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Gesangstexte
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsaus’ten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer; Doch frisch und fröhlich war mein Muth:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen [o]1 welche Gluth!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Athemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich – Ihr Götter!
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!
Doch ach schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen, welche Wonne!
In deinem Auge, welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück geliebt zu werden! Und lieben, Götter, [o]1 welch ein Glück!
Robert Schumann (1810–1856)
Liederkreis op. 24
Texte: Heinrich Heine (1797–1856)
Nr. 1 „Morgens steh ich auf und frage“
Morgens steh ich auf und frage: Kommt feins Liebchen heut?
Abends sink’ ich hin und klage: Ausblieb sie auch heut.
In der Nacht mit meinem Kummer Lieg ich schlaflos, [lieg ich]1 wach; Träumend, wie im halben Schlummer, [Träumend]1 Wandle ich bei Tag.
1 [Zusatz von Schumann]
Nr. 2 „Es treibt mich hin“
Es treibt mich hin, es treibt mich her! Nach wenigen Stunden dann soll ich sie schauen, Sie selber die Schönste der schönen Jungfrauen; Du armes1 Herz, was pochst du schwer!
Die Stunden sind aber ein faules Volk!
Schleppen sich behaglich träge, Schleichen gähnend ihre Wege; Tummle dich, du faules Volk!
Tobende Eile mich treibend erfaß’t! Aber wohl niemals liebten die Horen; Heimlich im grausamen Bunde verschworen, Spotten sie tückisch der Liebenden Hast.
1 Heine: treues
Nr. 3 „Ich wandelte unter den Bäumen“
Ich wandelte unter den Bäumen Mit meinem Gram allein; Da kam das alte Träumen, Und schlich mir in’s Herz hinein.
Wer hat Euch dieß Wörtlein gelehret, Ihr Vöglein in luftiger Höh?
Schweigt still, wenn mein Herz es höret, Dann thut es noch einmal so weh.
„Es kam ein Jungfräulein gegangen, Die sang es immerfort, Da haben wir Vöglein gefangen Das hübsche, goldne Wort.“
Das sollt Ihr mir nicht (mehr)1 erzählen, Ihr Vöglein wunderschlau; Ihr wollt meinen Kummer mir stehlen, Ich aber Niemanden trau’.
1 (Von Schumann nicht vertont)
Nr.
Lieb Liebchen, leg’s Händchen auf’s Herze mein;
Ach, hörst du, wie’s pochet im Kämmerlein?
Da hauset ein Zimmermann schlimm und arg, Der zimmert mir einen Todtensarg.
Es hämmert und klopfet bei Tag und bei Nacht; Es hat mich schon längst um den Schlaf gebracht.
Ach! sputet Euch, Meister Zimmermann, Damit ich balde schlafen kann.
Nr. 5 „Schöne Wiege meiner Leiden“
Schöne Wiege meiner Leiden, Schönes Grabmal meiner Ruh, Schöne Stadt, wir müssen scheiden, –Lebe wohl! ruf’ ich dir zu.
Lebe wohl, du heilge Schwelle, Wo da wandelt Liebchen traut; Lebe wohl! du heilge Stelle, Wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt’ ich dich doch nie gesehn1, Schöne Herzenskönigin! Nimmer wär es dann geschehen, Daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt’ ich dein Herze rühren, Liebe hab’ ich nie erfleht; Nur ein stilles Leben führen Wollt’ ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen, Bittre Worte spricht dein Mund; Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen, Und mein Herz ist krank und wund.
Und die Glieder matt und träge Schlepp’ ich fort am Wanderstab, Bis mein müdes Haupt ich lege Ferne in ein kühles Grab.
1 Heine: gesehen
Nr. 6 „Warte, warte, wilder Schiffmann“
Warte, warte, wilder Schiffmann, Gleich folg’ ich zum Hafen dir; Von zwei Jungfraun nehm’ ich Abschied, Von Europa und von Ihr.
Blutquell, rinn’ aus meinen Augen, Blutquell, brich aus meinem Leib, Daß ich mit dem heißen Blute Meine Schmerzen niederschreib’.
Ei, mein Lieb, warum just heute Schaudert dich1, mein Blut zu sehn? Sahst mich bleich und herzeblutend Lange Jahre vor dir stehn! [Oh!]2
Kennst du noch das alte Liedchen Von der Schlang im Paradies, Die durch schlimme Apfelgabe Unsern Ahn in’s Elend stieß?
Alles Unheil brachten Aepfel! Eva bracht’ damit den Tod, Eris brachte Trojas Flammen, Du bracht’st beides, Flamm’ und Tod.
Nr. 7 „Berg’ und Burgen schau’n herunter“
Berg’ und Burgen schau’n herunter In den spiegelhellen Rhein, Und mein Schiffchen segelt munter, Rings umglänzt von Sonnenschein.
Ruhig seh’ ich zu dem Spiele Goldner Wellen, kraus bewegt; Still erwachen die Gefühle, Die ich tief im Busen hegt’.
Freundlich grüßend und verheißend Lockt hinab des Stromes Pracht; Doch ich kenn’ ihn, oben gleißend, Bringt sein Inn’res Tod und Nacht.
Oben Lust, im Busen Tücken, Strom, du bist der Liebsten Bild! Die kann auch so freundlich nicken, Lächelt auch so fromm und mild.
Nr. 8 „Anfangs wollt ich fast verzagen“
Anfangs wollt ich fast verzagen, Und ich glaubt’ ich trüg’ es nie, Und ich hab’ es doch getragen, –Aber fragt mich nur nicht, wie?
Nr. 9 „Mit Myrthen und Rosen“
Mit Myrthen und Rosen, lieblich und hold, Mit duft’gen Zypressen und Flittergold, Möcht’ ich zieren dieß Buch wie ’nen Todtenschrein, Und sargen meine Lieder hinein.
O könnt’ ich die Liebe sargen hinzu! Auf dem Grabe der Liebe wächst Blümlein der Ruh. Da blüht es hervor, da pflückt man es ab, –Doch mir blüht’s nur, wenn ich selber im Grab.
Hier sind nun die Lieder, die einst so wild, Wie ein Lavastrom, der dem Aetna entquillt, Hervorgestürzt aus dem tiefsten Gemüth, Und rings viel blitzende Funken versprüh’t!
Nun liegen sie stumm und todtengleich, Nun starren sie kalt und nebelbleich. Doch auf’s neu’ die alte Gluth sie belebt, Wenn der Liebe Geist einst über sie schwebt.
Und es wird mir im Herzen viel Ahnung laut: Der Liebe Geist einst über sie thaut; Einst kommt dieß Buch in deine Hand, Du süßes Lieb im fernen Land.
Dann löst sich des Liedes Zauberbann, Die blassen Buchstaben schaun dich an, Sie schauen dir flehend in’s schöne Aug’, Und flüstern mit Wehmuth und Liebeshauch.
Hugo Wolf (1860–1903)
Fünf ausgewählte Lieder
Texte: Eduard Mörike (1804–1875)
Auf eine Christblume I
Tochter des Walds, du Lilienverwandte, So lang von mir gesuchte, unbekannte, Im fremden Kirchhof, öd’ und winterlich, Zum erstenmal, o schöne, find’ ich dich!
Von welcher Hand gepflegt du hier erblühtest, Ich weiß es nicht, noch Wessen Grab du hütest; Ist es ein Jüngling, so geschah ihm Heil, Ist’s eine Jungfrau, lieblich fiel ihr Theil.
Im nächt’gen Hain, von Schneelicht überbreitet, Wo fromm das Reh an dir vorüberweidet, Bei der Kapelle, am krystall’nen Teich, Dort sucht’ ich deiner Heimath Zauberreich.
Schön bist du, Kind des Mondes, nicht der Sonne; Dir wäre tödtlich andrer Blumen Wonne, Dich nährt, den keuschen Leib voll Reif und Duft, Himmlischer Kälte balsamsüße Luft.
In deines Busens goldner Fülle gründet Ein Wohlgeruch, der sich nur kaum verkündet; So duftete, berührt von Engelshand, Der benedeiten Mutter Brautgewand.
Dich würden, mahnend an das heil’ge Leiden, Fünf Purpurtropfen schön und einzig kleiden: Doch kindlich zierst du, um die Weihnachtszeit, Lichtgrün mit einem Hauch dein weißes Kleid.
Der Elfe, der in mitternächt’ger Stunde Zum Tanze geht im lichterhellen Grunde, Vor deiner mystischen Glorie steht er scheu Neugierig still von fern und huscht vorbei.
Schlafendes Jesuskind1
Sohn der Jungfrau, Himmelskind! am Boden Auf dem Holz der Schmerzen eingeschlafen, Das der fromme Meister sinnvoll spielend Deinen leichten Träumen unterlegte; Blume du, noch in der Knospe dämmernd Eingehüllt die Herrlichkeit des Vaters! O wer sehen könnte, welche Bilder Hinter dieser Stirne, diesen schwarzen Wimpern, sich in sanftem Wechsel malen!
1 Bei Mörike mit dem Zusatz „gemalt von Franc. Albani“, womit der italienische Maler Francesco Albani (1578–1660) gemeint ist
An die Geliebte
Wenn ich, von deinem Anschaun tief gestillt, Mich stumm an deinem heil’gen Werth vergnüge, Dann hör’ ich recht die leisen Athemzüge Des Engels, welcher sich in dir verhüllt.
Und ein erstaunt, ein fragend Lächeln quillt Auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge, Daß nun in dir, zu ewiger Genüge, Mein kühnster Wunsch, mein einz’ger, sich erfüllt?
Von Tiefe dann zu Tiefen stürzt mein Sinn, Ich höre aus der Gottheit nächt’ger Ferne Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.
Betäubt kehr’ ich den Blick nach Oben hin, Zum Himmel auf – da lächeln alle Sterne; Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen.
Auf ein altes Bild
In grüner Landschaft Sommerflor, Bei kühlem Wasser, Schilf und Rohr, Schau, wie das Knäblein Sündelos Frei spielet auf der Jungfrau Schooß! Und dort im Walde wonnesam, Ach, grünet schon des Kreuzes Stamm!
Gesangstexte
An eine Aeolsharfe1
Angelehnt an die Epheuwand Dieser alten Terrasse, Du, einer luftgebornen Muse Geheimnißvolles Saitenspiel, Fang’ an, Fange wieder an Deine melodische Klage!
Ihr kommet, Winde, fern herüber, Ach! von des Knaben, Der mir so lieb war, Frisch grünendem Hügel. Und Frühlingsblüthen unterweges streifend, Uebersättigt mit Wohlgerüchen, Wie süß bedrängt ihr dieß Herz! Und säuselt her in die Saiten, Angezogen von wohllautender Wehmuth, Wachsend im Zug meiner Sehnsucht, Und hinsterbend wieder.
Aber auf einmal, Wie der Wind heftiger herstößt, Ein holder Schrei der Harfe
Wiederholt, mir zu süßem Erschrecken, Meiner Seele plötzliche Regung; Und hier – die volle Rose streut, geschüttelt, All’ ihre Blätter vor meine Füße!
1 Dem Gedicht ist bei Mörike die dritte Strophe der neunten Ode (An T. Valgius Rufus) aus dem zweiten Buch der Carmina des Horaz (65–8) im lateinischen Original vorangestellt: „Tu semper urges flebilibus modis / Mysten ademptum: nec tibi Vespero / Surgente decedunt amores, / Nec rapidum fugiente Solem.“ Die deutsche Übersetzung von Johann Heinrich Voß lautet: „Du trauerst endlos in Melodien des Grams / Um Mystes Abschied; weder wenn Hesperus / Aufsteiget, bannt dein Herz die Sehnsucht, / Noch wenn der Sonne Gewalt er fliehet.“