EB 8052 Breitkopf & Härtel Edition Breitkopf
Zelenka – MISSA OMNIUM SANCTORUM für Soli, Chor und Orchester for Soloists, Choir and Orchestra ZWV 21
Klavierauszug Piano Vocal Score
Jan Dismas Zelenka 1679–1745
Missa Omnium Sanctorum für Soli, Chor und Orchester a-moll for Soloists, Choir and Orchestra in A minor ZWV 21
herausgegeben von | edited by
Wolfgang Horn Klavierauszug von | Piano Vocal Score by
Matthias Grünert
Edition Breitkopf 8052 Printed in Germany
Vorwort Neben Johann David Heinichen und Johann Adolf Hasse gilt Jan Dismas Zelenka als einer der bedeutendsten Vertreter des Dresdner Barock. Er wurde 1679 im böhmischen Launowitz (Lunovic̀´e) geboren und erhielt seinen ersten Musikunterricht höchstwahrscheinlich von seinem Vater, einem Organisten. Über seine Jugendjahre weiß man wenig. Vermutlich war er Schüler am Prager Jesuitenkollegium. Ab 1710/11 bis zu seinem Tode 1745 wirkte er – zunächst als Kontrabassist, später als Kirchenkomponist – an der Dresdner Hofkapelle. Während eines längeren Wien-Aufenthaltes in den Jahren 1716–1719 nahm er Unterricht beim kaiserlichen Hofkapellmeister Johann Joseph Fux und setzte sich im Rahmen seiner Studien intensiv mit den Werken älterer Meister auseinander. Nach seiner Rückkehr konzentrierte sich Zelenkas Tätigkeit am Dresdner Hof vor allem auf organisatorische und kompositorische Arbeiten für den katholischen Hofgottesdienst. Neben zahlreichen anderen geistlichen Werken sind von Zelenka zwischen 1712 und 1741 um die zwanzig Messvertonungen überliefert. Die fünf späten, ab der zweiten Hälfte der 1730er Jahre entstandenen Messen (ZWV 17–21) unterscheiden sich dabei in Tonsprache und Konzeption deutlich von den frühen Messkompositionen. So wird hier u. a. der Einfluss des langjährigen Dresdner Hofkapellmeisters Johann Adolf Hasse hörbar, insbesondere was die Faktur der Arien und Orchesterritornelle angeht. Auch die oftmals individuell ausdrucksstarke Tonsprache ist eine Errungenschaft von Zelenkas Spätstil.1 Darüberhinaus ist der Unterschied allein schon im Hinblick auf die Besetzung offenkundig: So verwendet Zelenka in den späten Messen sämtlich keine „große“ Besetzung mit Trompeten und Pauken mehr, sondern die kleinere Standardbesetzung mit zwei Oboen, Violinen, Viola und Basso continuo, die ihm auch musikalisch-gestalterisch größere Freiräume offen lässt. Die letzten drei dieser späten Messen, von Zelenka selbst als Missae ultimae („letzte Messen“) bezeichnet, gelten gemeinhin als Höhepunkt seines kirchenmusikalischen Schaffens. Den einzelnen Titelangaben zufolge war vom Komponisten ursprünglich ein Zyklus von sechs Missae ultimae geplant, von denen allerdings nur die erste, zweite und sechste überliefert sind. Da es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die
drei fehlenden Nummern verlorengegangen sein könnten, ist angesichts der guten Überlieferungslage von Zelenkas Werken davon auszugehen, dass der Zyklus ein Torso geblieben ist. Seine dritte und letzte Missa ultima komponierte Zelenka 1741. Sie trägt den Titel Missa Omnium Sanctorum, ist also „allen Heiligen“ gewidmet. Auf dem Titelblatt des Autographs vermerkte der Komponist: „Missa Ultimarum Sexta et fortè Omnium Ultima“, also: „Die sechste der ‚letzten Messen‘ und vielleicht die letzte von allen“. Er sollte Recht behalten – es blieb seine letzte Messtextvertonung überhaupt. Sie ist – ebenso wie Zelenkas andere Messen – im konzertanten Stil geschrieben. Die meisten Teile des Messtextes sind dabei als Folge von Einzelnummern vertont: Kurze, blockhaft angelegte Chöre wie das Kyrie eleison I und Quoniam tu solus Sanctus I erklingen im Wechsel mit Soloarien (z. B. Christe eleison, Qui tollis peccata mundi) und größer angelegten komplexeren Chornummern wie den Chorfugen Nr. 3 (Kyrie eleison II) und Nr. 9 (Cum Sancto Spiritu) und dem Gloria in excelsis Deo, das Zelenka – seiner Gewohnheit entsprechend – als konzertanten Chor mit „ausladendem Instrumentalritornell“ und Soloepisoden gestaltet. In den beiden zuvor genannten Chorfugen findet der späte Zelenka einmal mehr zu einer individuellen, unkonventionellen Tonsprache. Dies trifft sowohl für die stark chromatisierte Themengestaltung des Kyrie eleison II zu als auch für das Fugenthema des Cum Sancto Spiritu II, dessen ungewöhnlicher, über eineinhalb Takte auf dem Quintton der Tonika insistierender Beginn fast schon ‚plakativ‘ in einer einfachen Kadenz aus gebrochenen Dreiklängen mündet. Ihren kompositorischen Höhepunkt erreicht diese Messe im Credo.2 Dieser Messteil hebt sich schon allein dadurch von den anderen ab, dass er als einziger von Zelenka durchkomponiert wurde, wobei in seinem Verlauf alle oben genannten Satztypen auftauchen – umrahmt und untereinander verbunden durch ein lebhaft-ausdrucksstarkes Orchesterritornell, das Wolfgang Horn „zu den schönsten Eingebungen Zelenkas“ rechnet. Besondere Erwähnung verdient auch das Benedictus. Sein Verlauf wird durch eine von Sopran- und AltSolo im Unisono vorgetragene Melodielinie in langen Notenwerten dominiert, deren Intervallstruktur auf eine häufige Intonation des gregorianischen
Chorals verweist. Als Vorbilder für diesen Satztyp dürften Zelenka vermutlich die Wiener Messkompositionen jener Zeit gedient haben. Zelenkas Musik steht auch in diesem Werk wieder offensichtlich im Dienste der liturgischen Textausdeutung. Dabei erreicht er, wie andernorts im Spätwerk, oftmals eine hohe Ausdrucksintensität, die – je nach liturgischem Kontext – extrovertiert-lebhaft oder auch sehr intim und in sich gekehrt sein kann (man denke z. B. nur an die Vertonung der Textstellen „Et incarnatus“ und „Crucifixus“ im Credo). Sowohl im Hinblick auf die Textausdeutung sinnstiftend als auch formal-strukturell rahmenbildend wirkt auch das Wiederaufgreifen des Kyrie eleison II am Schluss des Werkes. So erklingt dessen Musik nochmals unverändert im Dona nobis pacem, wodurch die Bitten „Herr erbarme dich“ und „Gib uns Frieden“, die schon durch die eindringliche chromatische Themengestalt (s.o.) Gewicht bekommen, nochmals herausgehoben werden. Der vorliegende Klavierauszug von Matthias Grünert basiert auf der von Wolfgang Horn in Band 101 des Erbe deutscher Musik herausgegebenen quellenkritischen Partiturausgabe. In deren Kritischen Bericht
finden sich auch wichtige aufführungsrelevante Informationen, insbesondere z. B. was das Verständnis von Zelenkas Tempobezeichnungen anbelangt. So zielen diese gemäß Wolfgang Horn oftmals „mehr auf den Charakter des Vortrags als auf die Geschwindigkeit der Ausführung“. Dies gilt z. B. für die Angabe Vivace, die eher „lebhaft und kräftig im Vortrag“ als „schnell im Tempo“ bedeutet. Die oftmals am Ende musikalischer Abschnitte notierte Angabe Adagio ist demnach vor allem im Sinne eines „Ritardando, oft in Verbindung mit dynamischer Zurücknahme“ zu verstehen.3 Leipzig, Frühjahr 2015
Ulla Enßlin
1 Vgl. hierzu sowie zu den nachfolgenden Ausführungen das Vorwort und den Kritischen Bericht Wolfgang Horns zu ZWV 21 in: Jan Dismas Zelenka. Missa ultimarum sexta: Missa Omnium Sanctorum a-Moll ZWV 21. Litaniae Lauretanae „Salus infirmorum“ ZWV 152, hrsg. von Paul Horn und Thomas Kohlhase, Wiesbaden 1989 (Das Erbe deutscher Musik 101). 2 Siehe zum Credo auch die Ausführungen von Janice B. Stockigt, in: Dies., Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden, Oxford 2000, S. 251ff. 3 Das Erbe deutscher Musik 101 (siehe Fußnote 2), S. 261.
Preface Next to Johann David Heinichen and Johann Adolf Hasse, Jan Dismas Zelenka is more than justified in claiming a position among the leading musical luminaries of the Dresden Baroque. Born in Launowitz (Lunovic̀´e), Bohemia, in 1679, he took his first music lessons most likely from his father, an organist. We know little about his early years; however, he is presumed to have studied at the Jesuit College in Prague. From 1710/11 until his death in 1745 he worked at the Dresden Hofkapelle, first as double-bass player and later as church-music composer. During a longer stay in Vienna in 1716–1719, he studied with the Imperial Kapellmeister Johann Joseph Fux and delved with great curiosity into the works of earlier masters as part of his studies. Upon his return to Dresden, Zelenka focused his activity at the Dresden court above all on organizational and compositional duties for the Catholic religious services at court. Along with many other sacred works, about 20 mass settings by Zelenka have been transmitted from the
years between 1712 and 1741. The five late masses (ZWV 17–21) that Zelenka began writing in the second half of the 1730s clearly distinguish themselves from the early masses in their musical idiom and conception. Here, for example, one can discern the influence of the longtime Dresden court Kapellmeister Johann Adolf Hasse, in particular with respect to the design of the arias and orchestral ritornelli. The often individually honed and highly expressive musical idiom is another of the achievements of Zelenka’s late style.1 The difference is also apparent even when we simply look at the scoring: Zelenka no longer uses any “large” scorings with trumpets and trombones, but prefers the smaller, standard setting with two oboes, violins, viola and basso continuo, which also gives him more space to experiment with musical forms. The last three of these late masses, designated by Zelenka himself as Missae ultimae (“last masses”) are generally considered to be the summit of his œuvre for the church. According to the individual titles, the
composer had originally planned a cycle of six Missae ultimae of which, however, only the first, second and sixth were transmitted. Since there is no evidence at all pertaining to the possibility that the three missing masses might be lost, and in view of the ideal transmission circumstances of Zelenka’s works, one can assume that the cycle remained a torso. Zelenka wrote his third and last Missa Ultima in 1741. It bears the title Missa Omnium Sanctorum meaning it is dedicated to “all the saints.” On the title page of the autograph the composer noted: “Missa Ultimarum Sexta et fortè Omnium Ultima” thus: “The sixth of the ‘last masses’ and perhaps the last of all.” And he was right: it remained his very last setting of a mass text. Just like Zelenka’s other masses, it is written in a concertante style. Most parts of the mass text are set to music as a sequence of single numbers: short choruses laid out as blocks of music such as the Kyrie eleison I and Quoniam tu solus Sanctus I are heard in alternation with solo arias (e. g. Christe eleison, Qui tollis peccata mundi) and more intricately disposed choral numbers such as the choral fugues nos. 3 (Kyrie eleison II) and no. 9 (Cum Sancto Spiritu) as well as the Gloria in excelsis Deo, which Zelenka – in tune with his customary procedure – shapes as a concertante chorus with a “sweeping instrumental ritornello” and solo episodes. In the two abovementioned choral fugues, the mature Zelenka once again finds his way to an individual and unconventional tonal idiom. This applies both to the highly chromatic theme of the Kyrie eleison II as well as the fugal subject of the Cum Sancto Spiritu II, whose uncommon opening – insisting on the fifth degree of the tonic for one and a half measures – leads boldly to a simple cadenza of broken triads. The mass reaches its compositional climax in the Credo.2 This mass section truly stands out from the others for being the only through-composed one, whereby all aforementioned types of movement occur in its course, surrounded and linked to one another through a lively, highly expressive orchestral ritornello that Wolfgang Horn reckons “among Zelenka’s loveliest ideas.” The Benedictus deserves particular mention: its musical substance is dominated by a melodic line in long note values performed by the soprano and alto solo in unison, with an intervallic structure pointing to a frequent intonation of the Gregorian chorale. Zelen-
ka most likely used the Viennese mass compositions of that time as models for this type of movement. In this Missa, too, Zelenka’s music is in the service of the liturgical text interpretation, whereby, as elsewhere in his late works, he often attains a great expressive intensity. Following the respective liturgical concept, this intensity can be extroverted and dynamic, or very intimate and meditative (one is reminded, for example, of the setting of the text passages “Et incarnatus” and “Crucifixus” in the Credo). The borrowing of the Kyrie eleison II at the close of the work functions both meaningfully, as far as the text interpretation is concerned, and as a formal and structural bracket. The Dona nobis pacem features an unchanged repetition of its music, whereby the intercessions “Herr erbarme dich” and “Gib uns Frieden,” which have already acquired a certain weight through the insistent chromaticism of the theme (see above), are once again highlighted. Matthias Grünert’s piano-vocal score is based on the source-critical score edition prepared by Wolfgang Horn in volume 101 of Das Erbe deutscher Musik. In its corresponding Critical Report one will find important performance-relevant information, especially concerning Zelenka’s tempo markings and how they should be understood. According to Wolfgang Horn, these often refer “more to the character of the performance than to the velocity of the execution.” This applies, for example, to the indication Vivace, which means rather a “lively and powerful execution” than “in a rapid tempo.” The indication Adagio often found at the end of a musical section is to be understood chiefly in the sense of a “ritardando, often in connection with a reduction of the dynamics.”3 Leipzig, Spring 2015
Ulla Enßlin
1 On this and the following elucidations see Wolfgang Horn’s Preface and Critical Report on ZWV 21 in: Jan Dismas Zelenka. Missa ultimarum sexta: Missa Omnium Sanctorum a-Moll ZWV 21. Litaniae Lauretanae „Salus infirmorum“ ZWV 152, ed. by Paul Horn and Thomas Kohlhase, Wiesbaden, 1989 (Das Erbe deutscher Musik 101). 2 On the Credo and the elucidations of Janice B. Stockigt, see: Ibid., Jan Dismas Zelenka. A Bohemian Musician at the Court of Dresden, Oxford 2000, pp. 251ff. 3 Das Erbe deutscher Musik 101 (see footnote 2), p. 261.
Inhalt / Contents KYRIE 1 Kyrie eleison (Coro) 2 Christe eleison (Solo T) 3 Kyrie eleison II (Coro)
7 9 13
GLORIA 4 Gloria in excelsis Deo (Coro, Soli S, A, T, B) 5 Qui tollis peccata mundi (Solo S) 6 Quoniam tu solus Sanctus I (Coro) 7 Quoniam tu solus Sanctus II (Solo A) 8 Cum Sancto Spiritu I (Coro) 9 Cum Sancto Spiritu II (Coro)
20 33 38 39 44 45
CREDO 10 Credo (Coro, Soli S, A, T, B)
56
SANCTUS 11 Sanctus (Coro) 12 Benedictus (Soli S, A) 13 Osanna (Coro)
80 86 88
AGNUS DEI 14 Agnus Dei (Coro, Solo B) 15 Dona nobis pacem (Coro)
91 94
Besetzung
Scoring
Sopran-, Alt-, Tenor-, Bass-Solo vierstimmiger gemischter Chor
Soprano-, Alto-, Tenor-, Bass-solo four-part mixed choir
Oboe I, II Violine I, II Viola Basso continuo
Oboe I, II Violin I, II Viola Basso continuo
Aufführungsdauer
Performing Time
etwa 60 Minuten
approx. 60 minutes
Dazu käuflich lieferbar: Partitur PB 5578 Orchesterstimmen OB 5578
Available for sale: Score Orchestral parts
PB 5578 OB 5578
Missa Omnium Sanctorum Jan Dismas Zelenka ZWV 21 herausgegeben von Wolfgang Horn Klavierauszug von Matthias Grünert
Kyrie
1 Kyrie eleison I Andante Tutti
Soprano Ky
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Tutti
Alto Ky Tutti
Tenore 8
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Andante
Oboe I, II Violino I, II Viola Basso continuo
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Edition Breitkopf 8052 .
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© 2015 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
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Adagio
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3 Kyrie eleison II
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Alto Tenore 8
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Leseprobe Tutti
Tutti
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Leseprobe Adagio
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6 Quoniam tu solus Sanctus I Vivace
Vivace
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Quo ni am tu
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40 34
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Leseprobe
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Leseprobe
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ten.
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8 Cum Sancto Spiritu I Andante Tutti
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Adagio
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