Der Spezialist - Ausgabe 06

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4,2

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AUSGABE 06 || Oktober 2006

Ihre Meinung

ist uns wichtig!

Sie halten nun bereits die sechste Ausgabe des Magazins „Der Spezialist“ in Ihren Händen. Uns, der Redaktion von „Der Spezialist“, sind Ihre Meinung und Anregungen als Leser wichtig, damit wir das Magazin in Ihrem Sinne weiterentwickeln

Brunel GmbH | Airport City | Hermann-Köhl-Str. 1 a | 28199 Bremen

Das Magazin für Technik und Management

können. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und Sie können vielleicht schon bald Ihr Mobiltelefon, Ihren iPod oder PDA mit Hilfe der Sonne aufladen.

WIR WÜRDEN UNS FREUEN, wenn Sie die folgenden kurzen Fragen beantworten und an uns faxen oder mit der Post schicken: Brunel GmbH, Airport City, Hermann-Köhl-Str. 1 a, 28199 Bremen, Fax 0421 / 1 69 41-17. Sie können die Fragen auch direkt auf unserer Website unter www.derspezialist.de beantworten.

ALS DANKESCHÖN für ihr Feedback verlosen wir unter den Teilnehmern drei Solarladegeräte für Mobiltelefon, iPod und PDA. Einfach ein Gerät anschließen, das Ladegerät in die Sonne legen und der Akku wird geladen. Einsendeschluss ist der 15. Januar 2007. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Lesen Sie „Der Spezialist“? (Betreffendes bitte ankreuzen) Wie finden Sie den Erscheinungsturnus (3x im Jahr)?

Wie viel des Magazins lesen Sie? Schätzen Sie bitte in Prozent:

Immer

Manchmal

Nie

Ausreichend

Zu selten

Zu häufig

%

WELCHE NOTE GEBEN SIE FÜR ... a) die Themenauswahl?

Schulnoten 1 – 6

Robert Stirling – Priester, Ingenieur und Visionär

Warum bewerten Sie die Themenauswahl so?

b) den Schreibstil der Artikel?

Neue Anwendungen für den vor 190 Jahren patentierten Stirling-Motor

Schulnoten 1 – 6

Warum bewerten Sie die Artikel so?

c) die Optik des Magazins?

Ebbe und Flut – Energielieferanten der zukunft

Schulnoten 1 – 6

Konzepte zur wirtschaftlichen Nutzung der Gezeitenströme

Warum bewerten Sie die Optik so?

Was können wir besser machen?

Eine Stradivari aus Verbundstoffen Dem perfekten Klang auf der Spur

Was gefällt Ihnen besonders gut?

6006_10.2006

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29.09.2006 10:43:46 Uhr


4,2

INGENIEURE. ARBEITEN BEI BRUNEL

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impressum ›› WIR SEHEN DIE WELT MIT

AUSGABE 06 || Oktober 2006

Welche Themen vermissen Sie?

ANDEREN AUGEN Welche Rubrik gefällt Ihnen besonders gut?

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REDAKTIONSANSCHRIFT Aus welchen Themenbereichen würden Sie zukünftig gern mehr lesen?

Brunel GmbH, Redaktion „Der Spezialist“ Airport City Hermann-Köhl-Str. 1a, 28199 Bremen redaktion@derspezialist.de www.derspezialist.de

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Geschichtlich-technisch orientierte Themen

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Carsten Siebeneich, General Manager Brunel GmbH

REDAKTION DIALOG Public Relations, Bremen GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen

„UNSER SPEZIALIST“ DENNIS WASCHEK Mobilität bewegt Menschen – in doppelter Hinsicht. Das entdeckte Dipl.-Ing. Dennis Waschek schon als Kind – beim Spielen mit seiner Modelleisenbahn. „Für mich war diese Begeisterung für alles, was sich bewegt, schon eine Art Weichenstellung“, erinnert sich der studierte Elektroingenieur. Der 29-Jährige arbeitet seit 2002 bei Brunel und hat sich bis heute seine Faszination für Mobilität bewahren können: Als Projektmitarbeiter unterstützt er die Volkswagen AG bei der Prozess- und Produktoptimierung.

Sie haben konkrete Ideen und Vorschläge für Themen? Dann haben Sie hier die Möglichkeit, diese zu äußern:

GESTALTUNG Projektpartner für Technik und Management

GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen

FOTOGRAFIE (COPYRIGHTS) Sofern nicht abweichend, alle Angaben als Bildnummern: Hunterian Museum and Art Gallery, University of Glasgow 2006 (01), University 0f St. Andrews (S. 8), akg-images (03), dlr (04), Marine Current Turbines TM Ltd (05, 06), Ocean Power Delivery Ltd. (07, 08), Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg (09–11), Thales e-Transactions GmbH (12–14), Thomas Eisenack (16, 17, 21, 22), vestas (18, 19), Bundesverband WindEnergie e. V. (15), Christina Keim (22, 32, 33), Brunel IMG GmbH (23, 24), Brunel Energy Pty Ltd (25–27), Brunel International N. V. (28, 30, 31), Corbis (29), Peter Bauer (34–37), Frank Dehlis (38), Brunel GmbH (39–41), Synotec (40)

DRUCK Druckerei Girzig + Gottschalk GmbH, Bremen

ERSCHEINUNGSWEISE 3 Ausgaben / Jahr, Auflage 28.000 Stück

Professionals gesucht. Anspruchsvolle Aufgaben, innovative Projekte, modernes Arbeiten – wer in den technischen Branchen eine führende Rolle übernehmen will, darf nur mit den Besten zusammenarbeiten. Deshalb suchen wir Sie: Als Ingenieur, Informatiker oder Manager mit Erfahrung, Kompetenz und Engagement.

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Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

29.09.2006 10:43:30 Uhr


editorial

DER SPEZIAL IST

AUSGABE 06 || Oktober 2006

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, das Klima auf unserem Planeten wird sich langfristig verändern, so viel ist sicher. Doch bisher blieb der Begriff des Klimawandels noch recht abstrakt, ließen doch die global erhobenen Zahlen und Werte noch genügend mentalen Abstand zu. Unter der Studienleitung von Dr. Daniela Jacob präsentierte das Max-Planck-Institut für Meteorologie unlängst ein regionales Klimamodell, anhand dessen Prognosen mit einer zuvor nie erzielten regionalen Genauigkeit von 10 x 10 Kilometern möglich sind. Werden wir also bald mediterranes Klima an Deutschlands Küsten haben? Wird in den Mittelgebirgen noch Schnee liegen? Antworten auf diese Fragen gibt Frau Dr. Daniela Jacob im Interview. Eine Reaktion auf diese klimatische Entwicklung ist die verstärkte Anstrengung, umweltfreundliche Energiequellen technologisch zu erschließen. Dem Einfallsreichtum der Forscher und Entwickler sind in diesem Kontext keine Grenzen gesetzt, wie die Recherchen zeigten. Inwiefern beispielsweise Seeschlangen vor der schottischen Küste einen wertvollen Beitrag zur Energiegewinnung leisten können, berichten wir Ihnen im Rahmen unseres Energieschwerpunktes. Als Antriebsstoff der Automobilgesellschaft ist der fossile Energieträger Öl nach wie vor nicht wegzudenken. Die Förderung des schwarzen Goldes stellt die Ölkonzerne derweil vor immer größere Herausforderungen, wie unsere Spezialistin von Brunel Energy, Frances Cheney, zu berichten weiß. Auch wenn der schottische Priester Robert Stirling bereits im Jahre 1817 eine Heißluftmaschine patentieren ließ, die auch alternative Energieträger akzeptierte – im Automobilbereich konnte sich der Stirling-Motor bisher nicht richtig durchsetzen. Umso mehr erlebt er nun in zahlreichen anderen Bereichen eine ungeahnte Renaissance. Ich möchte Ihnen nun viel Freude mit dieser Ausgabe von „Der Spezialist“ wünschen. Herzlichst Ihr

General Manager Brunel GmbH

der Spezialist

03


kurz notiert

Technologien zur Nutzung regenerativer Energien Die Reserven der fossilen Energieressourcen gehen langsam, aber sicher dem Ende entgegen. Die Ära regenerativer Energiequellen hat längst begonnen. In jüngster Zeit setzen Wissenschaftler und Unternehmen Nutzungskonzepte um und entwickeln sie weiter.

HOCHHAUSKRAFTWERK

Energieform: Wellenenergie Output: 20 kW/Einheit später 4–11 MW Umsetzung: Prototyp in Nissum Bredning, Dänemark, bis Ende 2006 Verfahren: Die Wellen werden auf einen Überlauf geleitet, in dessen Mitte eine Öffnung mit einer Turbine sitzt. Durch die Fallhöhe des Wassers relativ zur Meeresoberfläche wird die Turbine angetrieben.

Energieform: Windenergie Output: abhg. von Windgeschwindigkeit Umsetzung: Entwurf der Universität Stuttgart Verfahren: Durch den Wind in den Häuserschluchten moderner Großstädte werden Rotoren angetrieben, die über einen Generator Strom erzeugen.

Energieform: Geothermie Output: 120 MW Umsetzung: seit 2000 in Nesjavellir, Island Verfahren: Durch konsequente Nutzung der Erdwärme wird Dampf erzeugt, der die vier Turbinen des Kraftwerks antreibt. Zusätzlich wird auch Fernwärme produziert.

Energieform: Wellenenergie Output: 1,2 MW (erwartete Leistung) Umsetzung: Installation eines Prototyps vor der Küste Portugals 2008 Verfahren: Durch die Wellenbewegungen wird ein Innenzylinder wie ein Kolben in einem Außenzylinder hin und her geschoben. Ein Linearaggregator erzeugt aus dieser Bewegung Strom.

der Spezialist

2020

Energieform: Solarenergie Output: bis zu 50 kW pro Modul Umsetzung: seit 1984 mehrere Anlagen weltweit Verfahren: Parabolspiegel konzentrieren die Sonnenenergie auf einen Punkt. Dort wird Öl erhitzt, das wiederum Wasser verdampft. Dieser Dampf treibt eine Turbine an.

2010

WAVE SWING

2000

GEOTHERMALKRAFTWERK

1990

PARABOLRINNENKRAFTWERK

1980

04

WAVE DRAGON


inhalt

inhalt

Der Spezialist

AUSGABE 06 || Oktober 2006

Seite

06

history:

ROBERT STIRLING – PRIESTER, INGENIEUR UND VISIONÄR

Der 1816 erfundene Stirling-Motor erlebt eine Renaissance Seite

10

im fokus:

EBBE UND FLUT – ENERGIE LIEFERANTEN DER ZUKUNFT

Die wirtschaftliche Nutzung von Wellen und Gezeitenströmen Seite

14

im gespräch:

KLIMAFORSCHER WAGEN DEN BLICK IN DIE ZUKUNFT

Dr. Daniela Jacob über die langfristige Klimaentwicklung in Europa

› seite 06

Seite

1827 präsentierte Robert Stirling dieses Modell seines Motors an verschiedenen Universitäten.

19

technische projekte:

EINGEBAUTER DATENSCHUTZ

Dipl.-Ing. Andreas Mörth entwickelt sichere Systemlösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr Seite

22

technische projekte:

SYNERGIEN FÜR DIE WINDKRAFT

Expertengespräch über Entwicklungen in der Offshore-Windenergie Seite

28

aus den branchen:

WENIGER STÖRIMPULSE DURCH NANOTECHNOLOGIE Der Nanowerkstoff EMISONIX schirmt elektromagnetische Strahlung ab Seite

32

aus den branchen:

ERDÖLFÖRDERUNG AUS 1.200 METERN TIEFE

Neue Techniken erschließen bisher unzugängliche Fördergebiete Seite

36

› seite 10 Die 120 m lange Stahlschlange „Pelamis“ gewinnt Energie aus Meereswellen.

Mitarbeiter und Karriere:

„DAS POTENZIAL IN K ANADA IST IMMENS“

Dipl.-Ing. K. Ostrowski und das Brunel Project Support Department (Toronto) Seite

40

Mitarbeiter und Karriere:

SCHNELLE SPRÜNGE AUF DER K ARRIERELEITER Brunel-Traineeprogramm für zukünftige Führungskräfte Seite

43

Kunst & Brunel:

MIT SATIRE UND HUMOR ZUM KÜNSTLER DES JAHRES

Der Karikaturist Peter Bauer zeichnet in der Tradition Wilhelm Buschs Seite

46

querdenken:

EINE STRADIVARI AUS VERBUNDSTOFFEN

Dr. Friedrich Blutner ist dem Klang der Meistergeigen auf der Spur

Seite Seite

50 51

Termine impressum

› seite 46 Neue VerbundstoffGeige – eine Konkurrenz für alte Meistergeigen?

Extra: Ihre Meinung ist uns wichtig! (Siehe Umfrage auf der Umschlagklappe)

der Spezialist

05


› 01


HISTORY

Robert Stirling – Priester, Ingenieur und Visionär Regenerative Energien rücken zunehmend in den Fokus von Wirtschaft und Wissenschaft. Dieser Trend beschert einer 190 Jahre alten Erfindung neue Aufmerksamkeit: dem StirlingMotor. Erfunden wurde er 1816 von dem technikbegeisterten Priester Robert Stirling. TEXT › Marco Heinen

Kann eine vor rund 190 Jahren erfundene Technologie heute

maschinen sich sammelndes Was-

zukunftsweisend sein? Für den Stirling-Motor scheint dies zu

ser abzupumpen, doch der Preis war

gelten, denn er erlebt seit einiger Zeit eine ungeahnte Renais-

hoch.

sance. Die Funktionsweise eines Stirling-Motors, der syno-

Dampfkessel und forderten zahlrei-

nym auch als Heißluftmaschine bezeichnet wird, beruht auf

che Tote. Stirling, der von seinem Vater

der Eigenschaft von Gasen, je nach Temperatur ihr Volumen

Grundkenntnisse des Ingenieurwe-

zu ändern, was innerhalb eines geschlossenen Zylinders zu

sens vermittelt bekam, beschäftigte

Druckschwankungen führt. Dass sich dieses Phänomen für

dieses Problem bereits als junger

Nicht

selten

explodierten

die Erzeugung von Bewegungsenergie nutzen lässt, hatte der

Mann. Doch sein beruflicher Werde-

schottische Priester Robert Stirling erkannt, der 1816 eine solche

gang war ein anderer. Er studierte

Maschine patentieren ließ. Anders als bei Verbrennungsmoto-

an der Universität Edinburgh Latein,

ren findet hier im Motor selbst keine Verbrennung statt. Das

Griechisch, Logik und Mathematik

in einem Zylinder befindliche Arbeitsgas wird stattdessen von

und an der Universität Glasgow The-

außen erhitzt. Als Energieträger können daher nicht nur Ben-

ologie und Rechtswissenschaften.

zin, Diesel oder die ursprünglich eingesetzte Kohle verwendet

Sein Examen legte er 1815 ab, ein

werden. Ebenso kommen nachwachsende Brennstoffe, Biogas,

Jahr später wurde er zum Priester

Erdwärme oder Solarenergie in Betracht. Ein Stirling-Motor

geweiht. Eine Berufung, der Stirling

kann also mit einer günstigen CO2-Bilanz, ja sogar gänzlich

bis zu seinem Tod 1878 treu blieb.

ohne Schadstoffausstoß betrieben werden. Dass die Vielstoff-

Das Jahr seiner Priesterweihe war

akzeptanz und die Umweltfreundlichkeit einmal die wichtigs-

auch das Jahr, in dem der damals

ten Vorteile sein könnten, dürfte Robert Stirling freilich kaum

26-Jährige das Patent für seine Heiß-

geahnt haben.

luftmaschine anmeldete, die er 1818 zum Laufen brachte. Dies ist umso

VIELSTOFFAKZEPTANZ UND UMWELTFREUNDLICHKEIT ZEICHNEN DEN STIRLING-MOTOR AUS

bemerkenswerter als zu dieser Zeit

›01 Zusammen mit seinem Bruder James baute Robert Stirling dieses Modell einer Heißluftmaschine und präsentierte es 1827 an den Universitäten Glasgow und Edinburgh.

noch keine theoretischen Erklärungen der thermodynamischen Vor-

Als er seine Erfindung vorstellte, fand in den europäischen

aussetzungen existierten. Die Ma-

Gesellschaften ein technologischer, ökonomischer und sozia-

schine tat zwei Jahre lang beim

ler Wandel statt. Das sich herausbildende Proletariat litt unter

Betrieb einer Wasserpumpe ihren

katastrophalen Arbeitsbedingungen. In den Kohlebergwerken

Dienst, bevor der Zylinder wegen

gelang es zwar, mit Hilfe der noch neuen Hochdruck-Dampf-

Überhitzung durchbrannte. Mate-

der Spezialist

07


HISTORY

DER ERSTE STIRLING-MOTOR AUS DEM JAHR 1816 (1) Erhitzer (2) Heiße Luft (3) Expansions- und Kompressionszylinder (4) Pleuel (5) Schwungrad

(2)

(3)

(5)

›02 Der von Robert Stirling entwickelte Motor macht sich die Ausdehnung des Volumens von Gasen bei Erhitzung zunutze.

(4)

› 02

(1)

rialbedingte Schwierigkeiten waren auch in den folgenden

Außerdem zeichnen sich Stirling-

Jahrzehnten die häufigste Fehlerquelle der Stirling-Motoren.

Motoren durch große Laufruhe und –

Während Stirling Luft als Arbeitsgas verwandte, wird heut-

wegen fehlender Ventile und Zünd-

zutage meist Helium benutzt. In dem Motor arbeiten dem

explosionen – geringe Betriebslaut-

ursprünglichen Prinzip zufolge zwei übereinander angeordnete

stärke aus.

Kolben, die durch versetzt an einem Schwungrad angebrachte

Zahlreiche

Ingenieure

began-

Pleuel miteinander in Verbindung stehen: Zunächst wird das

nen, Heißluftmaschinen nach dem

Arbeitsgas im unteren Teil des Zylinders erhitzt. Der steigende

Stirling-Prinzip zu bauen, so etwa

Druck presst den Arbeitskolben nach oben und treibt über des-

der schwedische Ingenieur John

sen Pleuel das Schwungrad an. Über den anderen Pleuel wird

Ericsson, der anstelle eines geschlos-

der Verdrängerkolben nach unten bewegt, so dass die erhitzte

senen

Luft an diesem vorbei in den gekühlten Bereich strömt. Durch

einem offenen System arbeitete.

das Abkühlen sinkt der Druck, so dass der Arbeitskolben wie-

Die größte Verbreitung erlebten die

der in seine Ausgangslage zurückkehrt und dabei über das

Heißluftmaschinen zwischen 1860

Schwungrad den Verdrängerkolben in die Höhe bewegt. Das

und in den ersten zwei Jahrzehnten

gekühlte Gas strömt wieder nach unten und der Zyklus kann

des 20. Jahrhunderts. Sie wurden vor

von vorn beginnen. Aufgrund der temperaturbedingten Volu-

allem in der Landwirtschaft und in

menänderung des Arbeitsgases wird in ständiger Bewegung

Kleinbetrieben genutzt sowie bei-

der Kolben mechanische Energie erzeugt. Vom physikalischen

spielsweise für den Antrieb von Ven-

Prinzip her kann ein sehr hoher Wirkungsgrad erzielt werden,

tilatoren in Privathaushalten.

Arbeitsgas-Kreislaufes

mit

wobei sich auf diesen allerdings der konstruktionsbedingte

Ab 1937 wandten sich diverse

Totraum nachteilig auswirkt – ein Bereich, der keine thermo-

Unternehmen der Erforschung von

dynamische und damit leistungssteigernde Funktion erfüllt.

Stirling-Motoren zu. Ziel war es zu-

08

der Spezialist

Dieses Bild zeigt mutmaßlich Robert Stirling, der am 25. Oktober 1790 im schottischen Cloag bei Methvin geboren wurde. 1816 wurde er zum presbyterianischen Priester geweiht. 1819 heiratete Stirling Jean Rankin, mit der er sieben Kinder hatte. Bis 1840 arbeitete er zusammen mit seinem Bruder James an verbesser ten Versionen seiner Heißluftmaschine. Stirling starb am 6. Juni 1878 in Galston.


HISTORY

nächst, den Betrieb von für den Export bestimmten Radios auch in Gebieten ohne Stromversorgung zu ermöglichen. Bald schon konnte auch die PS-Leistung der Stirling-Motoren signifikant erhöht werden. Das Stirling-Prinzip wurde darüber hinaus auf einen neuen Anwendungsbereich, den der Kühlung, übertragen: Statt Wärme zuzuführen und so Bewegungsenergie zu erzeugen, wird demnach Bewegungsenergie zugeführt, um warme Luft abzukühlen. Die erzielten Erfolge ließen weitere Industrieunternehmen aufhorchen.

WILLIAM BEAL ENTWICKELTE DAS PRINZIP DES STIRLINGMOTORS ENTSCHEIDEND WEITER So wurden unter anderem Generatoren für militärische Anwendungen und Antriebe für U-Boote entwickelt. Ein weiterer wichtiger Schritt bestand Anfang der 1960er Jahre in der

› 04

Erfindung des Freikolben-Stirling durch den amerikanischen Mechanikprofessor William Beal, der das Problem der anfälligen mechanischen Verbindung der Kolben löste. Im Freikolbenmotor wirkt das zwischen Arbeits- und Verdrängerkolben eingeschlossene Gas quasi als pneumatische Feder zur Kopp-

und vor allem einen entscheidenden

›04

lung der beiden Kolben. Mehrere Autokonzerne versuchten, die

Nachteil hatten: Sie ließen sich nicht

Technik bald auch für Fahrzeuge nutzbar zu machen. In den

ohne Vorwärmphase starten.

Moderne Dish-StirlingAnlagen nutzen das Funktionsprinzip des StirlingMotors. Sie verwenden Solarenergie als Wärmequelle, indem sie diese auf einen Punkt fokussieren.

1970er Jahren entstanden Prototypen, die mit Benzin, Diesel

In den vergangenen Jahrzehnten

und auch mit Alkohol betrieben werden konnten. Auf Grund

haben Stirling-Motoren in der Kraft-

der hohen Effizienz der Stirling-Motoren war ihr Verbrauch

Wärme-Koppelung und in kleinen

vergleichsweise gering. Dennoch erreichten sie letztlich keine

Blockheizkraftwerken an Bedeutung

Marktreife, weil die Motoren zu schwer und zu teuer waren

gewonnen. Ebenso finden sie als solarthermische Anlagen Verwendung: So genannte Dish-Stirling-Anlagen nutzen die Wärme der Sonnenstrah-

›03

lung mittels einer Parabolschüssel

Diese Feuerspritze wurde 1828 vom schwedischen Ingenieur John Ericsson entwickelt. Sie wird von einem Heißluftmotor angetrieben.

(Dish) und einem nahe am Brennpunkt installierten Stirling-Motor mit angekoppeltem Generator, um Strom zu gewinnen.

› 03 der Spezialist

09


IM FOKUS

Ebbe und Flut – energielieferanten der zukunft Pläne für die Nutzung von Strömungs- und Wellenenergie gibt es bereits seit längerem. Doch erst in den vergangenen zehn Jahren wurden effektive Anlagen konzipiert, die helfen könnten, die Reserven fossiler Energieträger zu schonen. TEXT › Anja Gleber

Die Ursprünge der Strömungskraftwerkstechno-

meist nur in einer Strömungsrichtung betrieben,

›05

logie mit frei umströmten Rotoren reichen zurück

weil vermieden werden sollte, dass der einzelne

bis in die 70er Jahre. Damals begann man, erneu-

Rotor durch die starken Verwirbelungen hinter

erbare Energiesysteme für Entwicklungsländer

dem Stahlturm Schaden nimmt. Die neue Anord-

zu entwerfen. In diesem Kontext entstand eine

nung der zwei Rotoren mit 16 Metern Durchmes-

Strömungsturbine, die die Strömung des Nils mit

ser an beiden Seiten des Verankerungsstahlturms

einem Unterwasserrotor aufnahm, um mit der so

optimiert den Betrieb der Rotoren bei Flut- als

gewonnenen Energie eine Bewässerungspumpe

auch bei Ebbestrom.

Vor der Küste nördlich von Devon in England soll der weltweit erste kommerzielle Meeresströmungsenergiepark entstehen. Die bis zu zehn Anlagen können eine Leistung von bis zu ca. zehn MW erzeugen.

zu betreiben.

Ohnehin war es eine der größten Herausforderungen, einen Rotor zu schaffen, der zum einen

STRÖMUNGSKRAFTWERKE ALS ALTERNATIVE ZUR HERKÖMMLICHEN STROMPRODUKTION

den starken Kräften unter Wasser standhält und zum anderen die Strömungsleistung unter Offshore-Bedingungen in mehrere hundert Kilowatt

Das technische Prinzip der Energiegewinnung

umwandeln kann. Die Tidenströmung in der nor-

ist seither das gleiche geblieben, doch die techni-

dirischen Meeresenge erreicht durch die Konzen-

schen Anforderungen haben sich massiv gewan-

tration der Wassermassen in 20 bis 30 Metern

delt, seit die Potenziale von Strömungskraftwer-

Wassertiefe eine Geschwindigkeit von bis zu

ken für die wirtschaftliche Stromerzeugung als

3,5 Metern pro Sekunde. Aufgrund der 800-mal

Alternative zu fossilen Energieträgern erkannt

höheren Dichte des Wassers gegenüber der Dichte

wurden. Anstelle von Flussströmungen werden

von Luft ist die Energieausbeute deutlich höher

heutzutage die gewaltigen Gezeitenströme der

als bei Windkraftwerken. Entsprechend hoch ist

Weltmeere genutzt.

die Anforderung an die mechanische Stabilität

Erste Erfolge auf dem Weg zur wirtschaftli-

der Anlage: 18 Meter tief wurde das drei Meter

chen Nutzung dieser Energiegewinnungsvariante

starke und 50 Meter hohe Turmrohr in einem

verzeichnet die deutsch-britische Pilotanlage

mit Stahl verstärkten Sockel verankert. Der Rotor

„SeaGen“, die im Sommer 2006 in der Meerenge

besteht aus einer Mischung aus Kohlefaser und

bei Strangford Narrows an der nordirischen Küste

Stahl, die dem aggressiven Salzwasser langfristig

in Betrieb genommen wurde. Im Gegensatz zu sei-

trotzen soll. Für den beidseitigen Strömungsein-

nem Vorgängermodell „Seaflow“ verfügt SeaGen

satz können die Rotorblätter um 180 Grad verstellt

über zwei Rotoren, die jeweils eine 600-Kilowatt-

werden. Die Kontrolle des Blattanstellwinkels

Turbine antreiben. Die Seaflow-Anlage wurde

(Pitch Control) und des somit erwirkten Auftriebs

10

der Spezialist


› 05


IM FOKUS

›07

erlaubt zudem die Leistungsregelung bei unter-

Mit einer anvisierten Leistung von 2,5 Megawatt wird das Pelamis-Projekt den Energiebedarf von mehr als 1.500 Haushalten decken können.

schiedlichen Strömungsstärken. Bei kurzfristigen Turbulenzen erfolgt die Leistungsregelung hingegen durch Drehzahlvariation, so dass immer die maximal mögliche Leistung an das Stromnetz abgegeben wird.

DIE GENAUE VORHERSAGE DER GEZEITEN MACHT ENERGIEGEWINNUNG PLANBAR

› 07

Dank der optimierten SeaGen-Diagnose- und Monitoring-Technologie kann das Pitch Control System auch automatisch betrieben werden, ohne dass Personal diesen Prozess überwachen muss.

Nach ähnlichem Prinzip gestaltet sich auch die

Die erzeugte Energie wird schließlich über ein

Netzanbindung von „Pelamis“, dem weltweit

300 Meter langes Seekabel auf direktem Wege

ersten kommerziellen Wellenkraftwerk, das in

auf dem Meeresgrund einer Mittelspannungssta-

der rauen See der Orkney Islands vor der schotti-

tion zugeführt. Im Gegensatz zur Windenergie

schen Nordküste entwickelt und getestet wurde.

strömt das Meer nach festem zeitlichem Verlauf

Entscheidende Standortkriterien sind bei dieser

der Mondphasen. Ein hoher Grundlastanteil ist

Energiegewinnungsvariante neben der Wellen-

stets abgedeckt, da die Leistungswerte exakt bere-

höhe die Entfernung zur Netzanbindung auf dem

chen- und planbar sind.

Festland mit ausreichend verfügbarer Aufnahmekapazität. Dies hat zum einen Kostengründe, zum anderen muss bei weiten Distanzen der Stromleitung mit Übertragungsverlust gerechnet werden.

›06

Die für die Energiegewinnung optimale Wellen-

Durch ihre kompakte Bauweise können die SeaGen-Anlagen an vielen Standorten weltweit installiert werden – einzige Voraussetzung ist eine Strömungsgeschwindigkeit von mindestens 2,5 m/s bei einer Tiefe von 20 bis 30 Metern.

größe von sechs bis acht Metern im Abstand von sieben bis neuneinhalb Sekunden findet sich fünf bis zehn Kilometer vor dem Festland im Atlantik und Pazifik. Werden die Wellen größer, taucht die Anlage dank der flexiblen Verankerung am Meeresgrund unter den Wellen hindurch und wird somit unangreifbar für hohe Sturmwellen. Eine Kombination aus Gewichten und Schwimmkörpern verhilft den Verankerungskabeln, die Anlage in Position zu halten und dennoch genügend Spielraum für die Wellenspitzen zu lassen. Das Schutzsystem der Anlage ist gewissermaßen die schlangenähnliche Bauweise. Die jüngste Anlagentechnologie schließt zudem ein System ein, das im Notfall die

› 06

Verankerung lösen kann, um eine Zerstörung zu vermeiden. Jede 120 Meter lange Seeschlange, so die Übersetzung des griechischen Namens Pela-

12

der Spezialist


IM FOKUS

mis, besteht aus vier verbundenen Stahlzylindern

zurückzuführen, nur standardmäßig erhältliche

von dreieinhalb Metern Durchmesser, die auf den

Materialien und Komponenten zu verwenden.

Wellen schaukeln. In den Gelenken befinden sich

Wie schon ihr Name sagt, produzieren Wellen

Hydraulikpumpzylinder. Durch die Bewegung

an jedem Gelenk einen diskontinuierlichen Leis-

auf den Wellen wird biologisch abbaubares Öl

tungsinput. Um dennoch einen konstanten Output

als Arbeitsflüssigkeit mit Hochdruck von bis zu

zu generieren, speichert Pelamis die anfallenden

350 bar durch Röhren mit integrierten Turbinen

Energieschübe in einem hydraulischen Speicher

und Generatoren in die Ausgleichszylinder ge-

zwischen. Bei Überschreiten der maximalen Leis-

drückt. Das Öl treibt in jedem der drei Module

tungswerte wird die Mehrbelastung automatisch

einen Hydraulikgenerator an, der eine Leistung

heruntergeregelt. Nach Berücksichtigung aller

von 250 Kilowatt erbringt. Mit Hilfe der Veranke-

Eventualitäten und diverse Prototypen später hat

rung richtet sich Pelamis immer quer zum Wellen-

Pelamis mittlerweile Marktreife erlangt. Im Som-

kamm aus. Um die Formgebung zu erleichtern,

mer 2006 wurde nach acht Jahren Forschungsar-

wurde Stahl als Arbeitsmedium gewählt. Sowohl

beit eine erste Wellenkraftwerksfarm mit einer

Modifizierungen als auch Reparaturen können

Nennleistung von 2,5 Megawatt vor der portugie-

auf diese Weise unkomplizierter vorgenommen

sischen Küste installiert.

›08 Um eine ideale Ausbeute der Wellenergie zu garantieren, wird die Pelamis-Anlage in einer Entfernung von fünf bis zehn Kilometern vor der Küste verankert.

werden. Die Entscheidung für Öl als Hydraulikflüssigkeit ist auf die Philosophie der Entwickler

› 08 der Spezialist

13


IM GESPRÄCH

klimaforscher wagen den blick in die zukunft Dr. Daniela Jacob hat sich der Erforschung der Erdatmosphäre verschrieben. Zusammen mit einem zehnköpfigen Team hat die Forscherin des Max-Planck-Instituts für Meteorologie eine detaillierte Studie zur Entwicklung des europäischen Klimas durchgeführt. INTERVIEW › Corinna Laubach

Der Spezialist: Frau Dr. Jacob, Sie beschäftigen

Jacob: Ja, unsere regionalen Klimaprojektionen

sich seit Jahren mit Klimaänderungen. Wie wird

sind in die globalen Berechnungen eingebettet.

sich das Klima hierzulande verändern?

Für Deutschland können wir generell sagen, dass sich die Jahresmitteltemperatur bis zum Jahr 2100

Dr. Daniela Jacob: Das Klima kann man nicht so

zwischen 2,5 Grad Celsius bei einem moderaten

einfach vorhersagen. Grundsätzlich ist es so, dass

Anstieg der Treibhausgase und 3,5 Grad bei einem

alle Aussagen, die über die Wettervorhersage

starken Anstieg erwärmen kann. Dies führt zu

hinausgehen, von uns als Szenarien oder Projek-

Veränderungen im Niederschlagsgeschehen. Im

tionen bezeichnet werden. Die klimatische Ent-

Winter kann durch die warmen Temperaturen

wicklung in der Zukunft ist stark abhängig von

nicht mehr so viel Schnee fallen, so dass die im

mehreren Faktoren, wie zum Beispiel veränderten

Schnee gespeicherte Wassermenge im Frühsom-

Treibhausgasen in der Atmosphäre, die an das

mer unter Umständen fehlen wird.

Weltwirtschaftswachstum und das Verhalten der Bevölkerung gekoppelt sind.

MEDITERRANE VERHÄLTNISSE SIND AUCH 2071 BIS 2100 NICHT ZU ERWARTEN

Der Spezialist: Worauf fußen diese Klimaszenarien?

Der Spezialist: Bekommen wir mediterrane Ver-

DR. DANIELA JACOB Die studierte Meteorologin ist seit 1993 im Bereich „Atmosphäre im Erdsystem“ am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie tätig. Gemeinsam mit einem ca. zehnköpfigen Team hat die 45-jährige Klimaforscherin die REMOStudie im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeitet.

hältnisse? Jacob: Basis der Klimaprojektionen ist die Entwicklung von Schadgasen. Wenn sich die chemische

Jacob: Mediterrane Verhältnisse bekommen wir

›09

Zusammensetzung der Atmosphäre verändert,

wahrscheinlich nicht. Es kann zwar in den Som-

dann hat dies Rückwirkung auf die Temperatur

mermonaten häufiger warme und trockene Perio-

und den Niederschlag. Der Umgang der Menschen

den geben, aber in den übrigen Jahreszeiten fällt

mit diesen Schadgasen schlägt sich unmittelbar

genug Niederschlag, um die Talsperren und Was-

auf das Klima nieder. Wir haben dazu drei globale

serspeicher wieder aufzufüllen, so dass der Boden

Die durchschnittliche Temperatur in den Wintermonaten wird in der Periode 2071 bis 2100 deutlich höher liegen als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990.

Klimaszenarien mit jeweils einem schwachen,

nicht wie im Mittelmeerraum austrocknen kann.

mittleren und starken Anstieg der Treibhausgase berechnet und diese auf Deutschland fokussiert.

Der Spezialist: Kann man regionale Unterschiede feststellen?

Der Spezialist: Ausgangsbasis sind also die globalen Berechnungen?

14

der Spezialist


DURCHSCHNITTLICHE VERÄNDERUNG DER TEMPERATUR IN DEN WINTERMONATEN BIS ZUM JAHR 2100 2.5

2.75

3.0

3.25

3.5

3.75

4.0

4.25

4.5

4.75

5.0 [°C ]

Kiel + 3.5°

Schwerin + 3.5° Hamburg + 3.5°

Bremen + 3.5°

Hannover + 3.5° Berlin + 3.75° Potsdam + 3.75° Magdeburg + 3.75°

Düsseldorf + 3.25°

Erfurt + 4.0°

Dresden + 3.75°

Wiesbaden + 3.5° Mainz + 3.5° Praha + 4.0°

Saarbrücken + 3.5°

Stuttgart + 3.75°

München + 4.0°

› 09 der Spezialist

15


DURCHSCHNITTLICHE VERÄNDERUNG DER NIEDERSCHLAGSMENGE IN DEN WINTERMONATEN BIS ZUM JAHR 2100 <

- 50

- 30

- 20

- 10

-5

+5

+ 10

+ 20

+ 30

+ 50 [%]

Kiel + 20%

Schwerin + 20% Hamburg + 20%

Bremen + 20%

Hannover + 20% Berlin + 20% Potsdam + 20% Magdeburg + 10%

Düsseldorf + 10%

Erfurt + 20%

Dresden + 10%

Wiesbaden + 30% Mainz + 20% Praha + 30%

Saarbrücken + 20%

Stuttgart + 30%

München + 30%

› 10 16

der Spezialist


IM GESPRÄCH

Jacob: Vom Anstieg der Jahresmitteltemperatur

globale Klimamodelle berücksichtigen in ihren

ist der Süden, beginnend ab Hessen, mit über

Berechnungen nicht einzelne Regionen. Wir haben

drei Grad Celsius stärker betroffen als der Rest

sozusagen eine Lupe gebaut, die in die Regionen

Deutschlands. Im Voralpenraum können die Tem-

schauen kann.

peraturen sogar um mehr als vier Grad Celsius steigen. Norddeutschland hingegen erwärmt

Der Spezialist: Welche Schritte waren dafür vorab

sich in allen Szenarien um weniger als drei Grad

notwendig?

Celsius. Differenziert man nach den Jahreszeiten, steigen die Wintertemperaturen stärker an

Jacob: Wir haben acht Jahre darauf verwandt,

als die Sommertemperaturen. Damit verbunden

genauestens zu überprüfen, ob das, was wir

sind Niederschlagszunahmen im Winter um bis

für die Vergangenheit ausrechnen, mit den von

zu 25 Prozent an der Nordseeküste und im Schwarz-

den Wetterdiensten gemessenen Beobachtungen

wald. In den Sommermonaten kann hingegen zum

übereinstimmt. Grundlage waren hier die ermit-

›10

Ende dieses Jahrhunderts bundesweit der Nieder-

telten Wetterdaten von 1965 bis Mitte der 1990er

schlag abnehmen, im Oberrheingraben und in

Jahre. Erst danach, vor etwa fünf Jahren, haben

angrenzenden Regionen sogar bis zu 25 Prozent.

wir begonnen, den Blick in die Zukunft zu wagen.

Weniger Schnee und mehr Regen – die Aussichten für die Zukunft lassen die Hoffnungen auf weiße Weihnachten, zumindest im Norden Deutschlands, immer mehr schwinden.

Durch unsere Qualitätsgüte haben wir jetzt einen Der Spezialist: Sie sprachen bereits von weniger

internationalen Vorsprung vor den Kollegen

Schneefall …

erzielt. Momentan sind wir die Einzigen, die auf dieses Zehnkilometerraster schauen können.

IN ZUKUNFT WIRD DER WINTER WÄRMER Der Spezialist: Welche Parameter haben Sie Jacob: Durch die wärmeren Temperaturen im

berücksichtigt?

Winter wird es immer weniger schneesichere Regionen geben. Erste Auswertungen zeigen, dass

Jacob: Wir haben mit Hilfe des Computers am

die Anzahl der Tage mit mehr als drei Zentimetern

Deutschen Klimarechenzentrum die gesamte

Schneedecke im Sauerland oder auch im Voralpen-

Strömung in der Atmosphäre berechnet. Also

land um deutlich mehr als die Hälfte abnehmen

unter anderem verschiedene Temperaturen in

kann. Trotz allem wird es auch in Zukunft sowohl

unterschiedlichen Höhen, Niederschlag, Druck,

warme, schneearme als auch kalte, schneereiche

Windgeschwindigkeit, Sonnenscheindauer und

Winter geben. Die Variabilität von Jahr zu Jahr

Wolkenbedeckungsgrad. Hinzu kommen folgende

wird also ähnlich sein wie heute.

Eingabeparameter: Das Modell kennt die Erdoberfläche und weiß, welche Flächen mit Wald bedeckt

Der Spezialist: Durch Ihr neues kleinmaschiges

sind oder wo sich Städte befinden. Darüber hin-

Klimamodell mit regionalen Fenstern von zehn

aus berechnen wir noch den Erdboden bis in zehn

mal zehn Kilometern haben Sie erstmals detail-

Metern Tiefe. In diesem Bereich messen wir Tem-

lierte Daten erhalten. Seit wann forschen Sie an

peraturen in verschiedenen Schichten sowie den

dem Projekt?

Wassergehalt im Boden.

Jacob: Angefangen zu forschen haben wir bereits

Der Spezialist: Wie zuverlässig ist die errechnete

1993. Auslöser war die gezielte Nachfrage der

Zeitspanne bis zum Jahr 2100?

Regionen nach präzisen Daten zum Klimawandel und zu den Auswirkungen. Die Rechner für

der Spezialist

17


IM GESPRÄCH

Jacob: Wir haben keine Vorhersagen für bestimmte Tage in der Zukunft gemacht. Es bleibt eine Berechnung für eine mögliche Klimaentwicklung in den kommenden 100 Jahren. Für die Güte des Modells haben wir gesorgt, doch auf die zukünftige Konzentration der Treibhausgase haben wir keinen Einfluss. Gleiches gilt für große Vulkanausbrüche, die für Jahre die Zusammensetzung der Atmosphäre ändern können. Der Spezialist: Also spricht man von Wahrscheinlichkeiten …

DIE KLEINMASCHIGKEIT DES MODELLS ERMÖGLICHT DETAILLIERTERE PROJEKTIONEN

› 11

Jacob: Leider können wir im Moment noch keine konkreten Wahrscheinlichkeiten angeben. Aber die Bandbreite, die wir in der Temperaturentwicklung angeben, fußt auf einer soliden Berechnung. Die Ergebnisse anderer Modelle geben unseren

hat großes Interesse an den Daten; beispielsweise

›11

Berechnungen Recht. Derzeit variieren die Resul-

um zu wissen, welches Getreide man künftig in

tate in Europa allein in der Höhe des Tempera-

Sachsen anbauen muss, wenn sich Temperatur

turanstiegs; die Richtung des Trends ist bei allen

und Niederschlag ändern.

Die Karte (hier aus nördlicher Sicht) zeigt die Zunahme der durchschnittlichen Temperatur in Europa um bis zu 3,5 °C. Diese Entwicklung ist für eine Vielzahl von Wirtschaftszweigen relevant, wie z. B. Tourismus, Binnenschifffahrt und Landwirtschaft.

Modellen gleich. Der klare Vorteil unseres Modells liegt in der Kleinmaschigkeit. Bisher war es nicht

Der Spezialist: Sind Ihre Forschungen mit diesen

möglich, Projektionen für kleinere Regionen wie

Ergebnissen abgeschlossen?

z. B. den Schwarzwald, die Magdeburger Börde oder auch die Eifel zu entwerfen, da diese mit

Jacob: Momentan laufen vorrangig die Auswer-

Maschenweiten von 50 bis 100 Kilometern nicht

tungen. Gleichzeitig versuchen wir weitere Simu-

erfasst werden konnten.

lationen zu machen, um ausreichend Modellrechnungen für eine saubere Statistik zu haben und

Der Spezialist: Für wen sind die Ergebnisse inte-

Wahrscheinlichkeiten angeben zu können. Die

ressant?

Natur ist kein lineares System, wir brauchen für gute Prognosen mehr Ergebnisse.

Jacob: Ich denke, sie sind vielfach von Interesse. Ein Bereich ist beispielsweise die Binnenschiff-

Der Spezialist: Frau Dr. Jacob, wir danken für das

fahrt. Hier will man wissen, wie es sich mit Nied-

Gespräch.

rigwasserperioden in der Zukunft verhält. Ein weiterer Bereich ist die Tourismusindustrie, die sich natürlich auf zukünftige Wetterbedingungen einstellen muss. Aber auch die Agrarwirtschaft

18

der Spezialist


technische projekte

Eingebauter Datenschutz Bei der Entwicklung und Optimierung von Lesegeräten für bargeldlosen Zahlungsverkehr müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, damit diese Geräte sicher und einwandfrei funktionieren. Andreas Mörth unterstützt als Projektmitarbeiter die Thales e-Transactions GmbH.

INTERVIEW › Marco Heinen

Bei der Tätigkeit des Ingenieurs Andreas Mörth

hessischen Bad Hersfeld war ursprünglich einmal

geht es um Geld. Geld, das als Datensatz den Besit-

der Firmensitz der Zuse KG des Computerpioniers

zer wechselt. Der 33 Jahre alte Brunel-Hardware-

Konrad Zuse (siehe „Der Spezialist“ 05/2006).

Entwickler arbeitet zur Zeit bei der Thales e-Transactions GmbH in Bad Hersfeld, einem weltweit führenden Komplettanbieter von Systemlösun-

THALES IST EINER DER WELTWEIT FÜHRENDEN ANBIETER FÜR SYSTEMLÖSUNGEN

gen für die sichere elektronische Kartenzahlung. Der deutsche Firmenstandort mit seinen rund

Thales-Produkte begegnen uns überall dort, wo

130 Mitarbeitern gehört zum international agie-

elektronisches Bezahlen oder das Geldabheben

renden Thales-Konzern, der in 50 Ländern über

mittels Bank- oder Kreditkarte möglich ist, also an

60.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Standort im

Tankstellen, an Automaten, in Kaufhäusern oder

ANREAS MÖRTH Andreas Mörth (33) ist Spezialist für HardwareEntwicklung. Er studierte in Paderborn Elektrotechnik mit Spezialisierung auf Nachrichtentechnik und arbeitete im Anschluss daran am Max-PlanckInstitut für Aeronomie im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Seit März 2005 ist Andreas Mörth für Brunel bei der Thales e-Transactions GmbH tätig.

›12 Die modernen Bedienelemente müssen gegen eine Vielzahl von Einflüssen gewappnet sein, damit sie an ihrem Bestimmungsort jederzeit zuverlässig funktionieren.

› 12 der Spezialist

19


› 13 in Banken. Um die Kartenverarbeitung einfacher

fend: Die in Geldautomaten integrierten Karten-

›13

und flexibler gestalten zu können, werden ver-

leser bei Banken und Sparkassen verfügen über

mehrt Hybrid-Terminals eingesetzt, die sowohl

einen motorgetriebenen Einzug und Auswurf der

den Magnetstreifen als auch den auf den Plastik-

Karten, während dies im Handel oder an Tank-

karten implementierten Chip lesen können. Unge-

stellen nicht üblich ist. Hier sind meist Kartenle-

Kundenbedieneinheiten zur Eingabe der PIN an bargeldlosen Zahlungssystemen sind heute ein alltägliches Bild in nahezu jedem Geschäft.

achtet der hohen technischen Anforderungen, die

segeräte im Einsatz, die über ein Kabel mit einer

jedes Gerät erfüllen muss, bestehen marginale

Kommunikationsschnittstelle

Unterschiede den Einsatzort des Terminals betref-

und bewegt werden können. Kabellos wiederum

20

der Spezialist

verbunden

sind


technische projekte

funktionieren jene Kartenlesegeräte, die etwa in

überschreiten, etwa wenn die Person zuvor über

Restaurants an den Tisch gebracht werden oder

einen Kunstfaserteppich gelaufen ist.

bei der Polizei sowie beim Expresspaketdienst

In einem weiteren Teilprojekt analysierte

zum Einsatz kommen. Bei diesen mobilen Gerä-

Mörth Materialien, die in den Kartenlesegeräten

ten werden die Zugangsdaten verschlüsselt mit-

eingesetzt werden, um sensible Daten vor unbe-

tels Mobilfunkverbindung zum Autorisierungs-

fugtem Zugriff zu schützen. Bei versuchten Mani-

rechner gesendet. Die Anforderungen bezüglich

pulationen des Bezahlterminals wird im Gerät ein

Sicherheit, Bedienkomfort, Funktionalität und

Alarm auslöst und damit die Löschung der sensib-

Kommunikation sowie die technischen Standards

len Daten veranlasst. Außerdem arbeitet Mörth

werden laufend überwacht und regelmäßig an

an der Qualifizierung und Qualitätssicherung von

die neuesten Erfordernisse und Erkenntnisse

Komponenten und Bauteilen neuer Lieferanten,

angepasst.

die in den Thales-Terminals verarbeitet werden,

Im Bereich der hardwareseitigen Entwicklung

und er begleitete die Umsetzung der Direktive

von Bezahlterminals unterstützt Mörth verschie-

zur Vermeidung giftiger Substanzen in Elektro-

dene Teilprojekte, die gemeinsam in einem Team,

geräten („Restriction of Hazardous Substances“ –

bestehend aus mehreren Thales-Mitarbeitern, be-

RoHS). Diese EU-Richtlinie erfordert Änderungen

arbeitet werden. So beschäftigte sich der Inge-

bei der Auswahl der verwendeten Komponenten,

nieur in einem Projekt beispielsweise mit der

der Konstruktion und der Produktion, da beispiels-

Verbesserung des elektrostatischen Schutzes bei

weise im Reflowlötprozess keine bleihaltigen Lote

der Karteneingabe. Elektrostatische Aufladungen

verwendet werden dürfen.

von Karten bzw. Personen finden regelmäßig statt und bewegen sich in einer Größenordnung von bis zu 20 Kilovolt. Sie können diesen Wert auch

›14

› 02 › 14

Kundenwünsche werden jederzeit berücksichtigt – für Tchibo hat Thales das Hybrid-Terminal farblich passend zur Ladeneinrichtung gestaltet.

der Spezialist

21


technische projekte

Synergien für die Windkraft Deutschland ist Technologieführer bei Windkraftanlagen – an Land. Ruth Bley, Brunel GmbH, Dr. Uwe Ritschel, Windrad Engineering, und Reinhard Schürmann, Warnow Design, im Gespräch über Synergien, Potenziale und Entwicklungen bei der Offshore-Windenergie.

INTERVIEW › Daniel Günther

Der Spezialist: Frau Bley, Sie haben in Rostock ein

effizient durchgeführt werden kann. Hier ist die

›16

Kompetenznetzwerk für Offshore-Windenergie

Kooperation eine gute Möglichkeit, fachliche und

gegründet. Wie kam es dazu?

personelle Ressourcen für größere Aufträge zu

Ruth Bley war als Schiffbauingenieurin für verschiedene Werften in Mecklenburg-Vorpommern tätig, bevor sie vor sieben Jahren zu Brunel wechselte und die Niederlassung Rostock aufbaute. Sie ist Niederlassungsleiterin in Rostock und Key-AccountManagerin für den Bereich Schiffbau bei Brunel.

kombinieren und außerdem Synergieeffekte zu Ruth Bley: Als Niederlassungsleiterin der Brunel

schaffen.

GmbH in Rostock habe ich immer ein Interesse, neue Märkte zu erschließen. Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern viele kleine Unternehmen, die

BRUNEL BÜNDELT DIE KOMPETENZEN UND UNTERSTÜTZT DIE UMSETZUNG

auf bestimmte Teilbereiche der Windenergietechnologie spezialisiert sind. Meine Idee war,

Reinhard Schürmann: Unser Kompetenzbereich

die Kompetenzen verschiedener Disziplinen zu

ist der Stahl bau – sowohl für Gründungsstruktu-

bündeln, um Offshore-Windenergieprojekte „aus

ren und Türme als auch für schwimmende oder

einer Hand“ abwickeln zu können. Brunel ver-

fest installierte Plattformen. Dazu gehören Ent-

fügt über das nötige internationale Netzwerk,

wurf und Berechnung sowie Konstruktion und

über die Akquisestärke sowie über Kompe-

Werkstattzeichnungen bis hin zur Baubetreuung.

tenzen im Bereich Konstruktion, um große Auf-

In Brunel sehen wir einen starken Partner, der

träge gewinnen und abwickeln zu können. Da

die verschiedenen Kompetenzen bündelt und die

die internationale Nachfrage nach Offshore-

Umsetzung unterstützt.

Windkrafttechnologien steigt, stieß ich auf Zuspruch. Mit den Unternehmen Warnow Design und Windrad Engineering konnte ich erste Kompetenzpartner gewinnen, die den Willen haben, etwas Neues anzupacken und umzusetzen.

›15

Der Spezialist: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Kooperation? Dr. Uwe Ritschel: Da Windenergie ein multidisziplinäres Gebiet darstellt, ist es schwierig, aus eigener Kraft ein Team aufzubauen, mit dem eine Komplettentwicklung einer Windenergieanlage

22

der Spezialist

› 15

Die Offshore-Anlagen stehen auf Pfahlgründungen, so genannten Monopiles. Um eine feste Plattform zu schaffen, auf die der Turm geschraubt werden kann, wurde hier ein 33 Meter langes Rohr bis zu 24 Meter tief in den Meeresgrund gerammt.


› 16


technische projekte

›17 Die Offshore-Windkraft immer im Blick: Reinhard Schürmann, Ruth Bley und Dr. Uwe Ritschel (v. l. n. r.) im Gespräch.

› 17 Der Spezialist: Ist das Netzwerk offen für weitere

britanniens und Irlands mehr als 300 Offshore-

Partner?

Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 700 Megawatt. In Deutschland sind bisher über 40

Bley: Ja, wir wollen beispielsweise eng mit der

Projekte für die Nord- und Ostsee beantragt, aber

Wissenschaft kooperieren, um neueste Erkennt-

lediglich zwei Anlagen sind bereits installiert.

nisse in Projekte einfließen zu lassen. So arbeiten wir etwa mit dem Institut für Stahlbau der Leibniz

Der Spezialist: Gibt es einen Nachfrage-Trend für

Universität Hannover zusammen, die speziell in

Windkrafttechnologien?

diesem Bereich ausbildet. Zudem wollen wir Kontakte zu anderen Ländern im Ostseeraum knüpfen,

Dr. Ritschel: Die meisten Anlagen werden derzeit

um dort zukünftig Partnerschaften aufzubauen.

noch in Europa errichtet, gefolgt von Nordamerika und Indien. Für Europa und Nordamerika sind

DIE WELTWEIT MEISTEN WINDKRAFTANLAGEN STEHEN IN DEUTSCHLAND

Anlagen mit einer Leistung um zwei Megawatt gefragt. In Indien wie auch in China wird meist noch mit etwas kleineren Anlagen im Bereich von

Der Spezialist: Wie steht es um die Windenergie

einem bis 1,5 Megawatt geplant. Aber auch für

in Deutschland und international?

kleinere Anlagen mit wenigen 100 Kilowatt Leistung gibt es beispielsweise in Indien noch einen

Bley: Wir sind nach wie vor Technologieführer

Markt.

und die meisten Windkraftanlagen an Land stehen in der Bundesrepublik. Aber im Offshore-Sek-

Der Spezialist: Welche Weiterentwicklungen hat

tor hinken die Deutschen hinterher. Derzeit gibt

es in den letzten Jahren gegeben?

es vor den Küsten Dänemarks, Schwedens, Groß-

24

der Spezialist


technische projekte

Dr. Ritschel: Seit den 90er Jahren wurde die Wind-

aufgrund des Erfahrungsmangels zum Teil unnö-

krafttechnologie hauptsächlich in Dänemark und

tig hohe Sicherheitsbestimmungen für Offshore-

Deutschland schrittweise weiterentwickelt – von

Windanlagen. Durch intensive Forschungen auf

damals 100 Kilowatt auf heute bis zu fünf Mega-

den Gebieten der Umweltbedingungen und der

watt Leistung. Dabei sammelte man Erfahrungen

Modellierung sind diese heute zunehmend an

mit der Strukturdynamik der Anlagen und den

realistische Bedingungen angepasst. Dies ist ein

daraus resultierenden Lasten. Die Vorausberech-

wichtiger Beitrag, um Offshore-Windenergie ren-

nung dieser Dynamik durch Computersimulation

tabel zu machen. Zudem gibt es mittlerweile sehr

ist heute ein wichtiger Teil der Entwicklungsar-

differenzierte internationale Standards für die

beit. Bei den Rotorblättern werden heute leichtere

Auslegung von Offshore-Windenergieanlagen.

Materialien wie glasfaser- oder kohlefaserver-

OFFSHORE-ANLAGEN MÜSSEN BESONDERS HOHEN BELASTUNGEN STANDHALTEN

stärkte Kunststoffe eingesetzt. Schürmann: Die Offshore-Windenergie ist eine ingenieurtechnische

Neben

Der Spezialist: Worin bestehen die wesentlichen

den Erfahrungen bei Onshore-Anlagen bauen die

Herausforderung.

Unterschiede zwischen Onshore- und Offshore-

neuen Technologien auf das Wissen aus der Off-

Windkraftanlagen?

›18 Die Rotoren der mittlerweile in Horns Reeft vor Dänemark im Einsatz befindlichen Windkraftanlagen haben einen Durchmesser von 80 Metern.

shore-Erdölförderung auf. Von Beginn an gab es

› 18 der Spezialist

25


› 19 ›19

Schürmann: In der Fundamentierung. Neben Wel-

Dr. Ritschel: Onshore werden die derzeit in Erpro-

Die Windgeschwindigkeit in den meisten Küstengewässern, wie hier in Scroby Sands vor der Küste Englands, beträgt im Jahresmittel zwischen 9 und 10,5 Metern pro Sekunde.

len- und Eislasten müssen Offshore-Anlagen der

bung befindlichen Großanlagen mit beispiels-

Dynamik der langen Türme aufgrund der großen

weise fünf Megawatt Leistung wegen der damit

Wassertiefen sowie dem hohen Lastangriffspunkt

verbundenen Transportprobleme eher unwirt-

des Windes standhalten. Die Bodenbeschaffen-

schaftlich sein. Im Meer dagegen sind die Anlagen

heit ist dabei ein entscheidender Faktor. In Abhän-

wegen der aufwändigen Fundamentierung erst

gigkeit des Standortes gibt es eine Vielzahl unter-

ab dieser Größe wirtschaftlich. Außerdem sind

schiedlicher Gründungsstrukturen.

eine genaue Fernüberwachung und Fehlerdia-

26

der Spezialist


technische projekte

gnose nötig, da die Offshore-Anlagen wesentlich schwerer zugänglich sind als diejenigen an Land. Der Spezialist: Welches sind die größten technischen Herausforderung der Windenergie-Technologien an Land und auf dem Wasser? Dr. Ritschel: Spannend wird die Arbeit immer dann, wenn die Theorie und die Praxis nicht übereinstimmen. Wenn beispielsweise Schwingungen an Anlagen auftreten, die nicht vorhergesagt

› 21

wurden. In solchen Fällen führen wir Messungen an den Anlagen durch und müssen den Platz am Schreibtisch gegen einen in der Gondel oder in der Nabe in 80 Meter Höhe tauschen. Manchmal ist eine regelrechte Detektivarbeit nötig, um der

zu Wind und Wellen nur getrennt vor. Aber wie

›21

Sache auf den Grund zu gehen.

wirken sie gemeinsam? Ähnlich sieht es mit dem

Dr. Uwe Ritschel ist Physiker. Er war an verschiedenen Universitäten in der Forschung tätig, bevor er im Jahre 2000 zum Windenergieanlagen-Hersteller Nordex wechselte. 2002 gründete er die Windrad Engineering GmbH.

Boden- und Strömungsverhalten um die Grün-

TESTANLAGEN LIEFERN DEN FORSCHERN DEN NOTWENDIGEN ERFAHRUNGSSCHATZ

dungsstruktur herum aus. Wie kann hier etwa die Lebensdauer von Schweißverbindungen erhöht werden? Auch in diesem Bereich werden die For-

Schürmann: Die größte Herausforderung sehen

schung und die Auswertung von Testanlagen den

wir darin, Offshore-Windenergie rentabel zu

notwendigen Erfahrungsschatz liefern, der eine

machen. Rentabel heißt für uns, sichere Grün-

ständige Verbesserung ermöglicht.

dungsstrukturen zu entwerfen und gleichzeitig die Erstellungskosten zu minimieren. Dazu bedarf

Der Spezialist: Wie sieht die Zukunft der Wind-

es der interdisziplinären Zusammenarbeit aller

krafttechnologie aus?

Beteiligten. Außerdem wird die Forschung den Bau der Offshore-Windparks noch lange begleiten

Dr. Ritschel: Besonders wichtig für die Zukunft

›20

müssen. Derzeit liegen beispielsweise Gutachten

ist die Schaffung einer für die Windenergie bes-

Reinhard Schürmann ist seit 2003 bei der Firma Warnow Design als Teamleiter für den Bereich Offshore-/Onshore-Windenergie zuständig. Der Statiker sammelte bei seiner vorherigen Tätigkeit für die Warnow Werft vielfältige Erfahrungen im Offshore-Bereich zum Beispiel bei Entwurf und Bau der Halbtaucherplattform Stena Don.

ser geeigneten Energie-Infrastruktur. Das heißt, Netze und Regelmechanismen müssen entsprechend ausgelegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn in Zukunft größere Offshore-Windparks an das Netz gehen sollen. Die Windenergie kann bei intelligenter Einbindung in ein großflächiges Energieversorgungsnetz einen erheblichen Teil des Energiebedarfs decken. Zielsetzung der European Wind Energy Association zum Beispiel ist es, in Europa bis 2030 einen Anteil von 23 Pro-

› 20

zent zu erreichen. Auch die EU-Kommission geht im aktuellen Energieszenario von einem Anteil von immerhin 12 Prozent an Windstrom aus.

der Spezialist

27


› 22


AUS DEN BRANCHEN

Weniger Störimpulse durch Nanotechnologie Damit elektrische Geräte sich nicht gegenseitig beeinflussen, muss die elektromagnetische Strahlung von Bauteilen abgeschirmt werden. Eine Lösung stellt der Nanowerkstoff EMISONIX dar, der zudem auch noch schall- und feuerhemmend ist. INTERVIEW › Torsten Hansen

Spätestens seit der öffentlich geführten Diskus-

somit möglicherweise falsche Diagnosewerte lie-

sion über die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit

fern. Zum Schutz vor derartigen Störungen gibt es

von

bei

schützende Substanzen, so genannte EMV-Materi-

Mobiltelefonen ist der Begriff der „Elektromag-

elektromagnetischen

Abstrahlungen

alien. Doch hatten diese Materialien bislang zwei

netischen Verträglichkeit“, kurz EMV, auch in das

schwer wiegende Nachteile: Sie waren unver-

Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Doch

hältnismäßig schwer und zudem starr – für die

während das „Handy-Problem“ publikumswirk-

praktische Nutzung bestenfalls ein Notbehelf. Der

sam in den Medien verarbeitet wird, beschäftigt

Brunel IMG GmbH im thüringischen Nordhausen

die Frage der EMV, von der Öffentlichkeit weitest-

gelang es, mit dem Material EMISONIX genau

gehend unbeachtet, vor allem Wissenschaftler

diese Probleme zu lösen.

und Techniker. Denn nicht nur Mobiltelefone sondern elektromagnetische Strahlungen ab, sondern vielmehr jedes Stromkabel, jede Datenleitung

MIT EMISONIX REVOLUTIONIERT BRUNEL IMG GMBH DEN MARKT DER EMV-MATERIALIEN

und nicht zu vergessen jeder Funksender. Während es für die Politik hauptsächlich von

„Wenn man von EMV-Materialien spricht, muss

›22

Interesse ist, die verschiedenen Strahlungen auf

man grundsätzlich zwischen Volumenmateria-

ein für die Gesundheit unbedenkliches Maß zu

lien und EMV-Nanomaterialien unterscheiden“,

reduzieren, beschäftigt die Forschung ein anderes

erläutert hierzu Dr. Frank Gräbner, Laborleiter für

Problem: die gegenseitige Beeinflussung und Stö-

den Bereich EMV-Technik und Nanomaterialien

Hier präsentiert sich kein abstraktes Kunstwerk, sondern das strahlenabsorbierende Volumenmaterial EMISONIX.

rung von elektronischen Apparaten und Anlagen

bei der Brunel IMG GmbH. „Volumenmaterialien

durch elektromagnetische Strahlung.

sind Stoffe mit Bulk-Eigenschaften zur allgemei-

Die Reichweite der Problematik erleben Flug-

nen Dämpfung der Niederfrequenzeffekte, der

reisende vor jedem Start: Die eindringliche Auf-

Hochfrequenzfunkstöreffekte und der Energie-

forderung an die Passagiere, ihre Mobiltelefone

umwandlung von Störimpulsen“, fährt Dr. Gräb-

abzuschalten, schließt die Gefahr aus, dass die

ner fort. Das heißt, dass mit Hilfe von Masse die

Strahlung die hochempfindlichen Instrumente

Übertragung, die Reflexion sowie die Aussen-

des Flugzeuges beeinflusst. Ähnliche Risiken

dung schädlicher elektromagnetischer Strahlung

finden sich in Krankenhäusern: Die Messgeräte

gedämmt wird. EMV-Nanomaterialien bestehen

des einen Patienten können elektromagnetische

hingegen aus winzig kleinen Kristalliten mit

Strahlung absondern, die wiederum die Monitore

Durchmessern von weniger als 50 Nanometern,

und Sensoren des Bettnachbarn beeinflussen und

was eine höhere Flexibilität und Beweglichkeit des

der Spezialist

29


AUS DEN BRANCHEN

EMV-MESSUNGEN DURCH BRUNEL IMG Das EMV-Labor der Brunel IMG kann folgende Messungen für die CE-Zertifizierung von Geräten, Anlagen und Baugruppen realisieren: * * * * * * * * * *

Vor-Ort-EMV-Messung EMV-Motormessungen EMI-Störaussendung im Absorberraum Netzoberwellen-/Flickermessungen Burst (niederenergetischer Impuls auf der Leitung) elektrostatische Entladung, Surge-Impulse Hochfrequenzstrahlung im Absorberraum Kfz-Impulse EMV-Entstörungen andere Normmessungen

In diesem Jahr wird das EMV-Labor die amtliche Anerkennung beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Dresden erhalten.

› 23

›23

Materials bei gleicher Absorptionskraft zur Folge

quenzbereiche sowie im UMTS-Bereich. Es besitzt

Beim Sputtern wird zuerst durch ein hochfrequentes Feld ein Gasplasma erzeugt. In einem aufwändigen Verfahren setzt sich das Targetmaterial auf dem Substrat ab und bildet so eine Beschichtung.

hat. Von daher lässt sich die EMV-Nanobeschich-

kaum Gewicht und weist nur eine geringe Dicke

tung platzsparend auch auf Folie auftragen.

im Nanometerbereich auf. Bundesweit ist kein

30

der Spezialist

Entsprechend diesen Besonderheiten wandeln

Vergleichsmaterial bekannt.“

beide Varianten der genannten EMV-EMISONIX-

Zum Einsatz kommen die innovativen EMV-

Materialien jede Form von parasitären Funkstör-

Materialien unter dem Namen EMISONIX bereits

energien in andere Energieformen um. Dadurch

in der Medizintechnik. Beim Bau von Schienen-

kann sich die Funkstörung nicht mehr ausbreiten

fahrzeugen werden sie außerdem als Bestandteil

und elektrische/elektronische Geräte oder Anla-

der Abdeckhauben des ebenfalls von Brunel IMG

gen stören.

entwickelten Diesel-Hybrid-Antriebes im Hybrid-

Es würde dem in Thüringen entwickelten Ma-

schienenfahrzeug „Combino Duo“ verwendet. Die

terial allerdings nicht gerecht, seine Bedeutung

Nordhäuser Experten aus dem EMV-Labor blicken

ausschließlich auf den Schutz vor hoch- und nie-

auf eine zwölfjährige Erfahrung in der EMV-Mes-

derfrequenten Störungen zu beschränken: „EMI-

sung, Entstörung und Entwicklung von EMV-

SONIX ist ein Hybridmaterial, ausgelegt für eine

Materialien zurück. Auf die Frage, aus welchen

Frequenzbreite von 20 MHz bis 100 GHz. Es

Bestandteilen die EMV-Materialien bestehen, ver-

ist zudem schall- und feuerhemmend“, zählt

rät Laborleiter Gräbner nur so viel: „Es können

Dr. Frank Gräbner weitere Eigenschaften auf, die

resistive, magnetische, dielektrische oder hybride

unter anderem bei der Einhausung von Motoren

Materialien sein.“

von Bedeutung sind. Gleichzeitig verweist er auf

Ein besonderer Bereich des EMV-Labors ist der

ein weiteres Produkt aus den hauseigenen Nano-

mit der Erforschung der Dünnschichttechnologie

laboratorien: „Das magnetische EMV-Nanoma-

befasste Bereich Nanolabor. Eine Labor-Sputteran-

terial funktioniert bis in die neuen Wireless-Fre-

lage mit einer Leistung von 800 Watt bei einer Sub-


AUS DEN BRANCHEN

›24 Im Absorberraum, in einem elektromagnetischen Reinraum, werden elektromagnetische Interferenzmessungen und Suszeptibilitätsmessungen durchgeführt.

››ab 24 stratgröße von 100 x 100 Millimetern sowie einem

Bulk-Materialien versteht man hingegen Volu-

Targetdurchmesser von 100 Millimetern macht es

menmaterialien, deren besonders hohe Ab-

möglich, extrem dünne Beschichtungen als soge-

sorption durch die richtungsabhängige Aus-

nannte Kathodenbeschichtung herzustellen: Eine

richtung ihrer Kristalle hervorgerufen wird.

Oberfläche, „Target“ genannt, wird mit dem auf-

Aufgrund dieser Eigenschaften, so Dr. Gräbner,

zutragenden Material elektrochemisch „beschos-

ist es möglich, „die Schalldämmung in einer

sen“. Im Kundenauftrag werden hier sowohl EMV-

nach DIN genormten Messung der Schalldämm-

Beschichtungen als auch sonstige Beschichtun-

eigenschaften mit dem akustischen Verlustfaktor

gen jeglicher Art durchgeführt.

6,8 x 10-2 zu beschreiben.“ Im Vergleich erreichen gebräuchliche Schalldämmstoffe bisher nur

EMISONIX WIRD BEREITS ERFOLGREICH IN DER MEDIZINTECHNIK EINGESETZT

Werte bis zu 0,1 x 10-2. Der Effekt der Feuerhemmung lässt sich anhand des ISO-genormten „Sauerstoffindex“ von 32 bis 35 Prozent beschreiben.

Während EMISONIX bereits erfolgreich in der

Dieser besagt im vorliegenden Fall, dass erst bei

Praxis eingesetzt wird, geht unterdessen die

einem Sauerstoffgehalt von 32 bis 35 Prozent in

Forschungsarbeit an EMV-Materialien weiter:

der Umgebung, gegenüber einem Wert von circa

„Neben den EMV-Volumenmaterialien und den

21 Prozent unter normalen Bedingungen, eine

EMV-Nanomaterialien werden zurzeit die granu-

Entzündung stattfindet. Diese Anforderungen, so

laren Schichten bzw. hexagonale Bulk-Materia-

Dr. Frank Gräbner abschließend, sind durch die

lien betrachtet“, berichtet Gräbner. Granulare

Einmischung eines Spezialpulvers in eine neuar-

Schichten bestehen aus ungleichmäßigen Ver-

tige Kunststoffmatrix realisiert worden.

teilungen von Mikrostrukturen, die als „Kristalliten“ bezeichneten werden. Unter hexagonalen

www.brunel.de/img

der Spezialist

31


AUS DEN BRANCHEN

Erdölförderung aus 1.200 Metern Tiefe Um neue, ergiebige Erdölquellen zu erschließen, rücken auch schwer zugängliche Standorte in den Fokus der Unternehmen. Vor der Küste von Westafrika wird aktuell Erdöl aus einer Tiefe von 1.200 Metern gefördert. TEXT › Stefanie Gerber

Der weltweit steigende Erdölbedarf, zunehmende

bilität voraussetzt. „Was meine Arbeit sehr attrak-

Erschöpfung der Vorkommen, kleine Ölfelder und

tiv macht, ist die Tatsache, dass ich bereits in den

große Bohrtiefen stellen die heutigen Herausfor-

verschiedensten Ländern tätig war und dadurch

derungen für die Gas- und Ölindustrie dar. Not-

Land und Menschen kennen lernen konnte.“

wendig ist ein modernes Prozess- und Technologiemanagement, um Kosten zu verringern und den Erfolg durch innovative Technologien zu opti-

DIE K ARRIERE BEGANN MIT EINEM GROSSEN JOINT-VENTURE-PROJEKT: DEM EUROTUNNEL

mieren. Gegenwärtig stammt etwa ein Viertel der Welterdölförderung aus Offshore-Vorkommen in

Während Cheney heute schwerpunktmäßig in der

den Weltmeeren oder in größeren Binnengewäs-

Gas- und Ölindustrie tätig ist, begann sie ihre Lauf-

sern. Auf der Suche nach neuen Ressourcen dringt

bahn in der Industrie 1989 mit dem Joint-Venture-

die Offshore-Ölindustrie in bisher nicht erreichte

Projekt des Eurotunnels zwischen Großbritan-

Tiefen vor. Förderanlagen operieren bereits in Bereichen jenseits von 2.000 Metern. Im April 2006 gibt ein großer Ölkonzern bekannt, dass eine Tochtergesellschaft den För-

›25

derbetrieb von Erdöl circa 97 Kilometer vor der

Die Brunel-Spezialistin für Kostenmanagement von Großprojekten Frances Cheney beobachtet das Auslaufen eines fertiggestellten Förderschiffes.

nigerianischen Küste in 1.200 Metern Tiefe aufgenommen hat. Für die Verwirklichung eines solchen Mammutvorhabens kommen diverse Projektleitungsteams zum Einsatz, die nicht selten aus bis zu 100 Personen bestehen, sowie tausende Arbeiter. Auch Brunel Energy ist mit Spezialisten an diesem Projekt beteiligt. Eine von ihnen ist die gebürtige Britin Frances Cheney. Cheney, die in Cambridge Statistik studierte, ist heute Spezialistin in den Bereichen Projektmanagementplanung, Logistik und Controlling. An den verschiedensten Großprojekten hat sie bereits mitgewirkt, was gleichzeitig enorme örtliche sowie mentale Flexi-

32

der Spezialist

› 25


thema

› 26 nien und Frankreich. Für das mit der Konstruktion

Kostenentwicklung frühzeitig zu erkennen und

›26

auf englischer Seite beauftragte Unternehmen

rechtzeitig gegenzusteuern.“ Ihre vielseitigen

betreute sie den Controllingbereich, insbesondere

Erfahrungen haben Frances Cheney im Rahmen

die Kalkulation und Überprüfung der anfallenden

von Ölförderprojekten bereits nach Thailand, Aus-

Dieses FPSO-Ölförderschiff wurde speziell für den Einsatz im Tiefwasser konstruiert und gebaut.

Arbeitsstunden sowie das Kostenmanagement.

tralien, Norwegen, Schottland, in die Niederlande,

„Im Bereich der Kostenanalyse und des Kosten-

nach Singapur, Malaysia und in die USA geführt.

monitorings von Projekten besteht für mich

„Je größer das Projekt, desto wichtiger ist die

die große Kunst darin, negative Trends in der

Planung und Analyse bis ins kleinste Detail

der Spezialist

33


AUS DEN BRANCHEN

inklusive der entsprechenden Kommunikation

einzelnen Projektteams im Hinblick auf die erfor-

zwischen den einzelnen Teams“, so Frances Che-

derlichen Erfahrungen sowie die Dauer ihres Ein-

ney. In erster Linie erstellt sie Berichte für die

satzes. Wenn die Einteilung abgestimmt ist, folgt

Unternehmensleitungen zur Entscheidungsfin-

der Personalplan, der wiederum das erforderliche

dung. Die präsentierten Fakten und Informati-

Budget formt.“

onen, die sie aus einer Vielzahl von Daten der einzelnen Teams analysiert, müssen sowohl

›27

leicht nachzuvollziehen als auch gut zu überprü-

Das neue Ölförderschiff nimmt, in Vorbereitung auf den ersten Praxistest vor der Küste Westafrikas, weitere Ausrüstung an Bord. Später wird es in der Lage sein, mehr als zwei Mio. Barrel Rohöl zu lagern.

fen sein und einen organisatorischen Überblick

DAS PROJEKT HAT EIN KOSTENVOLUMEN VON 3,5 MILLIARDEN US-DOLLAR

gewähren, um Kosten und Zeitpläne im Rahmen

Doch wie fühlt man sich als Frau in einer vor-

zu halten. „Sowohl der Kunde als auch die beauf-

nehmlich von Männern dominierten Branche?

tragten Unternehmen erwarten von mir eine

„Ich sehe meine Arbeit nicht unter dem Aspekt

klare Einschätzung der Lage sowie den Stand

der Geschlechter. Für mich sind das Team und das

der Arbeit betreffende Empfehlungen. Darüber

gemeinsame Ziel das Entscheidende. Da zählen

hinaus helfe ich bei der Zusammenstellung der

nur die Fähigkeiten des Einzelnen und ob wir als

› 27 34

der Spezialist


AUS DEN BRANCHEN

Team in der vorgegebenen Zeit ein Projekt erfolgreich zum Abschluss bringen.“ Das gilt auch für ihr derzeitiges Projekt vor der Küste Nigerias, bei dem man in vieler Hinsicht von außergewöhnli-

BRUNEL ENERGY Brunel Energy ist auf folgende Branchen spezialisiert:

cher Größe sprechen kann. Die Erschließung der

• Erdöl- und Erdgaserkundung und -produktion

Erdölfelder umfasst 32 Unterwasserbohrungen

• Verfahrenstechnik

und ein Gesamtkostenvolumen von 3,5 Milliarden

• Energieerzeugung

US-Dollar für Bohrungen inklusive der Anlagen

• Bergbau

sowie eine angestrebte tägliche Fördermenge von

• Konstruktion

190.000 Barrel pro Tag im dritten Quartal dieses

• Petrochemie

Jahres. Die hochkomplexen Anlagen zur Förderung des Erdöls sowie zu dessen Verarbeitung wurden in den verschiedensten Ländern konzipiert und produziert. „Damit bei einer so giganti-

• Pharma • hydrografische und geophysikalische Analysen • Umweltmanagement

schen Aufgabe der erwartete Erfolg eintritt, müssen nicht nur alle Komponenten einzeln für sich funktionieren, sondern auch optimal zusammenspielen. Eine große Bedeutung spielt dabei das

Förderschiff auf den internationalen Markt zu

FPSO-Ölförderschiff“, erklärt Cheney.

bringen.

Als „Floating Production, Storage, and Off-

Jahrelange Erfahrung, größtes technisches

Loading Unit (FPSO)” nimmt diese schwimmende

Know-how und ein internationales Joint Venture

Fabrik in Form eines Ölförderschiffes eine Reihe

aus Firmen von vier Kontinenten waren nötig,

wichtigster Funktionen wahr. Das FPSO-För-

um das Projekt vor der Küste Nigerias zu reali-

derschiff ist mit einer Lagerkapazität von über

sieren. Schon seit Mitte der 70er Jahre nutzt die

zwei Millionen Barrel eines der größten seiner

Offshore-Industrie schwimmende Produktionsla-

Art – es verfügt über eine Länge von 285 Metern,

ger und Verladesysteme. Sie haben entscheidende

eine Breite von 63 Metern und einen Tiefgang von

Vorteile gegenüber den konventionellen, auf dem

33 Metern. Um den teilweise extremen Wetter-

Meeresboden stehenden oder fest verankerten

bedingungen standzuhalten, haben FPSOs oft-

Produktionsplattformen, vor allem an entfernten

mals eine zentrale Verankerungsvorrichtung

Hochseestandorten, wo starke Meeresströmun-

am Meeresboden. Diese ermöglicht dem Schiff

gen und extreme Wetterbedingungen herrschen

eine freie Rotation, um sich entsprechend dem

können. Der herausragende Vorteil von FPSOs

kleinsten Widerstand nach der vorherrschenden

besteht darin, dass sie am Ende des produkti-

Wind- und Wellenrichtung auszurichten. Über

ven Lebens eines Ölfeldes einfach weggefahren

flexibel am Meeresgrund verankerte Leitungen –

und an einem anderen Standort wieder ein-

so genannte „Risers“ – wird das Rohöl auf die

gesetzt werden können. Das hat sowohl unter

FPSO-Schiffe gepumpt. Dort durchläuft es an-

Umweltgesichtspunkten als auch unter ökono-

schließend verschiedene Stufen der Raffinierung.

mischen Aspekten Vorteile, gerade wenn die

Das Rohöl wird von Gas und Wasser getrennt

Produktionseinrichtungen nur für ein paar Jahre

sowie gereinigt und bis zum Abtransport durch

gebraucht werden.

Tankschiffe gelagert. Diese machen schließlich an der dafür vorgesehenen Anlegeboje in siche-

www.brunelenergy.net

rem Abstand zum FPSO-Schiff fest, um das Öl vom

der Spezialist

35


MITARBEITER UND KARRIERE

„D a s P o t e n z i a l i n K a n a d a i s t immens” Nur etwas mehr als 32 Millionen Menschen leben in dem fast zehn Millionen Quadratkilometer großen Land nördlich der USA. Doch Kanada ist ein Wachstumsmarkt: Der Bedarf an hochwertigen Ingenieurdienstleistungen ist gerade in den Metropolen hoch. TEXT › Anja Gleber

Diplomingenieur Kolja Ostrowski hatte den Ber-

Branchen Pharma/Gesundheitswesen, IT und

›29

liner Brunel-Standort als Niederlassungsleiter

der Bergbauindustrie zur Grundlage hat. Neben

aufgebaut und ihm zu einem breiten Kundenkreis

dem Aufbau des Brunel PSD mussten die beste-

verholfen, als er Ende 2004 eine neue Herausfor-

hende kanadische Organisation unter der Lei-

derung bei Brunel International N. V. im Ausland

tung von Präsident Michel Verdoold im Hinblick

suchte. „Schon seit frühester Jugend hat mich

auf das erweiterte Konzept umstrukturiert, die

eine Tätigkeit im Ausland, vorzugsweise auf dem

Mitarbeiter geschult sowie die Abläufe ange-

nordamerikanischen Markt, gereizt“, berichtet

passt werden. „Das Potenzial für Ingenieur-

Neben den Wolkenkratzern im Stadtzentrum bestimmen der „Canada National Tower“, mit 553 Metern das höchste freistehende Bauwerk der Welt, und das Multifunktionsstadion „Rogers Center“ die Skyline von Toronto.

der 32-Jährige Brunel Project Support Manager.

dienstleistungen ist immens“, beurteilt Kolja

Umso größer war die Freude, als Brunel Inter-

Ostrowski die Marktsituation in Kanada. Die hohe

national den erfahrenen Brunel-Experten nach

Nachfrage nach gut ausgebildeten Ingenieuren

Kanada berief. Innerhalb der Organisation von Brunel Multec Canada Ltd. waren zum damaligen Zeitpunkt strukturelle Veränderungen absehbar, die es zu gestalten und begleiten galt. Ostrowski nahm schließlich die Herausforderung an, in Toronto ein so genanntes Brunel Project Support Department (Brunel PSD) zu etablieren.

PROFESSIONELLE INGENIEURDIENSTLEIS TUN GEN NACH EUROPÄISCHEM KONZEPT „Mit der Etablierung des Brunel PSD innerhalb

›28

der Brunel Multec Canada Ltd. wird das Ziel ver-

Project Support Manager Kolja Ostrowski wechselte von der Brunel-Niederlassung in Berlin zu Brunel Multec Canada Ltd. in Toronto.

folgt, professionelle Ingenieurdienstleistungen nach dem europäischen Brunel-Konzept anzubieten“, erläutert Ostrowski. Zwar bestehen bereits Brunel-Standorte in Kanada, doch arbeiten viele der Departments im Bereich der Direktvermittlung, was die Auswahl von geeigneten Spezialisten und deren Vermittlung an Kunden in den

36

der Spezialist

› 28


› 29


MITARBEITER UND KARRIERE

ist keineswegs ein Phänomen, das nur in Deutschland zu beob-

Auch bei der Art der Kontakt-

achten ist.“ Es musste also in erster Linie Pionierarbeit geleistet

aufnahme zum Kunden gibt es be-

werden – qualifizierte Mitarbeiter einstellen, Kontakte knüpfen

deutende Unterschiede: Während in

sowie das Vertrauen potenzieller Kunden gewinnen.

Deutschland auf einen ersten Kon-

„Zunächst musste ich jedoch erkennen, dass viele Aspekte,

takt über das Telefon ein persönli-

›30

die für mich seit Jahren zur Gewohnheit geworden waren, hier

ches Treffen mit dem Kunden folgt,

Das Leitungsteam des Brunel Project Support Department in Toronto: Patrick Wits und Kolja Ostrowski gemeinsam mit dem Präsidenten von Brunel Multec Canada, Michel Verdoold (v. l. n. r.).

vor Ort in Kanada nicht funktionierten. Ich musste mein Ver-

ist dieser Ablauf in Kanada eher

halten in der kanadischen Geschäftswelt komplett umstellen“,

unüblich. Persönliche Treffen sind

berichtet Ostrowski. Anhand zweier Beispiele verdeutlicht

erst in einer bereits etablierten Ge-

er den notwendigen Lernprozess: In Kanada hat die Perso-

schäftsbeziehung gewollt. Das heißt,

nalabteilung eines jeden Unternehmens eine entscheidende

es bleibt das Telefon, um ein Vertrau-

Stellung. So wurde es als arrogantes Verhalten ausgelegt, als

ensverhältnis zu schaffen. „Erschwe-

Ostrowski zur Beratung und Definition von Projektanforderun-

rend kommt noch hinzu, dass man

gen in bewährter Vorgehensweise den Kontakt zu technischen

meist an Anrufbeantworter gerät,

Leitern der Unternehmen suchte. „Ebenso musste ich meinen

auf denen lediglich eine Botschaft

eigenen Weg finden, die Aufmerksamkeit des Kunden zu gewin-

hinterlassen werden kann. Ich freue

nen, ohne ein übertriebenes Anpreisen unserer Kompetenzen

mich immer, wenn die Hürde des so

zu betreiben“, beschreibt Kolja Ostrowski die ihm ungewohnte

genannten Voicemailings genom-

starke Verkaufsausrichtung des nordamerikanischen Marktes.

men ist“, so Ostrowski, „und ich

› 30 38

der Spezialist


MITARBEITER UND KARRIERE

Europa und Nordamerika zu schla-

›31

gen, um Brunel-Kunden eine interna-

Der Ingenieur Isambard K. Brunel, der Pate für den Namen des Unternehmes Brunel stand, ist auch in Kanada ein Begriff.

tionale Projektbetreuung anbieten zu können. „Komplexe Produkte werden immer häufiger in verschiedenen Ländern dieser Erde entwickelt und gefertigt. Nach dem „Local for local“-Prinzip wollen wir ein verlässlicher Partner bei internationalen Technologieprojekten

› 31

sein“, fasst

Ostrowski die Zielsetzungen zusammen. „So gibt es bereits Kunden, die mit uns in Deutschland und auch in Kanada zusammenarbeiten. Denn das breite Portfolio von

endlich das Gesicht zur Stimme kennen lerne.“ Das Brunel PSD

Brunel in Europa bietet auch unseren

ist momentan in den Bereichen Automotive und auch der Luft-

Kunden in Kanada und den USA Vor-

und Raumfahrttechnik aktiv. Aktuell sind mehr als 20 Mitarbei-

teile.“ So gab es bereits erste Gesprä-

ter in Projekten vor Ort bei Kunden tätig.

che mit einem Kunden, der über eine Expansion nach Deutschland

IN K ANADA WERDEN INTERKULTURELLE UNTERSCHIEDE MIT EINEM LÄCHELN AKZEPTIERT

nachdenkt und in diesen Bestrebungen vom Kompetenz-Center Brunel Excellence in Köln unterstützt wird.

Patrick Wits, Ostrowskis Partner beim Aufbau des Brunel PSD,

Im Fokus der Bemühungen von

war ein Jahr zuvor aus den Niederlanden zu Brunel Multec

Kolja Ostrowski steht außerdem die

Canada Ltd. gekommen. „Patrick hat mir die Umstellung am

Mitarbeiterentwicklung im Rahmen

Anfang sehr erleichtert und mir viel gezeigt“, erzählt Ostrowski.

eines internationalen Austausches

Auch wenn sich das Leben in Kanada in so mancher Hinsicht

von Ingenieuren. Denn das viel

von dem in Europa unterscheidet, so geschieht dies doch meist

beschworene lebenslange Lernen

auf eine positive Art. „Kanada ist ein Einwanderungsland und

gilt für Ingenieure in besonderem

somit nimmt ein Großteil der Bevölkerung interkulturelle Dif-

Maße. „Ich kann aus meiner eigenen

ferenzen sowie anfängliche Sprachunsicherheiten mit einem

Erfahrung bestätigen, dass ein sol-

Lächeln hin.“ Die freundliche und offene Art der Menschen wie

cher Austausch nicht nur dazu ver-

auch die überwältigende Schönheit des Landes hat den Wahl-

hilft, sich neues technisches Wissen

Kanadier bereits von Beginn an fasziniert: „Die Menschen ver-

anzueignen und weitere Sprachen

mitteln einem sofort das Gefühl, willkommen zu sein.“ Ost-

zu lernen, sondern auch eine große

rowskis Verlobte kann dies nur bestätigen – „ein Land, in dem

Chance darstellt, sich persönlich

man definitiv alt werden kann“, sind sich beide einig.

weiterzuentwickeln“, betont Kolja

Doch zurücklehnen will sich Ostrowski noch lange nicht.

Ostrowski. „Unsere Welt wächst

Er hat große Ziele, die er in Zukunft verwirklichen will. Dabei

mehr und mehr zusammen. Da ist

waren es nicht zuletzt die eigenen Erfahrungen vor Ort, die Ost-

es nur konsequent, unsere Kunden

rowski dazu bewegten, sein Blickfeld sowie seine Zielsetzungen

auch mit international erfahrenen

abermals zu erweitern. So strebt er an, eine Brücke zwischen

Ingenieuren zu unterstützen.“

KOLJA OSTROWSKI Dipl.-Ing. Kolja Ostrowski (32) fing 1999 nach dem Abschluss seines Studiums an der Technischen Fachhochschule in Berlin als Ver triebsingenieur in der Berliner Brunel-Niederlassung an. Im Februar 2001 übernahm Ostrowski die Leitung der Niederlassung. Seit März 2005 etabliert er zusammen mit seinem niederländischen Kollegen Patrick Wits das Brunel Project Support Department in Toronto.

www.multec.ca www.brunelpsd.com

der Spezialist

39


› 32


MITARBEITER UND KARRIERE

Schnelle Sprünge auf der Karriereleiter Brunel setzt bei der Rekrutierung von Führungskräften auf den Nachwuchs. Mit einem umfassenden und detailliert ausgearbeiteten Traineeprogramm werden die jungen Ingenieure gefördert und auf ihr zukünftiges Einsatzgebiet als Teamleiter vorbereitet. TEXT › Anja Gleber

Anette Hildebrand hatte gerade ihr Studium

fen, steht der Teamleiter sinnbildlich für das Tor

des Product Engineering und Wirtschaftsinge-

zur passenden Brunel-Kompetenz: „Da wir selbst

nieurwesens mit den Schwerpunkten Marketing

Ingenieure sind, können wir Projektanforderun-

und Vertrieb in Furtwangen abgeschlossen, als

gen analysieren, den Kunden diesbezüglich bera-

eine Stellenanzeige in der Zeitung ihr Interesse

ten und Lösungen präsentieren. Auf der anderen

weckte. Darin eröffnete sich die Chance auf ein

Seite müssen wir in der Lage sein, Personalent-

praxisorientiertes Traineeprogramm im Vertrieb,

scheidungen mit unserem Hintergrundwissen zu

das, begleitet von einer Reihe an Seminaren und

untermauern“, beschreibt Anette Hildebrand die

Projektaufgaben, frühe Kunden- und auch Füh-

zukünftigen Aufgabenfelder.

rungsverantwortung in Aussicht stellte.

Um jenen Anforderungen gerecht werden zu können, ist sie innerhalb des einen Jahres in

DIE TRAINEES SAMMELN NEUE EINDRÜCKE UND ERFAHRUNGEN

alle Bereiche der Brunel-Welt eingetaucht. Insgesamt hat sie die Arbeitsweise sowie die regionalen Unterschiede der Brunel-Regionen kennen

Bereits wenige Monate später war die Wirtschafts-

gelernt. Nach ihrer Einarbeitungsphase führte sie

ingenieurin am 15. August 2005 mit zwei weiteren

in den jeweiligen Niederlassungen Gespräche mit

Hochschulabsolventen unter den Auserwählten,

Kunden, beriet in Projektfragen und akquirierte

die das einjährige Traineeprogramm für zukünf-

zudem passende Brunel-Spezialisten.

tige Führungskräfte bei Brunel durchlaufen soll-

So unterstützte sie den gesamten Prozess von

ten. Heute, nach Abschluss des Programms, blickt

der Stellenausschreibung über Auswahlgespräche

die 27-Jährige auf eine ereignisreiche Zeit mit vie-

und Kundenbesuche bis hin zur Einstellung des

len neuen Eindrücken und Erfahrungen zurück,

Mitarbeiters. „Jede Region hat ihre Besonderhei-

die sie auf die Aufgaben als Teamleiterin vorbe-

ten, jede Niederlassung ist einzigartig. Das macht

reitet haben.

die Arbeit so spannend“, berichtet Anette Hilde-

Die Arbeit der Brunel-Teamleiter setzt dort an,

brand über die Vielseitigkeit ihrer Arbeit. Zum

wo in Technologieunternehmen entweder das

einen ist der technische Hintergrund der Inge-

passende Konzept zur technischen Reife eines

nieurin gefordert und zum anderen ist die Kennt-

neuen Produktes, die Produktionsmöglichkeiten

nis des gesamten Leistungsportfolios von Brunel

oder der Spezialist mit den entscheidenden Fach-

nötig, um dem Kunden bedarfsgerechte Lösungen

kenntnissen fehlen. Um dem Kunden dennoch zu

anzubieten. Zu diesem Zweck stand unter ande-

einem erfolgreichen Projektabschluss zu verhel-

rem der Besuch aller branchenspezifischen Kom-

›32 Schon als Kind hatte Anette Hildebrand einen engen Bezug zur Technik: Sie spielte lieber mit Fischer-Technik als mit Puppen.

der Spezialist

41


MITARBEITER UND KARRIERE

Aspekt ist keineswegs unerheblich, so Anette

›33

Hildebrand. Bisher blickt sie auf den erfolgrei-

Anette Hildebrand (27) kommt aus VillingenSchwenningen. Ihr Studium des Product Engineering und Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb schloss sie im März 2005 an der Fachhochschule in Furtwangen ab. Auf eine Stellenanzeige in der F. A. Z. bewarb sie sich schließlich für das einjährige Traineeprogramm bei Brunel, das sie am 15. August 2006 erfolgreich beendete.

chen Abschluss von sieben Projekten zurück. „Die Herausforderung besteht darin, vor Projektablauf den jeweiligen Brunel-Spezialisten attraktive Anschlussprojekte anbieten zu können.“ Auf Basis ihrer gesammelten Eindrücke und Erfahrungen aus den unterschiedlichen Niederlassungen haben alle Trainees im Rahmen einer Projektarbeit ein Vertriebshandbuch erstellt, das die Abläufe, Strukturen und Instrumentarien in den Bereichen Mitarbeiter- und Kundenbetreuung sowie Controlling festhält. Hintergrund war die Überlegung, dass Brunel-Neueinsteiger noch einen unverfälschten Blick auf Struktur und

› 33

Arbeitsabläufe der Brunel-Welt mitsamt der regionalen Besonderheiten haben. „Es ist ein tolles Gefühl, das gemeinsame Werk anschließend für die Nachwelt gebunden in den Händen zu halten“, freut sich Anette Hildebrand.

petenz-Center auf dem Programm. Zwei Wochen

Ein entscheidendes Kriterium für die Bewer-

lang konnten die Trainees die jeweiligen Schwer-

bung der Baden-Württembergerin bei Brunel

punkte genauestens unter die Lupe nehmen.

war die Aussicht, frühzeitig Verantwortung übernehmen zu können. Ebenso reizte sie die Viel-

EINE INTENSIVE BETREUUNG GARANTIERT DEN SPÄTEREN ERFOLG ALS TEAMLEITERIN

falt in einem technischen Beruf, der viel Kontakt zu Kunden aus unterschiedlichen Branchen auf der einen und zu Brunel-Mitarbeitern spezieller

Im Verlauf der unterschiedlichen Stationen ko-

Fachrichtungen auf der anderen Seite ermöglicht.

ordinierte die betreuende Personalreferentin

„Wir eignen uns auf diese Weise ein breites tech-

Melanie Umlandt regelmäßige Feedback-Gesprä-

nisches Fachwissen an, das immer wieder durch

che, teilweise gemeinsam mit der Geschäftsfüh-

neue Kontakte erweitert wird“, berichtet Anette

rung. „Der General-Manager Carsten Siebeneich

Hildebrand.

hat unsere Fortschritte stets mitverfolgt“, lobt

Als nächste Karrierestufe nach Abschluss des

Anette Hildebrand den starken Teamgedanken

Traineeprogramms hat Anette Hildebrand die

bei Brunel. Eine positive menschliche Ebene ist

herausfordernde Aufgabe als Teamleiterin in der

auch für sie die entscheidende Grundlage für gute

Münchner Brunel-Niederlassung vor Augen. Hier

Zusammenarbeit – sei es mit den Kunden oder mit

konnte sie bereits in den letzten Monaten ihrer

den Mitarbeitern. „Ich habe sehr viel mit Men-

Qualifizierung Kontakte zu Kunden und Mitar-

schen zu tun – das ist das Schöne im Vertrieb.“ Mit

beitern knüpfen. Und später? „Das kann ich noch

wachsender Kundenbindung könne man auch

nicht sagen – zunächst will ich die Aufgabe der

immer besser einschätzen, ob ein Projektmitar-

Teamleiterin gut bewältigen, der Rest wird sich

beiter nicht nur von fachlicher Seite, sondern auch

zeigen. Da gibt es viele Möglichkeiten bei Brunel“,

vom Wesen in das Team des Kunden passt. Dieser

zeigt sich Anette Hildebrand optimistisch.

42

der Spezialist


KUNST & BRUNEL

Mit Satire und Humor zum Künstler des Jahres Peter Bauer ist Karikaturist aus Leidenschaft. Tiere und skurrile Figuren spielen häufig die Hauptrolle in seinen zweideutigen satirischen Zeichnungen. Als Dozent für Sachgrafik, Illustration und Gestaltung lehrt er an der Rostocker Technischen Kunstschule. TEXT › Maren-Britt Dahlke

Spätestens seit Erscheinen seines Buches „Katzen“ ist der Rosto-

vielschichtig und immer ein wenig

cker Karikaturist Peter Bauer einem breiten Publikum bekannt:

skurril. Feine Ironie ist ihnen ins

Auf zahlreichen Seiten verführen possierliche Vierbeiner zum

Gesicht gezeichnet. Sie lachen ver-

Schmunzeln. Doch eigentlich sind es nicht die Katzen, die Hei-

schmitzt, blicken schelmisch und

terkeit auslösen, sondern vielmehr die menschlichen Eigen-

scheinen immer etwas im Schilde

schaften und Schwächen, die ihnen der Künstler ins Antlitz

zu führen. Ganz in der Tradition

skizziert. „Bestimmte Probleme lassen sich mit Tieren viel bes-

eines Wilhelm Busch. Bereits vor

ser darstellen“, so Peter Bauer, „und Katzen wirken in ihrem

der Wende stellte der in Wismar

Wesen sehr eigensinnig.“

geborene Peter Bauer seine Arbeiten im Rahmen einer DDR-Karikaturen-

PETER BAUER BEWUNDERT WILHELM BUSCH ALS DEN „URVATER DER K ARIK ATUR“

KUNST UND BRUNEL Die Kreativität ist die wesentliche Leidenschaft, die sowohl die Faszination eines Künstlers als auch eines Ingenieurs ausmacht. Eben jene Faszination dokumentiert die Brunel GmbH bereits im siebten Jahr mit der Auszeichnung eines „Künstlers des Jahres”.

Ausstellung im hannoverschen Wilhelm-Busch-Museum aus. „Wilhelm Busch ist natürlich der Urvater der

Von der Achtjährigen bis zum Pensionär – Peter Bauer begeis-

Karikatur. Ich konnte vor Ort seine

tert ein breites Publikum mit originellen Grafiken, Cartoons

Originale, unter anderem Max und

und Illustrationen. Grundsätzlich sind Peter Bauers Charaktere

Moritz, ansehen. Busch war so elegant in der Zeichnung, das hat mich immer sehr fasziniert.“ Satire und Karikatur unterliegen einem ständigen Entwicklungsprozess, der Zeit braucht. „Um Ideen reifen zu lassen, muss ich mich kontinuierlich mit einer Thematik beschäftigen“, erläutert Peter Bauer. „Das ist die Kunst: nicht den Schweiß meiner Arbeit zu sehen, sondern nur Leichtigkeit und Humor.“ Gerade jene intellektuelle Auseinanderset-

› 34

›34 Die Arbeiten von Peter Bauer sind unter anderem in den Sammlungen des Wilhelm-Busch-Museums in Hannover und in der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung in Greiz zu finden. Darüber hinaus war er auf zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten, wie z. B. in Rostock, Paris, Brüssel und Berlin.

zung reizt den Rostocker Künstler an der Satire. Vor zwei Jahren gewann er den mit 10.000 Schweizer Fran-

der Spezialist

43


KUNST & BRUNEL

seine Existenz kämpfen und sich neu

›35

orientieren. Sämtliche Ostverlage

Bevorzugt arbeitet der Künstler mit Aquarellfarben und Tusche – wie hier bei dem Motiv „Blumen gießen“ (35 x 34 cm).

und somit potenzielle Auftraggeber gingen pleite und Bauer musste von vorn beginnen. „Heute bringe ich meine Arbeiten selbst heraus, denn es ist schwierig, einen geeigneten Verlag zu finden.“ Im Extremfall, so die bittere Erfahrung, leide die Qualität, und Druck wie Papier würden oft stiefmütterlich behandelt. Aus diesem Grund machte der Künstler aus der Not eine Tugend. Ebenso wie von Zeitungen und Magazinen werden Peter Bauers Grafiken, Cartoons und Illustrationen auch von Verlagen, dem Fernsehen sowie von Unternehmen

und

Institutionen

nachgefragt. Sein Werk überzeugt jedoch nicht allein durch inhaltliken dotierten Swiss Cartoon Award mit seiner Karikatur „Basic

chen Witz; seine Liebe fürs Detail

›36

Needs“. Gegen 90 Mitbewerber mit 250 Werken setzte er sich

zeigt sich insbesondere im zeichne-

durch. In der Laudatio bemerkte Heinz Waser, Initiator des

rischen Können. Noch augenfälliger

Swiss Cartoon Award, dazu: Er hege große Sympathien für sati-

sind jedoch die Farben: von eigen-

Ein Motiv aus Peter Bauers Buch „Katzen“, das den Künstler einem breiten Publikum bekannt machte.

rische Bildkunst, denn Cartoons beflügelten sowohl den Geist

tümlicher Intensität und Tiefe, aber

als auch die Emotionen. Treffender kann man die Arbeit Peter

trotzdem nicht grell oder kalt. Ent-

Bauers kaum beschreiben. Seine Werke thematisieren gesell-

sprechend hochwertig sind seine

schaftliche Missstände und Tabuzonen auf charmante, hintergründige Weise. „Meine Botschaft offenbart sich meist in verpackter Form, der Betrachter muss sie nur noch auswickeln.“ Trotz dieser Zweideutigkeit bekam er zu DDR-Zeiten keine Probleme. Eher im Gegenteil, er zeichnete unter anderem für das subtil kritische Satiremagazin „Eulenspiegel“ und erzielte damit einen hohen Wirkungsgrad.

INHALTLICHER WITZ UND LIEBE ZUM DETAIL TREFFEN AUF ZEICHNERISCHES KÖNNEN „Wir haben unsere Botschaften immer zwischen den Zeilen vermittelt und mitunter sogar heftige Reaktionen provoziert. Doch im Schutz der Satire waren wir nie wirklich angreifbar“, erinnert sich der gebürtige Wismarer Künstler. Nach der Wende musste Peter Bauer jedoch wie viele andere DDR-Bürger um

44

der Spezialist


KUNST & BRUNEL

›37 Mit „Basic Needs“ gewann Peter Bauer vor zwei Jahren den renommierten Swiss Cartoon Award.

Werke, insbesondere Bilder, Kinderbücher sowie seine künstle-

dort fünf Jahre Grafik und Buch-

rischen Plakate, die nationale wie internationale Anerkennung

kunst. Nach dem Studium zog es ihn

erfuhren.

zurück an die Küste, seither lebt Peter Bauer in Rostock. „Ich liebe diesen

BAUER IST ES WICHTIG, SEIN KÜNSTLERISCHES WISSEN AN KOMMENDE GENERATIONEN WEITERZUGEBEN

Geruch von Meeresluft. Wenn meine Akkus leer sind, fahre ich auf den Darß und gehe am Strand spazieren.

Sein künstlerisches Wissen gibt Peter Bauer als Dozent für

Das ist meine Art zu entspannen.“

Naturstudium, Illustration und Gestaltung an der Rostocker

Und zu arbeiten, denn eigentlich

Technischen Kunstschule (RTK) an die kommenden Designer-

jagt er ständig nach neuen Ideen. Ein

Generationen weiter. „Zum einen aus dem profanen Grund,

eigenes Haustier, zum Beispiel eine

Geld zu verdienen. Zum anderen empfinde ich die Arbeit mit

Katze, hat er übrigens nicht.

jungen Menschen als befruchtend. Man entwickelt neue Ideen und stellt neue Fragen – beispielsweise, was der Goldene Schnitt faktisch bedeutet.“ Er hat sein Handwerk von der Pike

www.bauer-grafik.com

DER GOLDENE SCHNITT Der „Goldene Schnitt“ bezeichnet ein Teilungsverhältnis, das in der Kunst und Architektur oft als ideale Proportion angesehen wird. Die Teilung einer Strecke im Verhältnis von 1 : 1,618 wird vom Menschen als besonders harmonisch empfunden. Die erste genaue Beschreibung des „Goldenen Schnittes“ stammt von Euklid (325–270 v. Chr.), der bei Untersuchungen an den platonischen Körpern darauf aufmerksam wurde.

auf gelernt: Schon während des Abiturs porträtierte er heimlich seine Lehrer und bereitete mit dem gewonnenen Material eine Ausstellung vor, die aber letztendlich untersagt wurde. 1972 schrieb er sich in Leipzig an der Hochschule ein und studierte

der Spezialist

45


querdenken thema

› 38 046d e r 46

Spezialist


QUERDENKEN

Eine Stradivari aus Verbundstoffen Antike Meistergeigen sind rar und von großem Wert. Dr. Friedrich Blutner hat eine Geige aus Verbundstoffen entwickelt, die auf dem Klang von acht historischen Instrumenten basiert, einen Bruchteil des Originals kostet und selbst Musikexperten in Erstaunen versetzt. TEXT › Daniel Günther

„Das ist eine Stradivari, stimmt’s? Habe ich sofort

mit einer akustischen Kamera durchgeführt, die

›38

erkannt“, sagt der ältere Herr im Vorübergehen

Schall sichtbar macht.

Das Treffen zweier Spezialisten: Dr. Friedrich Blutner und der Profigeiger Maximilian Lohse (l.) in der Semperoper.

zu Dr. Friedrich Blutner. Der genießt den Moment, denn er hält keineswegs eine der 300 Jahre alten und bis zu drei Millionen Euro wertvollen Geigen

ZUSAMMEN MIT MUSIKEXPERTEN WURDEN DIE BESTEN KLÄNGE IM COMPUTER SIMULIERT

in der Hand. Denn was der ältere Herr nicht weiß: Die Geige ist nur wenige Monate alt und besteht

Auf die Einspielungen folgte die akustische Sig-

aus Verbundstoffen. Der Klangkörper ist furniert

nalanalyse. „Wir haben jahrelang die Klänge

und macht das Instrument so der Meistergeige

analysiert, insbesondere die Zeitstruktur und Fre-

ähnlich.

quenzen.“ Zusammen mit Musikexperten simu-

Die Verbundstoff-Geige ist das Ergebnis einer mehr als 25-jährigen Entwicklungsphase des Informationstechnikers Dr. Friedrich Blutner: „Am Anfang standen die Neugierde und die Faszination. Die Geige gilt schließlich als Inbegriff

›39

des guten Klanges.“ Aus der Faszination wurde

Ein Kunstkopf kann dank verschiedener hochsensibler Mikrofone die authentische räumliche Wahrnehmung simulieren.

schnell ein Ziel: eine Geige mit perfektem Klang zu entwickeln. „Wir fühlen uns den alten Meistern wie Stradivari, Guarneri und Amati verpflichtet und wollen den Geist dieser Zeit mit neuen Materialien wieder aufleben lassen.“ Als Produktsounddesigner befasst sich der Querdenker aus dem Örtchen Geyer im Erzgebirge tagtäglich mit Klängen. Die Geige ist seine Leidenschaft, obwohl er das Instrument selbst nicht spielt. Zu Beginn der Forschung zeichnete er zunächst den Klang von acht Meistergeigen auf. Die Aufzeichnungen erfolgten mit einem Kunstkopf, der aufgrund der installierten hochsensiblen Mikrofone authentische räumliche Situationen

› 39

simulieren kann. Spätere Einspielungen wurden

der Spezialist

47


querdenken

›40 Mithilfe einer akustischen Kamera erstellt Blutner farbige Abbildungen der Klangbilder alter Meistergeigen, in diesem Fall einer Stradivari.

› 40 lierte Blutner aus den besten Klängen verschie-

simulierten Klänge, bis die Geiger und Musikex-

dener Meistergeigen ein neues Musterklangbild

perten mit dem Klangbild zufrieden waren. Nun

am Computer. „Ein Klangbild ist vergleichbar mit

galt es, der Geige diesen Klang einzuhauchen; der

dem Stimmfeld einer Sängerin. Kann sie hohe

Bau von Prototypen begann.

Töne noch mit hoher Tragfähigkeit singen, ist sie gut. Das ist bei Geigen genauso“, so Blutner. Bei der Entwicklung des neuen Geigenklan-

als dass er vor etwa 300 Jahren die Konstruktion

ges strebte Blutner ein Optimum der drei Klang-

der Geige veränderte, um einen volleren Klang

merkmale Tonvolumen, Brillanz und Flexibilität

in den damals entstehenden Konzerthäusern zu

an. Dafür nutzte er so genannte digitale Finite

schaffen. „Er hat die Geige flacher gemacht und

Impulse Response Filters. Die bei den Aufzeich-

dadurch eine Bauweise entdeckt, die einen tragfä-

nungen gewonnenen Datenmengen sind enorm.

higeren Ton ermöglichte.“ Mit Hilfe von Röntgen-

„Wir haben für eine Sekunde Ton auf einem Kanal

bildern einer originalen Stradivari-Form konnte

die Frequenz von 100 Kilohertz gemessen, daraus

Blutners Team die Maße der Geige nach altem

ergeben sich allein für diese Sekunde 100.000

Vorbild und unter Berücksichtigung des Holz-

Abtastwerte.“ Die Komplexität war das größte

schwundes genau rekonstruieren.

Problem, mit dem Blutner und sein Team während der Entwicklung zu kämpfen hatten.

48

der Spezialist

Auch hier orientierte sich Blutner an den alten Geigenbauern. Stradivari war insofern ein Vorbild,

Eine Konkurrenz zur Holzgeige wollte Blutner übrigens nie schaffen. Die ersten der insge-

Doch die Qualität eines Klanges wird nach wie

samt 40 Prototypen baute er zunächst aus Holz:

vor vom Menschen definiert. „Die Kunst ist es, das

„Die Grenzen des Materials zeigten sich jedoch

Klangempfinden von Spielern und Hörern in Ein-

schnell. Wir hatten recht gute Ergebnisse, aber

klang zu bringen“, erläutert Blutner. Um diesen

Holz ist kein konstantes Material. Sobald wir eine

Einklang zu erzielen, variierten die Forscher die

neue Charge Holz bekamen, konnten wir von


QUERDENKEN

vorn beginnen.“ Dies war der ausschlaggebende

Kägi nicht allein entscheidend. Deshalb könnte er

Grund für ein neues Material. Zusammen mit

sich auch vorstellen, das Material als Ergänzung

Material- und Verfahrensexperten war die Ent-

im Geigenbau einzusetzen.

scheidung für Verbundstoffe schnell getroffen: Sie sind leicht, schwingungsfreudig und verfügen über eine hohe Festigkeit. Ebenso wichtig war für

EIN GROSSTEIL DER PRODUKTION WIRD NACH WIE VOR IN HANDARBEIT ERLEDIGT

den Querdenker, dass er, anders als bei Holz, die Zusammensetzung des Materials systematisch

Derzeit befindet sich Blutners Geige kurz vor

entwickeln und so zielgerichtet den Klang des

der Produktion. Wie die Produktionsabläufe aus-

Instrumentes beeinflussen konnte.

sehen werden, ist noch geheim. „Wir arbeiten

Die genaue Zusammensetzung der für den Gei-

nach dem Konzept der denkenden Hand, unter-

genbau verwandten Materialien ist jedoch streng

stützt durch den Computer. Das heißt, ein gro-

geheim. „Nur so viel: Es ist eine spezielle Mischung

ßer Teil der Herstellung wird auch bei unserer

verschiedener Verbundstoffe und -harze, die sich

Geige in Handarbeit durch Geigenbauer geleis-

als optimal herauskristallisierte“, verrät Blutner.

tet“, unterstreicht Blutner. Derweil haben eini-

Kein Geheimnis hingegen ist, dass der Hals des

ge Violinisten die Hightech-Geige bestellt. Der

Instrumentes auch weiterhin aus Holz bestehen

Preis wird bei etwa 30.000 Euro liegen. Nun, da

wird.

Friedrich Blutner mit seinem Projekt fast am Ziel

Auch für die Geigenspieler sei das neue Mate-

ist, hat er begonnen, Geigenunterricht zu neh-

rial vorteilhaft: „Die Geiger sind heute weltweit

men. Schließlich will er sein Instrument bald auch

unterwegs und somit ist das Instrument perma-

selbst spielen können.

nenten Temperatur- und Klimaschwankungen ausgesetzt, die dem Holz zu schaffen machen. Für Geiger bedeutet das, vor jedem Konzert zittern zu müssen, ob die Geige optimal klingt.“ Eine Einschätzung, die Andreas Kägi, Präsident des Deutschen Geigenbauerverbands, nicht ganz teilt: „Für eine gute Holzgeige sind Klima- und Temperaturveränderungen kaum problematisch.“

›41

Trotz der guten Eigenschaften der Verbund-

Mit den Augen hören: Die akustische Kamera macht Geräusche in Form von charakteristischen Abbildungen sichtbar.

stoffe verlief die Entwicklung nicht ohne Probleme: „Wir mussten die gesamte Konstruktion komplett neu durchdenken. Denn das Gefühl der Geiger für das Instrument ist extrem wichtig, also die Ergonomie, die Haptik, das Gewicht und die Größe einer Geige. Zudem mussten wir Merkmale wie Ansprache, Spielbarkeit, Dynamik und Flexibilität des Instruments berücksichtigen.“ „Ich halte diese Entwicklung für unnötig“, so Andreas Kägi. „Wenn man Musik von vor 300 Jahren macht, dann spielt Nostalgie eine große Rolle. Und dazu gehört auch das Material Holz.“

› 41

Für die Qualität einer Geige ist das Material laut

der Spezialist

49


TERMINE

termine

oktober bis dezember 2006

AUSGABE 06 || Oktober 2006

Messen und veranstaltungen 17. – 20. okt.

2006

AIRTEC 2006, FRANKFURT AM MAIN Die Airtec ist die Leitmesse für Zulieferer der Luft- und Raumfahrtindustrie aus den Bereichen Engineering, Produktion, Komponenten und Systeme, Life Cycle Support und Safety/Security. 500 Aussteller aus 25 Nationen stehen in direktem Dialog mit OEMs, General Aviation und Airlines. www.airtec.aero

›17. – 20. Okt.

8. – 11. nov.

2006

INTERNATIONALER KONGRESS „ENERGIEN DER ZUKUNFT“, RIMINI Der Kongress findet im Rahmen der 10. Ecomondo, Internationale Fach-

Besuchen Sie den BrunelMessestand auf der Airtec im Exhibition Center Frankfurt in Halle 8.0, Stand G119.

messe für Recycling, Energie und nachhaltige Entwicklung, statt. Etwa 900 Aussteller und 45.000 Fachbesucher aus 45 Ländern werden zur Messe erwartet. www.ecomondo.com 28. Nov.

2006

7. BRUNEL SPEZIALISTEN-FORUM AUTOMOTIVE, HOCKENHEIMRING Das Spezialisten-Forum ist seit Jahren ein Treffpunkt hochkarätiger Vertreter aus Politik und Wirtschaft. In diesem Jahr widmen sich Top-Referenten und Branchenexperten aktuellen Fragestellungen des AutomotiveSektors. Dabei geht es um strategische und operative Zusammenarbeit von Unternehmen der Automobilindustrie sowie innovative Ansätze zur optimalen Ressourcennutzung. www.brunel.de/forum

› 28. Nov. Entscheider aus Wirtschaft und Politik diskutieren Trends in der Automobilbranche im SpezialistenForum.

Meilensteine 4. Oktober

1947

Der amerikanische Pilot Charles Elwood Yeager durchbricht erstmals die Schallmauer. In einer Flughöhe von 43.000 Fuß erreichte sein Düsenflugzeug eine Geschwindigkeit von 1.127 km/h, das entspricht Mach 1,06.

13. November

1990

Tim Berners-Lee stellt mit seiner eigens dafür entwickelten World-WideWeb-Technologie die erste allgemein zugängliche Website ins Internet.

26. NOvember

1966

In Frankreich wird das erste Gezeitenkraftwerk der Welt in Betrieb genommen. Die 24 Turbinen haben eine Leistung von 240 MW.

14. Dezember

2004

In Südfrankreich wird der Viaduc de Millau eingeweiht. Mit 343 Metern Höhe und 2.460 Metern Länge ist die Schrägseilbrücke die größte der Welt.

50

der Spezialist


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b) den Schreibstil der Artikel?

Neue Anwendungen für den vor 190 Jahren patentierten Stirling-Motor

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Ebbe und Flut – Energielieferanten der zukunft

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