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Tagungen: Digitalisierung, Analytik und Sensorik – IfGB-Forum tagte 2021 im Westerwald

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Den zweiten Tagungstag moderierte Stefan Penninger mit großer Sachkenntnis

Digitalisierung, Analytik und Sensorik –IfGB-Forum tagte 2021 im Westerwald

Das 19. IfGB-Forum Spirituosen und Brennerei zog Anfang Oktober rund 100 Experten der Spirituosenbranche nach Höhr-Grenzhausen. Die Veranstaltung tagte unter strengem Covid-19-Präventionskonzept. Die ersten Themenschwerpunkte hatten sich mit den Rahmenbedingungen der Spirituosenherstellung sowie der Brennereitechnologie beschäftigt. Der hier vorgestellte Block fokussierte sich auf die Digitalisierung im Fassmanagement sowie der Qualitätssicherung und Sensorik.

(WiK) Mit Einblicken ins Holz – digitale Fässer stellten Lukas Klöckner, Birkenhof-Brennerei, Nistertal, sowie Martin Mair und Sebastian Hofer von der Albert Frey AG, Wald im Allgäu, innovatives Fassmanagement vor. Die Projektidee war während des Destillateurmeisterkurses am IfGB entstanden, in dem Albert-FreyMitarbeiter auf Jonas Klöckner trafen, den Bruder des Referenten. Die Birkenhof-Brennerei produziert mit 30 Mitarbeitern und sechs Destillen ein breites Spektrum ausgefallener Geiste, Brände und Spirituosen. Die Eltern Steffi und Peter Klöckner gehören zu den deutschen Whisky-Pionieren. Im Jahr entstehen ca. 12000 L Newmake für rund 110 Fässer. Etwa 700 Fässer gehören zum Bestand. Rund 4000 bis 5000 Flaschen der Whiskymarke „Fading Hill“ werden pro Jahr abgefüllt. Die Dokumentation der Fässer umfasste fünf Aktenordner mit jeweils ca. 6 kg Papier. Erfasst wurden die Befüllung und Entleerung der Fässer sowie Bestandsmengen und Verkostungsnotizen. Auch die Dokumentation der Buchungen für den Zoll erfolgten auf Papier. „Fässer entwickeln sich sehr unterschiedlich“, sagte Klöckner. „Bei 700 Fässern ist nicht nur die sensorische Entwicklung, sondern auch die zollrechtliche Dokumentation von Bedeutung.“ Martin Mair stellte die Firma Albert Frey vor. Das über 100-jährige Unternehmen betreibt seit 2018 eine eigene Brennerei, an der sie u.a. Automatisierungs-Software entwickelt. Energieeinsparung und Prozessoptimierung stehen im Fokus der Prozessleitsysteme. Die firmeneigene Alflex-Fass-Verwaltung verwaltet Fassbestände digital und gewährleistet eine lückenlose Fasshistorie. Die Fässer werden über QR-Code, Barcode oder RFID-Chip identifiziert. Dies gewährleiste eine konsequente Chargenrückverfolgbarkeit vom Destillat bis in die Flasche. Außerdem können fass- bzw. chargenbezogene Sensorik-Daten digital hinterlegt werden. Sebastian Hofer erklärte die technischen Grundlagen. Das Programm ist eine Webanwendung auf Basis einer Open-Source-Software. Das Design ermöglicht eine Verwendung sowohl mit PC und Tablet als auch mit Smartphone. Die Daten können entweder in der Cloud oder auf dem eigenen Server hinterlegt werden. Eine Live-Vorführung veranschaulichte die Ausführungen. Klöckner führte dabei die einzelnen Features vor. Das System arbeitetet komplett chargenbasiert. Das Produkt wird per Auswahl in Drop-down-Listen charakterisiert. Der Maischelieferant kann hinterlegt und Bemerkungen hinzugefügt werden. Für das Fass werden Fasstyp, Holzart und QR-Code angezeigt. Hinzu kommen Befüllungszeitpunkt, Entleerung und Alter des jüngsten Destillats. „Die Altersbestimmung soll künftig auch bei Blends funktionieren“, so der Referent. Alle Prozesse werden dokumentiert: Befüllung, Destillat, Fass, Lagerort, Umlagern, Abfüllen etc. „Wenn eine Charge auf mehrere Fässer verteilt wird, kann man dies eingeben, ohne dass man die Anfangsdaten immer wieder neu eingeben muss“, erläuterte Klöckner.

Dr. Dirk Hofmann von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) Weinsberg eröffnete mit Schwefeldioxid bei der Destillation wirksam abscheiden den analytisch geprägten Qualitätssicherungsblock. Schwefeldioxid (SO2) kann mit bis zu 50 mg/L und mehr in der Maische vorliegen. Die Substanz ist

flüchtig, geht bei der Destillation in das Destillat über und reichert sich dort an. Der Referent nannte die Herkunftsquellen des Schwefeldioxids mit einem multikausalen Ansatz. Zum Teil kommt SO2 in der Produktion zum Einsatz, z.B. bei der Schwefelung von Wein. Zuweilen wird Schwefeldioxid im Pflanzenschutz verwendet und natürlich zur Ansäuerung der Maische. Auch Stressbedingungen bei der alkoholischen Gärung wie Nährstoffmangel oder ungeeignete Temperaturen können zu SO2-Bildung führen. Außerdem neigen einige Reinzuchthefen besonders zur Bildung von Schwefeldioxid. Während der Destillation bindet sich ein Teil des SO2 an das Kupfer der Brennblase, ein anderer Teil wird im Vorlauf abgeschieden. Das Destillat einer Maische mit 8 % vol. erreicht z.B. im Mittellauf 80 % vol. Enthält die Maische 25 mg/L SO2, erreicht das Destillat im Mittellauf 200 mg/L Schwefeldioxid. Herkömmliche Verfahren brennen den Feinbrand um, verdünnen das Destillat auf ca. 30 % vol. zurück, verwenden wie beim Raubrand ein Behandlungsmittel (Natronlauge, Kalk bzw. Calciumcarbonat, Wasserstoffperoxid und Aktivkohle) oder greifen zur Redestillation. Ziel aller Maßnahmen ist es, weniger als 10mg/L im Fertigerzeugnis zu erreichen. „Beim Abscheiden von Schwefeldioxid eliminiere ich aber u.U. auch Aromabestandteile, die ich erhalten will“, gab der Referent zu bedenken. So entwickelten Experten der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg ein Verfahren, um sowohl die SO2-Gehalte zu reduzieren, als auch erwünschte Aromen zu behalten. Die dabei entwickelte Methode verwendet einen pH-Shift mit Natronlauge. Der pH-Wert falle während der gesamten Zeit der Destillation, wodurch schließlich wieder mehr Schwefeldioxid ins Destillat übergeht. Die Herausforderung besteht darin, den pH-Wert während der Destillation durch den Einsatz eines chemischen Puffers zu verbessern. Dieser Puffer ist Natriumcitrat, das bei der Mischung von Natronlauge mit Zitronensäure entsteht. Bei der Dosierung haben sich folgende Werte bewährt. In einer 150-L-Blase werden 0,43 L 32%ige Natronlauge mit 0,43 kg Zitronensäure bei 50 L r.A. vermengt. In einer 400-L-Blase kommen 1,2 L Natronlauge und 1,2 kg Zitronensäure zum Einsatz, bei 140 L r.A. Dieses Verfahren sei nur im Raubrand wirksam, nicht in Maischen. Außerdem müsse man in der Blase den Alkoholgehalt auf 30 % vol. einstellen. Die Feineinstellung des pH-Werts auf 5,7 in der Blase sei erforderlich. Egal, ob die Reduzierung des Schwefeldioxids mit Lauge oder mit der vom Referenten vorgestellten Methode erfolgt, würden beide wg. ihrer Korrosivität eine Belastung für das Material bedeuten. Eine weitere Herausforderung sei die Abwasserentsorgung. Die Konzentration an gelöstem Kupfer betrage rund 300 mg/L im Lutterwasser, eine Einleitung in die Kanalisation ist aber ab 100 mg/L nicht mehr zulässig, daher sei eine fach- und verordungsgerechte Entsorgung von Schlempen, Lutter- und Reinigungsabwässern sicherzustellen. Trotz des neuen Verfahrens, solle man Vermeidungsstrategien anwenden: „Wir empfehlen, die Hefe einzusetzen, die sehr wenig oder minimal Schwefelsäure erzeugt“, sagte Dr. Hofmann. Außerdem solle man zur Ansäuerung auf organische Präparate zurückgreifen und die Prozessführung anpassen.

Johannes Fuchs, Leiter Spirituosenanalytik und Sensorik der VLB Berlin, sprach über Grenzen der Produktstabilität – Fortgeschrittene Alterung: Systematische Ansätze zur Untersuchung ungewollter Alterung von Spirituosen. Konsumenten und Gastwirte erwarten ein stabiles Produkt, was Sensorik und Farbe von Spirituosen angeht. Die branchenübliche Lager- und Ausschankbedingungen bewirken allerdings ungewollte Veränderungen. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Forschungsprojekt (VF 180010) soll Zusammenhänge systematisch aufschlüsseln, damit Verbesserungsmaßnahmen vorgeschlagen werden können. Die Verbrauchszeiträume sind verhältnismäßig lang. Da die Verzehrmengen von Spirituosen gering sind, wird eine Flasche, ehe ihr Inhalt aufgebraucht ist, häufig geöffnet und wieder verschlossen, was zu einem wiederkehrenden Sauerstoffeintrag führt. Hinzu kommt in der Gastronomie, dass sich die Flaschen meist in beleuchteten Präsentationsregalen, befinden und damit einer erhöhten Strahlung ausgesetzt sind. „Strahlung und Sauerstoff in Kombination mit langen Lagerzeiten und hohen Temperaturen begünstigen Oxidation und Abbaureaktionen von Qualitätsparametern“, sagte der Referent. Das Team konzentrierte sich auf eine Auswahl führender Spirituosenkategorien. Untersucht wurden Kräuterliköre und -bitter, Obstbrände und Fruchtliköre. Fuchs definierte wertgebende Charakteristika und erarbeitete für deren Monitoring Analysemethoden aus der instrumentellen Analytik und Sensorik. Zum Einsatz kamen u.a. gaschromatografische Verfahren, gekoppelt mit unterschiedlichen Detektoren wie z.B. Massenspektrometern. Zum Verkosterpanel gehörten zwölf SensorikSachverständige. Der Lagertest umfasste Stresstests auf Schüttelbrettern, um die Dr. Dirk Hofmann

Johannes Fuchs

Digital-Fass live: Lukas Klöckner, Martin Mair und Sebastion Hofer (v.l.)

Prof. Dr. Michael Granvogl

Dennis Pyanka

Selbst zum Ende des zweiten Tagungstages führen Teilnehmer und Referenten noch angeregt Diskussionen Bewegung zu simulieren, und im Forcierschrank, um die Temperaturbedingungen darzustellen. Eine weitere Probengruppe lagerte unter Realbedingungen (Strahlung und Temperatur). Daneben gab es zu jedem Produkt zwei kühl und dunkel gelagerte Kontrollgruppen voll bzw. halb befüllter Flaschen. Die Veränderungen waren z.T. sehr unterschiedlich. Bei den Kirschlikören wurden alle Proben deutlich heller und weniger rot. Bei Kräuterlikören und -bittern kam es nach der Bestrahlung zu sehr deutlichen Farbveränderungen von dunkelbraun zu hellgelb. Bei Temperaturen von 40°C im Forciertest gab es dagegen kaum Veränderungen. Die Farbänderung bei den nur halb befüllten Flaschen war extrem. Dies belegt den Einfluss, den die Füllhöhe und der dadurch verursachte höhere Sauerstoffanteil im Gebinde für Auswirkungen auf die Verfärbungen hat. Obstbrände verhielten sich in Bezug auf Hitze und Strahlung dagegen vergleichsweise stabil. Alle analytisch belegten Alterungsphänomene gingen auch stets mit einem Verlust der sensorischen Qualität einher. Es fiel auf, dass sich alle Spirituosen veränderten, die Art und Intensität ist jedoch stark kategorie- und produktabhängig. Kräuterliköre und -bitter waren am anfälligsten. Strahlung scheint dabei einen größeren Einfluss zu haben als Temperatur. Auch oxidative Prozesse sind maßgeblich an der Produktalterung beteiligt. Eine gute Nachricht gab es für die Brenner: Gärungsnebenprodukte verhalten sich sehr stabil, Obstbrände alterten daher deutlich weniger als die übrigen Produkte. Um eine ungewollte Produktalterung zu vermeiden, empfahl Johannes Fuchs eine dunkle, im Idealfall auch kühle Lagerung. Angebrochene Gebinde sollten zeitnah aufgebraucht werden.

Prof. Dr. Michael Granvogl, Universität Hohenheim, Stuttgart, referierte über die Identifizierung von Williams-Christ-Schlüsselaromastoffen mittels Molekularer Sensorik. Dabei werden Aromastoffe über den Sniffer wahrgenommen und per GC-MS identifiziert. Die Ergebnisse werden quantifiziert und der Aromawert errechnet. „Sie müssen die Geruchsschwelle in ihrem Produkt nehmen. Wenn ich falsche Geruchsschwellen verwende, komme ich zu falschen Ergebnissen“, gab der Referent zu bedenken. Zum Schluss wird ein beschreibendes Spiderweb zur Charakterisierung von Geschmackserlebnissen erstellt. Bei der Untersuchung von Williamsbirnen, der daraus gewonnenen vergorenen Maische und dem Brand ließen sich 30 Verbindungen identifizieren. Viele davon seien nicht aromaaktiv. „Allerdings nur, weil ein Aromawert gering ist, heißt es nicht, dass er unwichtig ist. Es ist das Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Faktoren, wie im Orchester. Dort brauchen Sie auch nicht nur laute Instrumente, sondern auch kleine, leise“, betonte Prof. Granvogl. „Eine Kombination von analytischinstrumentellen Analysetechniken mit Sensorik wird künftig noch wichtiger sein als bisher.“ Diese Methode sei bei Forschungen zur Vermeidung von Off-Flavors von Bedeutung, aber auch für die Bekämpfung von Food Fraud. Das waren Zwischenergebnisse aus einem vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderten Forschungsprojekt. Partner ist der Bundesverband der Deutschen Klein- und Obstbrenner mit dessen Geschäftsführer Gerald Erdrich als Projektkoordinator. Das Projekt ist offen für weitere Forschungspartner. Sensorik aus der Gläser-Perspektive präsentierte Dennis Pyanka vom Glashersteller Rastal aus HöhrGrenzhausen mit Multi-Sensory Revolution – Exklusivglasdesign und Sensorik für Spirituosen. Die GlasExperten kreieren Trinkgläser, die das Markendesign, den Geschmack sowie alle weiteren Sinneswahrnehmungen harmonisch in Einklang bringen sollen. „Unter ,Multi-Sensory-Revolution‘ versteht man die Erkenntnis, dass sich je nach Form des Trinkglases Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl ein und desselben Produkts verändern“, erläuterte der Referent. Für dieses Projekt haben Rastal und Döhler in enger Kooperation ein SensorikTestdesign entwickelt. Ziel war es, mit einem wissenschaftlichen Ansatz für jedes Produkt das perfekte Design zu entwickeln. Das Multi-sensorische Prüfverfahren folgt der DIN EN ISO 13299. So sollen aus subjektiven Empfindungen objektive Daten entstehen, auf deren Basis Designempfehlungen für ein Glas entwickelt werden. Im ersten Briefing wird das Wunschprofil des Kunden bezüglich Geruch, Geschmack, Erscheinung und Mundgefühl ermittelt. Weiter geht es im Sensorik-Labor von Döhler mit einem Panel von mindestens sechs geschulten Sensorik-Experten. Dabei werden die zu prüfenden Attribute mithilfe von Referenzproben ermittelt. Am Ende aufwändiger Verkostungen stehen sensorische Profile („Spider Webs“) in Relation zu den Glas-Grundformen (zylindrisch, konisch und rund). Die Spiderwebs zeigen an, in welcher Glasform das sensorische Profil ideal abgebildet wird. Attribute, wie z.B. schmal, hoch, nach oben konisch zulaufend, werden ergänzt. In Designworkshops mit dem Getränkehersteller wird ein 3-D-Prototyp ausgedruckt.

Das 20. IfGB-Forum findet am 27. und 28. September 2022 im Münsterland statt.

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