Ausgabe 16 || Oktober 2010
Das Magazin f端r Technik und Management
Automatisierungsbranche Optimistischer Blick in die Zukunft Reibungsloser Transport dank SPS Vollautomatische Prozesslogistik im Einsatz Die Zukunft liegt auf dem Wasser Maritime Industrie: Innovationen als Chance
Effiziente Produktion durch Automatisierung Fachkräftemangel
erfordert Umdenken Eine Woche mit Jeroen van Drunen, Commercial Manager Brunel Energy Europe
Vollautomatische Transporttechnik Mathematik als Basis für Feuerverzinkereien für Kommunikation Saubere Erdölgewinnung per Induktionserwärmung Die Zukunft liegt auf dem Wasser Herausforderungen für Unternehmen der maritimen und Offshore-Industrie
Die Kommunikation der Zukunft
Ausgabe 16 || Oktober 2010
Köpfe dieser Ausgabe › 01
› 01 Dr . - Ing. W illi F u c h s ( 53 ) : Die Relevanz flexibler Beschäftigungsformen wird vor allem im technischen Bereich zunehmen – da ist sich Dr.-Ing. Willi Fuchs sicher. Im Gespräch mit Der Spezialist diskutierte der Direktor des VDI mit Dr. Ralf Napiwotzki, General Manager der Brunel GmbH, aktuelle und künftige Arbeitsmarktmodelle. Gerade bei der Umsetzung zukunftsweisender Projekte ist spezifisches Fachwissen gefragt. „Und das“, so Dr.-Ing. Fuchs, „zeichnet die Ingenieure der Dienstleister aus.“ Denn neben ihrem Know-how bringen sie Flexibilität und Begeisterung für neue Herausforderungen in die Kundenunternehmen ein: „Ein klarer Vorteil für deren Wertschöpfung.“ Das komplette Interview lesen Sie ab Seite 29. › 02 S oh e j l Rafati ( 3 0 ) : Schon als Kind war Sohejl Rafati technikfasziniert, eine Karriere als Ingenieur stand für ihn daher früh fest. An der FH Aachen studierte der Diplom-Ingenieur Mechatronik und befasste sich vor allem mit Forschungs- und Entwicklungsprojektarbeiten. Dass er bei Brunel direkt als Projektmanager in den Beruf einsteigen konnte, verdankt er seiner umfangreichen praktischen Erfahrung: Als Praktikant und Diplomand unterstützte er das Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, setzte hier eigenständig Projekte wie die Qualifizierung eines Präzisionsdispergierers zum Mikro-Laserstrahl-Auftragschweißen um. Projektmanager ist für den 30-Jährigen der ideale Job: „Die laufend neuen technischen und kommunikativen Herausforderungen machen diese Aufgabe unheimlich spannend.“ › 03 Rit c h Ra p p e l ( 59 ) : Brunel Spezialist Ritch Rappel verantwortete als Projektmanager bereits den Bau unzähliger Anlagen zur Gewinnung und Förderung von Erdöl und Erdgas. Der Ingenieur blickt auf über 30 Jahre Berufserfahrung zurück, die er zum Großteil in der Provinz Alberta im Westen seiner kanadischen Heimat sammelte. Daher war Rappel für uns genau der richtige Ansprechpartner für einen Beitrag über innovative Verfahren zum Abbau von Erdöl aus Ölsand. In Alberta erlebt der Business Development Manager von Brunel Energy Canada Inc. täglich hautnah, wie ressourcenintensiv die konventionellen Verfahren sind. Forschungsvorhaben wie das von Siemens Oil & Gas Onshore Solutions beobachtet Rappel daher mit großer Spannung. Hierzu lesen Sie mehr auf Seite 8.
› 02
› 03
der Spezialist
03
15 Jahre Brunel in Deutschland, Projekte weltweit Seit 15 Jahren ist Brunel im deutschen Markt vertreten. 15 Jahre, in denen wir mit den verschie densten Unternehmen zusammengearbeitet und unzählige Projekte über Ländergrenzen hinweg realisiert haben. Eine Vielfalt, die Der Spezialist widerspiegelt – so auch die vorliegende Ausgabe.
04
der Spezialist
Inhalt
D e r S p e z i a l i s t
Ausgabe 16 || Oktober 2010
Seite 08
1 Forschung: Ressourcenschonende Verfahren zur Erdölgewinnung
Seite 12
2 History: Der Einstein der digitalen Kommunikation
Seite 16
3 Wissen: Die Neumayer-Station III
Seite 18
4 Im Fokus: Automatisierungsbranche – optimistischer Blick in die Zukunft
Die Automatisierung ist Teil unseres Alltags und der Standort Deutschland weltweit führend
Seite 23
Kompakt: Aus unserer Sicht, Kurzmeldungen, Tipps, Termine
Seite 26
5 Querdenken: Von Digital Bubbles und Smart Environments
Seite 29
6 Im Dialog: Flexible Arbeitsmodelle – wichtig für die Wertschöpfung von Unternehmen
Seite 34
7 Profil: Die Welt ist sein Zuhause
Seite 36
8 Spektrum: Reibungsloser Transport dank SPS
Seite 40
9 24 Stunden: Unterwegs mit Jeroen van Drunen
Seite 44
Kompetenz: Die Zukunft liegt auf dem Wasser
Seite 48
Wissen: Welche Techniken werden künftig eingesetzt, um schwer zugängliche
Per Induktionserwärmung soll künftig wasser- und energiesparend Bitumen produziert werden
Claude E. Shannon legte den Grundstein digitaler Informationsübermittlung
Ausgeklügelte Technik bewahrt die Forschungsstation vor dem Versinken im Schnee
Interface-Designerin Romy Kniewel und ihr Konzept für ein mobiles, digitalisiertes Datenprofil
VDI-Direktor Dr.-Ing. Willi Fuchs und Brunel General Manager Dr. Ralf Napiwotzki im Gespräch
Logistikexperte Terry Smith betreut Erdölprojekte auf dem gesamten Globus
Erfolgreicher Schutz gegen Korrosion: eine vollautomatisierte Feuerverzinkungslinie
Rotterdam, Mailand, Kassel, Houston – wir begleiten den Commercial Manager eine Woche lang
Andreas Dimter, Brunel Transport & Energy, über Aufgaben für die maritime und Offshore-Industrie
Energiereserven zu nutzen?
Seite 50
Seite 54
Ob fossile oder regenerative Quellen: Im Fokus steht die Effizienz
Spektrum: Land in Sicht – Europas größter Hafen wächst weiter
In der Nordsee vor Rotterdam wird ein imposantes Landgewinnungsprojekt realisiert
Ausblick: Auf Partner setzen
Charles Sauviller, ITAB Operations, über die Zusammenarbeit mit Brunel
Impressum
der Spezialist
05
›
Die Solar World ist mehr als nur das erste Solarflugzeug, das die Welt ganz ohne Treibstoff umrunden soll. Es kann „die nächsten Kapitel in der Geschichte der Luftfahrt mit Solarenergie schreiben“, so die Erbauer Bertrand Piccard und André Borschberg. Rund 12.000 Solarzellen bedecken die 1.600 Kilo leichte Maschine, deren Flügel eine Spannweite von 63,40 Metern haben. Mit vier elektrischen 10-PS-Motoren erreicht das Flugzeug eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h und eine maximale Flughöhe von 8.500 Metern. Nach dem Testflug im April und dem ersten Nachtflug im Juli 2010 ist das große Ziel nun die Erdumrundung im Jahr 2013. www.solarimpulse.com
Forschung
Ressourcenschonende Verfahren zur Erdölgewinnung Erdöl ist nicht nur einer der wichtigsten Energieträger, sondern auch Ausgangsstoff zur Herstel lung von Kunststoffen, Düngemitteln, Pharmazeutika und vielen anderen Materialien. Der Abbau des „schwarzen Goldes“ aus ölhaltigen Sanden ist aufwendig und teuer – noch. Mit Hochdruck arbeiten Forscher weltweit an neuen Verfahren. So auch in Erlangen bei Siemens Oil & Gas On shore Solutions. T e x t › Dr. Ralf Schrank „Hier liegt der Reichtum Kanadas für die nächsten 50 Jahre!“ Ritch Rappels Arm schwenkt langsam über den Kearl Lake im Nordosten der Provinz Alberta. Lichte Wälder, Seen und Flussläufe, so weit das Auge reicht. Für Laien ist dieser Reichtum unsichtbar. Aber Rappel, Business Development Manager bei der Brunel Energy Canada Inc., ist Experte für so genannte Ölsande. Er weiß: „In den oberflächennahen Erdschichten rund um den Kearl Lake lagern mindestens 4,6 Milliarden Barrel Bitumen. Die große Herausforderung ist, da raus rentabel und umweltverträglich Öl zu gewinnen.“
Induktionserwärmung: Pilotanlage ist für 2013 geplant Ölsande enthalten bis zu 18 Prozent Kohlenwasserstoffe, meist in Form von zähem, also hochviskosem Bitumen. Allerdings sind Sand und Bitumen so fest miteinander verbunden, dass die Aufarbeitung technologisch äußerst aufwendig, ressourcenintensiv und ökologisch bedenklich ist. Deshalb wird fieberhaft an Verfahren gearbeitet, die Ressourcen und Natur schonen. Zum Beispiel in Erlangen: Bernd Wacker, Leiter Technologie und Innovation bei Siemens Oil & Gas Onshore Solutions, entwickelt mit seinem Team seit 2006 ein Verfahren zur Gewinnung von Bitumen aus Ölsand, das mit deutlich weniger Energie und Wasser auskommt als die konventionellen Methoden: die Induktionserwärmung.
08
der Spezialist
Eine Pilotanlage soll 2013 in Alberta in Betrieb gehen. Kearl Lake ist nur eines von vielen Ölsandvorkommen in Kanada. Insgesamt schlummern unter Albertas Wäldern wohl bis zu 300 Milliarden Barrel Erdöl. Dagegen nehmen sich die rund 1,4 Milliarden Barrel konventionelle Erdölreserven des Landes geradezu bescheiden aus. Die Förderleistung aus kanadischen Ölsanden liegt derzeit bei 1,3 Millionen Barrel pro Tag. Jedes dritte Barrel kanadischen Öls stammt inzwischen aus Ölsand – und für die nächsten Jahre ist eine Verdreifachung der Förderleistung geplant. Michael McKinnon, Geschäftsführer von Brunel Energy Canada Inc., kennt die Hintergründe: „Um die Abhängigkeit von den OPECStaaten zu verringern, treibt die US-Regierung den Ausbau des kontinental-amerikanischen Erdölnetzes voran.“ Der Erschließung der Ölsandvorkommen Kanadas direkt vor der Haustür der USA kommt eine Schlüsselfunktion zu, denn die Förderung aus den konventionellen Vorkommen Kanadas lässt sich kaum noch steigern. 120 Brunel Mitarbeiter – darunter Experten für Rohrleitungssysteme, Fördertechniken, den Pipelinebau oder das übergreifende Projektmanagement – sind laut McKinnon heute in kanadischen Ölsandprojekten tätig. „Und es werden kontinuierlich weitere Spezialisten angefragt“, so der Geschäftsführer. Etwa 20 Prozent der kanadischen Ölsande liegen so nah an der Oberfläche, dass sie sich
Porträt Der Australier Michael McKinnon (41) verfügt über elf Jahre Erfahrung in der Ölund Gasindustrie und arbeitet seit 2001 bei Brunel Energy. Nachdem er 2005 den Brunel Energy Standort im südkoreanischen Ulsan aufgebaut hatte, wechselte der Betriebswirt als Geschäftsführer von Brunel Energy Canada Inc. nach Calgary.
Forschung
›04 im Tagebau erschließen lassen. Das aus dem abgebauten Sand extrahierte Bitumen wird zu zentralen Raffinerien transportiert und dort zu synthetischem Rohöl veredelt. Durch dieses so genannte Upgrading lässt sich aus circa zwei Tonnen Ölsand jedoch nur ein Barrel (159 Liter) Rohöl gewinnen. Die Naturzerstörung durch den Ölsandabbau ist wie überall, wo Rohstoffe im Tagebau gefördert werden, besorgniserregend. Dazu kommen die globalen Folgen durch die Freisetzung großer Mengen Treibhausgase bei Abbau und Upgrading.
Ist der Ölsand mit mehr als 75 Metern Sediment bedeckt, werden In-situ-Verfahren wirtschaftlich. Dabei wird das Rohöl an Ort und Stelle aus dem Sand herausgelöst, indem man das zähe Bitumen durch Erhitzen verflüssigt und die entstehende Flüssigkeit abpumpt. Die gängigste Methode ist das SAGDVerfahren (Steam-Assisted Gravity Drainage), bei dem bis zu 300 °C heißer Wasserdampf in horizontale Bohrlöcher gedrückt wird. Nach
› 04 Etwa 90 Prozent der welt weiten Ölvorkommen sind in Sand oder Schiefer gebunden. Ihr Abbau erfordert jedoch einen weit größeren Aufwand als die Bohrungen nach kon ventionellen Vorkommen.
der Spezialist
09
Forschung
einigen Monaten „Vorbedampfung“ wird über Drainageleitungen einige Meter unter den Dampfinjektoren ein flüssiges Öl-Wasser-Gemisch abgepumpt. Da die oberflächennahen Vorkommen begrenzt sind, gewinnt die mit höheren Kosten verbundene In-situ-Ölextraktion an Bedeutung. Die verschiedenen Verfahren unterscheiden sich nur in der Art und Weise, wie die Wärme in den Boden gebracht wird, einen Nachteil haben sie jedoch alle: Die Abstände zwischen den kostenintensiven Bohrungen müssen kurz sein, um eine gute Ausbeute zu erreichen. Beim SAGD-Verfahren werden zum Beispiel alle 100 Meter je zwei 1.000 Meter lange Rohre – jeweils ein Dampfinjektor und eine Drainageleitung – in die Erde gebracht.
Auch das in-situ-Verfahren verbraucht zu viel Wasser und Energie Im Vergleich zum Tagebau bleibt bei den In-situVerfahren bis zu 90 Prozent der Bewaldung bestehen. Umweltbelastend ist jedoch der hohe Energie- und Wasserbedarf. Immerhin: Die SAGD-Extraktion verbraucht mit durchschnittlich einem halben Barrel, also rund 80 Litern, Frischwasser pro gefördertem Barrel Bitumen schon deutlich weniger Wasser als der Tagebau mit zwei bis fünf Barreln. „Aber auch das ist noch zu viel“, betont Brunel Spezialist Ritch Rappel: „Wir wissen bereits von einer Raffinerie, die die geplante Kapazität nicht erreichen konnte – weil das Wasser zur Dampfer-
›05 zeugung fehlte.“ An dieser Stelle kommt die Induktionserwärmung ins Spiel. Denn Bernd Wacker ist überzeugt: „Es geht auch ganz ohne zusätzliches Wasser! Man muss einfach das Wasser nutzen, das im Ölsand selbst steckt.“ Ölsande enthalten rund vier Prozent Wasser, das sich als feiner Film zwischen dem Sandkorn und dem äußeren Bitumen-Mantel befindet. Weil das Wasser aus urzeitlichen Meeren stammt, ist es reich an Mineralien – das heißt: Es hat eine hohe elektrische Leitfähigkeit. Genau die Voraussetzung, die ge-
› 05 Die sechs Container oben rechts versorgen die im Boden befindlichen Indukto ren mit Strom. Im Produk tionspad (unten links) wird das verflüssigte Bitumen gesammelt und von dort in eine Pipeline weitergeleitet.
Porträt Bernd Wacker (44) ist bei Siemens Experte für Innovationen: 2005 wurde unter seiner Leitung der weltweit erste Hoch-Temperatur Supraleitende Generator getestet, ein Jahr später begann er mit der Forschung zur Induktionserwärmung. Ein wichtiges Hilfsmittel war dabei dieser Versuchsaufbau: Über eine thermisch isolierte Kupferschleife werden bis zu 400 Ampere Strom in den Sand geleitet und so die salzwassergetränkten Quarzkörner aufgeheizt.
10
der Spezialist
Forschung
braucht wird, um durch Induktion möglichst viel thermische Energie einzukoppeln. Induktionsöfen zum Erwärmen und Schmelzen von Metallen sind in der Industrie nicht neu. „Im Prinzip funktioniert das Verfahren wie beim Kochen auf einem Induktionskochfeld in der Küche“, erläutert Wacker. Durch eine Spule, den so genannten Induktor, wird ein Wechselstrom geschickt und ein elektromagnetisches Wechselfeld erzeugt. Befinden sich stromleitende Materialien in der Nähe, induziert das Wechselfeld einen Stromfluss in diesen Materialien. Die so entstehenden Wirbelströme – und nicht etwa direkte Wärmeleitung – heizen die Materialien auf.
Ab 2013 soll das neue Verfahren kommerzialisiert werden Simulatorisch erprobt bringt dieses Verfahren, die Electro-Magnetic Gravity Drainage (EM-GD), feuchten Sand auf Temperaturen, bei denen Bitumen flüssig würde. Erste Feldversuche mit maßvollen Temperaturanstiegen hat Siemens bereits in Bayern durchgeführt und hierzu 200 Meter lange Induktoren ins Erdreich eingebracht. Zunächst soll EM-GD die konventionelle Dampfextraktion nach dem SAGD-Verfahren unterstützen. Dazu planen die Ingenieure um Bernd Wacker, parallel zum horizontalen Rohrpaar – bestehend aus einem Dampfinjektor und einer Drainageleitung – rechts
asca hab e At Lak
Fort McMurray Peace River Oil Sands
Athabasca Oil Sands
Grande Prairie
A L B E RTA Edmonton
Cold Lake Oil Sands Lloydminster
Kanada Red Deer USA
Calgary
›06
und links je eine ein Kilometer lange Induktorschleife zu verlegen. Simulationen zeigen, dass sich der Wassereinsatz damit halbieren lässt. Ziel ist es, in einer späteren Phase ganz auf die Injektion von Dampf zu verzichten und das Bitumen allein durch Induktionserwärmung vom Sand zu lösen. Dabei reicht es, den Ölsand auf etwa 70 °C zu erwärmen. Denn schon bei dieser moderaten Temperatur wird das Bitumen mobil. Noch sind jedoch etliche Versuche zur Verbesserung der Horizontalbohrtechnik und zur Optimierung der armdicken Induktorkabel erforderlich. Wacker zum weiteren Zeitplan: „In Kürze werden wir mit Tests in Alberta beginnen. Bis 2013 sollten die gewonnenen Erfahrungen dann reichen, um mit einer Pilotanlage in die Kommerzialisierung der EM-GD-Technik einzusteigen.“ Bereits jetzt ist erwiesen, dass EM-GD weniger Energie verbraucht und ressourcenschonender ist als die gängigen In-situ-Verfahren. Wacker weiß jedoch um seine Konkurrenz: „Mit Hochdruck wird an alternativen Verfahren gearbeitet, zum Beispiel an der ,toe to heel air injection‘ (THAI).“ Dabei wird ein kleiner Teil des Bitumens mithilfe heißer Luft verbrannt und die Verbrennungswärme zur Ölgewinnung genutzt. Ölsand-Experte Ritch Rappel resümiert: „Der Druck der kanadischen Öffentlichkeit und Politik ist groß. Weil die Explorationsunternehmen ihre Anlagen in Phasen planen, können und werden sie relativ rasch auf das Verfahren umstellen, das den größten ökonomischen und ökologischen Nutzen verspricht.“
Porträt Der Ingenieur Ritch Rappel (59) verfügt über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung, u. a. in der Petrochemie sowie in der Erdölindustrie. Mit umfassendem Hintergrundwissen im Qualitätsmanagement hat er in seiner kanadischen Heimat als Bauleiter zahlreiche Projekte im Industriebau realisiert.
› 06 Rund 30 Millionen kanadi sche Dollar (ca. 26 Millionen US-Dollar) investiert die Regierung Albertas in Tech nologien zur Energiegewin nung. Rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der kanadischen Provinz basiert auf den Öl- und Gasvorkom men der Region.
der Spezialist
11
›07
history
Der Einstein der digitalen Kommunikation Claude Elwood Shannons 1948 veröffentlichte Informationstheorie galt als bahnbrechend und ist bis heute Grundlage für alle digitalen Datenformate. Mit ihr verbunden ist die Einführung des Bit als Bezeichnung für die kleinste Informationseinheit. Ausgangspunkt war ein rein militärisches Problem – letztlich auch ein Grund dafür, warum der humorvolle Mathematiker als Person weit gehend anonym blieb.
T e x t › Marco Heinen Der Mathematiker Claude Elwood Shannon ist der breiten Öffentlichkeit eher unbekannt. Dabei ist er eine einflussreiche Persönlichkeit der Wissenschaft: Die von ihm erarbeitete Informationstheorie bildet das Fundament jeglicher digitaler Kodierung von Informationen und ihrer Übermittlung. Shannons eigentliche Aufgabenstellung hatte jedoch nichts mit Kommunikation beispielsweise im Sinne von Telefonie oder Telegrafie zu tun: Er unterstützte das US-Militär bei der zuverlässigen Berechnung von Flugbahnen feindlicher Bomber. Seine Forschungsergebnisse reichten indes weit über dieses Ziel hinaus. „Was Einstein und Newton für die Physik sind, ist Shannon für die Medien und die digitale Kommunikation“, sagt der Medienwissenschaftler Axel Roch (38), Autor des Buches „Claude E. Shannon: Spielzeug, Leben und die geheime Geschichte seiner Theorie der Information“.
Mathematik als Basis für die Übermittlung von Daten In Shannons Hauptwerk „A Mathematical Theory of Communication“ geht es um ein Modell zur Übertragung von Daten. Er lieferte damit die mathematische Grundlage, wie Informationen beim Sender kodiert und beim Empfänger dekodiert werden können – die Basis dafür, dass wir heute das Internet nutzen, Musikdateien abspielen oder digitale Urlaubsbilder betrachten können. Bits pro Se-
kunde ist die Einheit, mit der die Leistungsfähigkeit eines Kommunikationskanals angegeben wird, beispielsweise eines Kabels oder eines Funksenders. Den Begriff der „Binary digITs“ hatte John Wilder Tukey 1947 mit einer anderen Definition eingeführt, aber erst durch Shannon bekam er seine heutige Bedeutung: Eine Anekdote besagt, dass Tukey zu einem Gespräch Shannons mit anderen Mathematikern über die sprachliche Unbeholfenheit von „binary digits“ stieß und einwarf, ob nicht „Bit“ der bessere Ausdruck sei. Daraufhin war es Shannon, der das Wort als Erster in einer Veröffentlichung verwendete. Geboren am 30. April 1916, wuchs Claude E. Shannon in Petoskey auf, einer Kleinstadt am nördlichen Lake Michigan. An der Universität des US-Bundesstaates studierte er von 1932 bis 1936 Elektrotechnik und Mathematik. Nach dem Bachelor wechselte er an das renommierte Massachusetts Institut of Technology (MIT), wo er zwei Jahre später den Master-Titel in Elektrotechnik erwarb. Über einen Aushilfsjob am Department of Electrical Engineering lernte er seinen späteren Doktorvater und Mentor Vannevar Bush, ein Pionier auf dem Gebiet analoger Rechenmaschinen, kennen. Die praktische Arbeit am MIT mit den Rechenmaschinen und ihren fehleranfälligen Relais war der Ausgangspunkt für Shannons Masterarbeit von 1938. Für „A symbolic Analysis of Relay and Switching Circuits“ wurde er zwei Jahre später mit dem Alfred-Noble-Preis der American Society of Civil Engineers ausgezeichnet. Shannon hatte boolesche Algebra, die statt mit Zahlen mit logischen Ausdrücken operiert, zur Konstruktion von digitalen Schaltkreisen angewandt und somit Mathematik sowie Elektrotechnik zur Schaltalgebra verschmolzen. 1939 promovierte er mit seiner Doktorarbeit zum Thema
› 07 Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studierte und arbeitete Claude Elwood Shannon viele Jahre. Hier sitzt er vor einem TX-0, einem der ersten transistor basierten Computer.
Info
› 02
Das MIT 1861 gegründet ist das MIT heute eine Lehreinrichtung mit weltweiter Bekanntheit. Ihr Ziel: den Studenten wissenschaftliches und technologisches Know-how zu vermitteln. An die hundert Nobelpreisträger sind mit der Einrichtung verbunden.
der Spezialist
13
history
›08 „Mathematical Genetics“. Die mathematische Begabung des 23-Jährigen, der als schüchtern und zurückhaltend galt, erregte Aufmerksamkeit: Der damalige MIT-Präsident Karl Compton sah gar Anzeichen „mathematischen Genies“. Bereits im Sommer 1937 hatte Shannon in New York bei den Bell Laboratories (Bell Labs) gearbeitet, der Forschungsabteilung der American Telephone & Telegraph Corporation (AT&T). Als der junge Student dort die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse seiner Master-Arbeit vorstellte, rief er begeisterte Reaktionen hervor. Seine Überlegungen wurden bei der Konstruktion des damals sehr fortschrittlichen „Complex Number Calculator“ angewandt, der für Telefonabrechnungen benutzt wurde. Damit war eine Verbindung zu den Bell Labs geknüpft, die so schnell nicht mehr abreißen sollte. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs drohte Shannon zeitweise eine ungewisse Zukunft beim Militär. Er wurde eingezogen, machte eine Kampfflieger-Ausbildung. Dank der Verantwortlichen beim MIT durfte er jedoch 1940 zu ergänzenden Studien an das Institute for Advanced Studies nach Princeton wechseln. Beenden konnte er diese nicht: Das unter Vannevar Bush im gleichen Jahr gegründete National Defense Research Committee (NDRC), das Teil der Vorbe-
14
der Spezialist
›09 reitung der USA auf einen möglichen Kriegseintritt war, brauchte kluge Köpfe wie Shannon. Zeitweise arbeitete er im Auftrag des NDRC im Bereich der Flugabwehr, zunächst in Princeton und dann bei den Bell Labs, die zu dieser Zeit auch für das Militär arbeiteten. Shannon hatte den Auftrag, mathematische Grundlagen für die Feuerleitung, also die Steuerung der Flugabwehr, zu erarbeiten. Konkret sollte er dazu beitragen, zuverlässigere Berechnungen von Flugbahnen und Flugmanövern zu ermöglichen. Die Bomber flogen höher und schneller als im Ersten Weltkrieg. Eine Vorhersage ihrer Flugbahn war mittels der bis dahin üblichen ballistischen Tabellen nicht möglich. Ab 1943 beschäftigte sich Shannon außerdem mit Kryptografie. Unter anderem verließ sich der amerikanische Geheimdienst bei der Einrichtung einer abhörsicheren Telefonverbindung zwischen Washington und London auf die Erfahrung des Mathematikers. Diese militärischen Aufgaben bildeten die Basis für Shannons folgende theoretische Arbeiten.
Neue Lösungen für die Kodierung von Steuersignalen So beschrieb er in seiner Informationstheorie von 1948, wie ein technisches System zur Nachrichten- und Datenübertragung aussehen muss, das völlig unabhängig von den transportierten Inhalten funktioniert; ein System also, das Sprache, Zahlen und sogar Rauschen auf die gleiche Art und Weise kodiert. Seine Überlegung war, Inhalte als statistische Größe zu betrachten, für deren Informationswert eine Wahrscheinlich-
› 08 Claude E. Shannon, hier am Forschungsinstitut MIT Lincoln Laboratory, galt als schüchternes Genie mit viel Humor.
› 09 Shannon war leidenschaft licher Bastler und Sammler von Spielzeugen. Vor allem Schachcomputer hatten es ihm angetan.
history
keit errechnet werden kann. Am Beispiel Sprache lässt sich das nachvollziehen: So weiß ein Leser beim Überfliegen eines Textes in der Regel auch dann, worum es geht, wenn er nicht jeden Satz vollständig gelesen hat. Denn das menschliche Gehirn ist in der Lage, quasi aus sprachlicher Erfahrung heraus nicht gelesene Buchstaben oder Satzteile logisch zu ergänzen – weil sie wahrscheinlich sind. Shannons Informationstheorie bildete die Grundlage für seine ein Jahr später veröffentlichte „Communication Theory of Secret Systems“, eine an seine Hauptarbeit angelehnte Theorie der Kryptografie. Auch hier waren militärische Bedürfnisse der Ausgangspunkt: Durch die Einführung der Radartechnologie wurde es notwendig, neue Wege zur Kodierung von Steuersignalen zu finden, um sie vor Manipulation und Spionage zu schützen. Mitte der Fünfzigerjahre wechselte der für seinen Humor beliebte Shannon als Professor an das MIT, blieb aber parallel bis 1972 Berater der Bell Labs. An der Universität gab er nur wenige Kurse, er unterrichtete nicht gern. Das wurde auch gar nicht von ihm erwartet, denn seine Verdienste für das Land waren unbestritten und eine bezahlte „Auszeit“ bis zu seiner Emeritierung 1978 wurde allgemein akzeptiert. Am MIT wandelten sich die Interessen Shannons: War seine erste Ehe noch an seiner Leidenschaft gescheitert, mathematische Apparaturen zu bauen, hatte er in seiner zweiten Frau Betty die ideale Partnerin gefunden. Das Haus der Familie quoll über von Spielzeugen, Musikinstrumenten und zum Teil selbst gebastel-
ten Gerätschaften aller Art. So war Shannon ein großer Fan von Einrädern und soll damit sogar durch die Gänge der Bell Labs gefahren sein – jonglierenderweise. Zudem entwarf und baute er den ersten Jonglierroboter der Welt sowie ferngesteuerte Roboter, mathematische Spielmaschinen und zahlreiche Schachcomputer. „Ich baue ganz und gar unnütze Apparate. Und zwar einfach nur, weil es mir Spaß macht“, soll Shannon, der am 24. Februar 2001 starb, einmal gesagt haben. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Ultimate Machine: Wird ein auf einer Box angebrachter Kippschalter umgelegt, öffnet sich ein Fach, aus dem eine Hand herausfährt. Sie stellt den Schalter wieder auf Aus und verschwindet.
› 10 Um die berühmten Zauber würfel enträtseln zu können, entwarf Shannon den Rubik Cube Solver: einen Manipu lator, dessen Steuerung des Würfels Lösung fand.
› 10
Meilensteine 1696 Ausgehend von der Erkenntnis der Unvollkommenheit der Sprache entwickelte der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz die Idee einer Symbolsprache. Sie besteht nur aus zwei Zahlen: 0 und 1. Er formulierte damit das System der binären Zahlen, eine der wichtigsten Grundlagen der Computertechnologie. 1847 Der britische Mathematiker und Philosoph George Boole entwarf die boolesche Algebra, bei der er Begriffe der Logik – UND, ODER, NICHT – mit Aspekten der Mengentheorie verknüpfte. Boole gilt als Begründer der mathematischen Logik im Gegensatz zur philosophischen Logik – und als Pionier der Informatik. 1941
Den ersten störungsfrei laufenden Computer baute der Deutsche Konrad Zuse. Da der „Z3“ samt Aufzeichnungen im Krieg zerstört wurde, galt zunächst Howard A. Aiken mit seinem 1944 vorgestellten „Mark I“ als Vater des Computers.
1977
Ein Informationspaket wird mittels TCP (Transmission Control Protocol) unter anderem über eine Satellitenverbindung verschickt. Entwickelt wurde TCP von Robert E. Kahn und Vinton G. Cerf. In den Achtzigerjahren standardisiert, gehört es bis heute zu den Grundlagen des Internets.
der Spezialist
15
Wissen
70° 40‘ S 8° 16‘ W – so lauten die exakten Koordinaten der Neumayer-Station III in der Antarktis. Mit modernster Mess technik ausgestattet, dient die neue Station seit Februar 2009 der Klima- und Antarktisforschung. Hydraulische Hebevor richtungen sorgen dafür, dass die 40 Millionen Euro teure Station nicht wie ihre Vorgängerin im Eis versinkt.
Die NeumayerStation III
Die hydraulischen Hebevorrichtungen: Neumayer III steht auf 16 Stützen, in die je zwei Hydraulikzylinder integriert sind. Gesteuert von einer Spezial-Software werden die aus TieftemperaturStahl gefertigten Stützen zunächst paarweise angehoben und neuer Schnee wird unter die Fundamentplatten – die „Füße“ der Stützen – geschoben. Nach dessen Aushärten werden die Stützen vorsichtig auf diesen Schneehaufen herabgelassen. Sobald sich unter allen Fundamentplatten neuer, fester Schnee befindet, werden die Hydraulikzylinder um die volle Hubhöhe von 1,20 Metern ausgefahren – die Station wächst aus dem Schnee heraus. Knackpunkt des Konzepts war die Sensorik, die dafür sorgt, dass die Station während des rund 14 Tage dauernden Prozesses waagerecht bleibt.
16
der Spezialist
Wissen
GröSSe und Funktionen: Die Neumayer-Station III ist Wohn- und Bürogebäude in einem: Auf drei Decks verteilt befinden sich Technik, Unterkünfte, Laboratorien sowie ein Hospital. In den 15 Wohn-, Schlaf- und Sanitärräumen sowie zwölf Büros und Labors können insgesamt 40 Menschen gleichzeitig leben und arbeiten. Sie können mit dem Fahrstuhl oder per Treppe alle Decks inklusive der Garage unterhalb der Station erreichen. Hier finden neben elf Pistenbullys, neun Motorschlitten und zwei Kettenfahrzeugen auch Werkstätten, Vorrats-, Abfall- und Tankcontainer Platz. Insgesamt umfasst die Station 4.473 Quadratmeter geschützte Nutzfläche, rund 1.850 davon sind klimatisiert.
Die Forschung: Aufgabe der Station ist es, präzise Umweltdaten zu erheben und diese permanent per Satellitenverbindung zum Alfred-Wegener-Institut nach Bremerhaven und ins globale meteorologische Datennetzwerk zu übertragen. Vier Observatorien messen Temperatur und solare Strahlung, lokale und weltweite Erdbebenereignisse, Veränderungen im Erdmagnetfeld, CO2 oder chemische Radikale in der Luft. Die Antarktis und die Arktis gelten als Schlüssel des Klimas. Die Daten der Station dienen sowohl kurzfristigen Wettervorhersagen als auch zur Erforschung langfristiger Klimaveränderungen.
Die Energiequelle: Gesteuert von einem Energiemanagementsystem versorgt ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit vier Dieselgeneratoren von je 150 kW die Station mit Energie. Eigenständig ermittelt das softwarebasierte System stetig den thermischen und elektrischen Energiebedarf und schaltet die Generatoren an oder aus. Damit die Generatoren bei Temperaturen von bis zu minus 60 °C binnen 20 Sekunden starten, sind sie mit einem Vorwärmer ausgestattet. Um die Windgeschwindigkeiten von bis zu 144 km/h zu nutzen, soll eines der Aggregate durch die Energie aus fünf zwölf Meter hohen Windkraftanlagen mit je 30 kW Leistung ersetzt werden. Die erste Anlage ist bereits in Betrieb, Türme, Gondeln und Rotorblätter sind aus Spezialstahl gefertigt.
der Spezialist
17
im fokus
Automatisierungsbranche – optimistischer Blick in die Zukunft Ob als Verfahren zur Steigerung der Produktivität, als Element zur Steuerung von Haushaltsgerä ten oder als Instrument zur Überwachung von Vitalfunktionen auf der Intensivstation – Automa tion ist in vielen Bereichen unseres Lebens unverzichtbar. Und ihre Bedeutung wird noch zuneh men: Denn weltweite Phänomene wie Klimawandel, Ressourcenverknappung oder Überalterung schaffen neue Märkte für die Branche. T e x t › Robert Uhde Die Idee, die eigene Arbeit an Maschinen Aber nicht nur in der Automobilinduszu delegieren, existiert schon seit Jahrtau- trie, auch in den Anwenderbranchen Chesenden. Bereits im Altertum gab es mechani- mie, Pharma, Maschinenbau, Umwelttechsche Vorrichtungen, die durch Windräder an- nik, Energie, Medizintechnik, Verkehrssysgetrieben die Arbeit von Menschen oder Tie- teme und Haushaltsgeräte hat sich die Auren übernahmen. Während der Industrialisie- tomatisierungstechnik in den vergangenen rung etablierte sich mit der Entdeckung der Jahren und Jahrzehnten zu einem unverzichtElektrizität die rationalisierte Produktferti- baren Standard entwickelt. Weltweit fühgung am Fließband. Und heute ist es die Com- rend innerhalb der Branche ist der Standort putertechnologie, die mit Industrierobotern, Deutschland, wo rund 230.000 Menschen alvollautomatischen Fertigungsstraßen und lein in der Herstellung für die elektrische Aukünstlicher Intelligenz eitomatisierungstechnik benen neuen Quantensprung „Ohne Automatisierungsschäftigt sind. Der Umsatz ermöglicht. „Inzwischen ist technik lässt sich ein betrug 2010 rund 30 Millidie Automatisierung in viearden Euro, der weltweite Automobil heute nicht len Bereichen unseres LeMarktanteil lag damit bei bens so selbstverständlich, mehr effizient bauen.“ zwölf Prozent. Die Gründe dass wir sie im Alltag kaum noch wahrneh- für den hohen technologischen Standard und men“, so Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen, Vorsit- den international ausgezeichneten Ruf der zender der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und deutschen Automatisierungsbranche sind Automatisierungstechnik (GMA). „Entweder vielfältig: Da wären zunächst die räumliwerden die Produkte mithilfe der Automation che Nähe zu und die Verflechtung mit einem produziert oder sie enthalten Funktionen, die der bedeutendsten Märkte, da hierzulande nur mittels Automation erreicht werden kön- rund neun Prozent der weltweiten Automanen. Ohne Automatisierungstechnik lässt sich tisierungstechnik abgesetzt werden. Hinzu zum Beispiel ein Automobil heute gar nicht kommt das anerkannt hohe Ausbildungsnimehr effizient, zuverlässig und in der gefor- veau der deutschen Ingenieure und Fachkräfderten Qualität bauen. Zudem enthält es bis te. Entsprechend positiv stellt sich die wirtzu 80 Steuergeräte, um die Funktionen von schaftliche Lage der deutschen Branche dar. Baugruppen im Fahrzeug sicherzustellen, da- Die jährlichen Zuwachsraten lagen im Zeitrunter die optimale und umweltschonende raum von 2003 bis 2008 zwischen sechs und Verbrennung, ABS, ESP oder auch die Auslö- 15 Prozent. „Die weltweite Finanzkrise hat die sung der Airbags.“ Unternehmen allerdings vor eine schwieri-
18
der Spezialist
Porträt Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen (45) ist seit Anfang 2010 Vorsitzender der VDI/ VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA). Bis 1996 studierte er Elektrotechnik an der TH Darmstadt und promovierte am Institut für Regelungstechnik. Anschließend war er in unterschiedlichen Funktionen Mitarbeiter der Hoechst AG und verschiedener Nachfolgegesellschaften. 2003 wechselte er zur Siemens AG und ist heute Leiter des Geschäftssegments Engineering & Consulting Process Automation.
› 11
Mithilfe regelungs- und automatisierungstechnischer Verfahren können die Gefahren für Arbeiter erheblich reduziert werden. Zudem ermöglichen automatisierte Produktionsanlagen die Sicherstellung der Qualität.
› 11
im fokus
Umfrage der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA)
Welche Anwendungsfelder bieten aus Ihrer Sicht die größten Potenziale für die Regelungs- und Automatisierungstechnik?
2010 2008 51,6%
Maschinen-/Anlagenbau
49,9%
Energietechnik 45,5%
Umwelttechnik 37,1 %
Fahrzeugtechnik
36,8%
Produktionstechnik
33,8%
Gebäudetechnik
32,3 %
Medizintechnik-Gesundheit 25,3 %
Verfahrenstechnik
21,8 %
Biotechnologie 16,0 %
Logistik 3,5 %
Nichttechnische Prozesse
4,6%
Andere technische Prozesse 0%
10%
20 %
Effiziente Steuerung garantiert den optimalen Einsatz von Material und Energie So vielfältig die Einsatzmöglichkeiten der Automatisierungstechnik sind, so unterschiedlich gestaltet sich auch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter: „Ganz generell lässt sich feststellen, dass der Anteil der Ingenieure in der Branche sehr hoch ist“, sagt Kurt D. Bettenhausen. „Benötigt wird methodisches und mathematisches Wissen, das nur über ein Studium zu erlangen ist. Wichtig ist dabei vor allem die Fähigkeit zu interdisziplinärem Denken, um sich bisher unbekannten Aufgabenstellungen strukturiert annähern zu können. Denn das zu entwerfende automatisierte System muss in der Lage sein, seine Umgebung vollständig zu erfassen und zielorientiert zu beeinflussen. Darüber hinaus werden auch Facharbeiter mit exzellenten Kenntnissen benötigt, um die notwendigen praktischen Realisierungen vor Ort umzusetzen.“ Oberstes Ziel der Automatisierung ist in der Regel eine hohe und zuverlässige Produktqualität bei mög-
der Spezialist
30%
40%
50%
60%
Mehrfachnennungen möglich – durchschnittliche Anzahl der Nennungen 2008: 4,34/2010: 4,02 (n = 1.033)
ge Situation gestellt“, so Kurt D. Bettenhausen. „Inzwischen erholt sich der Markt aber langsam und hat immerhin wieder das Niveau aus dem Jahr 2006 erreicht.“
20
D. Westerkamp, 04.02.2010
21,0 %
Mikro- und Nanotechnik
› 12
› 12
23,3%
Verkehrstechnik
lichst geringen Kosten – an sich also konkurrierende Zielsetzungen. In vielen Bereichen wie der Herstellung von Computerchips oder der Fertigung von Solarzellen dient sie dabei vorrangig zur Übernahme von Routineaufgaben. In anderen Feldern wie der Nano- und Biotechnologie oder der medizinischen Dia gnostik ist sie dagegen ein notwendiger Baustein, der die Entwicklung neuer Technologien überhaupt erst möglich macht. Neben diesen „klassischen“ Funktionen der Automatisierung stehen aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aktuell außerdem die Themen Energie- und Ressourceneffizienz im Vordergrund: „Denn der optimale Einsatz von Material und Energie lässt sich nur mit einer effizienten Steuerung oder Regelung der eingesetzten Maschinen, Produkte und Verfahren realisieren“, erklärt Kurt D. Bettenhausen. Zu einem weiteren relevanten Aufgabenfeld für die Automatisierungstechnik hat sich in den vergangenen Jahren das Thema Sicherheit entwickelt. So sorgt etwa der automatisierte Einsatz redundanter Systeme an
Die aktuelle Umfrage des VDI belegt, dass die Unternehmen der Automatisierungsbranche positiv in die Zukunft blicken: Mindestens jedes zweite erwartet in den kommenden zwei Jahren wirtschaftliches Wachstum. Die Grafik zeigt, welche Anwendungsfelder dabei das größte Potenzial bieten.
im fokus
Schlüsselstellen dafür, bei Ausfall eines Teilsystems den funktional sicheren Betrieb eines Kraftwerks oder einer Produktionsanlage aufrechtzuerhalten. „Um Unfälle und Störungen in solchen oder ähnlichen Bereichen zu vermeiden und eine optimale Sicherheit für Mensch, Umwelt und die jeweilige Anlage zu ermöglichen, ist es wichtig, die bestehenden Verfahren konsequent weiterzuentwickeln“, erläutert Bettenhausen. „Mit steigender Bedeutung der Informationstechnik wird dabei insbesondere die IT-Sicherheit in automatisierten Anlagen immer bedeutender.“ Denn nur mit modernen automatisierten Verfahren lassen sich Systemfehler oder sicherheitsrelevante Ausfälle etwa im Prozessleitsystem eines Kraftwerks oder im Online-Banking-System einer Bank verhindern.
Parallel dazu kommt der Automatisierung zunehmend die Aufgabe zu, Strategien gegen die negativen Folgen des Klimawandels, des weltweiten Bevölkerungswachstums oder der Verknappung natürlicher Ressourcen zu entwickeln. Diese Phänomene erfordern ein umfassendes und optimiertes Datenmanagement, das sich oftmals nur mit Lösungen der Automatisierung umsetzen lässt. So ist es etwa möglich, mithilfe automatisierter Frühwarnsysteme das Auftreten von Dürren, Überschwemmungen oder anderen Katastrophen in bestimmten Regionen vorherzusagen und frühzeitig entsprechende Vorsorge- und Hilfsmaßnahmen einzuleiten.
› 13
Technische Geräte wie der Roboter „Care-0-bot“ sind komplex. Damit er dem Personal in Alten- und Pflegeheimen eines Tages Routineaufgaben abnehmen kann, muss jedoch die Interaktion zwischen Mensch und Maschine möglichst einfach ablaufen.
Die Globalisierung erfordert zunehmend komplexe, vernetzte Systeme Für die kommenden Jahrzehnte ist zu erwarten, dass die Anforderungen an die Automatisierungstechnik weiter steigen werden. Großes Zukunftspotenzial für die Branche verspricht insbesondere die fortschreitende Globalisierung mit ihren Veränderungen in den Bereichen Technologie, Gesellschaft und Ökologie. Die Umsetzung und Gestaltung dieser Prozesse schafft und erfordert komplexe und immer stärker miteinander vernetzte Systeme wie zum Beispiel intelligente Stromnetze (Smart Grids), die ein effektives Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch ermöglichen. Für das Funktionieren dieser Netze sind zunehmend hochspezialisierte automatisierte Lösungen nötig. Kurt D. Bettenhausen: „Ob bei Mobilität, Arbeiten, Gesundheit oder Wohnen – der Mensch wird immer mehr durch automatisierte technische Systeme unterstützt, die ihm Aufgaben abnehmen und Entscheidungen erleichtern.“ Vorstellbar ist zum Beispiel der vernetzte Kühlschrank, der über das Internet an einen Lieferservice angeschlossen ist und der anhand individueller Nutzer- und Bedarfsprofile automatisch die jeweils benötigten Artikel erkennt und bestellt.
› 13 der Spezialist
21
im fokus
› 14
› 14 „In Deutschland und zahlreichen anderen Industrie nationen wird außerdem der demografische Wandel zu einer immer bedeutenderen gesellschaftlichen Herausforderung“, sagt Kurt D. Bettenhausen und nennt damit einen weiteren Wachstumsmarkt für die Automatisierungsbranche. „Als wichtige Einsatzbereiche zeichnen sich hier insbesondere die Medizin und der häusliche Bereich ab. Vorstellbar ist zum Beispiel der Einsatz von Robotern zur Unterstützung und Pflege älterer Menschen.“ Ob und inwieweit solche und ähnliche Utopien letztlich Realität werden, wird erst die Zukunft zeigen. Denn noch stoßen manche dieser Überlegungen bei vielen Menschen auf Vorbehalte. Mit weniger Automation ist in den nächsten Jahren und Jahrzehnten trotzdem nicht zu rechnen. Im Gegenteil: „Um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein, werden wir in Deutschland eher mehr Automation brauchen, um noch effizienter und hochwertiger produzieren und neue Produkte überhaupt entwickeln zu können“, blickt Kurt D. Bettenhausen optimistisch in die Zukunft.
22
der Spezialist
Nicht alle Produkte können manuell hergestellt werden. Beispielsweise in der Mikround Nanotechnik sind automatisierte Produktionsanlagen erforderlich.
Brunel: Unterstützung in allen Bereichen der Branche Entsprechend der hohen Bedeutung für unterschiedlichste Industriezweige stellt die Automatisierungstechnik auch für Brunel einen wichtigen Baustein dar. Der Projektpartner verfügt über Spezialisten für • den Entwurf, • die Programmierung, • die Implementierung und • die weltweite Inbetriebnahme von Automatisierungsfunktionen. Dabei ist Brunel in sämtlichen Bereichen aktiv: • Beratung • Anlagensteuerung • Anlagenüberwachung • Anlagenvisualisierung • Prozessdatenerfassung
Kompakt
Aus unserer Sicht
Mittelstand nutzt Fachkräftepotenzial nicht ausreichend
Diplom-Ingenieur Thomas Popp (39) studierte an der RWTH Aachen Metallurgie
Der Mittelstand gilt als Herz der deutschen Wirtschaft, ist wichtiger Arbeitgeber und Treiber von Innovationen. Diese Relevanz war ausschlaggebend für Brunel, eine repräsentative Marktstichprobe in Auftrag zu geben: Über 130 Mittelständler aus technischen Branchen wurden von der unabhängigen Lünendonk GmbH zu ihrer Zusammenarbeit mit Ingenieur- und Personaldienstleistern befragt. „Die Ergebnisse zeigen, dass der Mittelstand zwar den anhaltenden Fachkräftemangel als Problem empfindet, im Umgang mit externen Partnern jedoch zögerlich ist“, erklärt Thomas Popp, Brunel Geschäftsbereichsleiter. Dabei verfügt allein Brunel über einen Pool von weltweit 8.000 Spezialisten, rund 30.000 Bewerbungen erhält das Unternehmen jährlich. „Das Potenzial ist also da, wird jedoch noch nicht ausreichend von den Mittelständlern genutzt“, macht Popp deutlich. Nur die Hälfte der Befragten greift auf externes Know-how zurück – und das auch eher zur Überbrückung personeller Engpässe. „Die Einbindung in die langfristige strategische Planung findet dage-
und Werkstofftechnik. Seit 2002 arbeitet er bei der Brunel GmbH und ist seit 2010 Geschäftsbereichsleiter.
gen kaum statt“, so Popp. „Daher möchten wir die Unternehmen über ihre Möglichkeiten informieren. Hierzu führen wir Informationsveranstaltungen durch, auf denen wir die Ergebnisse der Studie vorstellen und mit den Unternehmen diskutieren.“
Die Management Summary zur Studie „Mehrwert von Ingenieurund Personaldienstleistungen – sichtbar, messbar, akzeptiert, genutzt?“ sowie Informationen zu den Events finden Sie unter www.brunel.de/mittelstand.
Wer hat’s erfunden?
Der Sony-Walkman Bereits als Kind baute Akio Morita (1921– 1999) das Grammophon seiner Eltern auseinander und wieder zusammen. 1946 machte er seine Leidenschaft dann zum Beruf: Gemeinsam mit seinem ehemaligen Navy-Kollegen Masaru Ibuka gründete er Tokyo Tsushin Kogyo Kabushiki Kaisha, seit 1958 bekannt als Sony. Das Unternehmen führte 1979 den Walkman ein – mit großem Erfolg: Nach nur acht Wochen waren 30.000 Geräte verkauft. Bis zum 25. Geburtstag des Walkmans gingen weltweit insgesamt 335 Millionen Exemplare über die Ladentheken. Einziger Wehr-
mutstropfen, der Morita bis zu seinem Tod begleitete: Der deutsche Erfinder Andreas Pavel behauptete, der Sony-Walkman sei eine Kopie des „Stereobelts“, eines tragbaren Abspielgeräts für Kassetten, das er bereits 1977 zum Patent angemeldet hatte. Der Rechtsstreit zwischen Sony und Pavel wurde erst im Jahr 2004 außerg erichtlich beigelegt: Gerüchten zufolge erhielt Pavel eine stattliche Summe, um von weiteren gerichtlichen Schritten abzusehen. www.sony.de
› Der „TPS-L2“ von Sony Am 1. Juli 1979 brachte Sony seinen ersten Walkman auf den Markt. In den Achtzigerjahren war der tragbare Kassettenspieler unter Jugendlichen ebenso beliebt wie später der CD-Walkman und heute Walkman-Handys und MP3-Player.
der Spezialist
23
Kompakt
Blau für die Umwelt – rußfreier Keilriemen aus Hannover
Unter dem Label BlueConcept bietet die hannoversche ContiTech AG Produkte aus mehrheitlich nachwachsenden Rohstoffen an. Darunter auch den Keil riemen CONTI-V® PIONEER.
Dieser Keilriemen fällt nicht nur wegen seiner extravaganten Farbe auf: Der leuchtend blaue CONTI-V® PIONEER ist der weltweit erste ummantelte Keilriemen, der aus nachwachsenden Rohstoffen produziert wird. Vorwiegend besteht der Ökoriemen aus Naturkautschuk, als Weichmacher dienen pflanzliche Öle, für die Ummantelung wurde Baumwolle verwendet. Der Riemen ist damit komplett rußfrei und erfüllt trotzdem die Leitfähigkeitsanforderungen nach ISO 1813. „Eine besondere Herausforderung“, erklärt Dr. Heiko Sattler, Leiter Forschung und Entwicklung Industrie der ContiTech Power Transmission Group. Denn bislang galt: Nur Ruß macht Keilriemen leitfähig und sorgt so dafür, dass sie keine Zündquelle darstellen. „Die Herstellung der Leitfähigkeit nahm einen Großteil der zweijährigen Entwicklungszeit in Anspruch“, so Dr. Sattler. Nach dem ummantelten Keilriemen soll noch in diesem Jahr ein ökologischer Zahnriemen im Markt etabliert werden. www.conti-tech.de
Insekten als Vorbild: neues Konzept für Dübel
Weltrekord in der Datenverarbeitung Von diesem Weltrekord waren selbst die Wissenschaftler überrascht. Forscherteams des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie der Goethe-Universität Frankfurt konnten die Energieeffizienz bei der Verarbeitung großer Datenmengen um das bis zu Vierzigfache steigern. „Mit einem so deutlichen Ergebnis hatten wir nicht gerechnet“, erläutert Professor Peter Sanders vom KIT, der das Projekt zusammen mit Professor Ulrich Meyer von der Uni Frankfurt leitet. Der Ansatz: Statt Serverprozessoren verwendeten sie besonders sparsame Mikroprozessoren und statt Festplatten die wesentlich schnelleren Solid State Disks. „Damit sind wir der Lösung eines Kernproblems der Informatik – dem energieeffizienten Sortieren wachsender Datenmengen – einen Schritt nähergekommen. Diesen Ansatz verfolgen wir nun weiter“, sagt Professor Sanders. „Denn die Verwendung kleiner, sparsamer, miteinander kooperierender Systeme ist eine mögliche Antwort auf den Energiehunger der Informationstechnik.“ www.kit.edu / www.uni-frankfurt.de
Die Bohrwerkzeuge von Zwergzikaden dienten zwei jungen Bionikern als natürli ches Vorbild für die Neuent wicklung von Dübeln.
Leichtbauwerkstoffe sind auf dem Vormarsch sowohl beim Bau von Gebäuden als auch in der Automobil-, Flugzeug- oder Möbelindustrie. „Entsprechend gewinnen auch die Befestigungssysteme für diese Werkstoffe an Relevanz“, erklärt Markus Hollermann. Der Mitarbeiter des Bionik-Innovations-Centrums der Hochschule Bremen entwickelt gemeinsam mit seinem Kollegen Felix Förster bioinspirierte Fixierungslösungen. Bereits im Rahmen ihrer Bachelorarbei-
24
der Spezialist
ten entwarfen die beiden Dübel, die sich an Zwergzikaden oder Zecken orientieren. „Diese Tiere haben es perfektioniert, auf effizienteste Art und Weise in Blätter einzudringen und sich dort zu verankern“, erläutert Förster. „Ihre Prinzipien haben wir analysiert und darauf basierend unsere Modelle entwickelt.“ Diese Art der Befestigungssysteme sei noch wenig erforscht, so die beiden Nachwuchsforscher, die ihre Ansätze nun an der Bremer Hochschule weiterentwickeln. Mittelfristig plant das Team die Gründung eines eigenen Unternehmens. www.die-bioniker.de
Kompakt
Termine
Den Bedarf des Mittelstands im Fokus Deutschlandweit organisiert die Brunel GmbH gemeinsam mit regionalen Verbänden und In stitutionen Informationsveranstaltungen zu folgendem Thema:
„Ungenutztes Fachkräftepotenzial am Standort Deutschland für den Mittelstand“ In einer repräsentativen Marktstichprobe der Lünendonk GmbH und der Brunel GmbH wurden Einsatzgebiete und Mehrwerte von Ingenieur- und Personaldienstleistern im deutschen Mittelstand analysiert. Melden Sie sich für die Ergebnispräsentation an folgenden Standorten an:
6. 10. 2010 in Kooperation mit der IHK Lindau 7. 10. 2010 in Kooperation mit der IHK Villingen-Schwenningen 12. 10. 2010 in Kooperation mit der IHK Karlsruhe 10. 11. 2010 in Kooperation mit dem BVMW Bremen 16. 11. 2010 in Kooperation mit dem BVMW Rostock
Weitere Termine in Hamburg, Hannover, Braunschweig, Erfurt, Ulm und anderen Städten folgen. Informieren Sie sich auf www.brunel.de/mittelstand.
Tipps
Webtipp
Buchtipp
Science-Center-Tipp
www.nasa.gov
Joachim Radkau: Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis heute, Campus Verlag, Frankfurt/M., 2008
Swiss Science Center Technorama
Die NASA nimmt Sie mit auf eine multimediale Reise ins Weltall: Live-Bilder aus Weltraumstationen werden ergänzt durch eine Vielzahl an Videos, beispielsweise von der ersten Testfahrt des neuen Mars Rover im NASA-Labor. In der Image Gallery finden Sie Bilder von Planetenoberflächen – darunter auch das erste Foto, das eine Raumsonde 1966 vom Mond aufnahm.
Beginnend im „hölzernen Zeitalter“ beschreibt Joachim Radkau über 200 Jahre deutscher Technikgeschichte. Dabei betrachtet er neben der reinen Technik stets auch ihre Wechselwirkungen mit Mensch und Umwelt. So beschreibt der Historiker das Innovationsverhalten in einer Epoche oder durch Technologien hervorgerufene Veränderungen in der Lebensweise.
Auf rund 6.500 Quadratmetern werden die Besucher mit Exponaten, Workshops und Vorführungen spielerisch an Phänomene aus Wissenschaft, Kunst und Technik herangeführt. So können Schwingungen und Wärmestrahlung sichtbar gemacht oder die Auswirkungen magnetischer Kräfte auf das Licht untersucht werden. Weitere Informationen unter www.technorama.ch.
der Spezialist
25
querdenken
Von Digital Bubbles und Smart Environments In der Zukunft nutzen wir soziale Netzwerke nicht mehr nur am heimischen Computer. Viele Menschen werden ihr digitalisiertes persönliches Datenprofil stets bei sich tragen. Wie so etwas aussehen kann, dafür hat die Interface-Designerin Romy Kniewel ein preisgekröntes Konzept ent worfen.
T e x t › Marco Heinen
Porträt Romy Kniewel (29) studierte zunächst Informationsdesign an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Anfang dieses Jahres erwarb die gebürtige Merseburgerin (Saale), die sich auf Interface-Design spezialisiert hat, ihren Master-Abschluss an der Bauhaus-Universität Weimar. Auslandssemester hatte sie in Graz, Limerick und Malmö absolviert. Zurzeit promoviert Kniewel an der Universität Kassel.
26
der Spezialist
Bescheiden, fast zurückhaltend berichtet Romy Kniewel über ihre Ideen zur zwischenmenschlichen Kommunikation in der Zukunft. Mit me+, einem Konzept für eine mobile Software-Anwendung, hat sie dieser Vorstellung eine Gestalt gegeben. Die 29-Jährige ist kein Mensch vieler Worte – sie lässt lieber ihre Arbeit sprechen. Schon in wenigen Jahren, so Kniewel, könnte die soziale und berufliche Kommunikation eine andere Form annehmen. Wie diese aussehen könnte, zeigt folgendes Beispiel: Bei einem Symposium über Umweltverträglichkeit im Flugverkehr sind zahlreiche Experten anwesend. Unter ihnen ist eine Doktorandin aus Berlin, die an einem Modell zur Reduzierung des Treibstoffverbrauchs von Triebwerken arbeitet. Für einige Detailfragen würde sie gerne mit einem Strömungstechn iker sprechen. Die Wissenschaftlerin gibt über eine Suchfunktion in ihrem Mobiltelefon die Stichwörter „Strömungstechnik“ und „Flugzeugbau“ sowie den Radius von einem Kilometer ein – und bekommt wenig später eine Nachricht: Ein Strömungstechniker, der aus Hamburg zum Kongress gekommen ist, wurde von seinem Handy über das Anliegen der Berlinerin informiert. Schon in der nächsten Vortragspause trifft sie ihn im Kongresszentrum auf einen Kaffee und spricht mit ihm über ihre Dissertation. Gut möglich, dass die beiden auch ohne die Hilfe einer mobilen sozialen Software wie
me+ ins Gespräch gekommen wären. Doch der schnelle persönliche Kontakt war überaus hilfreich für das Voranschreiten der Doktorarbeit. Das Kürzel me+ steht für ein grafisches Interface, ist also das ausgestaltete Design einer Software, für die ein teilweise funktionsfähiger Prototyp existiert. me+ soll dazu befähigen, über ein Mobilgerät wie das Handy nutzereigene digitale Informationen effizient für die Kommunikation einzusetzen und zu steuern. Zwar existieren mit Diensten wie Aka-Aki oder Mobiluck bereits soziale Netzwerke als Anwendung für das Mobiltelefon. Diese ermöglichen aber eher das Auffinden von Freunden in der näheren Umgebung eines Nutzers und sind in ihrer Funktion eingeschränkter als me+.
Zukunftsforscher stützen Kniewels Vorstellungen Das fiktive Beispiel zeigt, welche Anwendungen zu unserem Alltag gehören, wenn sich viele Menschen künftig mit einer „Digital Bubble“ umgeben. So eine digitale Blase besteht aus persönlichen Daten eines Einzelnen, die mit den Mobilgeräten anderer Nutzer ausgetauscht werden. Darüber hinaus wird es laut Romy Kniewel vielerorts „Smart Environments“, intelligente Umgebungen, geben. Das sind Informations- und Serviceangebote, die etwa durch Firmen oder öffentliche Einrichtungen bereitgestellt werden. Sie werden
querdenken
› 15 Wer sich mit Kommunika tionstechnologien von morgen beschäftigt, muss sich auch mit dem Thema Datenschutz auseinander setzen – eine der Herausfor derungen bei der Entwick lung von me+.
› 15
› 16 me+ ermöglicht es dem Benutzer, soziale und beruf liche Kontakte zu pflegen. Welche Informationen oder Personen ihn wann und wo erreichen dürfen, steuert der Nutzer mit dem „Bodyguard“.
dem Nutzer per WLAN auf das Mobilgerät geschickt, wenn er sich in relativer Nähe befindet. „Für diesen Radius gibt es keine feste Definition“, so Romy Kniewel, „grundsätzlich sollte er so weit reichen, wie es für die Angebote sinnvoll erscheint.“ Die intelligente Umgebung eines Bahnhofs etwa, würde auf ein persönliches Profil zugeschnittene Reiseangebote offerieren, sobald der User den Bahnhof betritt – die Informationen erscheinen automatisch auf dem Handy. Dass die Menschen bereit sein werden, sich vielerorts mit ihrer persönlichen digitalen Blase zu umgeben,
› 16
gilt nach Ansicht von Experten als sehr wahrscheinlich. Eine solche Vision beschreibt zum Beispiel der namhafte britische Zukunftsforscher Ian Pearson in einem Aufsatz für The Journal of The Communications Network von 2005. „Es ist eine Art Zusammenfassung verschiedener Zukunftsvorhersagen“, kommentiert Romy Kniewel den viel beachteten Text von Pearson. Auch ihre Arbeit erhielt bereits viel Anerkennung: Das Konzept wurde mit dem Zukunftspreis Kommunikation des Deutschen Verbands für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation ausgezeichnet. „Entstanden ist me+ in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation“, erläutert Kniewel, die bereits ihre Bachelorarbeit beim Fraunhofer IAO geschrieben hatte. Die Verantwortlichen kamen auf sie zu und fragten, ob sie das Interface-Konzept im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar entwickeln wolle. Projekte wie dieses sind häufig Vorläufer von EU-Projekten. So auch in diesem Fall: Voraussichtlich im Herbst wird „Digital Me“ aufgelegt – dann jedoch ohne die Beteiligung von Romy Kniewel. Sie schreibt gerade ihre Dissertation an der
der Spezialist
27
querdenken
› 17 › Hauptmenü › 17 Das Hauptmenü bildet den Überblick über alle Funkti onsbereiche von me+. Unter „me“ beispielsweise sind Daten über den Benutzer selbst abgelegt. In „myFaces“ kann er bestimmen, welche Informationen seinen Kontakten („myPeople“) und Unbekannten zugänglich sind. „Nearby“ zeigt unter anderem an, welche „myPeo ple“ oder „myPlaces“, also für den Benutzer interessante Personen und Orte, sich in seiner Nähe befinden.
› Elementeauswahl
Universität Kassel. Das Thema: „Gestaltungsrichtlinien für die Schnittstellen des Ubiquitous Computing“. Die Begrifflichkeit Ubiquitous Computing beschreibt die Allgegenwärtigkeit rechnergestützter Informationsverarbeitung und ist im Prinzip das Gegenstück zu Kniewels bisheriger Arbeit: Hatte sie sich bislang mit der Anwenderseite beschäftigt, geht es nun um die dafür notwendigen Umgebungen. „Hier“, so Kniewel, „kann ich das Wissen, das ich beim Entwickeln von me+ gewonnen habe, einbringen.“
Privatsphäre und Datenschutz – Ansporn und Herausforderung zugleich Grundsätzliche Fragen, mit denen sie sich während dieser Entwicklungszeit immer wieder auseinandergesetzt hat, waren: Was möchte der Nutzer und was nicht? Welche Funktionen sind also sinnvoll? Und wie schützt man den Nutzer davor, dass er Informationen ungewollt mit anderen austauscht? „me+ ist entsprechend eine sehr komplexe Software mit vielen Funktionalitäten geworden“, erläutert Kniewel, die auch an der Programmierung der ersten Demonstrationsversion beteiligt war. Die Vielzahl an verschiede-
28
der Spezialist
› Nearby
nen Detailanforderungen zu verbinden, sei für sie der Antrieb gewesen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. „Ein wichtiger Aspekt und eine gleichzeitig große Schwierigkeit war, das System hinsichtlich der Privatsphäre sowohl rechtlich als auch nutzergerecht zu gestalten“, so Kniewel. So reicht ein Klick, um sich für einzelne oder mehrere Nutzer, aber auch für intelligente Umgebungen unsichtbar zu machen. me+ unterscheidet sich hinsichtlich des möglichen Missbrauchs privater Informationen von den populären Internetdiensten: „Es findet keine zentrale Speicherung der Daten auf den Servern von Providern statt“, sagt Kniewel. Die Chancen, dass das Konzept eines Tages Realität wird, stehen gut, schließlich sind vielerorts bereits HotSpots und WLAN-Netze vorhanden. Die Infrastruktur der Zukunft befindet sich also längst im Aufbau.
Im Dialog
Flexible Arbeitsmodelle – wichtig für die Wertschöpfung von Unternehmen Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels gewinnen flexible Arbeitsmodelle an Relevanz. Hier sind sich VDI-Direktor Dr.-Ing. Willi Fuchs und Brunel General Manager Dr. Ralf Napiwotzki einig. Doch während Konzerne Ingenieur- und Personaldienstleister bereits in ihre strategische Personalplanung einbeziehen, ist der deutsche Mittelstand in dieser Hinsicht noch eher zögerlich. Int er vie w › Stine Behrens Der Spezialist: Herr Dr. Fuchs, das Thema Arbeitnehmerüberlassung ist nicht unumstritten. Woran, glauben Sie, liegt das? Dr. Willi Fuchs: Den Personaldienstleistern wird unterstellt, dass sie Verträge mit schlechten Konditionen abschließen und sie so die prekäre Situation von Arbeitnehmern ausnutzen, die gerade in keinem festen Arbeitsverhältnis stehen. Umgekehrt wird Unternehmen, die sich auf diese Dienstleister berufen, vorgeworfen, nicht mehr langfristig in eigene Mitarbeiter investieren zu wollen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass es auf beiden Seiten schwarze Schafe gibt. Doch vor allem bei den Ingenieurdienstleistern stimmt dieses negative Bild in vielen Fällen nicht mit der Realität überein. Ihnen geht es vielmehr darum, hochqualifizierten Ingenieuren auf ihre Bedürfnisse und Anforderungen zugeschnittene Stellen zu vermitteln.
Die Anforderungen an Arbeitgeber und Arbeitnehmer ändern sich Der Spezialist: Verändert sich dieses Bild in der öffentlichen Wahrnehmung mittlerweile? Dr. Fuchs: Sehr deutlich sogar. Denn die Anforderungen sowohl an die Arbeitgeber als auch an die Arbeitnehmer ändern sich. Vor allem im Ingenieurbereich gewinnt die Arbeitnehmerüberlassung an Relevanz. Für Unternehmen werden flexible Beschäftigungsformen gerade dann wichtig, wenn sie auf neue Entwicklungen reagieren müssen und hierfür
Ingenieure mit äußerst spezifischem Fachwissen benötigen. Sie wissen also bereits um die Bedeutung des Know-hows „von außen“ und nutzen es zunehmend. Von den Arbeitnehmern wird branchenübergreifend mehr Flexibilität und stets aktuelles Wissen erwartet. Hier sind Angestellte eines Ingenieurdienstleisters im Vorteil. Denn für sie ist es normal, sich immer wieder fachlich wie menschlich auf neue Situationen einzustellen. Es ist also kein Makel, bei einem Dienstleister tätig zu sein, sondern eine Qualifikation, mit der die Ingenieure selbstbewusst umgehen können. Der Spezialist: Arbeiten die Ingenieurdienstleister denn auch aktiv daran mit, ihr Image weiter zu verbessern?
Porträt Dr.-Ing. Willi Fuchs (53) studierte Maschinenbau an der Universität Siegen. Nach einem einjährigen Aufenthalt als Lehrkraft an der University of Houston (Texas) war Dr. Fuchs viele Jahre Geschäftsführer der im technischen Bereich aktiven Dr. Reinold Hagen Stiftung. Seit Mai 1999 ist er Direktor des VDI sowie geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums.
der Spezialist
29
Im Dialog
ternehmen zu jeder Zeit die Möglichkeit, Lücken zu schließen. Das gilt für den kurzfristigen Bedarf, etwa bei Schwankungen in der Auftragslage, ebenso wie bei mittel- und langfristigen Planungen, beispielsweise für die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen. Unabhängig vom akuten Problem des Fachkräftemangels in Deutschland hat jeder Betrieb immer einen variablen Bedarf an Experten – und eben dieser wird durch flexible Arbeitsmodelle gedeckt. Diese moderne Arbeitsweise ist damit ganz sicher ein wichtiger Teil zur Lösung des derzeitigen Fachkräfteproblems, ihre Relevanz geht aber weit darüber hinaus.
Porträt Dr. Ralf Napiwotzki (45) studierte Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal und promovierte beim Institut für Europäische Wirtschaftsforschung. Bevor er 2006 als Geschäftsbereichsleiter zu Brunel kam, war Dr. Napiwot zki als Vice President eines mittelständischen Maschinenbauers tätig. General Manager der Brunel GmbH ist er seit 2009.
Dr. Fuchs: Das tun sie durchaus. Zumal sie erkannt haben, dass diese Arbeit schon beim Ingenieurnachwuchs ansetzen muss. Brunel etwa unterstützt den VDI-Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany sowie das Förderprogramm VDI ELEVATE. Bei der Formula Student treten Nachwuchsingenieure auf dem Hockenheimring in selbst gebauten Rennwagen gegeneinander an. Sie können so praktische Erfahrungen sammeln, die ihnen den Berufseinstieg erleichtern. VDI ELEVATE bietet den Studierenden die Möglichkeit, wertvolle Kontakte zu Unternehmen aufzubauen und diese so besser kennenzulernen. Dieses Engagement ist ein guter Weg für Ingenieurdienstleister, Präsenz zu zeigen und die eigene Arbeitsweise sowie Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen. So kann mit möglichen Vorbehalten bereits bei angehenden Ingenieuren aufgeräumt und so das Image langfristig verbessert werden.
Die Mentalität des „Selbermachens“ ist im deutschen Mittelstand noch sehr stark verankert Der Spezialist: Herr Dr. Napiwotzki, in Deutschland wird das Thema Fachkräftemangel anhaltend diskutiert. Können flexible Arbeitsmodelle eine nachhaltige Lösung dieses Problems sein? Dr. Ralf Napiwotzki: Um dem Mangel wirklich nachhaltig entgegenzuwirken, müssten zeitnah entsprechende Anpassungen in der Bildungspolitik vorgenommen werden. Flexible Arbeitsmodelle aber bieten Un-
30
der Spezialist
Der Spezialist: Welche technischen Branchen und Unternehmen setzen bereits auf Ingenieurdienstleister? Dr. Napiwotzki: Großunternehmen fast aller Branchen arbeiten mit Personaldienstleistern zusammen, binden sie in ihre langfristigen unternehmenspolitischen Planungen ein und profitieren so von den Vorteilen: Flexibilität, Überbrückung personeller Engpässe, Bewältigung von Auftragsspitzen, gezielter Zukauf von Know-how. In der Luft- und Raumfahrt beispielsweise investieren Unternehmen vermehrt in die Entwicklung, um die Effizienz der Fluggeräte zu steigern. Entsprechend sind hier derzeit Spezialisten für die Antriebs- oder die Werkstofftechnik gefragt – und eben die stellen wir zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich in den Branchen Automotive, Maschinenbau, Energie- oder Elektrotechnik: Auch hier nutzen Konzerne angesichts des wachsenden globalen Wettbewerbs die Vorzüge flexibler Beschäftigungsformen. Zwar sind diesem Wettbewerb auch mittelständische Unternehmen ausgesetzt, hier haben wir allerdings eine gewisse Zurückhaltung festgestellt. Gemeinsam mit einem unabhängigen Marktforschungsinstitut sind wir dieser Annahme auf den Grund gegangen. Das Ergebnis unserer Marktstichprobe: Nur rund die Hälfte der bundesweit befragten Mittelständler hat bereits mit externen Partnern zusammengearbeitet. Die Mentalität des „Selbermachens“ ist im deutschen Mittelstand also noch sehr stark verankert.
Im Dialog
› 18 Der Spezialist: Die Personaldienstleistungsbranche ist also bereits ein wichtiges Standbein der deutschen Wirtschaft. Wie wird sich diese Entwicklung fortsetzen? Dr. Fuchs: Ich gehe davon aus, dass der Einfluss der Ingenieurdienstleister steigen wird. Vor allem wenn es darum geht, zukunftsweisende Projekte umzusetzen, für die bestimmtes Fachwissen im Unternehmen nicht verfügbar ist. Zum einen sind Ingenieure von Dienstleistern immer offen für Neues und können sich leicht an ein neues Team anpassen. Zum anderen wächst, wie Dr. Napiwotzki bereits sagte, die Konkurrenz nicht nur
innerhalb Deutschlands, sondern auch im Ausland. Die Unterstützung der Personaldienstleister ermöglicht es den Betrieben, auch kurzfristig Aufträge anzunehmen und nicht mangels Know-how oder Kapazitäten abgegeben zu müssen. Das ist wichtig für die Wertschöpfung der Unternehmen. Dr. Napiwotzki: Da schließe ich mich voll und ganz an. Vor allem vor dem Hintergrund der Studienergebnisse gehe ich davon aus, dass auch mittelständische Unternehmen künftig mehr auf Ingenieur- und Personaldienstleister setzen werden. Denn eine Mehrheit von ihnen antwortete auf die Fragen nach ihren wichtigsten Zielen für die nächsten zwei Jahre: Marktanteile ausbauen und neue Technologien entwickeln. Ein er-
› 18 Branchenübergreifend sind es vor allem Großunterneh men, die mit Personal- und Ingenieurdienstleistern zusammenarbeiten. Hier im Bild ein Spezialist bei der thermischen Prüfung von Triebwerksteilen.
der Spezialist
31
Im Dialog
höhter Personalbedarf ist damit absehbar. Unsere Aufgabe ist es nun, die Mittelständler über die Möglichkeiten flexibler Arbeitsmodelle zu informieren. Schließlich ergab die Studie auch, dass ihre Zurückhaltung eher auf vermuteten als auf tatsächlich erlebten Nachteilen beruht. Neben der Annahme, dass der Zukauf von Fachwissen mit hohen Kosten verbunden ist, besteht etwa auch die Sorge, der Einsatz externer Fachkräfte könnte einen Know-how-Verlust bedeuten. Durch umfassende Informationen und einen engen Austausch mit dem Mittelstand planen wir, Unsicherheiten auszuräumen.
Die Berufseinsteiger werden in Zukunft nicht mehr ausreichen, um die Ausscheidenden zu ersetzen Der Spezialist: Herr Dr. Napiwotzki, Sie sind promovierter Wirtschaftswissenschaftler und waren einige Jahre lang Vice President eines mittelständischen Maschinenbauers. In welchen Bereichen profitieren Unternehmen Ihrer Erfahrung nach von flexiblen Arbeitsmodellen? Dr. Napiwotzki: Jede Branche, jeder Betrieb setzt individuelle Schwerpunkte und sieht sich unterschied lichen Aufgaben gegenüber. Grundsätzlich aber verfügt jedes produzierende Unternehmen über eine Prozesskette. Sie umfasst alle betrieblichen Bereiche von der Auftragsannahme über Entwicklung, Einkauf und
Produktion bis hin zur Inbetriebnahme. Innerhalb dieser Reihe gibt es unzählige Aufgabengebiete, für die Ingenieure, Techniker oder Kaufleute mit speziellem Wissen gebraucht werden. Aktuell arbeitet einer unserer Ingenieure für einen international tätigen Energiekonzern. Dabei ist er als Experte für Konstruktionstechnik nicht nur in die Planungsphase des Ölförderprojektes eingebunden, sondern wird auch bei der Inbetriebnahme in Russland vor Ort sein. Denn er spricht die Sprache und weiß aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen um die besonderen klimatischen und infrastrukturellen Herausforderungen. Zwar ist der Mitarbeiter nach Abschluss des Projekts nicht mehr im Unternehmen. Sein Know-how aber wirkt nach und so profitiert der Betrieb auch langfristig in jedem Bereich entlang der Prozesskette. Der Spezialist: Wie sieht aus Ihrer Sicht der Arbeitsmarkt der Zukunft im technischen Bereich aus? Dr. Fuchs: Wir erleben im Nachgang der Wirtschaftskrise, dass die Zahl der offenen Stellen für Ingenieure seit Jahresbeginn kontinuierlich steigt – aktuell liegt sie bei rund 62.000. Die Zahl der arbeitslosen Ingenieu-
› 19 Auch die Maschinenbaubran che setzt in vielen Bereichen auf externe Spezialisten. Durch den vermehrten Einsatz komplexer Robotik technologien steigt auch der Bedarf an stets aktuellem Fachwissen.
› 19 32
der Spezialist
Im Dialog
Die drei wichtigsten Ziele und Herausforderungen der Kundenunternehmen in den kommenden zwei Jahren Mehrfachnennung, maximal drei
Umsatz-/Gewinn- und Absatzsteigerung Marktanteil erhöhen
60%
Entwicklung/Einführung neuer Produkte und Technologien
31%
Momentane Marktposition behaupten Umsatz/Liquität stabilisieren
28%
Kundennähe. Kundengewinnung und Kundenzufriedenheit verbessern
22 %
Arbeitsplätze sichern und Motivation steigern
21 %
Effizienz- und Leistungssteigerung
21 %
Expansion (Erschließung neuer Märkte/Standorte)
17 % 10 %
Krise überstehen
›20
0%
re sank hingegen erfreulicherweise wieder auf derzeit 26.000. Diese Tendenz wird sich nach unserer Einschätzung weiter fortsetzen, vor allem infolge der alternden Belegschaften und der hohen Anzahl an Arbeitnehmern, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Die Berufseinsteiger werden in Zukunft nicht mehr ausreichen, um die Ausscheidenden zu ersetzen. Denn die Entwicklung zu einer forschungs- und wissensintensiven Gesellschaft erhöht branchenübergreifend den Bedarf an fachlich versierten Experten, es besteht damit eine Art Expansionsbedarf an Ingenieuren. Für sie wird es immer wichtiger, dass sie sich den Änderungen am Arbeitsmarkt anpassen, neue technologische Entwicklungen verfolgen und sich entsprechend weiterbilden. Fähigkeiten im Projektmanagement und die sogenannten Soft Skills spielen dabei eine ähnlich große Rolle wie technisches Wissen. Dr. Napiwotzki: Auch hier gebe ich Dr. Fuchs recht. Zumal wir erleben, dass nicht nur Unternehmen angesichts des steigenden Be-
10 %
n = 121 20 %
30%
40 %
50 %
60 %
70 %
Lünendonk 2010
darfs moderne Arbeitsmodelle nutzen. Auch auf Arbeitnehmerseite ist eine Veränderung zu spüren, was die wachsende Anzahl an Bewerbungen, die jährlich bei uns eingehen, belegt. 30.000 sind es im Durchschnitt – Tendenz steigend. Während vor allem Absolventen noch vor wenigen Jahren danach strebten, möglichst ihre gesamte Karriere bei ein- und demselben Konzern zu verbringen, sehen sie heute die Vorteile eines Dienstleisters: Sie haben die Möglichkeit, vielfältige Erfahrungen zu sammeln, werden dabei gemäß ihrer individuellen Qualifikation in ausgewählten Projekten eingesetzt und durch Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt. So können sie sich schnell weiterentwickeln und Verantwortung übernehmen. Natürlich bleiben einige bei einem unserer Kunden – aus unserer Sicht eine Wertschätzung unserer Arbeit. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wohin diese Entwicklung führt, müssen wir gar nicht in die Zukunft, sondern nur Richtung Niederlande schauen. Denn hier sind flexible Arbeitsmodelle längst Normalität.
› 20 In einer von Brunel beauf tragten Trendstudie befragte die Lünendonk GmbH mehr als 130 mittelständische Unternehmen mit 20 bis 1.000 Mitarbeitern nach deren wichtigsten Zielen und Herausforderungen.
Der Spezialist: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.
der Spezialist
33
Profil
Die Welt ist sein Zuhause
T e x t › Stine Behrens Fremde Kulturen zu erleben und neue Menschen kennenzulernen ist Terry Smith’ große Leidenschaft. „Ich möchte mein Leben Name: Terry Smith voll auskosten und so viel von der Welt sehen Beruf: Experte für Erdölprojekte wie möglich.“ Seine Energie und sympathische Art zu erzählen reißen jeden Zuhörer sofort mit. Zumal der US-Amerikaner bereits ei12 niges erlebt und daher spannende Geschichten zu berichten hat. Als Experte für Dienstleistungen rund um Erdölbohrprojekte war 9 er in zahlreichen Ländern im Einsatz, darun6 8 ter Nicaragua, Singapur, Spanien, Venezuela, 7 Äquatorialguinea, Angola, Nigeria und Mexi11 ko. Für Brunel verantwortete Smith in Bautino (Kasachstan) die Logis- Die internationale und abwechstik eines Ölbohrprojektes. „Die Boh- lungsreiche Ölbranche begeisrung sollte in einem abgelegenen tert Terry Smith Teil des Kaspischen Meers stattfinden, der meist zugefroren ist“, erinnert er sich. Die Gegend um das Dorf Bautino ist umgeben von Steppe – widrige Umstände, auf die sich das Team um den Projektmanager im zona und Kalifornien Physik, Chemie und BioVorfeld intensiv vorbereitete. Bei anspruchs- logie. Schon während des Studiums sammelvollen Projekten wie diesem kommen Smiths te Smith praktische Erfahrungen: „MöglicherStärken zum Einsatz: Sein vielfältiges Fach- weise bin ich der Einzige, der eine juristische wissen, sein Organisations- und Kommunika- Fakultät verlassen hat, um hauptberuflich als tionstalent sowie seine positive Einstellung Taucher auf einer Ölplattform zu arbeiten“, schmunzelt Smith. Konkret geplant habe er gegenüber Herausforderungen. Schon in jungen Jahren war Terry Smith seine berufliche Laufbahn zwar nicht, doch es vielseitig interessiert: Auf einige Semester zeichnete sich früh ab, dass die internationaSeerecht an der Tulane Law School in New le Ölbranche ihm das bietet, was er von seiOrleans folgte ein internationales Business- nem (Berufs-)Leben erwartet: immer wieder Studium an den Universitäten von Southern neue, spannende Aufgaben auf der ganzen Mississippi und Miami. Anschließend stu- Welt. Auf Basis seiner Erfahrungen könne er dierte er an den Hochschulen von North Ari- die vielfältigen beruflichen Situationen sehr
34
der Spezialist
2
Profil
Terry Smith verantwortete die Logistik eines internationalen Ölbohrprojekts in Bautino (Kasachstan) 10
13
4 5
1
3
Terry Smith’ berufliche Stationen: 1 2 3 4 5 6 7
Singapur Spanien Angola Nigeria Äquatorialguinea Guatemala Nicaragua
8 Honduras 9 Belize 10 Frankreich 11 Venezuela 12 Mexiko 13 Kasachstan
gut einschätzen. „Das ist unheimlich wichtig, um Timings, Budgets sowie Materialbestände für große Bohrunternehmungen exakt planen und trotzdem flexibel reagieren zu können“, erläutert der Experte. Denn die Dimensionen und der finanzielle Rahmen solcher Projekte lassen keinerlei Spielraum für Fehler: „Minimale Verzögerungen im Ablauf verursachen hohe Kosten.“ Seine Hobbys bieten dem Amerikaner einen Ausgleich zu seinem abwechslungsreichen beruflichen Alltag. „Ich bin ein großer Fan
von Ernest Hemingway“, berichtet er. Seit Jahren verfolgt er die Spuren seines berühmten Landsmanns und besucht die Orte, in denen der Schriftsteller einst gelebt hat. In Key West, Paris und Madrid war er bereits. Ketchum (Idaho), wo Hemingway starb, ist sein nächstes Ziel. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, zieht es Terry Smith ans Meer. Er ist begeisterter Angler, taucht, surft und segelt gern. Seine Liebe zum Meer ist es auch, die ihn zu seiner nächsten Station geführt hat. Gemeinsam mit seiner eigenen kleinen Crew kämpfte er gegen das ausströmende Öl im Golf von Mexiko an. Jeden Tag fuhr er am frühen Morgen hinaus aufs Meer und errichtete Barrikaden, die den Ölfilm eindämmen sollten. Dem sonst so fröhlichen Smith ist die Anspannung deutlich anzumerken, wenn er sagt: „Die Auswirkungen dieses Unglücks sind ebenso wenig abzusehen, wie die Dauer meines Aufenthalts hier.“ Denn auch nach dem Verschluss des Bohrloches müssen das Öl und die Folgeschäden beseitigt werden. Für Terry Smith bedeutet das, er bleibt bis dieser Job erledigt ist.
der Spezialist
35
Spektrum
Reibungsloser Transport dank SPS Er lauert überall – der Rost ist der natürliche Feind des Stahls. Um diesen wirksam vor Korrosion zu schützen, gilt das Feuerverzinken als bewährtes und modernes Verfahren. Für den Transport von Stahlteilen bei der Verzinkung sind ausgefeilte Systeme notwendig, auf deren Bau sich die Scheffer Krantechnik GmbH spezialisiert hat – mit Unterstützung des Diplom-Ingenieurs Robert Tapken von Brunel.
T e x t › Jörg Riedel Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich das Feuerverzinken zu einem bedeutenden Korrosionsschutzverfahren entwickelt. Dabei werden vorbehandelte Stahlteile im Verlauf eines mehrstufigen Tauchverfahrens mit einer 450 °C heißen Zinkschmelze überzogen. Das Zink bildet zusammen mit dem Stahl auch an schwer zugänglichen Stellen eine Legierung, die das Bauteil zuverlässig vor Rost schützt. Rund 1,4 Millionen Tonnen Stahl verzinkt die Stahlbaubranche auf diese Weise pro Jahr. Bei den modernsten Verfahren werden die Bauelemente vollautomatisch durch die Verzinkungslinie geführt. Für diese Technologie ist die Scheffer Krantechnik GmbH Marktführer in Europa. Seit der Gründung 1963 entwickelt und konstruiert das Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern Spezialkrane und Transportlösungen für unterschiedlichste Anforderungen. Neben Komplettlösungen in der Kran- und Fördertechnik liefert Scheffer die hochmoderne Automatiktransporttechnik für die Erweiterung und Modernisierung bestehender Verzinkereien – ein wichtiger Produktbereich des Sassenberger Unternehmens. Das Alleinstellungsmerkmal: Scheffer passt die Transportanlagen individuell an die Wünsche der Kunden an, mechanisch sowie in der Software. „Keine Anlage ist wie die andere“, beschreibt Robert Tapken die besonderen Herausforderungen seiner Arbeit beim Kranhersteller. „Immer geht es darum, die örtlichen Gegebenheiten genau im Blick zu haben.“ Für
36
der Spezialist
den Brunel Mitarbeiter ist eine genaue Analyse der Bedingungen vor Ort deshalb wichtig, weil er zusammen mit einem elfköpfigen Team die Programme für die automatischen Kranfahreinheiten und die Verteilerkrane entwickelt. Mit seinem Know-how in der Speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) sorgt er seit zwei Jahren bei Scheffer dafür, dass der Stahl alle Schritte der Feuerverzinkung reibungslos durchläuft. Eine SPS ist ein Gerät, dessen Hauptaufgabe in der Steuerung oder Regelung einer Anlage oder Maschine besteht. Die SPS arbeitet auf digitaler Basis und übernimmt in wachsendem Maße auch weitere Aufgaben, wie die Visualisierung, Sicherheitsmeldungen sowie die Aufzeichnung aller Betriebsmeldungen. Sie bildet das Kernstück für die Steuerung der einzelnen Komponenten in der Fördertechnik.
Porträt Jörg Koglin studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Konstruktion. Direkt nach dem Studium kam der heute 43-Jährige 1994 zur Scheffer Krantechnik GmbH, deren Geschäftsführer er seit 2001 ist.
Die modernste Feuerverzinkerei der Welt Robert Tapken hat als Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik auch die Programme für die Bauteile der vollautomatischen Verzinkungslinie mitentwickelt, die Scheffer Krantechnik für OBO Bettermann geplant und konstruiert hat. Im März 2010 hat der Weltmarktführer für Kabeltragsysteme in Hüingsen auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern seine neue Produktionsstätte mit integrierter Verzinkerei in Betrieb genommen – laut OBO die modernste weltweit. Vom ersten Layout der Ver-
› 21
Die Weiß- und Schwarzware wird bei OBO Bettermann mithilfe der orangefarbenen Verteilerkrane sowie der blauen Traversen durch die neue Feuerverzinkungslinie geführt.
›21
Spektrum
Porträt Brunel Mitarbeiter Robert Tapken studierte Elektrotechnik an der FH in Osnabrück. Im Laufe seiner Karriere hat sich der 44-Jährige auf die Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) spezialisiert und begleitet Montagen auf der ganzen Welt. Seit zwei Jahren ist er bei der Scheffer Krantechnik GmbH im Einsatz.
zinkungslinie über die Simulation der Anlage bis hin zu deren Installation übernahmen Tapken und seine Kollegen bei Scheffer innerhalb eines Jahres die komplette Entwicklung und Durchführung des Projekts. Das Kernstück bildete die Programmierung der vollautomatischen Transportanlage: Ein Verteilerkran transportiert den zu verzinkenden Stahl – die Schwarzware – zu einem Kettenförderer. Dort übernimmt eine Fahreinheit das Material und bringt es auf einem 400 Meter langen Schienensystem über mehrere Drehweichen zum eingehausten Bereich mit den verschiedenen Becken zur Vorbehandlung. Hier wird die Oberfläche des Metalls zunächst entfettet, gebeizt und gespült. Nach der Trocknung werden die Teile von einer weiteren Fahreinheit zum Zinkkessel transportiert, in die Zinkschmelze getaucht und anschließend als Weißware weiter zur Abkühlung, der Passivierung, gebracht. Eine Arbeit, die fast gänzlich ohne Menschenhand geschieht. „Sicher, schnell und arbeitet kontinuier lich“, umreißt Jörg Koglin, Geschäftsführer von Scheffer Krantechnik, die Vorteile der vollautomatischen Transporttechnik für Feuer-
verzinkereien gegenüber händischen Anlagen. Auch mache die Vollautomatisierung Arbeitsprozesse reproduzierbar, weil genau festgehalten werden kann, wie lange das Material behandelt wurde. Eine wichtige Information beispielsweise für die Automobilindustrie. Denn sie ist besonders gefordert, Nachweise für den optimalen Korrosionsschutz ihrer eingebauten Stahlteile zu liefern. Ein weiterer wichtiger Aspekt der modernen, vollautomatischen Anlagen sei die geringe Umweltbelastung, so Koglin: „Sowohl die Vorbehandlung als auch der Zinkofen sind komplett eingehaust, entstehende Dämpfe und Zinkstäube werden aufgefangen und gefiltert.“ Zudem sind die geschlossenen Systeme abwasserfrei.
Feuerverzinken: Sparsam und zuverlässig Das Feuerverzinken ist gegenüber anderen Methoden wie der mechanischen oder galvanischen Verzinkung sowie der Spritzverzinkung besonders zuverlässig, sparsam und natürlich. Zuverlässig deshalb, weil das Verfahren eine jahrzehntelange Sicherheit vor
› 22
Hier wird die gesamte Transporttechnik der Feuerverzinkungsanlage visualisiert und gesteuert: Brunel Spezialist Robert Tapken (links) und Diplom-Ingenieur Kurt Kimm von Scheffer Krantechnik in der Steuerungszentrale von OBO Bettermann in Hüingsen.
›22 38
der Spezialist
Spektrum
›23 Rost bietet, frei von jeglicher Wartung. Durch die Legierung verbindet sich der Zinküberzug unlösbar mit dem Stahl und ist dadurch auch in hohem Maß mechanisch belastbar. Sparsam ist dieses Verfahren, weil es bis zu dreimal weniger Ressourcen verbraucht als Rostschutzbeschichtungen. Das ist wichtig gerade für die im Stahlbau an Relevanz gewinnende Leichtbauweise. Denn sie verlangt einen höheren Korrosionsschutz für die rostanfälligeren Teile. Insofern ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Feuerverzinkung von Stahlkonstruktionen sinnvoll. Zudem entsteht bei der Feuerverzinkung im Vergleich zu Farbbeschichtungen weniger CO 2. Einer Studie der TU Berlin zufolge werden beispielsweise an einem Parkhaus, das aus rund 500 Tonnen Stahl besteht, 50 Tonnen CO2 eingespart. Die Natürlichkeit ist darüber hinaus gegeben, weil kein anderes System mit dem Rostschutz vergleichbare metallene und lebendige Oberflächen schafft. Die anfangs noch silbrige Legierung wird im Lauf der Zeit grauer und spiegelt die natürliche Alterung des Stahls wider. Für Scheffer bedeutet diese Entwicklung volle Auftragsbücher und für Robert Tapken eine abwechslungs-
reiche berufliche Zukunft: Für einen Auftraggeber in Aserbaidschan wird der 44-Jährige die Fahreinheiten programmieren sowie sein Fachwissen außerdem in die Programmierung einer vollautomatischen Transportanlage einer Verzinkerei in Frankreich einbringen. Anschließend folgen zwei weitere Projekte: eines im Saarland und eines in Ungarn. Danach geht es für Robert Tapken wieder zurück nach Sassenberg – vorerst.
› 23
Zwei Facharbeiter des Scheffer-Kunden OBO zeigen frisch verzinkte Kabelkanäle aus der neuen Anlage.
der Spezialist
39
24 Stunden
Jeroen van Drunen ist viel unterwegs: Als Commercial Ma nager von Brunel Energy Europe verantwortet er die unter nehmerischen Aktivitäten in den Energiemärkten Europas und Afrikas. Eine Woche lang begleiteten wir den 37-Jäh rigen bei seiner Arbeit zwischen den Kontinenten. T e x t › Stine Behrens
Unterwegs mit Jeroen van Drunen „Eine typische Woche? Gibt es bei mir nicht.“ Die Abwechslung ist die Konstante in Jeroen van Drunens Arbeitsalltag. „Unsere Kunden sind Konzerne, die weltweit in der Energieerzeugung und -förderung tätig sind. Sie erschließen Öl- und Gasfelder, bauen und betreiben Produktionsanlagen, Pipelines, Raffinerien.“ Entsprechend arbeitet auch der Commercial Manager von Brunel Energy Europe auf dem gesamten Globus: „Etwa 30 bis 40 Prozent meiner Zeit bin ich in den Niederlanden und sonst geschäftlich unterwegs.“
Etwa zwei bis vier Wochen im Voraus plant er diese Reisen. Seine Station am Mittwoch: die Brunel Niederlassung in Kassel. Für einen bestehenden Kunden sind Abstimmungen mit Niederlassungsleiter Gabriel Fassold nötig: Wintershall ist in der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl sowie Erdgas aktiv. Die globalen Aktivitäten werden bereits von Brunel Energy unterstützt und künftig soll auch die Firmenzentrale in Kassel von der Brunel Niederlassung vor Ort betreut werden. Daher werden nun Verträge verhandelt, eine Aufga-
Enge Abstimmungen sind entscheidend für die ganzheitliche Betreuung der Kunden.
40
der Spezialist
24 Stunden
Amsterdam – eine europäische Metropole mit vielen Gesichtern.
be, die intensive strategische Planung und einen engen im Engineering sowie in der Bauausführung können wir Austausch zwischen den Brunel Standorten erfordert. dieses Projekt maßgeblich unterstützen.“ Solche Ver„Genau wie die Unternehmen denken und arbeiten wir handlungen sowie die Kundenpflege und Marktrechergrenzüberschreitend“, erläutert Jeroen van Drunen. Ein chen direkt vor Ort bilden ebenso wie das Business DeAnsatz, der vom Kunden in Anspruch genommen wird: velopment wesentliche Schwerpunkte seiner Arbeit. Denn wenige Monate nach diesem Treffen in Kassel Denn die komplexen Rahmenverträge, die van Drunen wird Brunel Energy einen neuen Rahmenvertrag mit verhandelt, garantieren den Unternehmen die UnterWintershall schließen und Gastützung von mitunter sehr briel Fassold erfolgreiche Ge- „Genau wie die Unternehmen denken großen Spezialisten-Teams. spräche für den regionalen und arbeiten wir grenzüberschreiZudem ist er in die EntscheiVertrag führen. dung eingebunden, ob ein betend.“ Am Donnerstagmorgen ist stehendes Büro diese ZusamJeroen van Drunen bereits um kurz nach 5 Uhr auf dem menarbeit koordiniert, ein Partner vor Ort eingebunden Weg zum Amsterdamer Flughafen Schiphol. Von hier oder ein neuer Brunel Standort eröffnet wird. aus fliegt er nach Mailand. Brunel Energy steht in VerNach seiner Rückkehr ins Rotterdamer Office am handlungen mit verschiedenen Kunden, die der Com- Freitagvormittag folgt für Jeroen van Drunen ein Meemercial Manager gemeinsam mit dem Country Mana- ting auf das nächste. „Das ist ganz normal“, erläutert er, ger für Italien besucht. Zu den Kunden zählen beispiels- seine Tage bestünden häufig aus zahlreichen Bespreweise die Betreiber von GALSI, der geplanten Erdgas- chungen. Die Abende und auch Wochenenden sind entpipeline zwischen Algerien und Italien. „Die Pipeline ist sprechend oft mit dem Aufarbeiten von E-Mails ausgesehr wichtig für die Versorgungssicherheit Italiens und füllt. So auch in dieser Woche: Gegen 19 Uhr erreicht Europas“, so van Drunen. „Und mit unserem Know-how van Drunen sein Haus in Eindhoven – und loggt sich
der Spezialist
41
24 Stunden
Houston, die größte Stadt Texas’, ist ein pulsierendes Wirtschaftszentrum.
nach dem Abendessen erneut in sein E-Mail-Postfach Entscheider der gesamten Branche zusammen.“ Um etwa 15 Uhr ein. Auch der Samstag ist für den Commercial Manager Ortszeit checkt er im Aloft Hotel in der Nähe der Büros von Brunel ein Arbeitstag, denn er muss letzte Vorbereitungen für Energy ein und nutzt den Rest des Tages, um sich auf den Eröffseine anstehende Reise in die USA treffen: „Sowohl auf nungstag der OTC vorzubereiten. Geschäftsreisen als auch an Wochenenden wie diesem Am Montagmorgen macht Jeroen van Drunen sich dann um spreche ich mehrmals täglich unter anderem mit Aaron kurz nach 9 Uhr auf den Weg zur OTC im Reliant Center. HousDowds, unserem General Manager.“ Denn ihm und Je- ton gefällt ihm auf Anhieb, „denn die Stadt ist sehr sauber und roen van Drunen berichmodern“. Im Laufe seiner zwölfjähten die Country und Ac- Auf der Offshore Technology Conference rigen Karriere bei Brunel Energy hat count Manager der Brunel knüpft van Drunen Kontakte zu relevaner ein feines Gespür für Orte entwiEnergy Standorte in Eurockelt und entscheidet daher schnell, ten Entscheidern der Branche pa. ob er ein Land noch einmal privat In den frühen Morgenstunden des Sonntags ver- besuchen und genauer kennen lernen möchte. China und Libyen lässt van Drunen sein Haus, um zum Flughafen nach sind solche Länder: „Hier habe ich die großen Städte kennen geAmsterdam zu fahren. Um 10 Uhr hebt das Flugzeug lernt, die ländlichen Gegenden jedoch noch nicht. Das werde ich in Schiphol ab. Das Ziel: Houston, Texas, USA. Hier fin- auf jeden Fall nachholen.“ Meist sieht er von einer Stadt kaum det die Offshore Technology Conference (OTC) statt. mehr als Besprechungs- und Hotelzimmer, den Flughafen oder – Mit mehr als 50.000 Teilnehmern und über 2.000 Aus- wie hier in Houston – das Kongresszentrum. Hier verläuft sein Tag stellern eine der wichtigsten Veranstaltungen für die so erfolgreich, wie van Drunen es erwartet hatte: Bereits am ErÖl- und Gasindustrie. „Das Event ist nicht nur groß, öffnungstag der OTC knüpft er wichtige Kontakte, unter anderem auch die Qualität ist sehr hoch“, betont der Commer- spricht er mit Vertretern der Konzerne Gazprom und Petrobras. cial Manager. „Daher ist diese Konferenz eine wichtige Dienstag und Mittwoch verbringt Jeroen van Drunen im Networking-Veranstaltung für mich: Hier kommen die Houstoner Office von Brunel Energy. Einige seiner Kollegen trifft
Am Sonntag landet Jeroen van Drunen im texanischen Houston. Sein Ziel: die OTC.
42
der Spezialist
24 Stunden
Seit 1969 findet die Offshore Technology Conference jährlich statt.
er hier erstmals persönlich: „Wir arbeiten sehr eng zusammen, schiede selbst zwischen Ländern innerhalb der EU sind meist aber per Telefon und E-Mail. Es ist daher angenehm, nun sehr groß. Hier muss jede Feinheit bedacht werden und auch die Gesichter vor Augen zu haben.“ Beide Tage im Bru- jeder im Team seine Hausaufgaben machen“, fasst van nel Büro sind geprägt von Strategiemeetings. Hauptthema ist Drunen zusammen. die Anfrage des amerikanischen Mineralölkonzerns Exxon Mo„Das war eine sehr erfolgreiche Reise“, resümiert bil: Das Unternehmen arbeitet bereits in 30 Ländern mit Brunel Jeroen van Drunen zufrieden, als er sich am DonnersEnergy zusammen und möchte diese Partnerschaft ausbauen. tag auf den Weg zum Houstoner Flughafen macht. Am Zwar kennt der Kunde die Struktur Freitagvormittag trifft er und Arbeitsweise von Brunel Ener- Für jedes Land ist eine MarktuntersuAaron Dowds, um die Ergy. Doch die Ausweitung der Un- chung notwendig. Dabei muss jede Feinheit gebnisse der Houston-Reiterstützung auf Ungarn, Rumänien se sowie die weiteren Akbedacht werden und die Türkei erfordert die Rechertivitäten von Brunel Enerche und Bewertung der landesspezifischen Anforderungen, die gy in Europa und Nordafrika zu besprechen. Nach weidort an Unternehmen gestellt werden. Vieles davon hat Jeroen teren Meetings setzt sich van Drunen um 19 Uhr in sein van Drunen im Kopf. Doch auch wenn er ein Land gut kennt, sind Auto, um nach Eindhoven zu fahren. Die Vorfreude auf aufwendige Marktuntersuchungen nötig: „Es bedarf intensiver diesen Abend und die darauf folgenden Tage ist ihm Recherchen, verschiedener Telefonate und ausführlicher Gesprä- deutlich anzumerken: „Meine Freundin und ich werden che, etwa mit nationalen Wirtschaftsexperten, um alle Detail- die Koffer packen.“ Denn am Samstagmorgen geht es informationen zu bündeln.“ Faktoren wie das Steuersystem, Ar- erneut nach Schiphol. Diesmal allerdings ohne ein bebeits- und Aufenthaltsbestimmungen, Auflagen für Im- und Ex- rufliches Ziel, sondern in den Urlaub. porte sowie Eigenheiten des Vertragsrechts beeinflussen die Ausgestaltung der Zusammenarbeit ebenso wie die Sicherheit im Land oder die allgemeine wirtschaftliche Situation. „Die Unter-
der Spezialist
43
Kompetenz
Die Zukunft liegt auf dem Wasser „Kosten sparen, Trends mitgestalten“, fasst Andreas Dimter, Leiter von Brunel Transport & Energy, die Herausforderungen für Unternehmen der maritimen und Offshore-Industrie zusammen. Der internationale Konkurrenzdruck steigt, der Fachkräftemangel hält an, der Wettbewerb sowohl im Bereich der fossilen als auch der erneuerbaren Energien nimmt zu. Unternehmen müssen daher vor allem eines sein: flexibel.
Inte r vie w › Stine Behrens Der Spezialist: Herr Dimter, Sie sind Experte für den Schiff- und Anlagenbau. Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen dieser Branchen? Andreas Dimter: Der Fachkräftemangel ist branchenunabhängig ein Problem, was der European Engineering Report von VDI und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Frühjahr noch einmal aufzeigte. Daneben müssen die Unternehmen kostensparend arbeiten. Nehmen wir den Schiffbau als Beispiel: Um den Trend zum Spezialschiffbau mitgestalten zu können, müssen die Werften ihre internen Prozesse neu gestalten. Denn Strukturen und Kapazitäten sind teilweise noch auf den Serienschiffbau ausgelegt. Hier aber sind europäische Werften der Konkurrenz aus Asien preislich unterlegen. Die Chance für deutsche Schiffbauer liegt also in der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen wie Brennstoffzellenantrieben. Eine Technik, die zwar im Schiffbau am Anfang steht, da die Zellen in ihrer Leistung noch beschränkt sind. Der klimapolitische Druck auf die Reeder steigt jedoch. Hier haben deutsche Unternehmen jetzt die Chance, Standards zu setzen.
Unternehmen müssen Innovationen umsetzen Der Spezialist: Und inwiefern unterstützt Brunel Transport & Energy die Unternehmen? Andreas Dimter: Unsere Arbeit fängt dort an, wo die Kapazitäten unserer Kunden aus-
44
der Spezialist
Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast
gereizt sind – inhaltlich wie auch personell. Branchenübergreifend sind Unternehmen gefordert, Innovationen umzusetzen sowie ihre Effizienz beispielsweise durch interne Standardisierungen zu steigern. Dazu setzen sie sich kurz-, mittel- und langfristige unternehmens- sowie personalpolitische Ziele. Als Projektpartner der Unternehmen ist es unsere Aufgabe, sie im Rahmen dieser Planungen bedarfsorientiert zu unterstützen. Entsprechend wickelt das Team von Brunel Transport & Energy einerseits einzelne, von den standardisierten Prozessen abweichende Spezialaufgaben ab, realisiert aber auch ganze Projekte eigenständig. Indem wir beispielsweise Machbarkeitsstudien erstellen sowie die Konzeptentwicklung und Ausführungsplanung etwa für Spezialkonstruktionen bis hin zum Ver-
Porträt Andreas Dimter (42), Diplom-Ingenieur für Maschinenbau, ist seit 2009 Leiter des Rostocker Entwicklungszentrums Brunel Transport & Energy. Bevor er zu Brunel kam, leitete er in den Werften von Wismar und Rostock die konstruktive Vorbereitung umfassender Schiffbauprojekte.
Kompetenz
›24 gabeverfahren begleiten, können sich die Experten der Unternehmen ganz auf ihre Kerngebiete konzentrieren. Dabei bringen wir technisches Fachwissen, etwa aus dem Maschinen-, Stahl- und Schiffbau oder der Elektro technik, mit betriebswirtschaftlichem Know-how zusammen. Denn nur ein nachhaltiges und umfassendes Projektmanagement gewährleistet einen effizienten Projektverlauf. Der Spezialist: In welchen Branchen liegen dabei Ihre Schwerpunkte?
Andreas Dimter: Das ist zum einen der Anlagenbau und hier schwerpunktmäßig die Energieerzeugung und -verteilung. So zählt unter anderem das Design von ganzen OffshoreUmspannplattformen inklusive Gründungsstrukturen zu unseren Kompetenzen. Hinzu kommen der Stahlbau sowie die maritime und die Offshore-Industrie. Zudem bieten wir die Berechnung von Spezialkons truktionen an. Das beinhaltet FEM-Berechnungen oder die mechanische und thermodynamische Di-
› 24 Material und Technik müssen auf Offshore-Plattformen extremen Bedingungen standhalten. Das gilt für die Messtechnik ebenso wie für Verankerungssysteme, Rohr leitungen oder Pumpen.
der Spezialist
45
Kompetenz
mensionierung von Bauteilen. Eine Dienstleistung, die weit über die angesprochenen Branchen hinausgeht. Beispielsweise können wir die Festigkeiten von Regalböden für Lagerhallen oder Fundamente von technischen Anlagen mit statischer und dynamischer Belastung berechnen und sowohl Einsparpotenzial beim Materialverbrauch aufzeigen als auch fertigungstechnisch optimierte Entwürfe erstellen.
ternehmen ist als Spezialist für Schwimmkonstruktionen und als Generalauftragnehmer für die Entwicklung und Umsetzung einer schwimmenden, etwa viereinhalb Hektar großen Photovoltaikanlage verantwortlich. Ein spannendes, weltweit bisher einmaliges Projekt, bei dem wir die komplette Entwicklung und wirtschaftliche Vorauslegung der Konstruktion verantworten.
Der Spezialist: Können Sie uns diese Zusammenarbeit an praktischen Beispielen erläutern? Andreas Dimter: Nehmen wir beispielsweise Offshore-Umspannplattformen. Wir entwickeln Konzepte, die Bauspezifikation und das Mengengerüst, übernehmen dann die Raumplanung inklusive der Inneneinrichtung, der maschinenbaulichen Rohrsysteme, der Verund Entsorgungssysteme sowie der Klimaund Lüftungsanlagen. Neben dem Konzept und der Basiskonstruktion fertigen wir zudem die Genehmigungsunterlagen an. Sehr anschaulich ist auch unsere Partnerschaft mit der Perebo GmbH & Co KG: Das Un-
Der Spezialist: Welche Entwicklungen erwarten Sie in naher Zukunft in der maritimen Wirtschaft? Andreas Dimter: Hier werden der Schiff- und Anlagenbau und auch der Stahlbau von den positiven Entwicklungen im Offshore-Bereich profitieren. Denn die Zukunft wird sich vermehrt im und auf dem Wasser abspielen. Beispiele sind Offshore-Windkraftanlagen, Solaranlagen auf dem Wasser sowie Offshore-Gas- und Ölplattformen. Die Verlagerung auf das Wasser hat positive Effekte hinsichtlich der Energieausbeute: Der Wind ist hier berechenbarer. Zudem lohnen sich Investitionen auch in den kostenintensiven Abbau von Öl und Gas in tiefen oder schwer erreichbaren Gewässern. Denn die Preise für diese endlichen Rohstoffe steigen. Natürlich gilt es hier zu bedenken, dass die Ereig-
Investitionen in den kostenintensiven Abbau von Öl und Gas lohnen sich
› 25 Um den optimalen Schutz der Fracht zu gewährleisten, müssen Spezialschiffe wie dieser 17.000 Kubikmeter fas sende Gastanker zum Trans port von hochbrennbarem Ethylen hohe Standards erfüllen. Denn zuverlässige Schiffe bieten deutliche ökonomische Vorteile: Ab 4.000 Kilometern Land- oder 2.000 Kilometern Seeweg ist diese Art der Beförderung günstiger als der Transport über ein Rohrleitungssystem.
›25 46
der Spezialist
Kompetenz
›26 nisse nach dem Untergang der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko Auswirkungen auf die Sicherheitsauflagen für Bohrungen und den Transport von Rohstoffen haben werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen der Bau von Spezialschiffen für die Installation, Wartung und Versorgung von Offshore-Anlagen sowie die Marinisierung, also Anwendbarmachung von Landanlagen auf dem Wasser, an Relevanz und bieten Chancen für Unternehmen dieser Branchen.
„Die Sensibilität von Bürgern, Industrie und Politik für den Umweltschutz steigt.“ Der Spezialist: Die Branchen, in denen sich Ihre Kunden bewegen, gelten als Zukunftsbranchen. Können Sie das konkretisieren? Andreas Dimter: Künftig werden einerseits die erneuerbaren Energien noch an Relevanz gewinnen: Denn fossile Rohstoffe schwin-
den, die Sensibilität von Bürgern, Industrie und Politik für den Umweltschutz steigt. Unter den regenerativen Energien sehe ich die Windenergie besonders weit vorne, deren Ausbau weiter rasant ansteigen wird. Andererseits verlieren fossile Energieträger jedoch nicht an Bedeutung. Hier wird der Wettbewerb eher noch zunehmen. Um den Handel beispielsweise im Erdgasmarkt flexibler zu gestalten und die Abhängigkeit von Pipelines zu verringern, ist der Seetransport von verflüssigtem Erdgas ein Zukunftsthema. Denn die Nachfrage nach immer größeren LNG-Tankschiffen mit isolierten Lagertanks, nach optimierten Tanksystemen oder Alternativen wie Schiffen für Compressed Natural Gas (CNG) steigt.
› 26 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum befindet sich der erste deutsche Windpark alpha ventus. Erwartet wird ein jährlicher Energieertrag von rund 220 Gigawattstun den.
Der Spezialist: Herr Dimter, vielen Dank für das Gespräch.
Telefon: 0381 / 8576305-0 transport-energy@brunel.de
der Spezialist
47
Wissen
Mit der „Leserfrage“ möchten wir Sie als Leser unseres Magazins mehr einbinden. Nach der Einführung dieser neuen Rubrik in der letzten Ausgabe schickte uns Petra Hollstedt ihre Frage. Beantwortet wird sie von Fithawie Habte, Brunel Spezialist für Energiethemen.
Welche Techniken werden künftig eingesetzt, um schwer zugängliche Energiereserven zu nutzen? Te x t › Fithawie Habte
Porträt Brunel Spezialist Fithawie Habte (29) studierte in Darmstadt Energiewirtschaft. Seine Schwerpunkte lagen dabei u. a. auf dem Energie- und Umweltmanagement, der rationellen Energieanwendung, der Energiepolitik sowie der Energietechnik. Gebürtig aus Eritrea spricht Habte Englisch sowie seine Muttersprachen Deutsch und Tigrinya. energie@brunel.de
48
der Spezialist
Um diese Frage zu beantworten, müssten dreidimensional vermessen werden. Der Unwir zunächst „schwer zugängliche Reserven“ tergrund wird so virtuell sichtbar und es kann definieren. Zum einen sind das natürlich fos- festgestellt werden, ob sich dort tatsächlich sile Ressourcen wie Öl und Gas. Zum anderen Kohlenwasserstoff befindet. zählen auch Sonne, Wind oder Wasser zu den Energiereserven. Zwar Neben fossilen Energien ist auch die sind sie nicht, wie das über Milli- effektive Nutzung von Wasser, Wind und onen von Jahren durch chemische Sonne eine Herausforderung Umwandlung entstandene Erdöl, Die anschließende Ausbeutung von Queltief im Untergrund verborgen und damit schwer zugänglich. Trotzdem muss es künf- len gerade in tiefen Gewässern birgt weitetig neue Technologien geben, um diese Quel- re Herausforderungen: Es ist extrem kalt, der len effektiver zu nutzen. Denn letztlich geht Wasserdruck enorm hoch. Eine Vision, an der bereits gearbeitet wird, ist daher die Ölplattes auch immer darum, Kosten zu sparen. In der Erdöl-Branche gewinnt daher die form am Meeresboden. Sie kann auch in stür3-D-Seismik an Bedeutung. Denn Testboh- mischen oder eisbedeckten Regionen eingerungen zum Auffinden von Ölquellen sind setzt werden. Ferngesteuerte, teilautomanicht nur aufwendig, sondern auch teuer: tische Roboter sollen Bau, Betrieb, Wartung Rund eine Million Euro und mehr kosten die- und schließlich auch den Rückbau der Unterse Bohrungen, von denen in wenig erforsch- wasser-Produktionsanlagen übernehmen. Die ten Gebieten oft bis zu zehn nötig sind. Die Steuerung erfolgt von einer bis zu 100 Kilo3-D-Seismik haben Bohrexperten zusammen meter entfernten Leitstelle an Land. Im Bereich der erneuerbaren Energien gemit Informatikern und Geologen entwickelt. Mittels Druckwellen, die im Untergrund re- hört die Zukunft den solarthermischen Kraftflektiert und an der Erdoberfläche von einer werken sowie den Wellenkraftwerken. Beide Spezialsoftware ausgewertet werden, kön- gibt es bereits. Die bekanntesten solarthernen mehrere tausend Meter tiefe Reservoirs mischen Kraftwerke sind sicher das „Wüs-
Wissen
› 27 Meeresströmungskraftwerke nutzen die natürlichen Gezei ten der Meere. Dabei werden Turbinen zur Stromerzeu gung der Wasserströmung ausgesetzt und auf diese Weise angetrieben, ähnlich wie bei Windkraftanlagen.
›27 tenprojekt“ Desertec oder das spanische Andasol. Die Anlagen werden aber stetig größer und leistungsstärker. Spannend wird hier der Auf- und Ausbau der Infrastruktur, schließlich muss der gewonnene Strom verteilt werden. Für die Übertragung großer Leistungen über weite Distanzen hat die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, kurz HGÜ, aus meiner Sicht das größte Potenzial. Da hier im Gegensatz zum Wechselstromnetz weder eine Synchronisierung noch Kompensationsspulen entlang der Leitungen erforderlich
sind, wird HGÜ schon heute beim Energietransport unter Wasser eingesetzt. Wasser ist im Übrigen eine Energiequelle, die zwar schon seit Jahrhunderten genutzt, aber nur auf den ersten Blick „leicht zugänglich“ ist. In Deutschland können Wasserkraftwerke nicht überall eingesetzt werden, weil das Gefälle fehlt und die Flüsse als Binnenstraßen dienen. Gleiches gilt für Meerengen, die zwar aufgrund der starken Strömung ideale Standorte für Wasserkraftwerk wären, als wichtige Seestraßen aber nicht bebaut werden können. Eine Innovation ist daher die so genannte Strom-Boje, ein schwimmendes Strömungskraftwerk. Ihr Vorteil: Am Stand- bzw. „Schwimmort“ sind keine baulichen Maßnahmen nötig, es muss lediglich für die Abführung der Energie und die Befestigung mittels eines Ankers gesorgt werden.
Ihr Wissensdurst wird belohnt! Unter allen Einsendern einer Leserfrage verlosen wir vier Eintrittskarten für ein Science Center. Wohin es geht, bestimmt der Gewinner selbst. Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail mit Ihrer Frage an redaktion@der-spezialist.de. Ob zu einer Technologie, über die Sie mehr erfahren möchten, oder zu einem naturwissenschaftlichen Phänomen – unser Spezialist antwortet Ihnen.
der Spezialist
49
Spektrum
Land in Sicht – Europas größter Hafen wächst weiter 365 Millionen Kubikmeter Sand werden in den kommenden Jahren am Rotterdamer Hafen in der Nordsee aufgeschüttet. Ziel ist die Vergrößerung der Hafenfläche, um so der stetig steigenden Containerkapazität gerecht zu werden. Auftraggeber des beeindruckenden Projekts ist die Hafen behörde, die Umsetzung verantwortet das Konsortium PUMA. Beide Partner werden von Brunel Spezialisten unterstützt. T e x t › Bastian Korte Die Inselgruppen Palm Island oder The World in Dubai sind wohl die berühmtesten Landgewinnungsprojekte der Welt. Weniger touristisch ausgerichtet, aber hinsichtlich der Dimensionen ähnlich spektakulär ist ein Vorhaben, das derzeit im niederländischen Rotterdam realisiert wird: Maasvlakte 2, eine im Wasser aufgeschüttete Sandfläche südlich der Maas-Flussmündung an der Nordseeküste. Die ursprüngliche „vlakte“, zu Deutsch Ebene oder Flachland, wurde bereits 1973 als künstlich angelegte Hafenverlängerung in Betrieb genommen. Nun wird sie um 2.000 Hektar erweitert, was etwa 3.000 Fußballfeldern entspricht. Das gesamte Hafenareal wächst damit um 20 Prozent und ermöglicht so die dringend nötige Verdopplung der Containerkapazität. Denn seit 1995 hat sich der Umschlag in Rotterdam durchschnittlich um je sechs Prozent pro Jahr erhöht und droht alsbald die Grenzen der vorhandenen Infrastruktur zu sprengen. Zudem vergrößert Maasvlakte 2 nicht nur den ohnehin größten Hafen Europas: Auch die Fahrrinne wird auf 20 Meter vertieft, um den Anforderungen der größten Containerschiffe der Welt zu genügen. Technisch umgesetzt wird das 2,9-Milliarden-Euro-Projekt von der Projectorganisatie Uitbreiding Maasvlakte (PUMA), einem Konsortium bestehend aus den niederländischen Unternehmen Boskalis und Van Oord. Beide verfügen über Expertise in der Bagger- und Schiffstechnik und sind auf Landaufschüttungen spezialisiert. Auftraggeber ist die privati-
50
der Spezialist
Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast sierte Hafenbehörde von Rotterdam. Sie kontrolliert die Einhaltung des Zeitplans sowie des geschlossenen Design-, Konstruktionsund Wartungsvertrags. Spezialisten von Brunel unterstützen sowohl den Hafen als auch PUMA. „Unsere Ingenieure sind in ganz verschiedene Bereiche des Projekts eingebunden“, erklärt Klaas Buizer, kaufmännischer Projektleiter bei Brunel in Rotterdam.
2013 sollen Containerschiffe an den neuen Terminals anlegen So ist Brunel Mitarbeiter Auke de Jong beim Hafen als AutoCAD-Ingenieur tätig. Der 25-Jährige entwirft sowohl kleinere als auch sehr umfassende technische Zeichnungen, zum Beispiel von Straßen- oder Schienenverläufen oder einzelnen Hafenanlagen. „Meine Vorlagen dienen meist als Planungsgrund lage für die Projektmanager. Im Fokus steht dabei die effiziente Nutzung des erweiterten Gebiets. Denn es ist ganz entscheidend, ob und wie eine Parallelstraße zum Uferdamm verläuft oder wo Windkraftturbinen am Rande der neuen Maasvlakte platziert werden“, erläutert de Jong. Doch nicht nur ökonomisch ist eine Orientierung an Effizienzmaßstäben zweckmäßig, sondern auch ökologisch. Denn je sinnvoller der bestehende Platz genutzt wird, desto weniger Meeresboden muss beansprucht werden. Auke de Jong ist damit entscheidend in die erste Phase des über mehrere Etappen
Porträt Auke de Jong (25) arbeitet seit diesem Jahr bei Brunel. Seinen Bachelor-Abschluss machte de Jong im Studiengang Built Environment mit der Fachrichtung Bauingenieurwesen. Im Maasvlakte-2Projekt ist er als AutoCAD-Ingenieur beim Rotterdamer Hafen im Einsatz.
›28 geplanten Mammutprojekts eingebunden: 2013 sollen Containerschiffe an den neuen Terminals anlegen können, die ersten Flächen zum Bau der Hafen- und Industriebetriebe werden bereits Mitte des nächsten Jahres zur Verfügung stehen. Die komplette Maasvlakte 2 soll bis 2033 in Betrieb sein. „Dann wird die Hälfte des Areals zur kommerziellen Nutzung für den Containerumschlag, die Chemieindustrie und die Logistik bereitstehen, die andere Hälfte wird für die Infrastruktur benötigt“, so Klaas Buizer. Die Schaffung neuer Flächen wird dabei immer an die Nachfrage angepasst, um unnötige
Landgewinnungen zu vermeiden. „Aber schon jetzt sind von der Hafenbehörde bereits 40 Prozent des Gesamtgebiets an künftige Kunden vergeben“, berichtet der studierte Schiffbauer und Betriebswirt. Neben der gestalterischen Planung ist derzeit insbesondere der eigentliche Aufschüttungsprozess von Bedeutung. „Durchschnittlich sechs Saugbaggerschiffe ziehen ihre jeweils zwei Saugköpfe durch den Meeresgrund und wirbeln so den Sand auf. Die-
› 28
Bis zu elf Kilometer vor die Küste fahren die Schiffe hinaus, um dort besonders grobkörnigen Sand aufzusaugen.
der Spezialist
51
Spektrum
ser wird durch ein mit den Köpfen verbundenes Saugrohr in den Laderaum des Schiffs befördert“, beschreibt Daniel dos Santos, Brunel Spezialist bei PUMA, den Vorgang. Ausgeladen wird dieser Sand im Drop-Verfahren, also durch die Bodenklappen des Schiffs. So entstand das Fundament des zu Beginn aufzuschüttenden bananenförmigen Damms. Sobald das Wasser durch das wachsende Fundament zu flach wird, werfen die Saugbaggerschiffe den Sand dann durch ein Düsenrohr auf und hinter den Damm. „Diese Technik wird auch als Rainbowing bezeichnet, da das aufgesogene Material in hohem Bogen aufgesprüht wird und der feuchte Schlamm und der Sand bei sonnigem Wetter das Licht ähnlich wie bei einem Regenbogen brechen können“, erklärt dos Santos, dessen Hauptauf gabengebiet die Dokumentation der Sandproduktion ist.
Strömung als groSSe Herausforderung des Projekts Eine der Schlüsselfragen des Projekts war zunächst: Wo sollte gebaggert werden? Bei
Porträt Klaas Buizer (36) studierte Schiffbau und Betriebswirtschaft an der Fachhochschule in Delft und ist seit seinem Abschluss 1997 bei Brunel in den Niederlanden tätig. Der kaufmännische Projektleiter verantwortet unter anderem die Angebotserstellung und die Verhandlung von Rahmenverträgen für Großkunden.
der Wahl des Gebiets mussten Aspekte wie die Lage von Naturschutzgebieten oder Munitionsrückständen sowie Kabel- und Pipelinekorridore beachtet werden. Zudem gilt es, den regulären Schiffsverkehr nicht zu behindern. Daniel dos Santos: „Normalerweise wird der Sand bis zu einer Bodentiefe von zwei Metern abgesaugt. Um auf die geforderte Menge Sand zu kommen, hätten wir dann aber einen Nordseestreifen von bis zu 30 Kilometern Länge benötigt. Daher haben wir entschieden, stattdessen Meeresboden weit draußen vor der Küste hinaufzuholen – dort baggern wir bis zu 20
› 29 Durchschnittlich sechs Laderaumsaugbagger sind vor Rotterdam im Einsatz. Pro Woche werden so rund zwei Millionen Kubikmeter Sand aufgetragen.
›29 52
der Spezialist
Spektrum
›30 Meter in die Tiefe.“ Der Sand ist hier besonders grobkörnig und eignet sich damit hervorragend für den Dammbau, da er nicht so leicht von der Strömung weggeschwemmt wird. Die Strömung ist es auch, die gemeinhin als eine der größten Herausforderungen für ein Landgewinnungsprojekt gilt. Im Vorfeld wurde ihr Verlauf genau analysiert. Daraufhin wurde der Uferdamm, der nach seiner Fertigstellung 14 Meter über Normalnull liegen wird, parallel dazu angelegt. „Das minimiert die Instandhaltungsarbeiten“, so der Brunel Spezialist. Die Mischung aus grobem Sand, verschiedenstem Gestein und 40 Tonnen schweren Betonblöcken sorge zudem für Stabilität, so dass der Damm „auch einem Sturm standhält, der acht Meter hohe Wellen erzeugt“.
Aufschüttung rund um die Uhr – Landgewinnungsrekord erzielt
Frachter rund um die Uhr. Eine Route von der Förderstelle zur Maasvlakte und wieder zurück dauert inklusive des Rainbowings zwischen drei und vier Stunden. „Wir liegen bei PUMA gut im Plan“, resümiert dos Santos, „im April dieses Jahres haben elf unserer Laderaumsaugbagger 3,8 Millionen Kubikmeter Sand in einer Woche aufgeschüttet – ein Landgewinnungsrekord.“ Doch nicht nur für den Schutzdamm und die Hafenflächen werden Unmengen an Sand benötigt. „Das Gebiet, das die wirtschaftlich notwendige Maasvlakte 2 beansprucht, wird in umliegenden Küstengebieten durch neue Dünen und geschützte Meeresgebiete kompensiert. Damit wird der Natur ein Stück zurückgegeben“, fasst Klaas Buizer zusammen.
Insgesamt werden rund 365 Millionen Kubikmeter Sand aufgeschüttet. Zum Vergleich: „Das sind circa 60.000 vollbeladene Saugbaggerschiffe“, rechnet dos Santos vor. Zur Erreichung dieses Ziels arbeiten die
Daniel Alonso dos Santos (30) war seit seinem Abschluss 2002 in verschiedenen Fachdisziplinen tätig. Seit einem Jahr ist er im Maasvlakte 2-Projekt für die Dokumentation der Sandproduktion verantwortlich.
› 30 Die Maasvlakte 2: Zunächst wird der bananenförmige Uferdamm gebildet, dahinter werden die Terminal-Flächen aufgeschüttet. Der Rotter damer Hafen wächst somit um 20 Prozent.
der Spezialist
53
Ausblick
Auf Partner setzen ser Branche sind die Auftragsschwankungen sehr stark ausgeprägt. Ein Grund, warum unsere mitteleuropä ischen Fertigungsunternehmen in den kaufmännischen, technischen und auch gewerblichen Bereichen auf externe Unterstützung setzen. Nur so gelingt es, Auftragsspitzen wirtschaftlich zu bewältigen und zudem unternehmerische Weiterentwicklungen sowie zusätzliche Projekte zu realisieren. Unser Standort in Sachsen setzt dabei seit mehr als fünf Jahren auf die Dienstleistungen von Brunel. Die hochqualifizierten Arbeitskräfte des Projektpartners sind bei uns überwiegend in den Abteilungen Konstruktion, Arbeitsprozessgestaltung und Arbeitsvorbereitung im Einsatz. Zudem unterstützt uns Brunel beim Recruiting. So konnten wir bereits fünf kompetente Fachkräfte, zwei davon in Führungspositionen, dauerhaft einstellen.
In meiner Funktion als Director ITAB Operations weiß ich um die besonderen Herausforderungen, vor denen der Mittelstand in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas steht. Denn insbesondere mittelständische Unternehmen werden künftig sehr schnell auf die Anforderungen der Märkte reagieren müssen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Jedoch sehen sich diese Unternehmen aufgrund mitunter hoher Auftragsschwankungen immer wieder mit personellen Engpässen konfrontiert. Die ITAB Harr GmbH, ein Tochterunternehmen der schwedischen ITAB-Gruppe, zählt zu den europäischen Marktführern für die Entwicklung und Produktion von Kassentischen für den Groß- und Einzelhandel. Auch in die-
54
der Spezialist
Gerade für uns Mittelständler sind neben der kontinuierlichen Prozessoptimierung hohe Qualität sowie stetige Innovationen Grundvoraussetzungen, um sich am Markt zu behaupten. Deshalb stellen wir an die Qualifikation all unserer Mitarbeiter höchste Ansprüche – das gilt auch für externe Spezialisten. Zudem bringen die Experten von Dienstleistern wie Brunel durch ihren Einsatz in verschiedensten Unternehmen und Branchen einen großen Erfahrungsschatz und interdisziplinäres Know-how mit. Vorteile, die sich auf die fachliche Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitern und auf das gesamte Projektergebnis auswirken.
Charles Sauviller Director ITAB Operations
Impressum Ausgabe 16 || Oktober 2010
REDAKTIONSANSCHRIFT Brunel GmbH, Redaktion Der Spezialist Airport City, Hermann-Köhl-Str. 1, 28199 Bremen redaktion@der-spezialist.de Telefon 0421 / 1 69 41-14
HERAUSGEBER Brunel GmbH
VERANTWORTLICHER REDAKTEUR (V. I. S. D. P.) Drs. Johan Arie van Barneveld, RA, CEO, Brunel International N. V., General Manager Brunel GmbH
REDAKTION DIALOG Public Relations, Bremen
GESTALTUNG GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen
FOTOGRAFIE (COPYRIGHTS)
„Klug fragen können ist die halbe Weisheit.“ Francis Bacon, englischer Philosoph und Staatsmann, 1561–1626
Sofern nicht abweichend, alle Angaben als Bildnummern: GfG / Gruppe für Gestaltung (Titel, 02, S. 30), Dr.-Ing. Willi Fuchs/VDI (01, S. 29), Ritch Rappel (03, S. 11), Picture-Alliance/EPFL Claudio Leonardi (S. 6–7), Michael McKinnon (S. 8), Siemens AG (04–05, S. 10), Getty Images (07–08, S. 41 (3x), Medioimages S. 42 (3x), Jupiterimages S. 43 (2x), Hemera Technologies S. 42–43), Axel Roch (09–10), Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen (S. 18), iStockphoto (11, 14), Picture-Alliance (13, 18–19, 24–26), Thomas Popp (S. 23), Wikimedia Commons (S. 23), ContiTech AG (S. 24), Bionik-Innovations-Centrum HS Bremen (S. 24), NASA (S. 25), Campus Verlag, Frankfurt a. M. (S. 25), Swiss Science Center Technorama (S. 25), Romy Kniewel (S. 26, 17), Fotolia (15, S. 40–S. 41 (3x)), Fraunhofer IAO (16), Terry Smith (S. 34), Jörg Koglin (S. 36), Westfalenpost/Martina Dinslage (21, S. 38, 22–23), Nikolai Wolff/Fotoetage (untere Bildstrecke S. 40–S. 43, S. 52), Kristina Becker (S. 44), Fithawie Habte (S. 48), TidalStream Partners (27), Auke de Jong (S. 50), Ben Wind Fotografie (28), Aeroview-Rotterdam (29–30), PictureAlliance/BELGA/Dirkx (S. 54)
DRUCK Druckerei Girzig + Gottschalk GmbH, Bremen
ERSCHEINUNGSWEISE 2 Ausgaben / Jahr, Auflage 25.000 Stück
Beschäftigt auch Sie eine Frage aus den Bereichen Technik und Naturwissen schaften, zu der Sie gern eine Spezialisten meinung lesen möchten? Dann schreiben Sie uns! Wir finden den passenden Brunel Spezialisten, der Ihrer Frage auf den Grund geht. Ihre Wissbegier wird zudem noch belohnt: Unter allen Einsendern verlosen wir vier Karten für ein Science Center Ihrer Wahl. redaktion@der-spezialist.de
Brunel GmbH | Airport City | Hermann-Köhl-Str. 1 | 28199 Bremen
Brunel GmbH Airport City Hermann-Köhl-Str. 1 28199 Bremen 6023_09.2010
T 0421 / 1 69 41-14 W www.brunel.de E redaktion@der-spezialist.de