Originalton Werbung. Stimmt aber ausnahmsweise. Zum Schluss zieht sie ihre metallic-graue Bluse und das schwarze Kostüm an, das von feinen, mäandernden Fäden aus dem gleichen Grau durchzogen wird. Zu konservativ! Für eine Trauerfeier? Wenn schon, denn schon: ganz in Schwarz. Nein, ich bin ja nicht die Hauptleidtragende. Schräges Wort! Und wer soll das sein? Marion. Sie ist seine Tochter. Aber du trägst bestimmt mehr Leid als sie!
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Verlag, „Fällig bei Liebesbruch“
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BEHR‘S
Verlag, „Steckbriefe der wichtigsten Lebensmittelschädlinge“
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Dryas
Verlag, „Talisker Blues“
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FORUM
Verlag, „Das VOB-Baustellenhandbuch“
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FORUM
Verlag, „Disziplinprobleme im Schulalltag lösen“
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Genius
Verlag, „Wahre Liebe im Alltag“
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GOVI
Verlag, „Geriatrische Pharmazie“
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Nikol
Verlag, Mark Twain – „Der bemühte Springfrosch von Calaveras“
Vorbemerkung Wenn ich dem Leser ein Faß Sirup verkaufte und er, statt sein gehaltvolles Mittagessen in vernünftigen Abständen damit zu versüßen, das ganze Faß in einem Zuge äße und mich dann beschimpfte, daß ich ihm Übelkeit bereitet hätte, dann würde ich sagen, er verdiente es wohl, daß ihm Übelkeit bereitet wird, wenn er die Segnungen dieser Welt nicht besser zu gebrauchen weiß. Und wenn ich dem Leser diesen Band Unsinn verkaufe und er – statt seine ernstere Lektüre ab und zu mit einem Kapitel davon zu würzen, wenn sein Geist nach solcher Entspannung verlangt – sich unverständig mit mehreren Kapiteln auf einmal überfüttert, dann verdient er es wohl, mit Ekel erfüllt zu werden, und er soll niemandem die Schuld daran geben als sich selbst, wenn ihm übel wird. Einen ganzen Band Unsinn zu veröffentlichen ist ebensowenig eine Sünde, wie einen Süßigkeitsladen zu unterhalten, in dem es keine Eisenwaren gibt. Es liegt doch allein am Kunden, ob er sich Schaden zufügen oder die Wohltat genießen will, die ihm beide Fälle bieten, wenn er sich ihrer mit Verstand bedient. Ehrerbietig unterbreitet von Mark Twain
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Der berühmte Springfrosch von Calaveras
wachte auf und bot mir einen guten Tag. Ich erzählte ihm, einer meiner Freunde habe mich beauftragt, Ermittlungen über einen teuren Jugendgefährten namens Leonidas W. Smiley – Ehrwürden Leonidas W. Smiley, einen jungen Geistlichen, anzustellen, der, wie er gehört hatte, einmal in Angel’s Camp wohnhaft gewesen war. Ich fügte hinzu, daß ich Mr. Wheeler zu großem Dank verpflichtet wäre, wenn er mir etwas über diesen Ehrwürden Leonidas W. Smiley sagen könnte. Simon Wheeler drückte mich rückwärts in eine Ecke und blockierte mich dort mit seinem Stuhl, setzte sich dann hin und haspelte den monotonen Bericht herunter, der diesem Abschnitt folgt. Dabei lächelte er nie, er runzelte nie die Stirn, seine Stimme änderte nie den ruhig dahinfließenden Tonfall, in dem er den ersten Satz angestimmt hatte, er verriet nie den geringsten Anflug von Begeisterung; aber den ganzen nicht enden wollenden Bericht hindurch spürte man Aufrichtigkeit und einen ergreifenden Ernst, was mir deutlich machte, daß er, weit von der Vorstellung entfernt, irgend etwas an seiner Geschichte könnte lächerlich oder komisch sein, sie für wirklich wichtig hielt und seine beiden Helden als Männer von wahrhaft überragender und genialer Raffinesse bewunderte. Für mich war das Schauspiel, wie ein Mann gelassen solch ein fragwürdiges Garn anspann, ohne jemals zu lächeln, ausgesprochen absurd. Wie ich schon sagte, bat ich ihn, mir zu erzählen, was er von Ehrwürden Leonidas W. Smiley wüßte, und er antwortete mir wie folgt. Ich ließ ihn auf seine Art erzählen und unterbrach ihn nicht ein einziges Mal. »Wir hatten hier mal einen Burschen namens Jim Smiley, im Winter neunundvierzig, oder vielleicht war’s im Frühjahr fünfzig – ich kann mich irgendwie nicht genau erinnern, doch war’s, glaub ich, neunundvierzig oder fünfzig, denn ich besinne mich darauf, daß der große Kanal noch nicht fertig war, als der Bursche zum erstenmal im Camp auftauchte. Aber wie dem auch sei, das war der merkwürdigste Kerl in der Gegend, da er ständig auf irgend etwas, das ihm gerade über den Weg lief, eine Wette abschloß, wenn er jemand
Der berühmte Springfrosch von Calaveras Der Bitte eines Freundes entsprechend, der mir aus dem Osten geschrieben hatte, suchte ich den gutmütigen, geschwätzigen alten Sirnon Wheeler auf und erkundigte mich, wie ich gebeten worden war, nach meines Freundes Freund Leonidas W. Smiley und lege im folgenden das Ergebnis dar. Ich hege den leisen Verdacht, daß Leonidas W. Smiley eine Erfindung ist, daß mein Freund einen solchen nie gekannt hat und nur vermutete, daß, wenn ich den alten Wheeler nach ihm frage, ihm nur sein berüchtigter Jim Smiley einfallen würde und er sich dann ins Zeug legen und mich zu Tode langweilen würde mit irgendeiner zermürbenden Erzählung über ihn, die ebenso weitschweifig und ermüdend wie nutzlos für mich wäre. Wenn das die Absicht war, so hat er sie erreicht. In der alten baufälligen Kneipe der ehemaligen Goldgräbersiedlung Angel’s Camp fand ich Simon Wheeler am Ofen des Schankraums in behaglichem Halbschlummer, und ich bemerkte, daß er dick und kahlköpfig war und auf dem ruhigen Gesicht den Ausdruck gewinnender Güte und Einfalt trug. Er 18
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Verlag, „Der Stuwwelpeter und die Struwwelliese“
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DIE GESCHICHtE VoM WILDEN JäGER Es zog der wilde Jägersmann Sein grasgrün neues Röcklein an; Nahm Ranzen, Pulverhorn und Flint’ – Und lief hinaus ins Feld geschwind. Er trug die Brille auf der Nas’ Und wollte schießen tot den Has. Das Häschen sitzt im Blätterhaus Und lacht den blinden Jäger aus.
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Verlag, Sigmund Freud – „Totem und Tabu“
I. Die Inzestscheu Den Menschen der Vorzeit kennen wir in den Entwicklungsstadien, die er durchlaufen hat, durch die unbelebten Denkmäler und Geräte, die er uns hinterlassen, durch die Kunde von seiner Kunst, seiner Religion und Lebensanschauung, die wir entweder direkt oder auf dem Wege der Tradition in Sagen, Mythen und Märchen erhalten haben, durch die Überreste seiner Denkweisen in unseren eigenen Sitten und Gebräuchen. Außerdem aber ist er noch in gewissem Sinne unser Zeitgenosse; es leben Menschen, von denen wir glauben, daß sie den Primitiven noch sehr nahestehen, viel näher als wir, in denen wir daher die direkten Abkömmlinge und Vertreter der früheren Menschen erblicken. Wir urteilen so über die sogenannten Wilden und halbwilden Völker, deren Seelenleben ein besonderes Interesse für uns gewinnt, wenn wir in ihm eine gut erhaltene Vorstufe unserer eigenen Entwicklung erkennen dürfen. Wenn diese Voraussetzung zutreffend ist, so wird eine Vergleichung der »Psychologie der Naturvölker«, wie die Völkerkunde sie lehrt, mit der Psychologie des Neurotikers, wie sie durch die Psychoanalyse bekannt geworden ist, zahlreiche Übereinstimmungen aufweisen müssen und wird uns gestatten, bereits Bekanntes hier und dort in neuem Lichte zu sehen. Aus äußeren wie aus inneren Gründen wähle ich für diese Vergleichung jene Völkerstämme, die von den Ethnographen als die zurückgebliebensten, armseligsten Wilden beschrieben worden sind, die Ureinwohner des jüngsten Kontinents, Australien, der uns auch in seiner Fauna soviel Archaisches, anderswo Untergegangenes bewahrt hat. Die Ureinwohner Australiens werden als eine besondere Rasse betrachtet, die weder physisch noch sprachlich Verwandtschaft mit ihren nächsten Nachbarn, den melanesischen, poly9
I. Die Inzestscheu
I. Die Inzestscheu
che Verfehlungen von diesen nach unserem Maßstabe sonst recht unsittlichen Wilden behandelt werden. »In Australia the regular penalty for sexual intercourse with a person of a forbidden clan is death. It matters not whether the woman be of the same local group or has been captured in war from another tribe; a man of the wrong clan who uses her as his wife is hunted down and killed by bis clansmen, and so is the woman; though in some cases, if they succeed in eluding capture for a certain time, the offence may be condoned. In the Ta-ta-thi tribe, New South Wales, in the rare cases which occur, the man is killed but the woman is only beaten or speared, or both, till she is nearly dead; the reason given for not actually killing her being that she was probably coerced. Even in casual amours the clan prohibitions are strictly observed, any violations of these prohibitions ›are regarded with the utmost abhorrence and are punished by death‹. (Howitt)« b) Da dieselbe harte Bestrafung auch gegen flüchtige Liebschaften geübt wird, die nicht zur Kindererzeugung geführt haben, so werden andere, z. B. praktische Motive des Verbotes, unwahrscheinlich. c) Da der Totem hereditär ist und durch die Heirat nicht verändert wird, so lassen sich die Folgen des Verbotes etwa bei mütterlicher Erblichkeit leicht übersehen. Gehört der Mann z. B. einem Clan mit dem Totem Känguruh an und heiratet eine Frau vom Totem Emu, so sind die Kinder, Knaben und Mädchen, alle Emu. Einem Sohne dieser Ehe wird also durch die Totemregel der inzestuöse Verkehr mit seiner Mutter und seinen Schwestern, die Emu sind wie er, unmöglich gemacht5.
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Abb. 1: Phratrien Die zwölf Totemsippen sind in vier Unterklassen und zwei Klassen untergebracht. Alle Abteilungen sind exogam7. Die Subklasse c bildet mit e, die Subklasse d mit f eine exogame Einheit. Der Erfolg, also die Tendenz, dieser Einrichtungen ist nicht zweifelhaft: es wird auf diesem Wege eine weitere Einschränkung der Heiratswahl und der sexuellen Freiheit herbeigeführt. Bestünden nur die zwölf Totemsippen, so wäre jedem Mitglied einer Sippe – bei Voraussetzung der gleichen Menschenanzahl in jeder Sippe – 11/12 aller Frauen des Stammes zur Auswahl zugänglich. Die Existenz der beiden Phratrien beschränkt diese Anzahl auf 6/12 = ½; ein Mann vom Totem a kann nur eine Frau der Sippen 1 bis 6 heiraten. Bei Einführung der beiden Unterklassen sinkt die Auswahl auf 3/12 = ¼; ein Mann vom Totem a muß seine Ehewahl auf die Frauen der Totem 4, 5, 6 beschränken. Die historischen Beziehungen der Heiratsklassen – deren bei einigen Stämmen bis zu acht vorkommen – zu den Totemsippen sind durchaus ungeklärt. Man sieht nur, daß diese Einrichtungen dasselbe erreichen wollen wie die Totemexogamie und auch noch mehr anstreben. Aber während
Dem Vater, der Känguruh ist, wird aber – wenigstens durch dieses Verbot – der Inzest mit seinen Töchtern, die Emu sind, freigelassen. Bei väterlicher Vererbung des Totem wäre der Vater Känguruh, die Kinder gleichfalls Känguruh, dem Vater würde dann der Inzest mit den Töchtern verboten sein, dem Sohne der Inzest mit der Mutter freibleiben. Diese Erfolge der Totemverbote ergeben einen Hinweis darauf, daß die mütterliche Vererbung älter ist als die väterliche, denn es liegt Grund vor anzunehmen, daß die Totemverbote vor allem gegen die inzestuösen Gelüste des Sohnes gerichtet sind.
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Die Anzahl der Totem ist willkürlich gewählt.
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Verlag, „Tausend und eine Nacht“
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Eingang ei dem Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzi gen, Friede und Heil über unsern Herrn Mohammed, den Obersten der Gesandten Gottes, auch über seine Familie und Gefährten insgesamt; Friede und Heil im mer fortdauernd bis zum Tage des Gerichts. Amen, o Herr der Welten! Das Leben der Früheren ist eine Lehre für die Späteren, dazu daß der Mensch die Lehren, wel che anderen zuteil geworden sind, schaue und sich dar an belehre, und die Geschichte der älteren Völker lese und sich daraus unterrichte. Gelobt sei Gott, der die Begebenheiten der Früheren als Unterricht für Spätere aufgestellt hat. Zu dieser Art von Belehrung gehören nun auch die Erzählungen: »Tausend und eine Nacht« genannt. Es wird nämlich von dem, was bei früheren Völkern geschehen, berichtet (Gott weiß das Verborgene; er ist allweise und barmherzig und edel!): Es regierte einst in den ältesten Zeiten und verflossenen Äonen ein König von den Sassaniden* auf den Inseln Indiens und Chinas, der viele Truppen und Verbündete, Diener und zahlreiches Gefolge besaß. Auch hatte er zwei wackere, tapfere Söhne, von denen jedoch der ältere noch tapferer war als der jüngere; er herrschte über viele Länder und war so gerecht gegen seine Untertanen, daß ihn alle sehr liebten. Sein Name war Scheherban, sein jüngerer Bruder hieß * Man sieht hieraus, wie wenig historische und geographische Kenntnisse unser Erzähler haben mußte, da er einen persischen Regenten über Indien und China herrschen läßt.
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Geschichte der Katze mit der Maus
dem steht Gott gegen ihn bei; ich will nun im Vertrauen auf Gott diese Katze vom Untergang retten und mir dadurch himmlischen Lohn erwerben.« Sie trat dann zur Katze heraus und schleppte sie in die Höhle. Die Katze machte sich schwer und stellte sich tot, so daß es der Maus sehr mühsam wurde, sie auf ihr Lager zu bringen. Nachdem die Katze ein wenig ausgeruht hatte, öffnete sie den Mund und klagte über Schwäche und Mattigkeit. Die Maus bemitleidete sie und redete ihr Mut ein. Die Katze aber kroch allmählich bis zur Öffnung der Höhle, um der Maus den Ausgang zu versperren, dann sprang sie auf sie los und faßte sie mit allen Vieren und biß sie, hierauf schleuderte sie sie in die Höhe und lief ihr wieder nach. Die Maus rief Gottes Hilfe an und sagte zur Katze: »Treuloser Freund, hältst du so den Bund, den wir geschlossen, und den Eid, den du geschworen? Ist das mein Lohn dafür, daß ich dich in meine Höhle hereingelassen und dir mein Leben anvertraut? Mit Recht sagt man: ›Wer dem Versprechen eines Feindes traut, der ist seines Lebens nicht mehr sicher und verdient den Tod‹; doch ich vertraue auf Gott, der wird mich retten.« Während die Maus so zur Katze
Man erzählt, o König! Eine Katze ging einst in der Nacht auf Raub aus, lief aber die ganze Nacht in den Wiesen umher, ohne etwas zu finden. Da es heftig regnete und es sie sehr fror, suchte sie einen trockenen Zufluchtsort und ging auf ein Loch zu, welches sie in der Wurzel eines Baumes bemerkte. Als sie nahe daran war, roch sie eine Maus darin und kroch langsam an den Baum hin, um sie zu fangen. Da aber die Maus die Nähe der Katze merkte, schleppte sie schnell Erde herbei und verstopfte die Öffnung des Loches. Die Katze miaute gar jämmerlich und schrie: »Warum tust du dies, mein Freund? Ich suche Zuflucht bei dir, erbarme dich meiner und laß mich diese Nacht in deiner Höhle zubringen; ich bin alt, schwach und matt, kann mich nicht mehr bewegen; ich laufe schon die ganze Nacht auf dem Felde umher, habe mir oft den Tod gewünscht, um einmal meiner Qualen los zu werden, und nun liege ich hier vor deiner Tür, krank vor Nässe und Kälte; ich bitte dich um Gottes willen, beherberge mich im Gang deiner Höhle, ich bin arm und fremd; es heißt ja: ›Wer einen Fremden bei sich beherbergt, dem wird am Gerichtstage das Paradies als Wohnung angewiesen.‹« Als die Maus das Flehen der Katze vernahm, sagte sie erschrocken: »Wie kann ich dir öffnen? Du bist doch mein natürlicher Feind und lebst nur von meinem Fleisch; ich fürchte deinen Verrat, du bist treulos von Natur, ich kann dir nicht glauben, ich kann dir ebensowenig mein Leben anvertrauen, als man eine schöne Frau einem Wollüstling, einen Schatz einem Dieb, oder Holz dem brennenden Feuer anvertraut; auch sagt man: ›Von einer natürlichen Feindschaft, so schwach sie auch sein mag, ist doch starkes Übel zu erwarten.‹« Die Katze antwortete hierauf mit demütiger, rührender Stimme: »Was du sagst, mein Freund, ist wahr; ich leugne meine Sünden gar nicht, doch Gott verzeihe mir und verzeihe auch du mir vergangene Schuld, heißt es doch: ›Wer einem Geschöpfe seinesgleichen verzeiht, dem verzeiht auch Gott‹; ich war allerdings bisher dein Feind, doch nun suche ich deine Freundschaft; sagt man nicht: ›Willst du deinen Feind in einen Freund verwandeln, so erweise ihm Gutes‹; ich will nun einen festen Bund mit dir schließen und dir versprechen, daß ich dir nie etwas zuleide tun werde; ohnedies habe ich gar keine Kraft mehr dazu. Nimm nur meine Freundschaft an, vertraue auf Gott und versage mir deine Hilfe nicht!« Da sagte die Maus: »Wie soll ich mit einem Treulosen einen Bund schließen? Wie darf ich das tun, da doch unsere Feindschaft uns von Natur angeboren ist? Legte ich mich in deine Gewalt, so wäre es gerade, als wenn jemand seine Hand in den Mund einer Otter stecken wollte.« Da sagte die listige Katze: »Mein Leben erlischt in mir, bald werde ich vor deiner Tür sterben, und du wirst die Schuld tragen, denn du hättest mich retten können; ich sage dir zum letzten Mal, wenn du mich einläßt, so werde ich dein wahrer Freund sein, stets für dich beten, und der Himmel wird dich dafür belohnen.« Bei diesen Worten wurde die Maus von Gottesfurcht ergriffen und dachte bei sich: »Wer seinem Feind Gutes erweist,
sprach, welche vorhatte sie zu zerreißen, kam ein Jäger mit Fanghunden herbei; einer derselben hörte das Geräusch in der Höhle, sprang munter heran in der Meinung, es sei ein Fuchs, der etwas zerreißen wolle, packte die Katze von hinten, und zog sie heraus und zerriß sie in Stücke. Die Maus aber kam ohne schwere Wunde davon, denn die Katze hatte sie in ihrem Schrecken losgelassen, und so bestätigt sich hier: Wer Mitleid hat, der wird auch ,(von Gott), bemitleidet; wer Unrecht handelt, dem geschieht auch Unrecht.
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Nikol
Verlag, Wilhelm Busch – „Heitere Geschichten“ ErStEr StrEich
Max und Moritz
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Vorwort ach, was muß man oft von bösen Kindern hören oder lesen! Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen; die, anstatt durch weise Lehren Sich zum Guten zu bekehren, oftmals noch darüber lachten und sich heimlich lustig machten. Ja, zur Übeltätigkeit, Ja, dazu ist man bereit! Menschen necken, tiere quälen, Äpfel, Birnen, zwetschgen stehlen, das ist freilich angenehmer und dazu auch viel bequemer, als in Kirche oder Schule Festzusitzen auf dem Stuhle. aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!! ach, das war ein schlimmes ding, Wie es Max und Moritz ging! drum ist hier, was sie getrieben, abgemalt und aufgeschrieben.
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Max und Moritz
ErStEr StrEich
Erster Streich
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Max und Moritz dachten nun: Was ist hier jetzt wohl zu tun? Ganz geschwinde, eins, zwei, drei, Schneiden sie sich Brot entzwei,
Mancher gibt sich viele Müh‘ Mit dem lieben Federvieh; Einesteils der Eier wegen, Welche diese Vögel legen, zweitens: Weil man dann und wann Einen Braten essen kann; drittens aber nimmt man auch ihre Federn zum Gebrauch in die Kissen und die Pfühle, denn man liegt nicht gerne kühle.
in vier teile, jedes Stück Wie ein kleiner Finger dick. diese binden sie an Fäden, Übers Kreuz, ein Stück an jeden, und verlegen sie genau in den hof der guten Frau. Seht, da ist die Witwe Bolte, die das auch nicht gerne wollte.
Kaum hat dies der hahn gesehen, Fängt er auch schon an zu krähen: Kikeriki! Kikikerikih!! tak, tak, tak! – da kommen sie.
ihrer hühner waren drei und ein stolzer hahn dabei.
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NWB
Verlag, Waldemar Berg – „Tourismusmanagement“
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NWB
Verlag, Helmut Kotz – „Rechnungswesen“
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Röser
Presse, „Rabenschwarzer Boulevard“
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Röser
Verlag, „Karlsruhe – Portrait der badischen Fächerstadt“
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Sportwelt
Verlag, „Lust am Laufen“
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Sportwelt
Verlag, „Mehr als Marathon“
1 – Was in diesem Buch steht
Werner Sonntag
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Werner Sonntag
„Wenn ich schon nicht schneller laufen kann, dann laufe ich halt länger.“ Doug Barber, amerikanischer Ultraläufer
MEHR ALS MARATHON WEGE ZUM ULTRALAUF
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Was in diesem Buch steht
Das vorliegende Werk trägt zwar den selben Titel wie mein zweibändiges Ultralauf-Buch von 1985/86, aber es ist fast gänzlich ein neuer Text. Nicht nur, daß sich seit damals unser Erfahrungsschatz deutlich vergrößert hat und sehr viele ultraspezifische Beiträge publiziert worden sind, – auch ich selbst kann nun dank eigenem Erfahrungswachstum und der jahrelangen gedanklichen Beschäftigung mit diesem Thema einschließlich der Ernährung persönlicher werden. Ich bin in mancher Hinsicht unbekümmerter – manche werden sagen: mutiger – geworden. Ich weigere mich, trotz meinen 147 Ultramarathons Trainingskompetenz vorzuspiegeln. Daher steht in diesem Buch zwar eine Trainingsanleitung, aber es enthält keine Trainingspläne. Bei einem Marathontraining kann man im Prinzip Versprechungen für das Ergebnis, das Finish, geben. Der Ultramarathon hingegen bleibt ein Abenteuer. Kein Trainingsplan kann eine Krise verhindern. Auch die beste Trainingssteuerung, für die sich Trainer und Institute anbieten, kann das Ankommen nach 100 Kilometern nicht garantieren. Entschiedener noch als in den 1980er Jahren vertrete ich eine vollwertige Ernährung und den völligen Verzicht auf sogenannte Sportgetränke und Präparate. Der Diskussion sehe ich gelassen entgegen. Dieses Buch vertritt allein die Meinung des Autors und steht in keinerlei Abhängigkeit von Produzenten oder Sponsoren. Es ist kein Buch für die Elite des Ultramarathons, sondern vor allem eine Hinführung für angehende Ultraläufer. Denn wie mir auch das Interesse an
MEHR ALS MARATHON Wege zum Ultralauf
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Mehr als Marathon – Wege zum Ultralauf
„Kein Mensch ist in der Lage, ständig Höchstleistungen zu bringen.“
damit die Läufer nicht zu übernachten brauchen, sondern damit für die große Masse derjenigen, die auf populären Läufen wie in Biel fast oder gänzlich die komplette Sollzeit ausschöpfen, genügend Zeit zur Verfügung steht. Wenn man schon abgeschlagen ist, läuft es sich weit besser in den frühen Morgen hinein als vom Abend in die Nacht. Der Lauf durch die Nacht verspricht aber auch ein besonders eindringliches Erlebnis. Die natürliche Ermüdung kann auch bei gut Trainierten zu Überraschungen führen. Die Regel der Vorsichtigen, einen Trainingslauf zu jener Tages- oder Nachtzeit zu machen, in der dann auch der Wettkampf stattfindet, gilt auch und besonders hier als ratsam. Nur, wer macht schon gern allein, mit der Taschenlampe in der Hand, läuferisch die Nacht zum Tage? Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Ernährung unterwegs. Die Gefahr einer leistungshemmenden Dehydrierung einerseits oder andererseits der Hyponatriämie, der sogenannten Wasservergiftung durch zuviel Trinken, ist auch während der nächtlichen Kühle nicht zu vernachlässigen. Mehr als alle anderen Probleme des Ultralaufs kann man dieses jedoch in den Griff bekommen. Weniger Trainierten soll dieses Kapitel deutlich machen: Der 100-KilometerLauf, erst recht der 24-Stunden-Lauf, ist kein Spaziergang. Über die Marathonstrecke kann man sich auf einem Volkslauf noch mogeln; denn bei jedem Volkslauf gibt es einen Ältesten, und der Veranstalter freut sich, wenn dieser nach sechs oder sieben Stunden auch noch eintrifft. Bis dahin fällt es gar nicht auf, wenn man nur joggt oder die Marathonstrecke zum großen Teil im Gehschritt zurücklegt. Der Ultramarathon dagegen stellt bestimmte Anforderungen, die auf anderen Ebenen nicht, zumindest nicht in diesem Maße, gestellt werden. Diese speziellen Anforderungen und Schwierigkeiten zu bestehen, macht zu einem Teil die Faszination des Ultramarathon-Wettbewerbs aus.
Dr. med. Dr. med. dent. Lutz Aderhold
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Regeneration ist Teil des Trainings
Ein wichtiger Teil des Trainings ist eine ausreichende Regeneration. In dieser Zeit müssen verbrauchte Nährstoffe ersetzt und gespeichert werden, muß sich der Zellaufbau im beanspruchten Muskelgewebe vollziehen, sollen sich Bewegungsabläufe optimieren und Körperorgane an die erhöhte Belastung im Training anpassen. Dies ist auch im Breitensport notwendig geworden, wo nach Auffassung des Bremer Arztes Dr. Wolf Rieh „mit einer zunehmend höheren Intensität und Quantität trainiert“ wird. Ermüdung wird als Schutzmechanismus des Organismus verstanden, sie soll die vollständige Ausschöpfung der körperlichen Reserven verhindern. Training ist ohnehin im Zustand der Ermüdung nicht möglich. Die periphere Ermüdung betrifft die Muskeln und ergibt sich aus der Erschöpfung der Energiereserven, der Elektrolytbestände, der Eisenbestände und des Baustoffwechsels (Eiweißverbrauch). Unabhängig davon kann eine zentrale Ermüdung, nämlich die Ermüdung des Zentralen Nervensystems, eintreten. Dabei kommt es zu einem Abfall des Blutzuckers und der Senkung der Blutfette sowie der Nebennierenrindenhormone. Diese Senkungen sind auch noch 24 Stunden nach einem 100-Kilometer-Lauf meßbar. Die Regeneration dient auch dazu, das in Anspruch genommene Eiweiß zu ersetzen, was mehrere Wochen dauern kann. Dr. Rieh macht hier auch auf die Rolle des Alkohols aufmerksam: „Auch nur mäßiger Alkoholgenuß unterdrückt die Testosteronspiegel und verzögert den eiweißaufbauenden Effekt in
Merkzettel • An einem Ultramarathon nimmt man teil, weil man die starke Herausforderung sucht. • Der Ultramarathon ist ein kontrolliertes Abenteuer. • Auch Trainierte laufen beim Ultra an ihre Ausdauergrenze heran. • Schwierigkeiten, die sich beim Laufen einstellen, potenzieren sich beim Ultralauf.
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