fatale
Fassung für großes Orchester
Version for Large Orchestra
Partitur | Score
Partitur-Bibliothek 5432
Helmut Lachenmann
Marche fatale
Fassung für großes Orchester
Version for Large Orchestra
Partitur | Score
Partitur-Bibliothek 5432
Printed in Germany
Auftragswerk der Oper Stuttgart
Besetzung | Orchestration
Piccolo
3 Flöten | 3 Flutes
3 Oboen | 3 Oboes
3 Klarinetten in B | 3 Clarinets in B flat
3 Fagotte | 3 Bassoons
Kontrafagott | Double Bassoon
4 Hörner in F | 4 Horns in F
3 Trompeten in B | 3 Trumpets in B flat
3 Posaunen | 3 Trumpets
Tuba
Pauken | Timpani
Schlagzeug I | Percussion I
„Beckenklavier“ (= 5 Becken in verschiedenen Helligkeiten von hoch bis tief), Beckenpaar | “Beckenklavier” (= 5 Cymbals with different brightness levels from high to low), Pair of cymbals
Schlagzeug II | Percussion II
Kleine Trommel, Tamtam (mittel) | Side-drum, Tam-tam (medium)
Schlagzeug III | Percussion III
Röhrenglocken, Tamtam (tief), Große Trommel (tief) | Tubular bells, Tam-tam (low), Bass drum (low)
Schlagzeug IV | Percussion IV
Große Trommel mit Becken, Große Trommel (tief) | Bass drum with cymbal, Bass drum (low)
Harfe | Harp
Celesta | Celeste
Violine I | Violin I
Violine II | Violin II
Viola
Violoncello
Kontrabass | Double Bass
Aufführungsdauer | Performing Time
etwa 8 Minuten | approx. 8 minutes
Uraufführung | World Premiere
Württembergisches Staatsorchester Stuttgart / Sylvain Cambreling (Dirigent | Conductor)
Stuttgart / 01/01/2018
Marche fatale ist eine unvorsichtig gewagte Eskapade, sie dürfte den Kenner meiner Kompositionen mehr irritieren als meine früheren Werke, von denen nicht wenige sich erst nach Skandalen bei ihrer Uraufführung durchgesetzt haben. Meine Marche fatale hat allerdings stilistisch mit meinem bisherigen kompositorischen Weg wenig zu tun, sie präsentiert sich hemmungslos wenn nicht als Rückfall, so doch als Rückgriff auf jene Floskeln, an welche die moderne Zivilisation in ihrer täglichen „Gebrauchsmusik“ nach wie vor sich klammert, während doch die Musik im 20. und 21. Jahrhundert längst zu neuen, ungewohnten Klanglandschaften und Ausdrucksmöglichkeiten vorgedrungen ist. Das Schlüsselwort heißt „Banalität“. Als Kunstschaffende verachten wir sie, versuchen wir, sie zu meiden – obwohl wir auch innerhalb neuer ästhetischer Errungenschaften vor dem Billig-Banalen nicht sicher sind.
Viele Komponisten haben sich gelegentlich des Banalen angenommen. Mozart schrieb Ein musikalischer Spaß, ein bewußt „dilettantisch mißglücktes“ Sextett. Beethovens Bagatellen op. 119 wurden vom Verleger abgelehnt, mit der Begründung: „Daß dieses Werkchen von dem berühmten Beethoven sey, werden wenige glauben.“ Mauricio Kagel schrieb, gleichsam augenzwinkernd, Märsche, um den Sieg zu verfehlen, Ligeti schrieb Hungarian Rock, Strawinsky zitierte und verzerrte in seiner Circus Polka den berühmten, seinerzeit vierhändig komponierten, allzu beliebten Schubertschen Militärmarsch.
Ich selber weiß allerdings nicht, ob ich meine Marche fatale neben diese Beispiele einreihen soll: ich akzeptiere den Humor im Alltag, zumal dieser für manchen unter uns wohl anders nicht zu ertragen ist. In der Musik mißtraue ich ihm, halte mich dafür umso enger an die tiefere Idee des Heiteren, die mit Humor wenig zu tun hat.
Indes: Ist ein Marsch mit seinem kollektiv in kriegerische oder festliche Stimmung zwingenden Anspruch nicht a priori lächerlich? Ist er überhaupt „Musik“? Kann man marschieren und zugleich hören?
Ich habe mir irgendwann vorgenommen, das „Lächerliche“ als entlarvendes Wahrzeichen unserer am Abgrund stehenden Zivilisation ernst – vielleicht bitter ernst – zu nehmen. Der – wie es scheint unaufhaltsame – Weg ins schwarze Loch alles lähmenden Ungeistes: „das kann ja heiter werden“. Meine alte Forderung an mich und meine musikschaffende Umgebung, eine „Nicht-Musik“ zu schreiben, von wo aus der vertraute Musikbegriff sich neu und immer wieder anders bestimmt, so daß der Konzertsaal statt zur Zuflucht in trügerische Geborgenheiten zum Ort von geist-öffnenden Abenteuern wird, ist hier – vielleicht? – auf verräterische Weise „entgleist“. Wie konnte das passieren? Der Rest ist – Denken.
Marche fatale is a incautiously daring escapade that may annoy the fans of my compositions more than my earlier works, many of which have prevailed only after scandals at their world premieres. My Marche fatale has, though, little stylistically to do with my previous compositional path; it presents itself without restraint, if not as a regression, then still as a recourse to those empty phrases to which modern civilization still clings in its daily “utility” music, whereas music in the 20th and 21st centuries has long since advanced to new, unfamiliar soundscapes and expressive possibilities. The key term is “banality.” As creators we despise it, we try to avoid it – though we are not safe from the cheap banal even within new aesthetic achievements.
Many composers have incidentally accepted the banal. Mozart wrote Ein musikalischer Spaß [A Musical Jape], a deliberately “amateurishly miscarried” sextet. Beethoven’s Bagatellen op. 119 were rejected by the publisher on the grounds that “few will believe that this minor work is by the famous Beethoven.” Mauricio Kagel wrote, tongue in cheek, so to speak, Märsche, um den Sieg zu verfehlen [Marches for being Unvictorious], Ligeti wrote Hungarian Rock; in his Circus Polka Stravinsky quoted and distorted the famous, all too popular Schubert military march, composed at the time for piano duet.
I myself do not know, though, whether I ought to rank my Marche fatale alongside these examples: I accept the humor in daily life, the more so as this daily life for some of us is not otherwise to be borne. In music, I mistrust it, considering myself all the closer to the profounder idea of cheerfulness having little to do with humor.
However: Isn’t a march with its compelling claim to a collectively martial or festive mood absurd, a priori? Is it even “music” at all? Can one march and at the same time listen?
Eventually, I resolved to take the “absurd” seriously – perhaps bitterly seriously – as a debunking emblem of our civilization that is standing on the brink. The way – seemingly unstoppable – into the black hole of all debilitating demons: “that can become serene.” My old request of myself and my music-creating surroundings is to write a “non-music,” whence the familiar concept of music is repeatedly redefined anew and differently, so that “derailed” here – perhaps? – in a treacherous way, the concert hall becomes the place of mind-opening adventures instead of a refuge in illusory security. How could that happen?
The rest is – thinking.
(Helmut Lachenmann, 2017)
3 Flöten
3 Oboen
3 Klarinetten
3 Fagotte
Kontrafagott
Schlagzeug I: Beckenklavier
Schlagzeug II: Kleine Trommel Tamtam (mittel)
Schlagzeug III: Röhrenglocken Tamtam (tief ) (tiefe) Große Trommel*
Schlagzeug IV: Große Trommel mit Becken (tiefe) Große Trommel
Partitur-Bibliothek
Unverkäufliches Mietmaterial
Weitervermietung und Vervielfältigung jeglicher
Marche fatale
Fassung für großes Orchester | Version for Large Orchestra
Helmut Lachenmann, 2016–18
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Helmut Lachenmann Werke | Works
Musiktheater | Music Theatre
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1990–96, 2000, 2007)
Chor | Choir
Consolation I (1967) / Consolation II (1968) / Les Consolations (1967/68, 1977/78)
Orchester | Orchestra
Souvenir (1959) / Kontrakadenz (1970/71) / Klangschatten
– mein Saitenspiel (1972) / Fassade (1973), Schwankungen am Rand (1974/75), / Staub (1985/87) / Tableau (1988/89) / SCHREIBEN (2003/04) / Double (Grido II) (2004) / Marche fatale (2016–18)
Solokonzerte | Solo Concertos
Notturno (1966/68) (+Vc) / Air (1968/69, 1994, 2015)
(+Schl | perc) / Accanto (1975/76, 2005) (+Klar | clar) / Tanzsuite mit Deutschlandlied (1979/80) (+StrQuart) / Harmonica (1981/83) (+Tuba) / Ausklang (1984/85) (+Klav | pno) / NUN (1999, 2002) (+Fl.Pos.MCh | fl.tbne.mch) / My Melodies (2016–19) (+8Hn)
Ensemble
Mouvement (– vor der Erstarrung) (1983/84) / „... zwei Gefühle ...“, Musik mit Leonardo (1992) (+2Spr | 2spk) / Concertini (2005/06)
Kammermusik | Chamber Music
Streichtrio (1965) / Trio fluido (1966) Klar.Va.Schl | clar.va.perc / temA (1968) Fl.Sti.Vc | fl.vce.vc / Dritte
Stimme zu J. S. Bachs zweistimmiger Invention d-moll BWV 775 (1985) Trio / Allegro sostenuto (1986–88) Klar.Vc.Klav | clar.vc.pno / Sakura-Variationen (2000) Sti.ASax.Schl.Klav | vce.asax.perc.pno
Streichquartette | String Quartets
Gran Torso (1971/72, 1978, 1988) / Streichquartett Nr. 2 „Reigen seliger Geister“ (1989) / Streichquartett Nr. 3 „Grido“ (2001/02)
Soloinstrumente | Solo Instruments
Intérieur I (1966) Schl | perc / Pression (1969/70) Vc / Dal niente (Intérieur III) (1970) Klar | clar / Salut für Caudwell (1977) 2Git | 2guit / Toccatina (1986) Vl
Singstimme und Klavier | Voice and Piano Got Lost (2007/08) S.Klav | s.pno
Klavier | Piano
Fünf Variationen über ein Thema von Franz Schubert (1956) / Echo Andante (1962) / Wiegenmusik (1963) / Guero (1969, 1988) / Ein Kinderspiel (1980) / SERYNADE (1997/98) / Marche fatale (2016) / Berliner Kirschblüten (2016/17)
Schriften | Writings
Musik als existentielle Erfahrung
Schriften 1966–1995 (Ed. Josef Häusler)
Kunst als vom Geist beherrschte Magie
Schriften 1996–2016 (Ed. Ulrich Mosch – i. V. | in prep.)
CD-ROM
Matthias Hermann / Maciej Walczak
Erweiterte Spieltechniken in der Musik von Helmut Lachenmann | Extended Techniques in the Music of Helmut Lachenmann
DVDs
Wiebke Pöpel (Regie | Direction)
Lachenmann-Perspektiven | Lachenmann Perspectives (7 DVDs, Ed. Musik der Jahrhunderte)
über Lachenmann | about Lachenmann
Rainer Nonnenmann
Der Gang durch die Klippen
Helmut Lachenmanns Begegnungen mit Luigi Nono anhand ihres Briefwechsels und anderer Quellen 1957–1990