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Gesangstexte
Franz Schubert (1797–1828)
Auf der Bruck1
Text: Ernst Schulze (1789–1817)
Frisch trabe sonder Ruh’ und Rast, Mein gutes Roß, durch Nacht und Regen! Was scheust du dich vor Busch und Ast Und strauchelst auf den wilden Wegen? Dehnt auch der Wald sich tief und dicht, Doch muß er endlich sich erschließen, Und freundlich wird ein fernes Licht Uns aus dem dunkeln Thale grüßen.
Wohl könnt’ ich über Berg und Feld Auf deinem schlanken Rücken fliegen Und mich am bunten Spiel der Welt, An holden Bildern mich vergnügen; Manch Auge lacht mir traulich zu Und beut mir Frieden, Lieb’ und Freude, Und dennoch eil’ ich ohne Ruh Zurück, zurück zu meinem Leide.
Denn schon drey Tage war ich fern Von ihr, die ewig mich gebunden; Drey Tage waren Sonn’ und Stern Und Erd’ und Himmel mir verschwunden. Von Lust und Leiden, die mein Herz Bey ihr bald heilten, bald zerrissen, Fühlt’ ich drey Tage nur den Schmerz, Und ach, die Freude mußt’ ich missen!
Weit sehn wir über Land und See Zur wärmern Flur den Vogel fliegen; Wie sollte denn die Liebe je In ihrem Pfade sich betrügen? Drum trabe muthig durch die Nacht! Und schwinden auch die dunkeln Bahnen, Der Sehnsucht helles Auge wacht, Und sicher führt mich süßes Ahnen.2
Lied eines Schiffers an die Dioskuren1
Text: Johann Baptist Mayrhofer (1787–1836)
Dioskuren, Zwillingssterne2, Die ihr leuchtet meinem Nachen, Mich beruhigt auf dem Meere Eure Milde, euer Wachen.
Wer auch, fest in sich begründet, Unverzagt dem Sturm begegnet; Fühlt sich doch in euren Strahlen Doppelt muthig und gesegnet.
Dieses Ruder, das ich schwinge, Meeresfluthen zu zertheilen; Hänge ich, so ich geborgen, Auf an eures Tempels Säulen.
1 Mayrhofer: Schiffers Nachtlied
2 Mayrhofer: Zwillingsterne
Der Wanderer an den Mond Text: Johann Gabriel Seidl (1804–1875)
Ich auf der Erd’, am Himmel du, Wir wandern Beide rüstig zu: –Ich ernst und trüb, du mild und rein, Was mag der Unterschied wol seyn?
Ich wandre fremd von Land zu Land, So heimatlos, so unbekannt; Bergauf, bergab, waldein, waldaus, Doch bin ich nirgend, ach!1 zu Haus.
Du aber wanderst auf und ab Aus Westens Wieg’ in Ostens Grab, –Wallst Länder ein und Länder aus, Und bist doch, wo du bist, zu Haus.
Der Himmel, endlos ausgespannt, Ist dein geliebtes Heimatland: O glücklich, wer wohin er geht, Doch auf der Heimat Boden steht!
1 Seidl: Doch nirgend bin ich ach!
Die Götter Griechenlands1
Text: Friedrich Schiller (1759–1805)
Schöne Welt, wo bist du? Kehre wieder, Holdes Blüthenalter der Natur!
Ach, nur in dem Feenland der Lieder Lebt noch deine fabelhafte Spur. Ausgestorben trauert das Gefilde, Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick; Ach, von jenem lebenwarmen Bilde Blieb der Schatten nur zurück.
An mein Herz1
Text: Ernst Schulze
O Herz, sey endlich stille! Was schlägst du so unruhvoll? Es ist ja des Himmels Wille, Daß ich sie lassen soll.
Und gab auch dein junges Leben Dir nichts als Wahn und Pein; Hat’s ihr nur Freude gegeben, So mag’s verloren seyn!
Und wenn sie auch nie dein Lieben Und nie dein Leiden verstand, So bist du doch treu geblieben, Und Gott hat’s droben erkannt.
Wir wollen es muthig ertragen, So lang nur die Thräne noch rinnt, Und träumen von schöneren Tagen, Die lange vorüber sind!
Und siehst du die Blüthen erscheinen, Und singen die Vögel umher, So magst du wohl heimlich weinen, Doch klagen sollst du nicht mehr.
Gehn doch die ewigen Sterne Dort oben mit goldenem Licht
Und lächeln so freundlich von ferne, Und denken doch unser nicht.
1 Schulze: Am 23sten Januar 1816 (aus der Sammlung Poetisches Tagebuch)
Auf dem Wasser zu singen1
Text: Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg (1750–1819)
Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen
Gleitet, wie Schwäne, der wankende Kahn; Ach, auf der Freude sanftschimmernden Wellen
Gleitet die Seele dahin wie der Kahn; Denn von dem Himmel herab auf die Wellen
Tanzet das Abendroth rund um den Kahn.
Ueber den Wipfeln des westlichen Haines, Winket uns freundlich der röthliche Schein;
Unter den Zweigen des östlichen Haines
Säuselt der Kalmus im röthlichen Schein; Freude des Himmels und Ruhe des Haines
Athmet die Seel’ im erröthenden Schein.
Ach, es entschwindet mit thauigem Flügel
Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit.
Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel
Wieder wie gestern und heute die Zeit, Bis ich auf höherem strahlenden Flügel
Selber entschwinde der wechselnden Zeit.
1 Stolberg-Stolberg: Lied auf dem Wasser zu singen
Der Wanderer1
Text: Georg Philipp Schmidt von Lübeck (1766–1849)
Ich komme vom Gebirge her; Es dampft das Thal, es braust2 das Meer; Ich wandle still, bin wenig froh, Und immer fragt3 der Seufzer – wo?
Die Sonne dünkt mich hier so kalt, Die Blüthe welk, das Leben alt; Und, was sie reden, leerer Schall –Ich bin ein Fremdling überall.
Wo bist du, mein geliebtes Land! Gesucht, geahnt, und nie gekannt, Das Land, das Land, so hoffnungsgrün, Das Land, wo meine Rosen blüh’n;
Wo meine Freunde wandelnd4 geh’n, Wo meine Todten aufersteh’n, Das Land, das meine Sprache spricht, O Land, wo bist du?5
Ich wandle still, bin wenig froh, Und immer fragt3 der Seufzer – wo? –Im Geisterhauch tönt’s mir6 zurück, „Dort, wo du nicht bist, [dort]7 ist das Glück!“
1 Schmidt von Lübeck: Des Fremdlings Abendlied (1808), Der Unglückliche (1815)
2 Schmidt von Lübeck: rauscht
3 Schmidt von Lübeck: frägt
4 Schmidt von Lübeck: wandeln
5 Schmidt von Lübeck: Und alles hat, was mir gebricht?
6 Schmidt von Lübeck: tönt mir’s
7 [Zusatz von Schubert]
Die Mutter Erde1
Text: Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg
Des Lebens Tag ist schwer und schwühl, Des Todes Athem2 leicht und kühl, Er wehet freundlich uns hinab, Wie welkes Laub in’s stille Grab.
Es scheint der Mond, es fällt der Thau Auf’s Grab wie auf die Blumenau, Auch3 fällt der Freunde Thrän’ hinein Erhellt von sanfter Hoffnung Schein.
Uns sammelt Alle, klein und groß Die Mutter Erd’ in ihren Schooß, O säh’n wir ihr in’s Angesicht
Wir scheuten ihren Busen nicht!
1 Stolberg-Stolberg: Lied
2 Stolberg-Stolberg: Odem
3 Stolberg-Stolberg: Doch
Der Wanderer
Text: Friedrich Schlegel (1772–1829)
Wie deutlich des Mondes Licht
Zu mir spricht, Mich beseelend zu der Reise:
„Folge treu dem alten Gleise, Wähle keine Heimath nicht.
Ew’ge Plage
Bringen sonst die schweren Tage; Fort zu andern
Sollst du wechseln, sollst du wandern, Leicht entfliehend jeder Klage.“
Sanfte Ebb’ und hohe Fluth, Tief im Muth, Wandr’ ich so im Dunkeln1 weiter, Steige muthig, singe heiter, Und die Welt erscheint mir gut.
Alles reine
Seh’ ich mild im Wiederscheine, Nichts verworren
In des Tages Gluth verdorren: Froh umgeben, doch alleine.
1 Schlegel: Dunkel
Im Frühling1
Text: Ernst Schulze
Still sitz’ ich an des Hügels Hang, Der Himmel ist so klar, Das Lüftchen spielt im grünen Thal, Wo ich beym ersten Frühlingsstrahl Einst, ach, so glücklich war;
Wo ich an ihrer Seite ging So traulich und so nah, Und tief im dunkeln Felsenquell Den schönen Himmel blau und hell, Und sie im Himmel sah.
Sieh, wie der bunte Frühling schon Aus Knosp’ und Blüthe blickt!
Nicht alle Blüthen sind mir gleich, Am liebsten pflückt’2 ich von dem Zweig, Von welchem sie gepflückt.
Denn Alles ist wie damals noch, Die Blumen, das Gefild; Die Sonne scheint nicht minder hell, Nicht minder freundlich schwimmt im Quell Das blaue Himmelsbild.
Es wandeln nur sich Will’ und Wahn, Es wechseln Lust und Streit; Vorüber flieht der Liebe Glück, Und nur die Liebe bleibt zurück, Die Lieb’ und ach, das Leid!
O wär’ ich doch ein3 Vöglein nur Dort an dem Wiesenhang, Dann blieb’ ich auf den Zweigen hier Und säng’ ein süßes Lied von ihr Den ganzen Sommer lang.
1 Schulze: Am 31sten März 1815
2 Schulze: pflück’
3 Schulze: das
Willkommen und Abschied
Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde! Es war gethan fast eh’ gedacht; Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche Ein aufgethürmter Riese da, Wo Finsterniß aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah.