Der Spezialist - Ausgabe 15

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Ausgabe 15 || April 2010

Das Magazin fテシr Technik und Management

Ressourcenreichtum trifft auf Know-how テ僕fテカrderung in Russland Weichen fテシr die Zukunft gestellt Digitale Netzwerke steuern Bahnverkehr Konzentration auf das Wesentliche Im Operationssaal der Zukunft


Energieland Russland: Brunel Spezia­l isten sichern Potenzial

Amsterdam

24 Stunden mit Business Line Direktor Jeroen Ekkel

Umweltsimula­t ion und Schadensanalytik bei Brunel Car Synergies Windkraft-Technologien Innovationsanforderungen an die Automobilindustrie Hinter jeder Idee stehen Menschen

Pioniere automobiler Wettrennen

„Made in Germany“ bleibt Qualitäts­b egriff Anlagen- und Maschinenbau

Mobilkrane: von der Produktidee bis zur Marktreife Know-how und Teamwork

OP der Zukunft

Kostendruck erfordert effizientere Technik


Ausgabe 15 || April 2010

Köpfe dieser Ausgabe › 01

› 01 Andre a s L a nge r ( 4 8 ), bei Brunel Communications Leiter Account Management, betreut seit Jahren den Kunden Bombardier Transportation (Signal) Germany GmbH. Teams aus Experten beider Unternehmen entwickelten unter anderem gemeinsam innovative Lösungen für Stellwerke. Fachliches Know-how und Koordinationstalent sind für Langer grundlegende Fähigkeiten, die er in seinem beruflichen Alltag abrufen muss. Beides war auch bei der Erstellung des Beitrags für diese Ausgabe gefordert: So stand er der Redaktion zum einen mit fachlichen Informationen zur Seite und unterstützte uns zum anderen aktiv bei der Kommunikation mit den Ansprechpartnern von Bombardier, die aufgrund von Dienstreisen im Ausland manchmal schwer ereichbar waren. Mehr über die Projekte von Bombardier und Brunel lesen Sie auf Seite 42. › 02

› 02 J e r oe n Ekk e l ( 4 0 ) : 2009 hat viele Unternehmen vor neue, teilweise nach wie vor ungelöste Herausforderungen gestellt. Mit Spannung sahen wir daher dem Interview mit Jeroen Ekkel entgegen, der als Direktor die Geschäfte der Brunel Business Line Finance in den Niederlanden verantwortet. Uns begrüßte ein gut gelaunter Herr Ekkel, und auch auf die Frage nach seinem Fazit für 2009 antwortete er: „Insgesamt bin ich zufrieden.“ Natürlich sei das Jahr anspruchsvoll gewesen. Brunel Finance habe sich jedoch als verlässlicher Partner bewiesen – gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Dienstleistern. „Dass wir diese Beständigkeit gerade in schwierigen Zeiten unter Beweis stellen und damit ein hohes Maß an Sicherheit vermitteln konnten, stimmt mich auch für die Zukunft sehr positiv.“ Wie ein Arbeitstag von Jeroen Ekkel aussieht, lesen Sie ab Seite 20. › 03 Tobia s Na ge l ( 33 ) , der bei Nissan Creative Box Inc. als Auto-Designer tätig ist, bastelte schon als Zwölfjähriger an seinem ersten eigenen Moped, das er mit Freunden nach der Schule über die Felder der thüringischen Provinz jagte – ohne Führerschein. Noch heute liebt er Motorräder und Autos, vor allem solche, die von ihrer Form her polarisieren. Denn multifunktionale Wagen und mobile Wohn- oder Arbeitsräume – das sind Tobias Nagels Ideen für die Zukunft der Mobilität. Seine neue Heimat Tokio, wo Parkplätze teuer und die Menschen zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohnehin schneller unterwegs sind, inspiriert den Designer dabei täglich aufs Neue. Was Tobias Nagel über die Mobilität von morgen denkt, lesen Sie auf Seite 54.

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Der Spezialist vor Ort Ländergrenzen lösen sich in der globalisierten Wirtschaft zunehmend auf, Märkte rücken enger zusammen. Das spiegelt sich auch in den Berichten unseres Magazins wider. Ein geografischer Überblick über die Themen dieser Ausgabe.

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Inhalt

D e r  S p e z i a l i s t

Ausgabe 15 || April 2010

Seite 06

1 Im Fokus: Frischer Wind für die Wirtschaft

Seite 10

2 Spektrum: Ressourcenreichtum trifft auf Know-how

Seite 14

3 Im Dialog: Quo vadis Automobilindustrie?

Seite 20

4 24 Stunden: 24 Stunden in Amsterdam

Seite 24

5 Kompetenz: „Impulse setzen und Vertrauen schaffen“

Seite 28

6 Spektrum: Schwere Lasten in schwindelnden Höhen

Seite 32

7 History: Im Rausch der Geschwindigkeit

Mehr als 100 km/h im Elektroauto waren 1899 eine Sensation und Camille Jenatzy ein Held

Seite 37

Kompakt: Aus unserer Sicht, Kurzmeldungen, Tipps, Termine

Seite 40

8 Profil: Brunel Mitarbeiter im Porträt

Seite 42

9 Spektrum: Weichen für die Zukunft gestellt

Seite 46

 Wissen: Welches werden die vorrangigen Energiequellen in 50 Jahren sein?

Seite 48

Windenergiebranche entwickelt sich zum Wirtschaftsmotor

Brunel Spezialisten unterstützen Erdöl- und Gasförderunternehmen in Russland

Die Branchenexperten Thomas Lünendonk und Peter Bolz im Gespräch

Ein Tag mit Jeroen Ekkel, Leiter der Brunel Business Lines Finance, Insurance & Banking

Maschinen- und Anlagenbau unter internationalem Wettbewerbsdruck

Vorausberechnungen und Simulationen helfen bei der Konstruktion moderner Krane

Dipl.-Ing. für Verfahrenstechnik Markus Fühne und Jörg Papke, Ingenieur für Versorgungstechnik

Komplexe Anforderungen für Systemlösungs- und Netzwerkspezialisten

Brunel Geschäftsbereichsleiter Kolja Ostrowski wagt einen Blick in die Zukunft

 Forschung: Konzentration auf das Wesentliche

Im Berliner ukb wird bereits heute im Operationssaal der Zukunft operiert

Seite 52

Alles, was Sie über Windenergie wissen müssen

Seite 54

 Querdenken: „Ich kreiere Charakter und keine Maschinen“

Designer Tobias Nagel entwickelt ungewöhnliche Zukunftstrends rund um Mobilität

Seite 58

Brunel Magazin erscheint mit neuem inhaltlichen und grafischen Konzept

Impressum

Wissen: 10 Fakten zur Windenergie

Ausblick: Der Mensch im Mittelpunkt

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im fokus

Frischer Wind für die Wirtschaft Die Windenergiebranche hat sich in Deutschland zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig mit 80 Prozent Exportanteil entwickelt. Gerade das Potenzial von Offshore-Anlagen ist enorm. Damit Konstruktion und Material neuer Anlagentypen den besonderen Bedingungen auf hoher See standhalten können, werden im Werkstofflabor von Brunel Car Synergies Schadensfälle analysiert.

T e x t › Jörg Riedel

Die fossilen Energieträger Öl, Kohle und wurden in der ersten Hälfte des 20. JahrhunGas sind nicht unendlich verfügbar. Entspre- derts geschaffen, seit 1990 förderte die Bunchend gewinnen die erneuerbaren Energi- desregierung verstärkt die Forschung. Nachen Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Bio- dem Anfang 1991 das Stromeinspeisegesetz energie an Relevanz. Das größte Potenzial in Kraft getreten war und es für den eingein Deutschland habe auf absehbare Zeit die speisten Windstrom eine verlässliche VergüWindenergie, so das Bundesministerium für tung gab, verzehnfachte sich die GesamtleisUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. tung der in Deutschland installierten AnlaEntsprechend fördert das Ministerium auch gen innerhalb weniger Jahre. Derzeit liegen die Forschung, vor allem im Offshore-Bereich: die jährlichen Zuwachsraten bei 2.000 MegaMit alpha ventus ging im November 2009 der watt und die Bundesrepublik liegt mit einer erste deutsche Offshore-Windpark ans Netz. ­Gesamtleistung von 26.000 Megawatt weltDas Testfeld liegt etwa 45 Kilometer vor Bor- weit auf dem zweiten Platz, knapp hinter den kum und umfasst zwölf Anlagen mit jeweils USA. Die Windindustrie hat sich hierzulande fünf Megawatt. „Der Offshore-Bereich ist eine entsprechend zu einem wesentlichen Wirtder drei Säulen, auf der schaftszweig entwickelt, mit deutschland ist eines der weitere Ausbau der einem Exportanteil von etwa Windenergie in Deutsch- der Pionierländer auf 80 Prozent. Dabei bleibt Euland basiert“, so Hermann dem gebiet der Windenerropa Hauptabsatzmarkt, laut Albers, Präsident des Bun- gienutzung BWE besteht jedoch auch in desverbandes WindEnerNord- und Südamerika, Asien gie (BWE). Weitere seien die Ausweisung neu- sowie in Australien großes Potenzial. Die Rolle er Gebiete für Windanlagen sowie das Repo- der Windbranche im Welthandel wächst: „Die wering, das Ersetzen älterer Anlagen durch Zukunftsaussichten sind bestens“, sagt Björn leistungsstärkere Modelle. „Dieser Austausch Klusmann, Geschäftsführer des Bundesverist wichtig. Denn die Windräder der ersten bandes Erneuerbare Energie (BEE). „2020 ist Generation nehmen den neuen Anlagen, die inflationsbereinigt allein mit Windkraft ein heute einen vielfach höheren Stromertrag weltweiter Umsatz von rund 82 Mrd. Euro zu bringen, an den windstarken Standorten den erwarten. Mit mehr als 20 Mrd. Euro kann daPlatz weg“, erklärt Albers. von ein Viertel von deutschen Unternehmen Deutschland gilt als eines der Pionier- realisiert werden.“ länder auf dem Gebiet der WindenergienutEntsprechend fungiert die Branche auch zung. Die technologischen Voraussetzungen in der Bundesrepublik als wichtiger Arbeitge-

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Porträt Hermann Albers ist seit 2007 Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE). Er ist außerdem Vorstand der EWEA (European Wind Energy Association) sowie Vize-Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Hermann Albers gehört außerdem zu den Initiatoren des Offshore-Windparks Butendiek, 35 Kilometer westlich von Sylt, der bis 2012 gebaut werden soll.

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Gerade bei schwierig zu erreichenden Offshore-Anlagen ist es wichtig, dass sie durch entsprechende Konstruktion und Materialauswahl möglichst wartungsarm sind.


im Werkstofflabor von › Schadensanalysen Brunel Car Synergies

Ganzheitlich und interdisziplinär löst die Brunel Car Synergies GmbH komplexe Aufgaben entlang des gesamten Entwicklungsprozesses im Automobilmarkt: Beratung, Berechnung, Simulation, Erprobung und Prüfstandbau. Der Systemdienstleister überträgt sein Wissen aus dem Automotive-Bereich zunehmend auch auf andere Branchen. So werden in Bochum entwickelte Testverfahren auch für Bauteile aus der Windenergie oder für Schienenfahrzeuge angewendet. Das Ziel: Synergieeffekte nutzen, Erfahrungen und Know-how weitertragen.

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im fokus

ber. Insgesamt gibt es derzeit im Bereich der erneuerKonstruiert werden die KWEA mit horibaren Energien circa 280.000 Arbeitsplätze – der Bau zontaler und vertikaler Achsenausrichtung, und Betrieb von Windkraftanlagen nimmt mit 100.000 die Turmhöhe beträgt maximal 20 Meter. Beschäftigten eine Schlüsselstellung ein. „Die Branche Der Vorteil des Vertikalachsen-Windrades: Es verteilt sich gleichmäßig zu einem Drittel auf Herstel- muss nicht auf die gerade vorherrschende ler, auf Zulieferer sowie auf Betreiber, Service und Be- Windrichtung ausgerichtet werden, es arbeiratung“, so Albers. Viele Firmen tet unabhängig davon. So könhaben sich neu gegründet, be- Offshore-Bedingungen nen die in Bodennähe und im stehende Unternehmen haben stellen Konstruktion und Schatten von Gebäuden entihr Geschäftsfeld erweitert, gestehenden Wind-Turbulenzen Materialien vor besondere zielt Innovationen vorangetrie­ aufgefangen und die Schallben oder Nischen besetzt. Her- Herausforderungen schläge der Rotorblätter vermann Albers nennt hier beihindert werden. Für eine optispielhaft den Markt für Kleinwindanlagen (KWEA). Ins- male Ausbeute der Windenergie eignet sich besondere Privatpersonen und Landwirte nutzen die jedoch die horizontale Ausrichtung der Achse Windkraft ergänzend zu herkömmlichen Energiefor- besser. Die neuesten Modelle der Großwindmen. In Deutschland ist dieser Markt noch unüber- anlagen – ab 100 Kilowatt Leistung und über sichtlich, bedingt durch eine uneinheitliche Genehmi- 20 Meter Turmhöhe – arbeiten zudem mit eigungspraxis der Behörden, eine leistungsbe­dingt nied- ner variablen Rotorendrehzahl und verstellbarige Einspeisung ins Stromnetz sowie Unterschiede in ren Blättern; beides verringert die mechanider Qualität der angebotenen Anlagen. Aber auch hier sche Beanspruchung. „Dort oben wirken enorbietet der Export Chancen: In vielen Entwicklungs- und me Kräfte. Böiger, drehender Wind kann eine Schwellenländern sind die Stromnetze nicht ausge- Anlage in Taumelbewegungen versetzen“, erbaut. Hier stünden die KWEA für Insellösungen in Regi- klärt Heide Siedlarek von Brunel Car Syneronen ohne Stromnetz, so Albers. gies.

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Montageschiffe in Horns Rev beim Aufbau von 80 Windenergieanlagen des Typs Vestas V 80 vor der dänischen Nordseeküste.

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im fokus

›06 Im Zukunftsbereich Offshore muss das Material zudem gegen Korrosion durch die salzhaltige Meeresluft geschützt sein. Die Wassertiefe von rund 20 bis 40 Metern erfordert zudem eine Konstruktion mit steiferem Schwingungsverhalten als an Land. Nicht zuletzt macht der erschwerte Zugang auf See eine besonders wartungsarme Bauweise notwendig. Denn die Anlagen sind oft nur per Hubschrauber zu erreichen, die Spezialisten für Wartung oder Reparaturen werden auf die Anlagen abgeseilt. Ein Szenario, das auch für Heide Siedlarek eines Tages Wirklichkeit werden kann. Die Werkstoffwissenschaftlerin absolviert derzeit eine medizinische Untersuchung zur Höhentauglichkeit. Zwar findet der Hauptteil ihrer Arbeit im Werkstofflabor statt, nach Abschluss der Prüfung sind jedoch auch Einsätze direkt auf den Anlagen möglich.

Werkstofflabor von Car Synergies analysiert auch schäden an Windkraftanlagen „Ob im Labor oder direkt vor Ort: Bei uns ist Erfahrung gefragt“, erklärt Siedlarek, die gemeinsam mit ihrem siebenköpfigen Team Schäden an Bauteilen von Windkraftanlagen analysiert. „Wir untersuchen Bauteile mit den unterschiedlichsten Schäden, die ganz verschiedene Ursachen haben – vom Materialfehler bis zum Blitzschlag“, so Siedlarek. Meist seien es aber Schä-

digungen durch mechanische Überbelastung und durch die Verwendung ungeeigneter mechanischer Lager. „Viele Anlagen der ersten Generation sind nun bis zu zwanzig Jahre alt und damals wurden bei der Konstruktion aus Unkenntnis Fehler gemacht“, erläutert die Ingenieurin. Diese Fehlerquellen spürt Siedlarek mittels der zerstörenden Schadensanalyse auf. „Wir nehmen die defekten Teile komplett auseinander. Das Ergebnis unserer Untersuchungen geben wir an die Kunden weiter und weisen sie damit darauf hin, was künftig vermieden werden muss.“ Ursprünglich diente das Werkstofflabor bei Brunel Car Synergies in Bochum der Be­ gutachtung von fehlerhaften Bauteilen aus der Automobilindustrie. Aber in den letzten fünfeinhalb Jahren sind die Anfragen aus der Windenergiebranche gestiegen, so dass sich Heide Siedlarek als Bereichsleiterin Umweltsimulation in der Schadensanalytik nun zu 80 Prozent mit Fällen aus diesem Industrie­zweig beschäftigt. Dazu gehören zunehmend auch Abnahmeprüfungen an Bauteilen für Neuanlagen. „Die Neuentwicklungen werden ganz anders getestet als früher, denn die Qualitätsund Sicherheitsanforderungen sind durch die rasante Entwicklung in der Windkraft-Technologie rapide gestiegen“, verdeutlicht die Ingenieurin. So stellt sie im Labor gemäß den Anforderungen in europäischen Normen Umweltbelastungen nach und führt Tests durch, wie Klima- oder Korrosionsschutzprüfungen und Schwingungsprüfungen. Basierend auf diesen Untersuchungen können mögliche Fehlerquellen von vornherein benannt und damit Empfehlungen für den sicheren Bau und Betrieb der Anlagen ausgesprochen werden. Die Unternehmen selbst ergänzen diese Maßnahmen durch umfangreiche Überwachungen sowie regelmäßige Wartungen und Sicherheitschecks, während die Anlagen im Betrieb sind. „Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden uns dann wiederum für die Analysen im Schadensfall zur Verfügung gestellt. So sorgen wir gemeinsam dafür, dass die Zuverlässigkeit moderner Windkraftanlagen zunehmend erhöht wird.“

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Heide Siedlarek ist Bereichsleiterin Umweltsimulation. 80 Prozent der Fälle, die sie in der Schadensanalytik im Werkstofflabor von Brunel Car Synergies in Bochum bearbeitet, stammen mittlerweile aus dem Windenergiebereich.

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Spektrum

Ressourcenreichtum trifft auf Know-how Brunel Energy ist mit etwa 4.000 Mitarbeitern an 40 Standorten auf allen fünf Kontinenten vertreten und damit die größte Business Line von Brunel International N. V. In Russland, einem der bedeutendsten Erdgas- und Erdölproduzenten der Welt, kommen die Experten von Brunel im Auftrag aller großen westlichen Förderkonzerne zum Einsatz.

T e x t › Bastian Korte Laut einer Prognose der Vereinten Nationen werden bis zum Jahr 2050 etwa 9,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben, ein Anstieg der Weltbevölkerung um 2,5 Milliarden. Schon jetzt stehen wir vor der globalen Herausforderung, den scheinbar unstillbaren Energiebedarf mit dem Faktum schwindender fossiler Rohstoffe in Einklang zu bringen. Eine effektive Energiegewinnung scheint vor diesem Hintergrund dringlicher denn je – und das nicht nur aus Sicht der Endverbraucher. Die Industrie muss ihren langfristigen Betrieb mithilfe modernster Technologien aufrechterhalten. Doch die Entwicklung, Bedienung oder Wartung der Anlagen können nur ausgewiesene Experten leisten. Genau hier setzt das Dienstleistungsspektrum von Brunel Energy an. Mit insgesamt 4.000 Consultants, verteilt auf 40 Standorte in 29 Ländern auf allen fünf Kontinenten, spannt die größte Business Line von Brunel International N. V. ein globales Netzwerk. „Ziel ist es, auf lokale Bedürfnisse einzugehen und gleichzeitig die Entwicklungen auf dem Weltmarkt im Auge zu behalten. Denn dort bewegen sich unsere Kunden“, erklärt Koen Breken, General Manager von Brunel Energy Russland. Schwerpunktmäßig ist der internationale Projektpartner dabei in der Öl- und Gasbranche, der Petrochemie, der Elektrizitätserzeugung und dem energiebezogenen Anlagenbau tätig.

Russland nimmt als gröSSter Erdgasversorger eine Sonderstellung ein Ein Blick auf die Energiebranche verdeutlicht Potenziale, aber auch Herausforderungen für die Marktteilnehmer: Rund 80 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs werden nach wie vor durch fossile Energieträ-

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ger gedeckt. Doch die großen Verbraucherländer sind ressourcenarm, die Rohstoffreserven auf eine Handvoll Staaten verteilt. Diese Länder wiederum verfügen oft nicht über die technischen Möglichkeiten zur optimalen Förderung. Öl und Gas werden unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit zum Politikum. Auch zahlreiche petrochemische Erzeugnisse des täglichen Gebrauchs, ob Autoreifen oder Plastikverpackungen, sind an den Zugang zu fossilen Brennstoffen gekoppelt. „Diese Erkenntnisse machen deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit auf unternehmerischer Ebene zwischen einheimischer Wirtschaft und externem Fachpersonal notwendig ist“, bilanziert Breken und führt Russland als Beispiel an: Vor sieben Jahren beschloss die dortige

Porträt Der Niederländer Koen Breken (50) lebt seit 18 Jahren in Moskau und machte sich mit dem Personaldienstleister Commonwealth Resources selbständig. Auf dem russischen Arbeitsmarkt etabliert, ging er vor sechs Jahren ein Joint Venture mit Brunel Energy ein und wurde dortiger General Manager. Er ist unter anderem verantwortlich für die Projekte von ExxonMobil.


35 Jahren Markterfahrung bietet Brunel International › Mit N. V. ein umfassendes Kompetenznetzwerk für eine flexible

Personal- und Projektplanung

als 8.000 Mitarbeiter an 90 Standorten in › Mehr 34 Ländern › Hauptsitz der börsennotierten Aktiengesellschaft ist Amsterdam (Niederlande) › Weltweite Projektunterstützung durch die Brunel Business Lines Engineering, Finance, IT, Legal, Energy und

Insurance & Banking


Spektrum

Regierung Leitlinien einer neuen Energiestrategie mit dem Fokus auf erhöhte Effizienz und Umweltfreundlichkeit. Als zweitgrößter Erdöl- und größter Erdgasexporteur der Welt nimmt das Land eine Sonderstellung in der Energieversorgung ein. Annahmen unabhängiger US-Experten gehen von einem stark ausbaufähigen Exportpotenzial bis 2030 aus. Breken: „Um Russlands Energiestatus jedoch zu wahren, sind Investitionen in Fördertechniken, das teils überalterte Pipeline-System sowie in die Erschließung neuer Gasfelder notwendig. Zudem müssen Ölbohrungen heute immer tiefer reichen.“ Hierbei sind die Russen auf das technische Know-how westlicher Konzerne angewiesen, die auf diesem Wege per Joint Venture einen Marktzugang erhalten.

› 07 Beim Kashagan-Ölfeld im Kaspischen Meer, benannt nach einem kasachischen Dichter, handelt es sich um das größte Ölvorkommen, das in den letzten 30 Jahren entdeckt wurde. Experten schätzen, dass sich unter der Wasseroberfläche rund 40 Mrd. Barrel des schwarzen Goldes verbergen. Vor Ort sind zurzeit sechs Brunel Spezialisten im Einsatz.

Strenge politische Vorgaben erlauben nur ein begrenztes Kontingent für ausländische Kompetenzträger Mit flexiblen Personalmodellen unterstützt Brunel Energy seit 25 Jahren ebendiese Unternehmen in allen denkbaren Projektphasen. „Ob Erfahrung im Projektmanagement oder Fachwissen für das operative Geschäft, dem Kunden können überall und zu jeder Zeit komplette Lösungen angeboten werden“, unterstreicht Breken. Neben der reinen Vermittlung von Expertise wird auf Wunsch aber auch administrative Unterstützung geleistet. Denn sich mit den jeweiligen nationalen Steuer- und Rechtssystemen auseinanderzusetzen, kann

› 08 Im Kashagan-Ölfeld in Kasachstan herrschen Temperaturunterschiede von bis zu 80 °C. Mithilfe von statistischen Berechnungen prognostizieren Spezialisten aus Kanada die Strömungsbewegungen von Treibeis und legen so möglichst eisfreie Standorte für Bohrinseln und Pipelines fest.

für einen Global Player zeit- und damit kostenaufwendig sein. Gehaltsabrechnungen, die Abwicklung von Aufenthalts- und Einstellungsformalitäten – all diese Services werden abgedeckt. Auf dem russischen Markt ist Brunel Energy mit diesem Portfolio etabliert. Die drei russischen Büros in Moskau, Tjumen (Ural) und auf der Insel Sachalin (nördlich von Japan) haben derzeit 240 Mitarbeiter in Projekten. Rund die Hälfte von ihnen ist im Öl- und Gassektor tätig, hauptsächlich im Pipelinebau sowie bei On- und Offshore-Bohrungen. Der Personalbedarf ist je nach Branche unterschiedlich gelagert, erklärt Sven Stork, Senior Recruitment Consultant im Moskauer Team: „Während in der Stromwirtschaft vorwiegend Nachfrage auf der Führungsebene besteht, werden bei Öl- und Gasunternehmen eher Projektingenieure gesucht.“ Eine weitere landesspezifische Herausforderung: Strenge politische Vorgaben erlauben nur ein begrenztes Kontingent für ausländische Kompetenzträger. „Im Vergleich zur Arbeit innerhalb der EU bedeutet das einen hohen bürokratischen Aufwand, um beispielsweise Arbeitserlaubnisse oder Visa zu erhalten“, so der Consultant. „Doch immerhin rund 25 Prozent unserer Spezialisten sind internationaler Herkunft und auch die einheimischen Fachkräfte sind hoch qualifiziert.“

K a s a c h s t a n

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Spektrum

Ein raues Klima, eine schwierige Infrastruktur oder technische Neuentwicklungen – es gibt viele Faktoren, die den Arbeitsalltag eines Brunel Ingenieurs zu einer permanenten Herausforderung machen. So ist als Projektmanager interdisziplinäres Handeln gefragt, um von der Planungsphase bis zur Instandhaltung den Überblick zu behalten. Der Bau von LNG-Prozessanla­ gen (LNG = Liquefied Natural Gas) erhält beispielsweise zunehmende Bedeutung, denn die Gasverflüssigung ermöglicht einen globalen Export: Per Tiefkühlfrachter kann in Gegenden transportiert werden, in die Pipelines nicht mehr reichen. Es gilt hier, Machbarkeitsstudien und 3-D-Zeichnungen im Front End Engineering Design prüfend zu begleiten. Auch die Zulieferung von Stahl und Rohrleitungen muss koordiniert werden, dabei sind potenzielle Materialengpässe zu identifizieren und mit dem Personaleinsatz abzustimmen, um den reibungslosen Workflow zu gewährleisten. Die Konstruktion und Inbetriebnahme von Wärmeaustauschern zur Erdgasverflüssigung sowie Gasturbinen zur Stromerzeugung müssen ebenfalls überwacht werden und setzen eine fundierte Kenntnis der Technologien seitens des Projektmanagers voraus. Zusätzlich sollten anfallende Kosten mit dem Budget abgeglichen und der Auftraggeber sollte stets per standardisierter Dokumentation über technische und zeitliche Projektfortschritte informiert werden.

Extreme Umweltbedingungen erfordern besondere Bohr- und Fördertechnik Auf einem ganz anderen Gebiet arbeiten derzeit mehrere kanadische Spezialisten: Im Kashagan-Ölfeld (Kasachstan), einem Areal der Größe Londons mit Temperaturschwankungen von bis zu 80 °C, errechnen sie die Strömungen von Treibeis anhand statistischer Eigenschaften. „Eisbewegungen in flachen Gewässern können meterbreite Gräben in den Meeresboden ziehen und die am Boden befindlichen Pipelines beschädigen. An der Wasseroberfläche treibende Eisschichten bedrohen die Plattformen“, erklärt Stork. Konzepte beweglicher Plattformen existieren zwar bereits, jedoch sei ein solcher Transport per Schiff aus der Gefahrenzone zeitintensiv und müsse deshalb über eine kilometerweite Distanz von Bohrinsel und herannahendem Eis entschieden werden. Exakte Prognosen via Satellitenaufzeichnung und durch mathematische Simulationen sparen dem Projekt somit viel Geld. In anderen Regionen mit tieferen Gewässern ermöglichen Halbtaucher die Bohrungen. Statt Stützbei-

nen haben diese Bohrinseln riesige Schwimmkörper mit Ballasttanks, die den Schwerpunkt der Plattform möglichst tief unter die Meeresoberfläche drücken. Halbtaucher können über spezielle Anker im Boden befestigt oder über computergesteuerte Schiffsschrauben in Stellung gehalten werden. „Diese Positionierungssysteme so zu konzipieren, dass die Plattform auch hohem Seegang oder gar schwerem Sturm standhält, stellt eine Anforderung an unsere Konstrukteure dar“, sagt Stork. Zukünftige Projekte werfen zudem ihren Schatten voraus: Sachalin I oder das Shtokman-Gasfeld in der Barentssee. In erstgenanntem Vorhaben ist ExxonMobil tätig, einer der größten Kunden, mit denen Brunel Energy weltweit zusammenarbeitet. Die Jahresfördermenge in Shtokman wird voraussichtlich mit der Norwegens vergleichbar sein, immerhin einer der größten Gaslieferanten Europas. „Total S. A., einer unserer weiteren Kunden, ist dort Teil eines Konsortiums und wird in diesem langjährigen Milliardenprojekt insbesondere beim Unterwasser-Pipelinebau Experten von Brunel benötigen“, so Stork.

Porträt Sven Stork (38) begann seine Karriere bei Brunel Energy im Jahr 2006. Vom Rotterdamer Standort wechselte der studierte Bauingenieur 2008 nach Moskau. Vorher war der Niederländer auch schon in Sydney und Dubai tätig. Stork betreut als Senior Recruitment Consultant unter anderem den französischen Mineralölkonzern Total.

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Im Dialog

Quo vadis Automobilindustrie? Die Automobilbranche steckt in der größten Rezession ihrer Geschichte und steht vor enormen Herausforderungen. Konzepte und Zukunftsvisionen sind gefragt wie nie. Die Branchenexperten Thomas Lünendonk und Peter Bolz im Gespräch über die Zukunft der Automobilindustrie und die Konsolidierung in der Zuliefererbranche.

Inte r vie w › Stine Behrens

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Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast

Der Spezialist: Herr Lünendonk, in Ihrer Trendstudie haben Sie die aktuelle Lage der Automobilindustrie analysiert. Beschreiben Sie unseren Lesern bitte kurz Ihre Herangehensweise. Thomas Lünendonk: Die Studie basiert auf umfassenden Recherchen und Interviews. Wir haben ausführliche qualitative Interviews mit Automobilherstellern, Zulieferern sowie Entwicklungsdienstleistungs- und Beraterunternehmen durchgeführt. Diese Gespräche haben wir analysiert, mit Studien und Branchenberichten aus dem Automotive-Markt verknüpft und so einen realistischen Einblick erhalten – sowohl in die aktuelle Lage als auch in die weitere Entwicklung der Branche.

dieses Wissen in das Tagesgeschäft einfließen – ein Alleinstellungsmerkmal, das wir mit der Präsentation unterstreichen konnten. Thomas Lünendonk: Eine Studie ist immer nur eine Momentaufnahme von Zuständen und Entwicklungen einer Branche beziehungsweise innerhalb eines Marktsektors. Ihren Wert erhält sie erst durch die intensive Diskussion mit Praktikern, die die Ergebnisse und Interpretationen mit ihrer täglichen Wirklichkeit vergleichen. Insofern war die Veranstaltung in Bochum von großem Interesse für alle Beteiligten.

Der Spezialist: Brunel Car Synergies hat gemeinsam mit der Lünendonk GmbH die Studie in Bochum vor Fachleuten der Branche präsentiert. Wie war das Feedback auf diesen Event? Peter Bolz: Die Resonanz war sehr positiv und wir haben bereits vor Ort interessante, inhaltlich sehr in die Tiefe gehende Gespräche geführt. So haben wir mit den rund 80 Gästen – überwiegend Entscheider unserer Kundenunternehmen – mögliche Lösungsansät­ze für die weitere Entwicklung der Automobil­ branche diskutiert. Daran konnten wir in den darauf folgenden Wochen anknüpfen. Car ­Synergies verfolgt die Anforderungen und Entwicklungen des Marktes genau und lässt

Der Spezialist: Und wie sieht sie nun aus, die aktuelle Situation der Automobilindustrie? Thomas Lünendonk: Die globale Automobilindus­ trie befindet sich in einer noch nie dagewesenen Rezession. In allen wichtigen Märkten der Welt schrumpft oder stagniert die Nachfrage, Aufträge werden storniert oder ausgesetzt, Budgets gekürzt und Preise gedrückt. Das betrifft sowohl kleine, ­familiengeführte Mittelständler als auch börsennotierte Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Banken die Automobilindustrie derzeit als riskant ansehen, Kredite kürzen oder kündigen und Zinsen anheben. Was jedoch bleibt, sind die hohen, meist kostspieligen Innovationsanforderungen an die Automobilindustrie – ein Dilemma, aus dem es keinen klaren Ausweg gibt. Entsprechend groß ist die Unsicherheit innerhalb der Branche.

Es gibt kein Unternehmen auf dem Auto­ mobilsektor, das nicht leidet


Im Dialog

Porträt Thomas Lünendonk ist Journalist und Unternehmensberater. Seit 1983 gibt die Lünendonk GmbH Marktrankings und -studien heraus. Sie gelten als Marktbarometer.

Peter Bolz: Es gibt kein Unternehmen auf dem Automobilsektor, das nicht leidet. Alle spüren die Krise, die Ende Oktober 2008 begann und unerwartet schnelle Umsatzeinbrüche zur Folge hatte. Unsere Gespräche mit Vertretern der Branche zeigen deutlich, was von uns als Entwicklungspartner und Systemdienstleister erwartet wird: Ein außerordentlich hohes Maß an Flexibilität. Darauf sind wir eingestellt. Unserer Erfahrung nach sind zudem auf dem Zulieferermarkt kleine und mittelständische Unternehmen weniger stark betroffen als große. Entsprechend haben wir auch hier schnell reagiert und konzentrieren uns derzeit auf die so genannten 2nd- und 3rd-Tier-Supplier. Die aktuelle Situation ist also geprägt von einem höheren Druck auf Unternehmen, beweglich zu sein, sich anzupassen und sowohl an der Kosten- als auch an der Marktschraube zu drehen. Der Spezialist: Welche konkreten Auswirkungen sind denn in der Branche spürbar?

Thomas Lünendonk: Die globale Automobilproduktion in Stückzahlen und die weltweiten Kfz-Neuzulassungen sind 2008 und 2009 deutlich gesunken – und zwar in einem Ausmaß, das die Auswirkungen der vergangenen beiden Krisen von 1973 und 1979/80 übertrifft. Frühestens 2012 kann das Niveau von 2007 voraussichtlich wieder erreicht werden. Zwar legte in Deutschland dank der Abwrackprämie der Verkauf von Kleinwagen zu, der Absatz von Luxusautos brach jedoch ein. Aber nicht nur die Automobilhersteller sind von der Absatzkrise betroffen: Auch die Zuliefererindustrie hat aufgrund der dramatischen Entwicklung Umsatzeinbrüche von 60 Prozent und mehr zu verzeichnen. Peter Bolz: Der Druck, Kosten zu sparen, hat massiv zugenommen. Unternehmen bemühen sich um Verschlankung – sowohl hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen als auch der inhouse erbrachten Leistungen. Dennoch müssen die Unternehmen neue Produkte entwickeln oder neue Marktsegmente für sich erschließen, auch außerhalb ihres Kerngeschäftes. Als Entwicklungspartner verzeichnen wir daher beispielsweise eine steigende Nachfrage außerhalb unserer klassischen Automo­ tive-Leistungen. Das gilt sowohl für das Know-how un-

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serer Spezialisten als auch für Dienstleistungen, die wir direkt bei uns in Bochum mit den entsprechenden Anlagen erbringen. Die Relevanz von flexiblem Know-how von außen, das kurzfristig und zeitlich begrenzt zur Verfügung steht, steigt. Das wird gerade sehr deutlich.

Thomas Lünendonk: Die meisten von uns befragten Unternehmen – Hersteller wie Zulieferer – setzen ihren Fokus auf Innovationen wie alternative Antriebsprozesse und Fahrerassistenzsysteme sowie auf das gesamte Thema Car-Infotainment. Noch immer werden Dutzende von Kleinmotoren und Kleincomputern beziehungsweise Chips unkoordiniert und mit unterschiedlichsten Schnittstellen in einem Fahrzeug betrie„Schöneres Design und schnellere Motoren ben. Navigation, Information, Telekommunikation, Audio- und Video- sowie Analysereichen jetzt nicht mehr aus“ Funktionen müssen vom Kunden daher unDer Spezialist: Bietet die schwierige Situa- terschiedlich bedient werden. Und nicht nur hier sehe tion nicht auch Chancen – für einzelne Bran- ich großes Potenzial für die gesamte Branche. Wer nach chen oder gar den gesamten Markt? der Krise in einem bereinigten Markt durchstarten will, Peter Bolz: Definitiv. Überkapazitäten muss die Zeit jetzt nutzen, um Konzepte für eine echkönnen abgebaut und – wie angesprochen – te Innovations- und Technologieführerschaft zu entwiMaßnahmen zur Verschlankung in Angriff ge- ckeln. Schöneres Design und schnellere Motoren reinommen werden. Unternehmen können zu- chen nicht mehr aus. dem den Umbruch nutzen, um über den Tellerrand zu schauen. Die Chance für den geDer Spezialist: Was meinen Sie – wie wird sich der samten Automotive-Sektor besteht darin, sich Markt in naher und mittlerer Zukunft entwickeln? nun neu aufzustellen, nach Nischen zu suThomas Lünendonk: Parallel zu den konjunkturelchen und mit gezielten Innovationen neue len Turbulenzen bahnt sich eine technologische ZeitenMärkte oder Marktsegmente zu erschließen wende an. Impulse setzt dabei zum einen die Klimapound Anreize für Käufer zu schaffen. litik, die das Ziel eines kohlenstoffärmeren Individual-

Porträt Maschinenbauingenieur Peter Bolz leitet seit 2007 Brunel Car Synergies in Bochum. Das Unternehmen verfügt über ca. 70 Prüfanlagen für Automotive-Komponenten, die Schritt für Schritt am Bochumer Standort aufgestellt und dem Automobilmarkt zugeführt wurden.

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Automobilhersteller müssen ... … künftig die Kundenerwartungen noch besser verstehen. … die Entwicklung noch preiswerterer Fahrzeuge forcieren. … das Thema „individuelle Mobilität“ neu definieren. … heute die Weichen stellen, um mittelfristig gestärkt aus der Krise hervorzugehen. … umgehend neue Energiekonzepte in ihre Fahrzeuge integrieren. … versuchen, trotz Krise ihre Mitarbeiter zu halten, um einen späteren Know-how-Verlust zu vermeiden. … die Entwicklungszeiten für neue Fahrzeuge deutlich reduzieren. … stärker mit Unternehmen außerhalb der Automobilindustrie kooperieren, um künftig noch erfolgreicher zu sein.

›09 › 09 Teilergebnis einer Studie der Lünendonk GmbH über die Lage und die Perspektiven der Automobilindustrie. Befragt wurden Automobilzulieferer, Entwicklungsdienstleister und Berater.

5,0 Unwichtig

verkehrs verfolgt. Zum anderen achten Kunden intensiver auf Erschwinglichkeit, Effizienz und Emissionsreduzierung. Der typische Verbrennungsmotor wird langfristig – ich denke in 20 bis 25 Jahren – durch Hybrid- oder Elektroantriebe ersetzt beziehungsweise ergänzt werden. Außerdem wird es Umwälzungen bei den klassischen OEMs geben, nicht alle werden überleben. Besonders für die Zulieferer gilt, dass die Krise zu einer harten und schnellen Marktbereinigung führt. Ihr Verhältnis zu den Autobauern wird sich ändern: Beziehungen werden enger, die Abhängigkeit wächst, Lieferanten werden verschwinden, von Konkurrenten übernommen oder schließen sich zusammen. Doch auch für diese Krise gilt: Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für gesunde Unternehmen.

4,0

3,0

Mittelwerte-Skala

2,0

1,0 Sehr wichtig

teil, hinsichtlich seiner Dienstleistungen oder Produkte breiter aufgestellt zu sein und Synergieeffekte zu nutzen. Car Synergies beispielsweise überträgt Testverfahren zur Untersuchung einzel­ner Bauteile, die wir ursprünglich für den Automotive-Sektor entwickelt hatten, nun auch auf andere Märkte wie beispielsweise die Windkraftbranche. Hier sehen wir ebenso Potenzial wie bei den von Herrn Lünendonk angesprochenen Hybridoder Elektroantrieben. Auf diese Entwicklung in Richtung umweltschonende Antriebsformen sind wir eingestellt und haben bereits erste partnerschaftliche Allianzen mit Unternehmen geschlossen, die Innovationen ebenso stark vor­antreiben. Gewappnet ist also, wer die eigenen Stärken ausspielt, dabei aber flexibel bleibt. Herzlichen Dank, meine Herren, für das Gespräch.

Der Spezialist: Was könnten Unternehmen denn nun tun, um künftig für eine ähnliche Situation besser gewappnet zu sein? Peter Bolz: Dass eine solche Situation kaum vorherzusehen ist, ist ja gerade deutlich geworden. Grundsätzlich ist es ein Vor-

der Spezialist

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Die „Planet Solar“ ist das größte Solar-Schiff der Welt. Der 30 Meter lange und 15 Meter breite Katamaran aus Kohlefasern soll im April 2011 zu einer Weltumrundung aufbrechen. Die verwendete Technik könnte in Zukunft auch für den Warentransport zu Wasser interessant werden. Die Solarmodule haben eine Gesamtfläche von über 500 Quadratmetern und die 11,7 Tonnen schwere Batteriebank speichert 1,13 Megawattstunden Energie. Damit soll das Schiff bis zu 66 Stunden im reinen Batteriebetrieb fahren können. Vier Elektromotoren beschleunigen das insgesamt 60 Tonnen schwere Gefährt auf eine Spitzengeschwindigkeit von 13 Knoten. www.planetsolar.de



24 Stunden

In der neuen Serie „24 Stunden in ...“ begleitet und porträtiert Der Spezialist Mitarbeiter von Brunel – weltweit. Als Erstes hat uns Jeroen Ekkel, Leiter der Brunel Business Lines Finance, Insurance & Banking in Amsterdam, hinter die Kulissen seines langen Arbeitstages blicken lassen. T e x t › Stine Behrens

24 Stunden in Amsterdam Die Tage von Jeroen Ekkel beginnen derzeit recht früh: Vor wenigen Monaten kam sein Sohn Berend zur Welt – und der Kleine hat bereits im Morgengrauen Appetit. „Das zeitige Aufstehen macht mir nicht viel aus“, sagt Ekkel. Seit neun Jahren ist der Direktor der Business Line Finance, Banking & Insurances in den Niederlanden in leitender Position bei Brunel International N. V. tätig. „Bei mir läuft ohnehin kein Tag wie der andere ab.“ Diese Abwechslung – sowohl räumlich als auch inhaltlich – ist die Konstante in

Jeroen Ekkel betritt das Headquarter. Um 7:30 Uhr hat er bereits die erste Besprechung.

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Ekkels Arbeitstagen. Als Business Line Direktor verantwortet er die Geschäftszahlen und Umsätze sowie die strategische Ausrichtung der Business Line. „Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist zudem das Vorantreiben des Teamworks“, so Ekkel. Die Spezialisten von Brunel Finance unterstützen branchenübergreifend Unternehmen bei kaufmännischen Aufgaben, wie beispielsweise dem Controlling, der Buchhaltung oder dem Finanz- und Rechnungswesen. „Unsere Branche bringt ständig neue Herausforderungen in Gestalt wirtschaftlicher


24 Stunden

Die offene Architektur des neuen Brunel Headquarters lädt ein, hereinzukommen.

Veränderungen oder neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen mit sich“, erklärt Ekkel, „der enge Austausch untereinander, ergänzt durch stetige Schulungen, ist daher meiner Ansicht nach ein wichtiger Baustein unseres Erfolgs.“ Entsprechend häufig beginnen die Arbeitstage des Direktors mit Team-Besprechungen im Headquarter von Brunel International N. V. in der John M. Keynesplein 33. Hier, ganz in der Nähe des Stadtteils Zuidas im Süden Amsterdams, sind seit DePersonalverantwortung und die zember 2009 die Business Lines Engineering, IT, Legal, Leitung der Business lines verEnergy und Finance angelangen ein optimales zeitmanagesiedelt. Gleich um 7:30 Uhr ment empfängt Ekkel am heutigen Tag eine Senior Account Managerin, die Ende des vergangenen Jahres vom Amsterdamer in das Utrechter Office von Brunel Finance gewechselt ist. Rund anderthalb Stunden lang reflektieren die beiden die ersten Wochen in der neuen Position und stecken gemeinsam Ziele für die nächsten Monate ab. Denn die Beförderung bringt neben dem Ortswechsel auch ein

höheres Maß an Verantwortung mit sich. „Diese Flexibilität macht jeden unserer Mitarbeiter sowie Brunel als Ganzes aus“, erklärt Ekkel. Sich schnell auf neue Aufgaben einstellen zu können sei ebenso relevant wie die räumliche Beweglichkeit. „Ich muss aber zugeben: Mir persönlich würde es schon ein wenig leid tun, Amsterdam verlassen zu müssen“, so Ekkel. „Die Lebensqualität hier ist sehr hoch. Denn trotz der Größe hat sich die Stadt eine einmalige Behaglichkeit bewahrt.“ Amsterdam ist eine Großstadt mit internationalem Flair, kulinarischer, kultureller und architektonischer Vielfalt. Das spürt Jeroen Ekkel jeden Tag, wenn er von seinem Büro aus den Blick über das Viertel Zuidas schweifen lässt. Es ist bekannt als der Finanzdistrikt der niederländischen Hauptstadt; hier sind namhafte Unternehmen wie ABN Amro, Rabobank oder Akzo Nobel ansässig. „Wir alle sind sehr glücklich über den Umzug im vergangenen Jahr“, sagt der 35-Jährige, als er den breiten Flur entlang von seinem Büro zum Besprechungsraum geht, der bereits für das gleich anstehende Meeting vorbereitet wird. „Das neue Gebäude ist sehr offen. Es lädt förmlich ein, hereinzukommen und in ent-

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Käse, Holzschuhe und Tulpen: Die Metropole Amsterdam verbindet Tradition und Moderne.

spannter Atmosphäre Gespräche zu führen.“ Große Fensterfronten in Kombination mit hellem Stein geben dem Komplex einen modernen Charakter. Insgesamt, so Ekkel, passen das Gebäude und der Stadtteil ausgezeichnet zu Brunel International N. V. Pünktlich um 10:30 Uhr startet dann im Konferenzraum die Präsentation eines Dienstleisters, der ein neues Document Management System bei Brunel Finance implementieren wird. Neben Ekkel nehmen an dem Termin auch einige Kollegen wie der CFO Rob van der Hoek teil. Schließlich wird hier eine weitreichende Entscheidung getroffen, denn mit dem System werden künftig auch alle anderen Business Lines von Brunel International arbeiten. „Das war ein wirklich gutes Meeting“, resümiert Jeroen Ekkel, als er um 12:06 Uhr zurück auf den Flur tritt. „Die Software wird interne und externe Arbeitsabläufe vereinfachen und damit verbessern.“ Zurück in seinem Büro wartet um 12:15 Uhr bereits die nächste Aufgabe auf den Direktor: Das wöchentliche E-Mail-Update zum Vertriebsspiel. „Dieser interne Wettbewerb motiviert unsere Mitarbeiter zusätzlich zu Höchstleistungen“, erläutert Ekkel lächelnd, denn er ist zufrieden mit den Zahlen. Er fasst die Ergebnisse der einzelnen Teams zusammen, interpretiert und kommentiert die Entwicklungen. „In meinem Update stelle ich Positives heraus und weise auf Verbesserungsbedarf hin, ohne

natürlich eine Prognose abzugeben, welche Mannschaft die Nase vorn hat. Schließlich soll das Feuer möglichst lange lodern.“ Noch ist zwar ohnehin kein Gewinner abzusehen, der Direktor kann jedoch nach etwas schwächeren Monaten im Jahr 2009 einen wirtschaftlichen Aufwärtstrend für die gesamte Business Line erkennen: „Wir sind noch nicht zurück auf dem alten Level, aber die Geschäfte entwickeln sich gut und stimmen mich zuversichtlich im Hinblick auf die nächsten Monate.“ 12:37 Uhr zeigt Jeroen Ekkels Uhr, als er schnell in die Kantine drei Etagen tiefer geht, um sich ein Käsesandwich zu holen. Das Lunch fällt spärlich aus, denn um 13 Uhr wartet im Besprechungsraum bereits ein Kreis engster Kollegen. Auf der Agenda steht die Vorbereitung eines Kundenmeetings bei einer international tätigen Bank, die das Leistungsspektrum von Brunel Finance kennenlernen möchte. Für diese wichtige Präsentation gilt es nun, ein Konzept auszuarbeiten. Erst nach drei Stunden kehrt Ekkel in sein Büro zurück, um einige Telefonate zu führen, E-Mails zu checken und sich mit den Mitarbeitern in den anderen Standorten auszutauschen. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht, denn mit dem Auto muss er an diesem Abend noch in das rund 40 Kilometer entfernte Maarssen fahren. Seit dem Umzug in das neue Büro hat Jeroen Ekkel zwar die Wahl, ob er mit dem eigenen Wagen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fährt. Denn

12:53 Uhr: Der nächste Termin drängt. Vorher noch schnell die letzten Zahlen abrufen.

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24 Stunden

Das klassische Souvenir aus Amsterdam: der Holzschuh.

unweit der John M. Keynesplein befindet sich der Bahnhof Zuid, lässt er sich jedoch auf das Amstel Hotel und lädt daher zu wichder in den nächsten Jahren zu einem der wichtigsten und größ- tigen Anlässen in dieses rund sechs Kilometer von der John M. ten Bahnhöfe Amsterdams ausgebaut wird. Mit dem Auto sei er Keynesplein entfernte Traditionshaus ein. allerdings flexibler. Bislang ist er daher in der Früh stets in den eiAls er das Forall-Finance-Gebäude um circa 21 Uhr verlässt, genen Wagen gestiegen, schließt aber einen baldigen Vergleich hat Jeroen Ekkel nur noch ein Ziel: auf direktem Wege nach Haunicht aus: „Ich habe mir fest vorgenommen, der Bahn eines Tages se. Hier, „im Grünen“, wie er es beschreibt, erwarten ihn seine eine Chance zu geben und zu schauen, welches Transportmittel Frau und Berend, der als einziges der drei Kinder noch wach ist praktikabler ist.“ und auf seine letzte Mahlzeit des Tages wartet. Es ist bereits dunkel, als Jeroen Ekkel um 19 Uhr in Maarssen Natürlich nehme seine Aufgabe als Direktor viel Zeit in Anankommt. Mitte 2009 hat Brunel Finance das Unternehmen Fo- spruch, so Ekkel. Hobbys, die ihn an feste Zeiten binden, kämen rall Finance, einen niederländi­schen Finanz­ für ihn daher nicht infrage. Ein Glücksberater, übernommen. Seitdem sind hier 60 Verantwortung und Zeitdruck fall sei die Golfanlage ganz in der Nähe Projektmitarbeiter im Einsatz. Ekkel gibt den gehören zum Job, doch Jeroen seines Wohnorts, denn hier könne er Kollegen in einem circa 60-minütigen Vortrag nach Lust und Laune ein paar Abschläekkel bleibt verbindlich und einen Einblick in die bisherige Zusammenarge machen. Daneben begeistert Ekkel beit und die anstehenden Aufgaben. „Diese behält den Überblick sich für Kunst und Kultur, ist begeisKooperation ist bedeutend für unser Unterterter Museumsgänger. Am heutigen nehmen. Es ist aus meiner Sicht immens wichtig, dass die Kolle- Abend alle­rdings lässt er seiner Kreativität freien Lauf: Gemeingen vor Ort stets informiert sind, was die weiteren Entwicklungen sam mit seiner Frau schmückt er das Wohnzimmer mit Girlanden angeht“, erklärt Ekkel, „nur so können sie sich voll auf ihre Auf- und Ballons. Am nächsten Tag nämlich feiert Noor, Berends große gabe konzentrieren.“ Der persönliche Kontakt ist ihm wichtig – Schwester, ihren siebten Geburtstag. „Und sie legt großen Wert das gilt für Mitarbeiter ebenso wie für Kunden. Letztere emp- auf wirklich viele Ballons und Girlanden“, schmunzelt der Familifängt der Direktor zwar meist im Headquarter. Kulinarisch ver- envater, als er um kurz nach 23 Uhr von der Leiter steigt.

der Spezialist

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Kompetenz

„Impulse setzen und Vertrauen schaffen“ Der Maschinen- und Anlagenbau muss dem zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck mit der Investition in Innovationen begegnen. Dieter Szameit, Teamleiter in der Brunel Niederlassung Frankfurt am Main, rät den Unternehmen, auch weiterhin auf ihre Innovationskraft zu setzen und gleichzeitig ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern.

Inte r vie w › Claudia Schulz

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast

Der Spezialist: Herr Szameit, Sie sind bei Brunel Spezialist für den Anlagen- und Maschinenbau. Welches sind die derzeit dringlichsten Aufgaben dieser Branche? Dieter Szameit: Im Anlagen- und Maschinenbau existiert derzeit stärker denn je ein internationaler Wettbewerb. Um hier bestehen zu können, müssen Unternehmen der Branche ihre Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten und gleichzeitig ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit steigern. Eine traditionelle Stärke deutscher Unternehmen ist die Innovationskraft – sowohl hinsichtlich neuer Produkte als auch der eigenen Organisation und Prozesse. Dieses Alleinstellungsmerkmal voran­zutreiben, das ist die wichtigste Aufgabe der Branche. Verantwortlich ist aus meiner Sicht das gesamte Unternehmen mit allen seinen Ebenen. Dabei müssen natürlich die landesspezifischen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Umweltverträglichkeit und Sicherheit berücksichtigen werden.

Auf internationalen Absatzmärkten gilt „Made in Germany“ immer noch als Quali­täts­ begriff. Dafür sind innovationen essenziell Der Spezialist: Welche Rolle spielt die Entwicklung von Neuerungen im Maschinenund Anlagenbau? Dieter Szameit: Auf internationalen Absatzmärkten gilt „Made in Germany“ noch im-

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der Spezialist

mer als Qualitätsbegriff. Damit das so bleibt, sind Innovationen essenziell. Deutsche Unternehmen verfügen über das nötige Know-how für die Entwicklung neuer Produkte oder Verfahren. Denn sie haben Erfahrung darin, bestehende Produktionsfaktoren wie Werkstoffe, Maschinen und Anlagen so zu kombinieren, dass Prozesse optimiert und innovative Produkte hervorgebracht werden. Fortschritte in der Prozessleittechnik ermöglichen es beispielsweise, dass Produktionsanlagen – früher komplett ohne IT – mittlerweile computergestützt gesteuert werden. Ganze Prozesse werden damit automatisiert. Das führt, je nach Unternehmen, zu erheblicher Leistungssteigerung, Fehlerreduzierung und Kostensenkung. Der langfristige Erfolg der Branche hängt also davon ab, wie intensiv und wie schnell das vorhandene Innovationspotenzial für die Praxis nutzbar gemacht wird. Der Spezialist: Und wo konkret sind Innovationen derzeit besonders wichtig? Dieter Szameit: In der Standardisierung von Bauteilen, Entwicklungsschritten und Abläufen. Sie ermöglicht enorme Effizienzsteigerungen, muss aber zugleich so viel Customizing garantieren, dass der Kunde ein individuelles Produkt bekommt. Als Richtwert ist dabei idealerweise ein Verhältnis von 80 Prozent Standard und 20 Prozent Customizing zu sehen. Lassen Sie mich das an zwei Praxisbeispielen erläutern: Einer unserer Kunden ist Dematic, einer der weltweit führenden Anbieter von Lösungen für Lagertechnik, Materialfluss und Intralogistik. Hier arbeiten unsere Spezialisten daran mit, die Software zur Steuerung der Förderanlagen zu standardisieren, die im anschließenden Customizing


›10 ›10 Auf der Baustelle des EPRTM in Olkiluoto in Finnland, September 2009: Millimeter­ genau wird die 210 Tonnen schwere Reaktorgebäudekuppel eingepasst.

den spezifischen Anforderungen der Kunden angepasst wird. Damit erzielt Dematic eine erhebliche Steigerung seiner Wirtschaftlichkeit.

Prozesse vereinfachen und beschleunigen Ein anderes Beispiel ist Areva NP – eines der erfolgreichsten Unternehmen in der Entwicklung und Errichtung von Reaktoren, der Lieferung von Brennelementen sowie beim Service und bei der Modernisierung von Kernkraftwerken. Aktuelle Neubauprojekte von Areva in Frankreich, Finnland und China nahm das Unternehmen zum Anlass, seine Software

zur Erstellung von Funktionsplänen und Prozessschaubildern für die Vorplanung der Anlagen zu standardisieren. Auch hier arbeiten Brunel Spezialisten an der neuen Lösung mit. Das Ziel: Alle Beteiligten sollen die Pläne mit ein und derselben Software erstellen und individuelle, projektbezogene Anpassungen vornehmen können. Die Prozesse werden so vereinfacht und beschleunigt. Der Spezialist: Lässt sich ein Bereich ausmachen, der Weiterentwicklungen besonders forciert? Dieter Szameit: Das ist aus meiner Sicht die Nukleartechnik. Weltweit werden zahlreiche Kernkraftwerke gebaut. In Deutschland wird diese Technologie eher stiefmütterlich behandelt, weil sie polarisiert. Die Zukunft gehört der regenerativen Energie, das ist gar kei-

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Kompetenz

ne Frage. Bis dahin aber bleibt die Nukleartechnik eine wichtige Technologie. Sicherheit steht dabei an oberster Stelle, darum sind Innovationen in diesem Bereich besonders wichtig. Beispielsweise werden für mechanische, „aktive“ Teile, wie Pumpen oder Ventile, die versagen können, zusätzliche passive Sicherheitssysteme entwickelt. Eine ganz aktuelle Neuerung ist die Kühlung des entstehenden Wasserdampfes durch Ausnutzung der Kondensation. So kann darauf verzichtet werden, aktiv von außen kaltes Wasser in das System einzubringen – eine mögliche Fehlerquelle, die durch die Innovation ausgeschlossen wird.

Porträt Dieter-A. Szameit (33) wählte Maschinenbau als Schwerpunkt seines Studiums zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule Bingen. Im August 2005 kam er zu Brunel und ist seit 2006 als Teamleiter in der Niederlassung Frankfurt tätig.

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der Spezialist

Der Spezialist: Welche Anforderungen werden an Ingenieure gestellt, die im Maschinen- und Anlagenbau Innovationen mitentwickeln? Dieter Szameit: Sie müssen exzellentes Fachwissen, beispielsweise in der Verfahrenstechnik, und sehr gute Englischkenntnisse mitbringen. Um Innovationen zu entwickeln, brauchen wir kreative und neugierige Menschen, die Kausalketten aufstellen und offen

für Neues sind. Das gilt sowohl konkret für diese Branche als auch ganz allgemein für unsere Gesellschaft. Diese Art, flexibel zu denken, ist nicht jedermanns Sache – Brunel Mitarbeiter können das. Denn häufig arbeiten sie bei einem Kunden gleichzeitig in mehreren Projekten, müssen sich schnell umstellen, unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Um Neues hervorbringen zu können, muss also das Wissen ebenso gegeben sein wie Leistungsbereitschaft und ein gewisser Pioniergeist. Der Spezialist: Verändert sich das Management von Know-how innerhalb der Branche? Dieter Szameit: Das Unternehmensmanagement muss die Rahmenbedingungen für Kreativität schaffen, Fragen zulassen und Vertrauen schenken. Kreative Menschen kann man nicht in enge Korsetts zwingen. Immer wichtiger wird auch, die eigenen Kernkompetenzen um externes Know-how zu ergänzen. Das wirkt gegen Betriebsblindheit und bringt frisches Wissen ins Unternehmen. Genau das bietet Brunel: Wir unterstützen unsere Kunden über unser Netzwerk flexibel mit hoch qualifizierten Ingenieuren, Technikern, Informatikern oder Kaufleuten – deutschlandweit wie auch international. Unsere Unternehmenskultur fordert und fördert die Kreativität unserer Mitarbeiter. Die Kunden –


›11 ›11 CO2-neutrale Stromerzeugung: In Atomkraftwerken wird der Strom mithilfe von Dampfturbinen und Generatoren erzeugt und dann ins Stromnetz eingespeist.

ganz gleich aus welchem Industriebereich – sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie optimal wirken können und so die bestmöglichen Ergebnisse erzielt werden. Der Spezialist: Welche Herausforderungen sehen Sie 2010 auf den Maschinen- und Anlagenbau zukommen? Dieter Szameit: Zwei Dinge sind wichtig: Erstens muss das Innovationsmanagement vorangetrieben werden. Darunter fallen das Beobachten von Trends, das Erkennen und Bewerten von Zukunftstechnologien und die Nutzbarmachung dieser Erkenntnisse in der Weiterentwicklung von Produkten, Verfahren und Produktionsprozessen. Dafür sollten Unternehmen ihre Entwicklungsvergangenheit objektiv hinterfragen und den Innovationsgeist ihrer Mitarbeiter anregen. „Weiche“ Faktoren, wie Kommunikationswege, Arbeitszeit­ modelle oder Arbeitsplatzgestaltung, sind hier ganz entscheidend – das wird noch nicht überall ernst genommen. Zum Zweiten besteht die dringlichste Aufgabe für 2010 darin, endlich wieder Maschinen und Anlagen zu verkaufen. Innovationen sind dafür natürlich förderlich. Es ist

aber auch schlicht notwendig, Investoren zu finden. Die Branche kann sich nicht selbst helfen. Die Finanzmärkte müssen wieder funktionieren. Wir brauchen Initialzündungen in Form von Großinvestitionen, die Impulse setzen und Vertrauen schaffen.

„In den kommenden Jahren bleiben Forschung und Entwicklung die Haupt­ themen“ Der Spezialist: Und noch weiter in die Zukunft geblickt: Wie schätzen Sie die Entwicklung der Branche in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein? Dieter Szameit: Die Zukunft sehe ich positiv. Denn der Maschinen- und Anlagenbau war immer schon investitionsgetrieben. Auch in den kommenden Jahren bleiben Entwicklung und Forschung die Hauptthemen. Hier investieren die Unternehmen gegenwärtig mehr als je zuvor, um sich für eine erfolgreiche Zukunft zu rüsten. Und die ist geprägt von den Bedürfnissen der Gesellschaft. Konkret sind das beispielsweise der steigende Bedarf an Energie und der Druck, Emissionen weiter zu reduzieren. Die nächsten Jahre werden also spannend. Telefon: 069 / 15 39 301-0 maschinen_anlagenbau@brunel.de

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Spektrum

Schwere Lasten in schwindelnden Höhen Moderne Krane bewegen extreme Lasten. Material und Konstruktion sind dabei hohen Belas­ tungen ausgesetzt. Durch mathematische Vorausberechnungen der auftretenden Kräfte und umfangreiche Versuche mit Prototypen entstehen Fahrzeuge, die unterschiedlichsten Anforderungen gewachsen sind.

T e x t › Jutta Witte Auch wenn das Gelände auf Großbaustellen schwer zugängig ist, müssen Baustoffe angehoben und von A nach B bewegt werden. Hier sind Mobilkrane gefordert. Sie können riesige Lasten in großer Höhe transportieren – selbst dann, wenn sie kompakt und wendig sind. Eine solche Maschine ist für die Brunel Mitarbeiter Jörg Pfeiffer und Daniel Krupa faszinierendes Produkt und spannende technische Herausforderung zugleich. Die beiden Ingenieure gehören seit Sommer 2008 zum Projektteam GSK55 und treiben dort Innovationen im Kranbau voran. Die Abkürzung steht für einen Sattelkran aus dem Hause des amerikanischen Unternehmens Manitowoc, der Lasten von bis zu 55 Tonnen heben kann. Entwickelt, gefertigt und montiert wird der Kran bei der Manitowoc-Tochter Grove in Wilhelmshaven (Niedersachsen).

Zwei Jahre dauert es von der ersten Produktidee bis zum fertigen Kran „Der GSK55 ist eine Weiterentwicklung der handelsüblichen All-Terrain-Krane“, berichtet Jens Ennen, bei Grove Director Engineering für Mobilkrane. AT-Krane sind mit extra breiten Reifen, speziellen Achsantrieben und Einzelradaufhängen sowie großen Federungen ausgestattet. Das Besondere: Sie können sich auch in schwerem und schlammigem Gelände bewegen. Doch viele Baustellen in Europa seien mittlerweile in eine gute In-

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frastruktur eingebettet. In die vergleichsweise aufwendige AT-Technologie für den Unterbau eines Krans zu investieren, mache oft keinen Sinn mehr. Der neue Sattelkran besteht daher aus einem klassischen AT-Oberwagen und einem speziell angefertigten LKWFahrwerk mit drei Achsen. Diese Kombination bringe zwei Vorteile, so Ennen: Zum einen macht sie wegen der einfacheren Konstruktion des Unterbaus die Anschaffung und Wartung der Baumaschine wirtschaftlicher. Zum anderen bleibt der Sattelkran unter den Achslastbeschränkungen der Straßenverkehrsordnungen und kann mit einer Dauerfahrgenehmigung bewegt werden. An der Baustelle angekommen, wird der Kran vom Sattelschlepper abgekoppelt, mit hydraulischen Stützen hochgefahren und stabilisiert. Zwei Jahre dauert es in der Regel, bis ein Grove-Modell von der ersten Produktidee bis zum marktreifen Kran fertig ist. An der Entwicklung eines neuen Produktes sind alle wichtigen Abteilungen beteiligt: Zunächst ermitteln Marketingfachleute die Bedürfnisse des Marktes und erstellen auf dieser Grundlage ein Produktportfolio. Danach setzt das Entwicklungsteam die technischen Spezifikationen des Produktes um. Fachleute für Controlling, Logistik und Planung koordinieren den gesamten Produktions- und Entwicklungspro­ zess. Die ersten Marketinganforderungen für den GSK55 wurden Anfang 2008 erstellt. Im Frühjahr 2009 war der Prototyp fertig und konnte bereits im April auf der INTERMAT in

Porträt Dipl.-Ing. Jens Ennen arbeitet sei 1991 bei dem Kranhersteller Grove in Wilhelmshaven, einem Tochterunternehmen des amerikanischen Manitowoc-Konzerns. 2007 übernahm er die Verantwortung für die Produktentwicklung und leitet seit 2008 die Entwicklung und Konstruktion bei Grove.


Spektrum

›12 Paris, einer Fachmesse für Baumaschinen, präsentiert werden. Mittlerweile ist der erste GSK55 verkauft. Da Grove neue Fahrzeuge an die besonderen Anforderungen des jeweiligen Kunden anpasst, steht die Arbeit am Prototyp nie still. Seit Sommer 2008 leitet Jörg Pfeiffer das GSK55NPD-Team (NPD = New Product Development). Er ist für die gesamte technische Umsetzung des neuen Produktes bis zur Marktreife verantwortlich. „Hier sind nicht nur meine Erfahrungen als Ingenieur und Spezialist für Baumaschinen gefragt“, berichtet der 35-jährige Kon­ strukteur. Der gelernte Mechaniker und spätere Absolvent der Technikerschule in Emden koordiniert zudem das Entwicklungsteam, in dem ganz unterschiedliche

Disziplinen vertreten sind – vom Elektroingenieur über den Maschinenbauer bis hin zum Softwareprogrammierer. Viele Kompetenzen muss der Projektleiter also abrufen, das unterschiedliche Know-how in Gesprächen zusammenführen und dafür sorgen, dass der Zeitplan eingehalten wird. Weil im Werk in Wilhelmshaven fast nur noch die Endmontage der Grove-Krane stattfindet, zählt auch die enge Abstimmung mit den verschiedenen Zulieferern zu seinen Aufgaben. Auch der Brunel Spezialist Daniel ­Krupa ist seit Sommer 2008 an der technischen Umsetzung des GSK55 beteiligt. Der gelernte Bau-

› 12

Im Vordergrund der neue GMK4100 von Grove: Der neue vierachsige AT-Kran verfügt über eine maximale Tragfähigkeit von 100 Tonnen und einen 52 Meter langen Ausleger. Er erreicht mit Klappspitze und Zwischenstücken eine Maximalhöhe von 82 Metern.

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Spektrum

Porträt Karina de Martini-Bieschke ist Dipl.Ökonomin und unterstützt Grove seit Abschluss ihres Studiums im Bereich Logistik und Controlling. Sie hat an der Universität Bremen Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Internationales Management, Technologie- und Innovationsmanagement sowie regionale Wirtschafts- und Finanzpolitik studiert.

ingenieur, der bislang vor allem im Flugzeugbau im Einsatz war, berechnet und prüft die technischen Entwürfe seines Kollegen Pfeiffer. Ganz klassisch mit einer Handskizze beginnt Jörg Pfeiffer seine Arbeit als Konstrukteur. Danach modelliert und testet er die einzelnen Produktteile am Computer dreidimensional und erstellt eine Fertigungszeichnung für den Kran, aus der nach und nach der digitale Prototyp entsteht. Auf der Grundlage dieser 3-D-Datei erstellt Berechnungsexperte Krupa zunächst eine Überschlagsrechnung. Dann modelliert er die Daten nach der so genannten Finiten-Elemente-Methode. Bei diesem Verfahren wird jedes Bauteil in kleine Kästen oder Linien eingeteilt, um komplexe Strukturen im Fahrzeugbau zu berechnen und die physikalischen Eigenschaften des Materials zu beschreiben. „Ist das Material fest genug? Hält es Spannungen aus? Ist die Konstruktion stabil?“ Dies sind die Fragen, die er am Computer beantworten muss, bevor seine Kollegen mit dem Bau des realen Prototyps beginnen können. Dieser wird aus feinkörnigem Baustahl gefertigt. Ein Material, das ihn zugleich belastbar und leicht macht. „Die Berechnungsabteilung beeinflusst die Kon­struktion von Beginn an“, betont Krupa.

„Mein Team befindet sich hierzu in ständigem Austausch mit den Konstrukteuren und Statikern.“

Diese Technik erfordert sorgfältige mathematische Vorarbeiten Bei der Entwicklung des GSK55 stand jeder der Ingenieure vor besonderen technischen Herausforderungen. So musste Pfeiffer einen Weg finden, Motor, Kühler und andere Kom­ponenten des Krans in den von einem externen Ingenieurbüro konstruierten Fahrwerks­rahmen einzufügen. Denn diese Komponen­ten wurden mit einer anderen Software erstellt und müssen in das GroveSystem übertragen werden. „Bei dieser Konvertierung von Daten werden die Bauteile zwar als 3-D-Modell dargestellt, können aber von mir nicht mehr verändert werden“, erklärt Pfeiffer. „In der Praxis haben wir beispielsweise einen Luftfilter anders montiert als im 3-D-Modell dargestellt. Dazu musste der Filter aus dem Modell des Motorherstellers ausgeblendet werden und durch ein eigenes Modell an anderer Stelle ersetzt werden.“ Eine Spezialanfertigung, die von außen zugeliefert wurde, sind auch die LKW-Achsen

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Jörg Pfeiffer ist Dipl.-Ing. für Maschinenbau. Seit Abschluss seines Studiums an der FH Oldenburg war er bei verschiedenen Unternehmen der Automobilbranche tätig. Aktuell unterstützt der Brunel Mitarbeiter die Firma Grove bei der Konstruktion der Krane.

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›14 des Krans. Wenn die Maschine aufgebaut wird, müssen sie hydraulisch angehoben werden. „Es ist eine kniffelige Arbeit, diese Hydraulik auf engstem Raum einzubauen“, sagt Pfeiffer. Ein besonderes Augenmerk seines Kollegen Krupa lag auf den Hydraulikstützen, mit denen der Sattelkran am Einsatzort stabilisiert wird. Das Eigengewicht des Krans und das seiner Lasten werden in den Boden geleitet: „Das ist eine Technik, die sorgfältige mathematische Vorarbeiten benötigt, damit sie funktioniert“, erläutert Krupa. Denn beispielsweise müssen bei der Dimensionierung der Zylinder Querkräfte aus der Drehbewegung des Oberwagens berücksichtigt werden. Bei der Materialwahl gilt es zudem, die Blechdicken zu optimieren und dabei einen Kompromiss zwischen Steifigkeit und Gewicht zu finden.

Lean Manufacturing bringt die Krane wirtschaftlich und zielgenau in den Markt Doch nicht nur Ingenieure sind im Grove-Werk im Einsatz. Auch Ökonomen sind gefragt, wenn es darum geht, ein neues Produkt möglichst zielgenau und wirtschaftlich auf den Markt zu bringen. Die gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin Karina de Martini-Bieschke unterstützt das Unternehmen in den Bereichen Logistik und Controlling. Hier versucht die Brunel Mitarbeiterin, die Abläufe in der Fertigung nach den Prinzipien des Lean Manufacturing zu optimieren. Die Forderung

nach effizienten Arbeits- und Produktionsmethoden wird den Ökonomen und Ingenieuren in der Kranproduktion immer wieder Innovationen abverlangen. „Die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden erfordern technische Neuerungen“, betont Pfeiffer. Verbesserungen in der Antriebstechnik, weniger Kraftstoffverbrauch, eine bessere Bedienbarkeit im Kranund Fahrbetrieb sind die Themen, die der Konstrukteur auf sich zukommen sieht. Auch alternative Werkstoffe, zum Beispiel Alumaterialien oder Verbundwerkstoffe, könnten die Leistung der Mobilkrane nach seiner Einschätzung weiter optimieren. Einmal in der Woche kommen im Grove-­ Werk alle Verantwortlichen zusammen, führen eine 3-D-Review der großen Projekte durch, besprechen Probleme, bringen alle Beteiligten auf den gleichen Sachstand und tauschen Erfahrungen aus. Ziel sei es, so Jens Ennen, die Arbeit der Konstrukteure irgendwann räumlich ganz zusammenzuführen und es ihnen zu ermöglichen, neue Produkte simultan zu entwickeln. „Denn die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kompetenzen“, sind sich Pfeiffer, Ennen und Krupa einig, „ist das A und O“.

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Fahrwerksmontage bei Grove in Wilhelmshaven: Die großen Krane sind zumeist Spezialanfertigungen nach Kundenwunsch.

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Im Rausch der Geschwindigkeit Höher, schneller und weiter ist nicht nur das Motto des 21. Jahrhunderts. Ende des 19. Jahrhunderts begann der erbitterte Wettstreit um den Titel des Schnellsten. Während heute ausgereifte Motoren und PS-Zahlen jenseits der 300 Garant für den Geschwindigkeitsrausch sind, traten damals Elektomobile an, um erstmals schneller als 100 Stundenkilometer zu fahren.

T e x t › Marco Heinen Es war ein intensives Hin und Her zwischen dem adligen Franzosen Gaston de Chasseloup-Laubat (1867–1903) und dem Belgier Camille Jenatzy (1868–1913), beide Pioniere automobiler Wettrennen – und der Elektromobilität. Zwischen November 1898 und dem Frühjahr 1899 lieferten sich die Gentlemen einen Wettstreit um den Geschwindigkeitsrekord zu Lande. Jenatzy gewann und fuhr am 29. April 1899 als erster Mensch mit einem Automobil über einhundert Stundenkilometer schnell. Im Parc Agricole d‘Achère bei Paris beschleunigte er auf einer zweieinhalb Kilometer langen, schnurgeraden Schotterpiste die von ihm selbst entworfene und auf den Namen „La Jamais Contente“ (die niemals Zufriedene) getaufte Konstruktion auf exakt 105,882 Stundenkilometer. Eine Replik des Elektrofahrzeugs, das an ein Torpedo auf Rädern erinnert, steht heute im Musée de la Voiture et du Tourisme in Compiégne.

Im april 1899 beschleunigte ein Auto erstmals auf über 100 km/h Seit etwa 1888 wurden Wettfahrten über längere Distanzen durchgeführt. Allerdings kam es für die Fahrer mit ihren meist dampfgetriebenen Maschinen hauptsächlich darauf an, überhaupt das Ziel zu erreichen. Schließlich waren die Fahrzeuge alles andere als ausgereift. Und die unbändige Raserei mit bis zu 50 Stundenkilometern galt zu dieser Zeit ohnehin als verpönt. Ende November 1898 ging

es dann plötzlich doch um Tempo. Das Magazin „La France Automobile“ hatte zum Wettkampf geladen und 54 Rennpiloten folgten dem Aufruf, darunter auch Camille Jenatzy. Der Ingenieur und Inhaber einer gerade in Paris gegründeten PKW- und LKW-Fabrik, die bis 1901 als „Compagnie Internationale de Transport Automobile“ firmierte, gewann das Rennen. Sein selbst konstru­ iertes Gefährt trug die Bezeichnung CGA Dogcart und hatte einen 22 Kilowatt (30 PS) leistenden Elektromotor unter der Haube. Gaston de Chasseloup-Laubat, der ein Elektrofahrzeug der Automobilfirma von Charles Jeantaud fuhr, konnte bei diesem Rennen kein Paroli bieten und landete abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Den ersten vom Automobile Club de France anerkannten Geschwindigkeitsweltrekord nach fliegendem Start konnte jedoch der Graf für sich verbuchen. Denn der Automobilfabrikant Jeantaud konnte die Niederlage gegen den Jenatzy keinesfalls auf sich sitzen lassen, ebenso wenig wie sein Rennpilot Chasseloup-Laubat. „Im Kern ging es hier um eine kommerzielle Konkurrenz, wer die besten Elektrotaxis von Paris baut“, erläutert Ferdinand C. W. Käsmann (82), der zahlreiche Bücher über Geschwindigkeitsrekorde verfasst hat. Am 18. Dezember 1898 erreichte Chasseloup-Laubat im Parc Agricole d‘Achère mit einem Elektrofahrzeug atemberaubende 63,158 Stundenkilometer – allerdings in Abwesenheit von Jenatzy, der geschäftlich verhindert war. 80 gewichtige Einwegbatterien brachten den fast eineinhalb Tonnen wiegenden Wagen über den ersten Kilometer auf Touren, der Elektromotor erzeugte eine Leistung von 24 Kilowatt (gut 32 PS). Ganze 57 Sekunden brauchte Chasseloup-Laubat für den zweiten, den sogenannten fliegenden Kilometer. Dabei beginnt die Zeitmessung, während das Auto bereits mit Höchst-

› 15 Der belgische Rennfahrer Camille Jenatzy wurde aufgrund seines roten Bartes und seiner risikoreichen Fahrweise der „Rote Teufel“ genannt.

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history

›16 geschwindigkeit die Startlinie überfährt, und wird gestoppt, wenn der Wagen noch mit vollem Tempo über die Ziellinie fährt. Der damalige Rekord per Fahrrad über einen solchen fliegenden Kilometer lag übrigens bei 56 Sekunden.

men montierte blaugraue Gefährt. Die sehr dünnen Bleche waren aus einer überwiegend aus Aluminium bestehenden Metalllegierung gefertigt. Für das dennoch hohe Gewicht waren unter anderem die 125-Ampere-Batterien vom Typ Fulmen B 17 mit 200 Volt Spannung verantwortlich. 82 Stück von ihnen waren für den Antrieb der zwei Gleichstrommotoren mit je Die Wagenausstattung beschränkte sich 25 Kilowatt (68 PS) notwendig. Bei den Rädern setzte Jenatzy auf dicke, profillose Pneus von auf das notwendigste: Lenkstock, GAspeMichelin. Außer einem Lenkstock, einem Pedal dal und Handbremse zum Beschleunigen und einer Handbremse gab es keine weiteren Bedienungselemente. Der seinerzeit 30-jährige Jenatzy bat um Für eine gewisse Bremswirkung sorgte bei der ansonsRevanche und legte am 17. Januar auf der glei- ten bemerkenswert aerodynamischen Form der Fahrer chen Strecke nach. Er schraubte die Bestmar- selbst: Denn der Belgier ragte aufgrund der konstruktike auf 66,667 Stundenkilometer hoch. Doch onsbedingt ungünstigen Sitzposition hinter dem Steudie Freude währte nur kurz. Keine zehn Mi- erknüppel wie ein Windfang hoch auf. nuten später erhöhte sein fürstlicher KonkurSein erster Versuch unter den Augen der versamrent auf 70,313 Stundenkilometer. Zehn Tage melten Motorpresse aus ganz Europa war nicht von später trafen sich die erbitterten Konkurren- Erfolg gekrönt. Die Zeitnehmer hatten noch nicht ihre ten erneut und Jenatzy knackte die Marke von Plätze eingenommen, als der wegen seiner roten Haare 80 km/h. Die Karosserie des Jeantaud-Wa- und des roten Staubman­tels als „Roter Teufel“ tituliergens namens „Duc“ war zwischenzeitlich al- te Belgier startete. Jenatzy, der als leicht erregbar galt, lerdings vorn und hinten zugespitzt worden, glaubte an einen schlechten Scherz: Schließlich schrieb was sich deutlich bemerkbar machte: 92,784 man den 1. April 1899. Da die Batterien nicht für mehkm/h trugen die Herren vom Automobilclub rere Starts ausgelegt waren, wurde ein neuerlicher Veram 4. März in die Liste der Geschwindigkeits- such auf den 29. April verschoben – und die magische rekorde ein. Binnen weniger Wochen stell- Marke fiel. Die Herren Jeantaud und Chasseloup-Laubat te Jenatzy nun „die niemals Zufriedene“ auf sollen übrigens im Anschluss ihre endgültige Niederladie Räder: 3,6 Meter lang und rund eineinhalb ge eingeräumt haben und der Graf lud am Abend zur Tonnen schwer war das auf einen Kastenrah- gemeinsamen Feier in sein Haus. Serviert wurde angeb-

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›17 › 16 Camille Jenatzy konstruierte sein Fahrzeug so, dass die Kraft von je einem Elektro­ motor auf jeweils ein Hinterrad wirkte.

› 17 „La Jamais Contente“, auf Deutsch „Die niemals Zufriedene“, nannte Camille Jenatzy seine Konstruktion, die einem Torpedo ähnelte.


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lich roter Sekt. Camille Jenatzys Rekord hielt bis 1902, als der Franzose Léon Serpollet mit einem Dampfwagen in Nizza fast 121 Stundenkilometer erreichte. Erst der nächste Rekord, vier Monate später, ging dann an ein Auto mit Benzinmotor.

Erst 10 jahre später gelingt es, einen neuen Rekord aufzustellen Seinem Spitznamen „Roter Teufel“ machte Jenatzy als Rennfahrer bei diversen Rallyes alle Ehre. Nicht nur seines verwegenen Fahrstils wegen, sondern auch aufgrund seines Ehrgeizes. So nahm er 1899 für den französischen Hersteller Mors an der Tour de France für Automobile teil und belegte den siebten Platz. Dass er sich trotz zahlreicher technischer Probleme so weit vorn platzieren konnte, lag daran, dass er eine ganze Nacht durchfuhr, um verlorene Zeit aufzuholen. 1902 entging er bei einem Rennen nur knapp dem Tod, als er sich mit seinem völlig zerstörten Wagen in einem Kiefernwald wiederfand. Er entstieg den Trümmern jedoch nahezu unverletzt. Seinen größten sportlichen Erfolg erzielte der Belgier 1903 nach seinem Wechsel zum MercedesRennstall. Er siegte beim – nach einem amerikanischen Zeitungsverleger benannten – Gordon-Bennett-Ren-

› 18 Léon Serpollet stellte mit seinem eiförmigen Dampfwagen „Oeuf de Pacques“ (Osterei) am 13. April 1902 in Nizza mit 120,8 km/h den Rekord von Jenatzy ein.

›18 nen in Irland. Zwar wurde er beim GordonBennett-Rennen im Jahr darauf in Deutschland Zweiter, doch ein Zwischenfall war wohl ausschlaggebend, dass der Rennpilot in den Folgejahren keine großen Erfolge mehr feiern konnte: Nur knapp entging er einem Zusammenstoß mit einem Zug und zeigte sich fortan weniger risikofreudig. 1909 machte er noch einmal von sich reden, als er in einem 140 PS starken Mercedes mit 180 km/h einen neuerlichen Tempo-Weltrekord aufstellte. Als Ingenieur trat Jenatzy mit der Entwicklung einer Reihe von Hybridfahrzeugen

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Camille Jenatzy bestritt nicht nur in Eigenkonstruktionen Rennen, sondern auch für Mercedes – und verhalf der Marke 1903 zu ihrem ersten internationalen Sieg.

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›20 hervor. Die benzinelektrisch angetriebenen Wagen wurden zum Teil bei anderen Firmen und ab 1903 unter dem Namen Jenatzy-Martini im belgischen Lüttich produziert. Die skurrilste Anekdote über den „Roten Teufel“ handelt jedoch über die Umstände seines Ablebens. Jenatzy hatte mehrfach behauptet, er

Camille Jenatzy (l.) vor dem späteren Drittplatzierten Arthur Duray beim Vanderbilt Cup am 22. September 1906.

werde wohl in einem Mercedes sterben. Tatsächlich tat er das auch. Allerdings nicht auf der Rennstrecke: Bei einer Jagdveranstaltung hatte er wohl die Grunzlaute eines Keilers nachgeahmt, woraufhin er durch einen befreundeten Chefredakteur angeschossen wurde – und auf dem Weg ins Krankenhaus in einem Mercedes starb.

Meilensteine 1769 stellte der französische Offizier und Erfinder Nicolas Joseph Cugnot das erste tatsächlich selbst­bewegte „Automobil“ vor. Es wurde mit Dampf betrieben. Die erste Fahrt des Kanonenschleppers endete allerdings unsanft an der Kasernenmauer. 1835

entwarfen in den Niederlanden Sibrandus Stratingh und in Italien Giuseppe D. Botto unabhängig voneinander erste kleine Modelle elektrischer Fahrzeuge. Versuche, Schienenfahrzeuge mit einem Elektromotor fortzubewegen, unternahmen Thomas Davenport und Nicholas Callan im Jahr 1837 in den USA.

1876 entwickelten Nicolaus August Otto und Eugen Langen den ersten, noch sehr einfachen Viertaktgasmotor mit verdichteter Ladung. Er basierte auf einer Erfindung des Geschäftsmannes Etienne Lenoir. 1970 kam erstmals ein allein durch Sonnenenergie betriebenes Fahrzeug zum Einsatz – auf dem Mond. Das sowjetische Mondmobil „Lunochod 1“ (Lunochod heißt auf Deutsch Mondgänger) wurde von der Erde aus ferngesteuert.

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Kompakt

Aus unserer Sicht

Hohe Akzeptanz für externe Experten

Bilanzen, Vertragswerke und Finanzberichte sind ­sensible Themen. „Hier externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist für viele Unternehmen der Finanzwirtschaft noch ungewohnt“, erläutert Jeroen Ekkel, Direktor der Brunel Business Line Finance, in den Niederlanden. Dort habe sich die Akzeptanz von projektbezogener Hilfe von außen jedoch bereits enorm entwickelt. Zwar müsse die Brunel GmbH in der Bundesrepublik noch mehr Auf-

klärungs- und Aufbauarbeit leisten, dennoch ist Ekkel hinsichtlich der Entwicklung des deutschen Geschäfts optimistisch: „Die Finanzbranche ist hochkomplex und die Anforderungen werden weiter steigen. Das liegt nicht zuletzt auch an den Entwicklungen der vergangenen Monate, die weitere Veränderungen in der Gesetzgebung nach sich ziehen werden.“ Entsprechend müssen die Unternehmen über zeitgemäßes Know-how verfügen. Externe Spezialisten lösen gezielt und für einen definierten Zeitraum komplexe Aufgaben. So haben Unternehmen die Möglichkeit, die fachliche Unterstützung zu erfahren und gleichzeitig flexibel zu bleiben. „Das spart Geld“, so Ekkel. „Zudem geben unsere Projektmitarbeiter ihr Wissen an die Teams der Kunden weiter, die so auch langfristig von diesem Erfahrungsaustausch profitieren.“

Wer hat’s erfunden?

Fernbedienung mit „Space Command“ Robert Adler war Physiker mit Leib und Seele. Bis ins hohe Alter war er an der Weiterentwicklung technischer Ideen beteiligt – das letzte Patent erhielt er mit 93 Jahren für eine Touchscreen-Technik. Im Laufe seines Lebens entwickelte der gebürtige Österreicher Kommunikationssysteme für Interkontinentalraketen, Instrumente für die Radioastronomie und die erste TV-Fernbedienung. Zwar stellte Adlers Arbeitgeber Zenith, heute bekannt für seine Home-Entertainment-Produkte, 1955 bereits die „Flash-Matic“ vor. Dieses Modell steuerte das TV-Gerät kabellos mittels Lichtimpulsen. Das Problem dabei aber: Der Fernseher reagierte auch auf andere Lichtstrahlen und wurde so bisweilen von hellem Sonnenlicht an- oder ausgeschaltet. Adlers Fernbedienung „Space Command“ basierte dagegen auf Ultra­schallwellen. Diese Technik blieb bis in die Achtzigerjahre hinein Standard, ehe sie durch Infrarottechnik abgelöst wurde. Die

› 02 Die „Space Commander 600“ war ausschließlich für Farbfernseher erhältlich. Dieses besondere Design wurde von 1965 bis 1972 angeboten. Foto: Jim Rees

„Space Command“ gilt daher als erste funktionierende drahtlose Fernbedienung, für die Robert Adler zahlreiche Auszeichnungen erhielt – darunter 1997 den Emmy Award in der Kategorie „Outstanding Achievement in Technical/Engineering Development“.

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Kompakt

Hochlastfaulung effizienter als Klärschlammbelebung flächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart. Große Klärwerke setzen deshalb auf die Stabilisierung des Schlamms mittels Faulung. Bei der am Fraunhofer IGB entwickelten Hochlastvergärung mit Mikrofiltration ist die anfallende Restschlammmenge deutlich geringer als bei einer herkömmlichen Faulung – die Kosten für die Kläranlage in Schwerzen (© Fraunhofer IGB). Schlammentsorgung werden reduziert. Das gleichzeitig produzierte Die Aufgabe von Kläranlagen Biogas kann als Energiequelle für den Betrieb ist es, organische Inhaltsstoffe aus der Kläranlage genutzt werden. Das Fraunhodem Abwasser zu entfernen. Der fer IGB konnte nachweisen, dass es sich auch anfallende Schlamm wird meist für kleine Klärwerke lohnt, auf die energieefin Belebungsbecken unter hohem fiziente Hochlastfaulung umzusteigen, selbst Energieaufwand aerob, also durch wenn dafür investiert werden muss. „Am BeiOxidation mit Sauerstoff, stabili- spiel einer Kläranlage für 28.000 Einwohner siert und muss anschließend ent- haben wir berechnet, dass die Anlage ihre sorgt werden. „In Kommunen ist Entsorgungskosten von 225.000 Euro um bis die Kläranlage der größte Strom- zu 170.000 Euro reduzieren kann, wenn sie verbraucher, noch vor Kranken- den Schlamm nicht aerob, sondern in einer häusern“, sagt Dr. Kempter-Regel Hochlastfaulung mit Mikrofiltration abbaut“, vom Fraunhofer-Institut für Grenz- so Dr. Kempter-­Regel. www.igb.fraunhofer.de

Laserstrahl repariert Triebwerkskomponenten Sicherheit hat im Flugverkehr oberste Priorität. Entsprechend zählen die Wartung und Reparatur von Flugzeugkomponenten zu den wichtigsten Themen der Branche. Insbesondere Teile, die einen hohen Verschleiß aufweisen, werden regelmäßig überprüft. Das sind beispielsweise Komponenten aus den Triebwerken, die aus Titan- und Nickelbasislegierungen bestehen. Neben der Wartung stellt das Ersetzen beschädigter Teile einen großen Kostenfaktor dar, denn bisher konnte verschlissenes Material nicht repariert werden. Beschädigte Teile mussten komplett ersetzt werden. Das Fraunhofer-Institut für

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der Spezialist

Natürlich rein „Wir möchten unseren Schülern den Weg in die Arbeitswelt erleichtern“, sagt Wilfried Steenblock, Schulleiter der Berufsbildenden Schulen Friedenstraße in Wilhelmshaven. Im Rahmen der „Berufseinstiegsschule“ werden hier seit 2008 technische Fertigkeiten sowie die Abläufe innerhalb eines Betriebes vermittelt. Eines der ersten Projekte ist die Entwicklung und der Bau einer mobilen Solardusche. Eine Idee der Schule, die durch die Deutsche Bundesstiftung für Umwelt im Rahmen eines Projektes gefördert wird, so Steenblock. „Solar ist eine Zukunftsbranche“, begründet Steenblock die Projektwahl, „und Fachkräfte sollten früh lernen, um die Ecke zu denken.“ Basis ist ein Kraftfahrzeuganhänger, auf dem eine solare Warmwasseraufbereitungsanlage installiert wurde. Bei direkter Sonneneinstrahlung erhitzt ein Solarkollektor mit 40 Vakuumröhren in nur zehn Minuten einen Wasserspeicher mit 800 Litern Fassungsvermögen. „Diese Menge reicht für bis zu 100 Personen“, erklärt Steenblock. Bis auf einen Kaltwasseranschluss ist die mobile Dusche komplett autark, auf dem Anhänger befindet sich neben der Solaranlage auch das Equipment für das Duschkabinen-Zelt. Der Praxistest steht voraussichtlich im Sommer an: Erste Festival-Veranstalter haben bereits Bedarf angemeldet. www.bbs.fh-wilhelmshaven.de

Lasertechnik (ILT) hat nun gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Lasertechnik der RWTH Aachen und Rolls-Royce Deutschland ein Verfahren entwickelt, das Kosten reduziert: „Das Laserauftragschweißen macht es möglich, oxidationsempfindliche Titanwerkstoffe und verzugsempfindliche Komponenten präzise zu schweißen“, erläutert Dr. Andres Gasser, Projektleiter am Fraunhofer ILT. „Durch den Laserstrahl wird an der Bauteiloberfläche ein lokales Schmelzbad erzeugt“, so Gasser weiter. „Mit einer ebenfalls von uns neu entwickelten Pulverzuführdüse wird ein artgleiches metallisches Pulver eingebracht. Die so entstandene Schicht weist ähnliche mechanische Eigenschaften wie das Bauteil auf.“ Eine erste Anlage ist bereits erfolgreich bei Rolls-Royce Deutschland in Betrieb. www.ilt.fraunhofer.de


Kompakt

Brunel Termine März bis Juli 2010

Tipps

19. – 23. April

Hannover Messe: Unter dem Motto „Effizienter – Innovativer – Nachhaltiger“ zeigt die Hannover Messe 2010 Innovationen, Technologien und neue Materialien. Brunel finden Sie in Halle 6, Stand H 36/16.

17. – 20. Mai

Die Dresdner Industrietage schlagen eine Brücke zwischen Industrie und Studenten, Absolventen, Berufsumsteigern und Jungunternehmern. Besuchen Sie Brunel im Hörsaalzentrum der Technischen Universität Dresden.

08. – 13. Juni

ILA Berlin: Mit dem umfangreichsten Konferenzprogramm aller internationalen Luftfahrtmessen unterstreicht die ILA 2010 ihre weltweit führende Position als Kongressmesse für den gesamten Aerospacebereich. Mit einem Gemeinschaftsstand sind das Land Bremen und Brunel in Halle 8a vor Ort.

Webtipp

www.wind-energie.de Interessiert Sie, was die WeibullVerteilung ist oder wie eine Windkraftanlage funktioniert? Dann surfen Sie zur Website des Bundesverbands Windenergie. Hier finden Sie Beschreibungen der Technik, aber auch Statistiken zur Entwicklung der Windenergie – weltweit, deutschlandweit und in den einzelnen Bundesländern. Ergänzt werden die Artikel durch Links, Downloads und Literaturtipps.

Buchtipp

Otl Aicher: Kritik am Auto – schwierige Verteidigung des Autos gegen seine Anbeter, Callwey Verlag, München, 1984 Buch und Autor gelten als Klassiker. Der Grafiker Otl Aicher ist unter anderem bekannt für die visuelle Gestaltung der Olympischen Spiele von 1972. In „Kritik am Auto“ setzt er sich mit signifikanten Fahrzeugformen wie der des Jaguar EType oder des Porsche 911 Carrera auseinander und hinterfragt die Funktion und den Nutzen des Autos für den Menschen.

Science-Center-Tipp

Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt Das Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt möchte die Vielfalt von Meeren und Küsten nicht nur zeigen, sondern die Besucher sollen die Naturkräfte auch erleben. 1.500 Quadratmeter umfasst die Anfang 2009 eröffnete Ausstellung, die in die drei Bereiche „Kräfte der Nordsee“, „Leben mit Naturgewalten“ und „Klima, Wetter, Klimaforschung“ eingeteilt ist. Weitere Informationen unter www.muez.de.

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Profil

Markus Fühne – der entscheidungs­ freudige Praktiker

Markus Fühne ist kein Mensch, der gern um den heißen Brei herumredet. „In meinem Freundeskreis wissen alle, dass ich bei längeren Diskussionen nur zuhöre, um mir

dern.“ So konnte er seine Englischkenntnisse verbessern sowie das Handwerk und die Abläufe auf einer Baustelle von der Pike auf kennenlernen. „Außerdem habe ich mich früh an den Umgangston auf Schnell die richtige entschei- dem Bau gewöhnt“, grinst Fühne, „die Sprache hat hier nämlich dung zu treffen ist wichtig weniger Blumen.“ Die Projekt­ eine grundsätzliche Frage zu über- abwicklung direkt am Ort des Gelegen, mit der sich dann schnell eine schehens ist sein beruflicher Traum. Entscheidung herbeiführen lässt“, „Ich bin kein Bürotiger“, sagt er, „ich schmunzelt der 33-Jährige. Seinem bin gern dabei, wenn sich ein ProBeruf sei dieser Wesenszug sehr zu- jekt entwickelt, will sehen, wie es träglich. Der Brunel Mitarbeiter ist wächst.“ Ebenso wohl wie im Conals Ingenieur für Verfahrenstech- tainerdorf auf der Baustelle fühlt er nik oft auf Baustellen im Einsatz, so sich in Hartlage, einem kleinen Örtauch derzeit für das Unternehmen chen bei Osnabrück. Hier ist er aufPSE Engineering. Im westfälischen gewachsen, hat Trecker fahren geGronau-Epe ist die PSE am Bau ei- lernt und in den Wäldern Hütten nes Erdgasspeichers beteiligt und gebaut. Klingt nach heiler Welt – ist Markus Fühne ist für die Projekt­ es auch. Und für Markus Fühne ganz abwicklung der Gastrocknungsan- wichtig. Denn während er die beruflage zuständig. „Auf einer Baustel- liche Abwechslung schätzt, die ihm le kann man Entscheidungen selten die Tätigkeit bei einem Ingenieuraufschieben, dafür ist der Zeitdruck dienstleister wie Brunel ermöglicht, heutzutage zu groß“, erklärt Fühne, brauche er privat einen Ruhepol. der in Osnabrück studiert hat. Nach „Ich mag den persönlichen Kontakt dem Fachabitur absolvierte er zu- untereinander, spiele hier gemeinnächst eine Lehre zum Schlosser, für sam mit meiner Frau im Schützenihn nur auf den ersten Blick ein Um- musikchor und genieße die Natur – weg auf dem Weg zum Ingenieur: ich bin wohl das, was man einen „Ich hatte das Glück, während der Dorfmenschen nennt, brauche aber Ausbildung häufig im Ausland ar- regelmäßig den Blick über den Telbeiten zu dürfen – in Kanada, Nord- lerrand.“ afrika und vielen europäischen Län-

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der Spezialist

Name: Beruf:

Markus Fühne Ingenieur für Verfahrenstechnik


Profil

Jörg Papke – ruhig und auf den Punkt konzentriert

Wenn Jörg Papke seine beruflichen Stationen aufzählt, kann einem schwindelig werden: Der Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik hat als Bauleiter fast die ganze Welt gesehen, war unter anderem

keiten zu entwickeln.“ Fähigkeiten, die auch in seinem Beruf wichtig sind, denn „die Projektabwicklung kann sehr hektisch sein. Erst das macht die Sache doch interessant“, schmunzelt Papke. In den meisten Einsatzorten findet er eine Beruflich weltweit unterwegs: Kampfsportschule, um trainieren zu können. Die übriIRak, usa, Griechenland, saudige Freizeit nutzt er, um Land Arabien, England, russland und Leute kennen zu lerim Irak, in den USA, in Griechen- nen. Seinen Schatz an Erinnerunland, Saudi-Arabien und England tä- gen und Erfahrungen nimmt er mit tig. Für Brunel betreute er zuletzt nach Reupelsdorf, einem Dorf nahe ein Großprojekt in Russland. „Für Würzburg. Hier hat er 1998 mit seimich ist es etwas Besonderes, ande- ner Frau ein Haus gebaut. Und von re Mentalitäten und Kulturen ken- hier aus treten die beiden gemeinnen zu lernen“, erklärt der 59-Jähri- sam ihre Urlaubsreisen an, die sie ge. Gerade dieses Neue und Unbe- ausschließlich an Ziele innerhalb kannte mache neben den fachlichen der Bundesrepublik führen. „Ich Aspekten den Reiz aus. „Ich brau- kenne Athen besser als Würzburg“, che diese Heraus­forderungen“, er- lacht Papke, „deshalb möchte ich klärt Papke, den seine vielen Statio- den Urlaub nutzen, um Deutschnen geprägt haben: „Ich bin sehr of- land zu erkunden.“ Im Grunde fen, gehe gern auf andere zu.“ Eine gäbe es nur ein Land, das er unbeweitere Eigenschaft hat er auch sei- dingt noch sehen möchte: Australinem Hobby zu verdanken. Seit er en. Hier war er noch nie. „Ich könnte 15 Jahre alt ist, macht Jörg Papke mir trotzdem vorstellen, für Brunel Kampfsport, denn ihn fasziniert die dort zu arbeiten und auch für länMischung aus körperlicher und geis- gere Zeit auf dem Kontinent zu letiger Leistung. „Es ist wichtig, Ruhe ben. Ich habe viel gelesen und gezu finden, sich auf den Punkt kon- hört über die entspannte Art der zentrieren zu können und eine ge- Menschen. Ich denke, ich würde gut wisse Härte gegen äußere Widrig- dorthin passen.“

Name: Beruf:

Jörg Papke Ingenieur für Versorgungstechnik

der Spezialist

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Spektrum

Weichen für die Zukunft gestellt Andreas Langer, Leiter des Account Management bei Brunel Communications, spricht über das breite Aufgabenspektrum im Bereich Systemlösung und Netzwerke und die besonderen Anforderungen, die ein weltweit agierendes Unternehmen wie Bombardier stellt. Anstelle der mechanischen wurden elektrische Stellwerke eingesetzt, die eigens für das deutsche Schienennetz entwickelt wurden. T e x t › Robert Uhde

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast

Auf dem 40.000 Kilometer langen Schie- men. Das Aufgabenspektrum reicht dabei von nennetz der Deutschen Bahn AG sind Tag der Konzeption über die Implementierung für Tag rund vier Millionen Fahrgäste in über und Verifikation bis hin zur Wartung: „Wir 30.000 Zügen unterwegs. Würde man sämtli- entwickeln Systemlösungen und spezifizieren che Gleise hintereinander in einer Linie verle- hochverfügbare Netzwerke. Außerdem implegen, so entspräche die Gesamtlänge der sich mentieren wir Baugruppen und Gesamtsystedaraus ergebenden Strecke in etwa der des me oder qualifizieren Produkte. Grundsätzlich Äquators und man könnte auf ihr die gesam- definie­ren wir uns als Experten für Schnittte Erde umrunden. Ihre Steuerung und Siche- stellen und Protokolle unterschiedlichster rung wäre dabei vergleichsweise einfach – es Art“, so Andreas Langer. Die Qualität des Entgäbe ja keine Kreuzungspunkte. Stattdessen wicklungszentrums wird durch die Zertifikate sind im Schienennetz der Deutschen Bahn DIN EN ISO 9001:2000 sowie EN 9100 unterrund 70.000 Weichen und unzählige Signale strichen. Zu den wichtigsten Kunden zählt die eingebaut, die rund um die Uhr einen siche- Bombardier Transportation (Signal) Germany ren und reibungsGmbH. Das zum weltfreien Bahnverkehr Bombardier und Brunel Communi­ weit agierenden kanaermöglichen sollen. cations arbeiten seit sieben dischen Konzern Bom„Die Steuerung und bardier Inc. gehörende jahren erfolgreich zusammen Koordination dieser Unternehmen entwiWeichen und Sigckelt und baut Eisennale erfolgt heute in vielen Fällen über elek- bahnen sowie die dazu nötige Systemtechtronische Stellwerke (ESTW) auf Basis mo- nik. „Mit Bombardier arbeiten wir bereits seit dernster Soft- und Hardware“, erklärt Andre- unseren Anfängen vor rund sieben Jahren zuas Langer, der als Leiter Account Management sammen“, erklärt Langer. „Ab 2003 haben wir bei Brunel Communications tätig ist. Der dabei zunächst das elektronische Stellwerk Schwerpunkt des 2003 in Hildesheim gegrün- ESTW B950 R1 für den Bahnhof Mannheimdeten Entwicklungszentrums für Embedded Rheinau mitentwickelt, das deutliche VerSystems liegt auf sicherheitskritischen und si- besserungen im Vergleich zur alten mechacherheitsrelevanten Anwendungen. nischen Technik ermöglichte.“ Das Stellwerk Brunel Communications arbeitet mit steuert einen Schienenverkehrsbereich von zahlreichen namhaften Kunden in Europa aus etwa 20 Kilometer Länge und besteht aus drei den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Telekom- verschiedenen Elementen: aus der Leitebene munikation, Wehrtechnik, Industrie-Elektro- mit dem Fahrdienstleiterarbeitsplatz, aus der nik, Medizintechnik und Automotive zusam- Sicherungsebene mit der Steuerungszentrale

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Porträt Dipl.-Ing. Andreas Langer (48), Leiter Account Management bei Brunel Communications in Hildesheim, studierte an der Fachhochschule Hannover Elektrotechnik mit Schwerpunkt Informationsverarbeitung. Im Anschluss arbeitete er fünf Jahre in der Embedded-Software-Entwicklung und war zehn Jahre bei Ericsson als Softwareentwickler und Projektleiter tätig. Seit 2003 ist Andreas Langer bei Brunel und war bereits beim Aufbau des Entwicklungszentrums dabei.


›21 und aus der Feld- oder Stellebene mit den Weichen, Signalen und Bahnübergängen. Nach rund dreijähriger Entwicklungszeit wurde das ESTW B950 R1 im März 2006 erfolgreich in Mannheim-Rheinau in Betrieb genommen. Sämtliche geforderten Funktionalitäten entsprachen dabei den Anforderungen der DB AG. Da bei diesem Stellwerkstyp aber

nicht beliebig viele Elemente in der Feldebene hintereinandergeschaltet werden können, wurde Brunel Communications anschließend mit der Weiterentwicklung der Stellebene des ESTW B950 beauftragt. „Das zuvor beim ESTW R1 eingesetzte CAN-BUS-System sollte dabei durch eine moderne Ethernet-Schnittstelle er-

› 21 Moderne Stellwerke arbeiten heute mit Ethernet-Schnittstellen statt der bisher genutzten CAN-BUS-Systeme.

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Spektrum

setzt werden. Die hierbei verwendete Glasfasertechnologie verbessert die Kommunikation zwischen Sicherungs- und Stellebene, so dass Datenmenge und Reichweite erhöht werden“, fasst Dietmar Kraas von Bombardier die Anforderungen zusammen.

Porträt Diplom-Informatiker Dietmar Kraas studierte an der TU Braunschweig. Als Leiter Engineering bei Bombardier Transporta­ tion (Signal) Germany GmbH am Standort Braunschweig ist er für die Entwicklung und Projektierung der elektronischen EBILock-950-Stellwerke für Deutschland und Zentraleuropa verantwortlich. Dietmar Kraas ist seit 1996 bei Bombardier tätig.

Brunel communications war in sämtlichen Projektphasen mit einem 20-köpfigen Team in allen bereichen beteiligt Brunel Communications war in sämtlichen Projektphasen von der Systemkonzeption bis zur Inbetriebnahme und Zulassungsunterstützung an dem Projekt beteiligt. „Mit einem 20-köpfigen Team haben wir die gesamte Hard- und Software für Steuerungskomponenten der Stellebene, also der Object-Controller, sowie zusätzliche notwendige Software-Applikationen-Anteile für die Sicherungsebene entwickelt“, erklärt Andreas Langer. „Eine weitere Aufgabe war im Bereich des European Traffic Management System, kurz ERTMS, angesiedelt: Für eine optimierte Kommunikation zwischen Lok und Stellwerk per Funk haben wir die Entwicklung eines neu-

en Radio Block Center (RBC) unterstützt.“ Das weiterentwickelte Stellwerk ist ausschließlich für Deutschland ausgelegt. Das RBC, eine mit Funk betriebene Steuerungszentrale, kann dagegen weltweit eingesetzt werden. Weitere Projektschritte umfassten die umfangreiche Erprobung und Überprüfung der unterschiedlichen Systeme des ESTW B950 Release 2.0 sowie die Begleitung des Zulassungsprozesses. Für die Realisierung der unterschiedlichen Aufgaben und Projekte bedurfte es eines umfangreichen Spezialwissens in ganz unterschiedlichen Bereichen. Schon in einem frühen Stadium suchte Bombardier deshalb die Zusammenarbeit mit Brunel Communications. „Die Entwicklung der verschiedenen Ethernet-Komponenten erforderte zum Beispiel ein hohes Maß an Erfahrung in der Entwicklung von komplexen Hardware- und Software-Systemen“, so Andreas Langer. „Gleichzeitig waren umfangreiche Kenntnisse der für bahnspezifische Belange geltenden CENELECNormen nötig, die europaweit die Voraussetzungen und Auflagen für die Zulassung neuer Systeme sowie nötige Nachweise und Dokumentationspflichten vorschreiben.“ Von grundsätzlicher Bedeutung für die Zusam-

› 22 Hauptbahnhof München, 2005: Das Schaltpult im Stellwerk bildet die Schienenstränge und Weichen ab. Von hier aus werden täglich 220 Fernverkehrszüge, 246 Regionalzüge und 967 S-Bahnen koordiniert.

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Spektrum

menarbeit bei der Entwicklung des neuen elektronischen Stellwerks waren außerdem eine strukturierte und prozessorientierte Arbeitsweise und die Umsetzung eines professionellen Projektmanagements. „Das vielfältige Anforderungsprofil dieses Projektes spiegelt unser Leistungsspektrum sehr gut wider“, erklärt Andreas Langer. Denn auch die örtliche Flexibilität, die vom Kunden gefordert war, ist exemplarisch für die Arbeitsweise der Hildesheimer Spezialisten: Die Entwicklungsarbeit fand zumeist in Hildesheim statt. Der größte Teil der Testaktivitäten sowie die Inbetriebnahme des Systems wurden dagegen im Bombardier-Testlabor in Braunschweig beziehungsweise vor Ort in MannheimRheinau durchgeführt. „Und die Erprobung des weltweit eingesetzten Radio Block Center erfolgte parallel unter anderem in China, Schweden, Belgien und in den Niederlanden“, beschreibt Andreas Langer.

Das neue stellwerk ist eines der modernsten und leistungsfähigsten weltweit Das neue Bombardier-Stellwerk ESTW B950 R2 wurde im April 2009 in nur einer Nacht bei MannheimRheinau installiert und ist seitdem erfolgreich im Einsatz. „Die Rückmeldungen der Deutschen Bahn fallen durchweg positiv aus“, berichtet Dietmar Kraas. Das ESTW steuert unter anderem 60 Signale, 36 Weichen und Gleissperren sowie einen Bahnübergang und ist über Schnittstellen mit den Nachbarbahnhöfen Mannheim-Hauptbahnhof, Mannheim-Rangierbahnhof und Schwetzingen verbunden. „Durch die Weiterentwicklung können nun sehr viel mehr Elemente angeschlossen werden. Gleichzeitig wurde eine Ausdehnung der maximalen Entfernung vom Stellwerk zur Außenanlage praktisch aufgehoben“, so Andreas Langer. Bombardier verfügt somit über eines der modernsten elektronischen Stellwerke, die weltweit verfügbar sind. Bei der Weiterentwicklung des ESTW B950 wurde das Rad nicht neu erfunden, sondern es wurden bereits bestehende Komponenten durch neue Funktionalitäten und Schnittstellen erweitert. Durch die Umstellung von CAN-BUS auf Ethernet wurde aber ein völlig neues, zukunftsweisendes Kommunikationsmedium etabliert. „Nach der Umrüstung in Mannheim soll in diesem Jahr die Neuinstallation der Stellwerke in Kreiensen und in Weinheim folgen“, gibt Dietmar Kraas einen Ausblick. Ab 2011 plant Bombardier die Umrüstung weiterer Stellwerke, darüber hinaus ist eine weitere Harmonisierung der bestehenden Schnittstellen vorgesehen. „Die Ethernet-Technologie ist der technologische Maßstab, der

›23 sich über kurz oder lang zum Standard in der gesamten Branche entwickeln wird“, ist sich Andreas Langer sicher. „Und wir sind stolz, an dieser Entwicklung maßgeblich beteiligt gewesen zu sein.“

› 23 Nicht größer als ein Kleiderschrank: das elektronische EBI-Lock-Stellwerk ESTW B950 Release 2.0 in Mannheim-Rheinau nach dem Umbau.

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Wissen

Eine Vielzahl an Themen kommt bei den Redaktionssitzungen von Der Spezialist auf den Tisch. Nicht alle können jedoch in der ausführlichen Form eines Artikels behandelt werden. Mit der Leserfrage haben wir daher eine neue Rubrik eingeführt. Hier möchten wir vor allem Sie als Leser künftig mehr einbinden: Schicken Sie uns Ihre Fragen – und Der Spezialist wird sie beantworten.

Welches werden die vorrangigen Energiequellen in 50 Jahren sein?

Porträt Dipl.-Ing. Kolja Ostrowski (35) studierte an der Berliner FH Maschinenbau. Er ist als Geschäftsbereichsleiter Nord mit sieben Brunel Standorten in der Region, und durch die enge Zusammenarbeit mit den ansässigen Unternehmen der Branche, Experte für erneuerbare Energien. energie@brunel.de

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Ein Blick so weit in die Zukunft ist gewagt. Denn die Antwort hängt maßgeblich davon ab, wie wir Menschen in den nächsten Jahrzehnten mit unserer Umwelt und ihren Rohstoffen umgehen. Abzusehen ist, dass uns die Endlichkeit fossiler Rohstoffe in 50 Jahren massiver beschäftigen wird als jetzt. Noch ist Erdöl der weltweit wichtigste Energieträger, gefolgt von Kohle und Erdgas. Für alle drei gilt: Sie gehen zur Neige. Wann sie jedoch aufgebraucht sind, ist nicht mit Gewissheit zu sagen – in 50 Jahren aber noch nicht. Trotzdem wurde bereits begonnen, nach Alternativen zu suchen, auch der Umwelt zuliebe. Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf Zukunftsszenarien eingehen, die Umweltkatastrophen wie Dürren und Fluten sowie eine wachsende Weltbevölkerung und explodierende Preise für Energie vorhersagen. Vielmehr möchte ich einen Ausblick geben auf eine Zukunft, in der unsere Energiequellen „sauber“ sein müssen. Die vorrangigen Energiequellen werden also auch in 50 Jahren die Klassiker bleiben:

Erdöl, Erdgas und Kohle, Kernkraft sowie die erneuerbaren Energien Solar, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie. Allerdings wird sich der Schwerpunkt deutlich verschieben von den fossilen zu den regenerativen Energien. Und ganz gleich welche Energiequelle, technologisch wird 2060 die Beantwortung folgender Kernfragen einen großen Schritt weiter sein: Wie können die verbliebenen fossilen Rohstoffe erschlossen werden? Wie kann Energie effizienter gewonnen werden? Wie lässt sich Energie noch sparsamer nutzen? Welche Möglichkeit der Speicherung existiert für Energie aus erneuerbaren Quellen? Wie können die Quellen sinnvoll miteinander verkettet werden? Ich denke, es wird parallele Entwicklungen geben. Einerseits eine leichte Verschiebung hin zum Privaten. Energie wird künftig vermehrt auch dort produziert, wo sie verbraucht wird: Strom für das Eigenheim kommt aus der eigenen Photovoltaik-Anlage, Wärme aus dem eigenen Mini-Blockheizkraftwerk oder – und hier sehe ich eine deut-


› 24 In 50 Jahren wird es ganz normal sein, dass mittels Temperaturunterschieden Strom erzeugt wird. Bereits die Differenz von Körperwärme und Raumtemperatur reicht dazu aus.

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liche Zunahme – aus dem Energievorrat der Erdkruste. Fortschritte in der oberflächennahen Geothermie sowie zunehmende Anforderungen der Bundesregierung an die Energieversorgung von Neubauten verleihen dieser Entwicklung Nachdruck. Andererseits wird es aber auch Initiativen und Projekte geben, die mit Worten wie „Super“ oder „Mega“ beginnen: Mega-OffshoreDas Prinzip der thermoelek­ Windparks, Super-Solarkraft­ werke wie das Projekt Detrischen Generatoren wird in sertec. Ziel dieses Wüsten50 Jahren ausgereift sein strom-Projekts ist eine nachhaltige Stromversor­gung für Europa, den Nahen Osten und Nordafrika. Erreicht werden soll dies über den Einsatz solarthermischer Kraftwerke. Spiegel bündeln das Sonnenlicht, das in Hitze umgewandelt wird und Dampfturbinen antreibt. Die gewonnene Wärme kann gesammelt und nachts oder bei Lastspitzen wieder abgegeben werden. Und hier kommt die Verkettung unterschiedlicher Energiequellen ins Spiel. Desertec beispielsweise stellt die Solarenergie klar in den Fokus. Als Notfallreserve werden hier jedoch fossile Brennstoffe eingesetzt. Denn das Problem der meisten Quellen erneuerbarer Energie ist ihre Wetterabhängigkeit. Um für Situationen wie mangelnde Sonnenstrahlung oder zu lauen Wind gerüstet zu sein, wurde beispielsweise in der Nord- und Ostsee

bereits mit dem Ausbau von Kabelnetzen begonnen. Sie verknüpfen Windkraft- mit Solaranlagen oder mit Turbinen, die den Tiedenhub der Nordsee zur Stromgewinnung nutzen. Meine These lautet also: Nicht allein der Ausbau einzelner Energiequellen, sondern vor allem deren sinnvolle Verkettung kann es möglich machen, dass die Welt in 50 Jahren überwiegend von erneuerbaren Energien bewegt wird. Wobei Bewegung ein weiteres, wichtiges Stichwort ist: Denn der Großteil fossiler Brennstoffe wird derzeit für den Transport von Gütern oder Personen verwendet. Hier werden im Jahr 2060 Brennstoffzellen eine bedeutende Rolle spielen. So kann aus Biogas Wasserstoff erzeugt werden, der wiederum von Brennstoffzellen in Energie umgewandelt und zum Antrieb von Autos, Schiffen oder Zügen verwendet werden kann. Auf diese Weise würden zum einen fossile Ressourcen geschont. Zum anderen würde das Problem der umweltbelastenden Abgase gelöst. Da es bereits Projekte gibt, die dieses Prinzip vorantreiben, habe ich folgende Hoffnung: In 50 Jahren wird nicht nur unsere Mobilität auf Brennstoffzellen basieren, sondern wir werden auch in vielen Gärten nicht nur PhotovoltaikAnlagen, sondern auch kleine Brennstoffzellen finden.

der Spezialist

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Forschung

Konzentration auf das Wesentliche Aus dem modernen Operationssaal sind technische Geräte mit den unterschiedlichsten Aufgaben nicht mehr wegzudenken. Kabelgewirr und Insellösungen unterschiedlicher Hersteller sollen bald der Vergangenheit angehören. Im OP der Zukunft sind sämtliche Geräte untereinander verbunden, fest an der Decke installiert und werden von einem zentralen Rechner gesteuert.

T e x t › Roland Bösker Operationssäle (OPs) stecken voller Technik: Elektronik überwacht lebenswichtige Körperfunktionen der Patienten, auf Monitoren und Displays zeigen flimmernde Kurven Atmung und Herzschlag an. Jedes dieser Geräte arbeitet in traditionellen OPs jedoch für sich, ist nicht mit den anderen vernetzt. Hauptgrund dafür ist die Arbeitsweise der Hersteller, die viele Entwicklungen in der Medizintechnik isoliert voneinander vorangetrieben haben. So entstanden hoch entwickelte Insellösungen, die je nach Bedarf aus und in den OP gebracht werden. Die Mediziner haben dadurch nicht ständig alle benötigten Apparate griffbereit. Zudem bilden Kabel und Stecker ein schwer zu überschauendes Gewirr – der Vergleich mit einem Modellbaukasten ist unter Ärzten nicht unüblich.

sind, sind entsprechend noch die Ausnahme. Selbst für Firmen, die sich auf die Integration von Geräten verschiedener Hersteller spezialisiert haben, sei der Markt bislang zu klein gewesen, um in die Entwicklung zu investieren, so Ekkernkamp. Steigender Kostendruck auf Seiten der Krankenhäuser habe jedoch in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass OPs besser ausgelastet werden müssen – und das erfordert effizientere Technik. Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland hat das Unfallkrankenhaus Berlin reagiert. Im Jahr 2007 wurden im ukb unter dem Projektnamen „OP der Zukunft” zwei OPs mit zukunftsweisender Technik ausgestattet. Die Berliner haben sich für das i-Suite-Konzept des Medizintechnikherstellers Stryker entschieden. Sämtliche Geräte sind dabei mittels von Stryker entwiIm „op der zukunft“ sind alle geräte miteinckelter BUS-Systeme untereinander verbunden und zentral steuander gekoppelt und zentral steuerbar erbar. Rollende Wagen beispiels„Die meisten Medizintechnik-Hersteller weise für Monitore und Endoskopiegeräte haben eigene Produkte mit jeweils eigenem entfallen, denn diese hängen an stählernen Design und Besonderheiten in der Handha- Gelenkarmen von der Decke herab; chirurgibung entwickelt. Denn es gab keinen Markt- sches Equipment und die Anästhesieeinheit druck zur Vereinheitlichung von Schnittstel- ruhen auf deckenmontierten Schwerlastsyslen, die die Geräte untereinander kompatibel temen. Das Herz der neuen OPs ist je ein zentmachen“, erklärt Prof. Dr. med. Axel Ekkern- raler Rechner. Prof. Dr. Ekkernkamp: „Dank diekamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsfüh- ser Komplettlösung können mehrere Endgerer des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb). Der räte an eine Steuerungseinheit angeschlosGrund sei ganz einfach: Es fehlte die Nachfra- sen werden.“ Alle Elemente sind also fest ge. Komplettlösungen für OPs, bei denen die installiert, vernetzt und werden per FingerEinzelkomponenten aufeinander abstimmt tipp über Touch-Screens oder per Sprachbe-

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Porträt Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb), arbeitet als einer der Ersten mit dem „OP der Zukunft“. Seit 1999 ist er Leiter der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und der Abteilung für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Sporttherapie im Klinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Er ist außerdem seit vergangenem Jahr Inhaber einer Professur an der Medizinischen Universität Thai Binh in Vietnam. Bereits 2001 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.


›25 fehl über ein Headset bedient. Das Umstellen und Anschließen unterschiedlicher Geräte beispielsweise für verschiedene Schritte eines Eingriffs oder bei aufeinander folgenden Operationen entfallen. Vorteilhaft ist das nicht nur in Sachen Effizienz, sondern auch für die Hygiene, denn jedes Gerät außerhalb des OPs ist ein potenzieller Keimträger und muss vor Gebrauch desinfiziert werden. Hinzu kommen ganz praktische Erleichterungen: „Die Reinigungskraft kann unter den Apparaten durchwischen, ohne dass sie mühsam verschoben werden müssen“, erklärt Prof. Dr. Ekkernkamp.

hochauflösende bildschirme ermöglichen ein präzises arbeiten im op Nicht nur die Bedienung der OP-Geräte ist für Chirurgen, Anästhesisten und medizinisches Personal mittels des i-Suite-Systems einfacher geworden. Dank

schwenkbarer Monitore können alle Mitglieder eines OP-Teams zudem sämtliche Abläufe einer Operation verfolgen. Die High-Defini­ tion-Auflösung von 1080 Pixeln und Bildschirmdiagonalen von 21 Zoll ermöglichen es, auch kleinste Details präzise im Blick zu haben. Eigens für den OP neu entwickelte Kameras mit einer Auflösung von 1280 x 1024 Pixeln sowie eine Scan-Technologie, die doppelt so viele Bilder pro Sekunde liefert wie eine digitale Standardkamera, erzeugen besonders scharfe und kontrastreiche Bilder. Diese können digital im MPEG-1-, 2-, 4- oder AVI-Format archiviert und beispielsweise zu Schulungszwecken genutzt werden. Braucht der Chirurg beide Hände für die Operation, steuert er die Geräte mittels Sprachbefehl. Entsprechende Vokabeln sind

› 25 Hochauflösende Kameras liefern scharfe und kontrastreiche Bilder vom Operationsfeld, die auch archiviert und an externe Beobachter übertragen werden können.

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Forschung

im i-Suite-System gespeichert und werden tels getrennter Server und mehrfacher Firewall-Instalauf den Monitoren eingeblendet. „Die Medi- lationen optimal und gemäß den Empfehlungen des zintechnik hat hier von der Unterhaltungs- Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechelektronik gelernt“, sagt Prof. Dr. Ekkern- nik (BSI) gesichert. Als Schritt hin zu so genannten tekamp, „dem Operateur werden vorgegebe- le-chirurgischen Eingriffen, bei denen Geräte oder gar ne, klar differenzierte Sprachbefehle in einem Roboter komplett von außen gesteuert werden, sieht Auswahlmenü angezeigt, so dass die Soft- Prof. Dr. Ekkernkamp den OP der Zukunft dennoch nicht. ware keine Sprache mehr ‚erlernen‘ muss.“ Schon aus juristischer Sicht wäre das problematisch: Auch die Datenübertragungstechnik funktio- „Der Arzt vor Ort muss auch der verantwortliche Mediniert ähnlich wie bei Videospielen der neues- ziner sein, der jederzeit eingreifen kann.“ ten Generation. Im i-Suite-System ist sie allerSo futuristisch der OP der Zukunft anmutet, so sehr dings wesentlich leistungsfähiger: Bis zu 4,9 stellt die ausgereifte Technik den Menschen in den MitGigabit fließen pro Setelpunkt. Prof. Dr. Ekkernkamp kunde durch die Faser- die neusten geräte werden im op betont die Mitarbeiterzufrieleitungen, die die Gerä- per sprachbefehl gesteuert denheit, die in einer klar strukte miteinander verbinturierten, stressärmeren Umden; in der elektronischen Kommunikation zu gebung höher sei: „Die Technik senkt die Stressbelasanderen Standorten fließen per Ethernet bis tung für den Operateur sowie das gesamte medizizu 100 Megabit pro Sekunde. Die Kommuni- nische Personal und steigert so die Sicherheit für den kation mit externen Kollegen wird also ver- Patienten.“ Unkomplizierter als zuvor lassen sich beieinfacht. Zwar könnten diese dank der Breit- spielsweise Röntgenaufnahmen und Patientendaten bandübertragungstechnik prinzipiell auch in abrufen und anzeigen. Das OP-Team werde nicht mehr konventionellen OPs zugeschaltet werden. Im von „nicht für den Operationserfolg notwendigen TäOP der Zukunft sind die Daten, wie beispiels- tigkeiten“ in Anspruch genommen, sagt der Professor. weise erläuternde Röntgenbilder, jedoch mit- Um mit der neuartigen Ausstattung sicher umgehen zu

›26–28 Der Rat von Spezialisten ist gefragt: Mit der Übertragungstechnik des „OP der Zukunft“, kann via Datenleitung in Echtzeit die Meinung eines Kollegen eingeholt werden.

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›27 50

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Forschung

›29 können, wurde das gesamte OP-Personal drei des Krankenhauses zu erhöhen. Denn reduzierte ReiArbeitstage lang geschult. Ausgewählte Mit- nigungszeiten und aus­gefeilte Logistik sorgen für eine arbeiter, wie Techniker des ukb und die ope- verbesserte Auslastung der OPs. Zum anderen geht er rierenden Ärzte, wurden davon aus, dass Operationsvon Stryker noch ausführ­ „der trend zu spezialisierten säle auch künftig Spezialanlicher weitergebildet und leistungsanbietern wird sich im fertigungen für bestimmkönnen nun kleine­re Stöte medizinische Fachgebiegesundheitswesen durchsetzen“ rungen direkt vor Ort bete bleiben werden, im Falle heben. Dies trage ebenso zur Sicherheit bei des ukb ist dies die Unfallchirurgie. „Der Trend zu spewie die Konzeption der gesamten elektroni- zialisierten Leistungsanbietern wird sich im Gesundschen Architektur, so Prof. Dr. Ekkernkamp. heitswesen weiterhin durchsetzen“, fasst Prof. Dr. EkDas System sei „sehr resistent“ gegen Abstür- kernkamp zusammen. Mit den i-Suite-OPs hat das Unze. Wie traditionelle OPs ist es mit Notstrom- fallkrankenhaus Berlin also den Weg in die Zukunft beaggregaten gesichert. „Die Einzelgeräte ha- schritten – technisch, wirtschaftlich und medizinisch. ben außerdem ihre jeweilige Stand-AloneFunktion nicht verloren, so dass beispielsweise eine Arthroskopie auch dann weitergeführt werden kann, wenn der Zentralrechner im OP ausfallen sollte.“ Totalausfälle allerdings hält Ekkernkamp für ausgeschlossen. Der Professor ist überzeugt davon, mit dem OP zum einen die Wirtschaftlichkeit

› 29 Im OP der Zukunft sind alle Geräte beweglich an der Decke aufgehängt. Das bringt enorme Vorteile bei der schnellen und effizienten Reinigung des Bodens und der OP-Vorbereitung. So kann die Auslastung der Räume und damit die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden.

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Wissen

Die Diskussion über erneuerbare Energien ist aktueller denn je: Fossile Energiestoffe stehen nur begrenzt zur Verfügung und beeinträchtigen das Weltklima erheblich, Atomenergie produziert Abfälle, für die es bisher keine sichere Endlagerung gibt. Windkraftanlagen als Lieferanten regenerierbarer Energie stellen eine umweltfreundliche Alternative dar.

T e x t › Jörg Riedel

10 Fakten zur Windenergie

1. Wie Wind entsteht: Das Sonnenlicht trifft je nach Ort in unterschiedlichem Winkel und mit anderer Intensität auf die Erde. Am Äquator trifft die Strahlung senkrecht auf, an den Polkappen streift sie die Erdoberfläche nur. So steigt am Äquator die warme und dadurch leichtere Luft nach oben, während sich an den Polen die kältere, schwere Luft am Boden konzentriert. Den resultierenden Druckunterschied gleicht die Luft aus, indem sie zirkuliert – Wind entsteht. 2. Wind als Energieträger: Wind ist ein fast unerschöpflicher Energieträger. Denn die Sonne liefert der Erde seit 4,5 Milliarden Jahren pro Sekunde 47 Milliarden Kilowattstunden Energie. Von dieser Energie werden etwa 2,5 Prozent in Windenergie umgewandelt. Mit einem 6-Megawatt-Windrad pro Quadratkilometer Bodenfläche ließen sich so 20.000 Terawatt Energie pro Jahr erzeugen – doppelt so viel wie der derzeitige jährliche Bedarf weltweit. 3. Menschen in Bewegung: Seit vielen Jahrtausenden nutzten Menschen Wind, um sich mit Segelschiffen fortzubewegen. 1355 fertigte der Italiener Guido von Vigevano die Zeichnung eines Landgefährts an, das sogar gegen den Wind fahren sollte. Räder mit einem Durchmesser von etwa 2,4 Metern sollten einen Wagen bewegen, auf dem ein Rotor mit vier Flügeln montiert war. Zwar wurde dieses Windfahrzeug nicht realisiert, 2007 wurde die Idee aber wieder aufgegriffen: Studenten der Uni Stuttgart entwickelten ein Ventomobil, das mit einer Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h gegen den Wind fährt. 4. Sonnenwind: 1.000 m/s erreicht der Sonnenwind im Weltall – die höchste gemessene Windgeschwindigkeit. Aber nur ein geringer Teil dieses Windes dringt durch das Magnetfeld der Erde und verursacht die Polarlichter. Die NASA forscht, ob der „schnelle“ Sonnenwind als Energiequelle genutzt werden kann. Bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es theoretisch möglich ist, den Sonnenwind als Raketenantrieb im Weltall zu nutzen. Die elektrisch geladenen Teilchen stören jedoch die Funktion der Sonnensegel, der bislang einzigen Antriebsform für Raketen auf der Basis von Solarenergie.

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Wissen

5. Wind als Stromerzeuger: Die erste Windkraftanlage zur Stromerzeugung wurde 1887 vom amerikanischen Erfinder Charles F. Brush gebaut. Mit einer Stärke von 12 Kilowatt lud die Anlage eine Batterie im Keller seines Hauses. Der Däne Poul La Cour steigerte die Effizienz der Windenergieanlagen und errichtete 1891 einen Prototyp. Heute stammen 20 Prozent des in Dänemark erzeugten Stroms aus den rund 5.500 Windrädern des Königreichs – so viel wie in keinem anderen Land. 6. Offshore-Windkraft – eine deutsche Erfindung: Der Physiker Albert Betz wies 1920 nach, dass eine Turbine maximal 59,3 Prozent der verfügbaren Energie in mechanische Leistung umsetzen kann (Betz’sches Gesetz). Neben dem Erfinder Hermann Honnef, der in den Dreißigerjahren zum ersten Mal die Idee der Offshore-Windkraftanlagen vorstellte, gilt der Ingenieur Ulrich Hütter als Vorreiter der Windkraft. Sein Modell StGW-34 von 1957 gilt als Urmuster der modernen Windkraftanlagen. 7. Die Windkraftanlage in Zahlen: >> 65 Meter lang sind die Blätter eines Windrads maximal >> 2,5 bis 5 Meter pro Sekunde muss das Anemometer (Windmesser) als Windstärke melden, damit der Rotor sich zu drehen beginnt >> Ab 25 Metern pro Sekunde oder bei über 90 km/h, was einem schweren Sturm entspricht, stellt sich der Rotor automatisch ab, weil ansonsten die auf ihn wirkenden Kräfte zu stark werden und Schäden verursachen können >> Bis zu 130 Meter hoch ist der aus Beton oder Stahlrohr bestehende Turm einer Windkraftanlage >> Eine 1,5 Megawatt-Anlage, das Standardmodell, produziert pro Jahr 2,5 bis 5 Millionen Kilowattstunden Strom – ausreichend für etwa 1.000 Vier-Personen-Haushalte >> In 20 Betriebsjahren ersetzt eine 1,5-Megawatt-Anlage etwa 90.000 Tonnen Braunkohle 8. Die Stärkste: Die derzeit leistungsstärkste Windkraftanlage wurde erstmals 2007 als Near­shore-Windenergieanlage von der Firma Enercon in Emden errichtet. Sie liefert mit einer Nabenhöhe von 135 Metern eine Nennleistung von 6 Megawatt, was in etwa 17 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr entspricht. Die Anlage bekommt jedoch Konkurrenz: Die österreichisch-US-amerikanische Firma AMSC Windtec plant eine 10-Megawatt-Anlage. Die Studie zur Machbarkeit soll im Laufe des Jahres 2010 abgeschlossen sein. 9. Die Höchste: Die höchste Windkraftanlage der Welt steht aktuell in Laasow, Brandenburg, und liefert eine Leistung von 2,5 Megawatt. An einem Gitterturm mit 160 Metern Höhe kreist ein Rotor mit einem Durchmesser von 90 Metern. Futuristisch ist die Idee des australischen Professors Bryan Roberts, eine fliegende Windkraftanlage zu konstruieren, die in 5.000 bis 10.000 Metern Höhe den stetigen und starken Wind in elektrische Energie umwandelt und per Kabel zur Erdoberfläche transportiert. Das Objekt soll sich mit vier Rotoren selbst in der Luft halten und zudem Strom produzieren. 10. Energie aus Windkraft: 2008 lieferten die europäischen Windkraftanlagen eine Leistung von rund 66.000 Megawatt. Das ist über die Hälfte der von rund 120.000 Windrädern weltweit gelieferten Energie. Das Jahr 2009 brachte für den gesamten Globus einen Zuwachs von 25 Prozent – was eine Gesamtleistung von rund 150.000 Megawatt und einen Umsatz von rund 120 Mrd. Euro bedeutet. Für Deutschland ist die Energie aus Windkraft ein Exportschlager – 80 Prozent aller gebauten Anlagen gehen in andere Länder. Die größten Exportmärkte sind die USA, Spanien, Frankreich und Indien. Abb.: Einblick in ein Generator-Getriebe einer Windenergieanlage.

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„Ich kreiere Charakter und keine Maschinen“ Mobiliät verbinden die meisten Menschen wohl in erster Linie damit, sich motorisiert von A nach B bewegen zu können. Für Tobias Nagel ist Mobilität mehr. Nach Seifenkistenkonstruk­ tionen in seiner Heimatstadt Dresden im Kindesalter ist er heute Designer im Nissan Creativ Box Studio und entwickelt ungewöhnliche Zukunftstrends rund um das Automobil. T e x t › Marco Heinen

Porträt Tobias Nagel wurde in Dresden geboren. Er studierte zunächst an der Hochschule für Kunst und Design auf Burg Giebichenstein in Halle, absolvierte Auslandssemester an der University of Art and Design in Helsinki, Finnland, und besuchte im Anschluss das Royal College of Art in London. Heute arbeitet er als Designer im Nissan Creative Box Studio in Tokio.

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Tobias Nagel hätte auch Rennfahrer oder halb Jahren Studium zog es ihn in die Ferne: Kfz-Mechaniker werden können. Schon als Als Austauschstudent ging er an die UniverKind interessierte sich der gebürtige Dresdner sity of Art and Design nach Helsinki. Obwohl für Autos und Motorräder. Als Schüler baute diese Entscheidung eher zufällig fiel, war sie er Seifenkisten, schraubte bald an seinem ers- bestimmend für seinen weiteren beruflichen ten Moped. Heute ist der 33-jährige Designer und privaten Weg. beim in Tokio ansässigen „Nissan Creative Box Studio“, dem kreativen Herz- „Dass Mobilität so oft mit dem Automobil stück des japanischen Autokonzerns. gleichgesetzt wurde, störte mich, und Er entwarf das Design für die Konzeptist meiner Ansicht nach auch ein Grund, studien „Pivo 1“ und „Pivo 2“. Fahrzeuge, die an eine Eieruhr auf Rädern erinnern warum sich die westliche Automobilinund diejenigen ansprechen sollen, die dustrie in einer Krise befindet.“ Autos ziemlich überflüssig finden. „Ich In Helsinki beschäftigte sich Tobias Naversuchte, etwas zu entwerfen, was mit allen Regeln und klassischen Vorstellungen ei- gel zwar zunächst mit Möbeln und Materialines Automobils bricht. Etwas, was die Leute en, konnte vom Thema Mobilität jedoch nicht vielleicht sogar zum Lachen bringt und ihr In- lassen. Er engagierte sich in einem Projekt, teresse weckt, weil es so verspielt und harm- das sich mit der Einbindung moderner Komlos aussieht“, erläutert Nagel und ergänzt: munikationstechnologien in die Welt des Au„Ich wollte einen Charakter kreieren und kei- tomobils befasste, und lernte dabei den früne Maschine.“ Sätze, die viel über das verra- heren Nissan Chef-Designer Mikio Fujito kennen. Der Kontakt hielt, auch nachdem Nagel ten, was den Designer antreibt. Eine seiner Lehrerinnen gab dem kreati- nach Halle zurückgekehrt war, um seine Dipven, technikbegabten Schüler den Tipp, eine lomarbeit vorzubereiten. Sein Thema: alternaAusstellung der Hochschule für Kunst und tive Antriebstechniken. Er entwarf ein MobiDesign auf Burg Giebichenstein in Halle zu litätskonzept für die Städte der Zukunft, bebesuchen. Nagel war sofort fasziniert, wollte schrieb also, wie sie in einigen Jahrzehnten hier studieren. Als er den Immatrikulationsbe- aussehen könnten. Es war, so sagt Nagel, eine scheid erhielt, ging für ihn ein Traum in Erfül- Vision, in der es ihm darum ging, „dem ‚Doglung. „An diesem Tag war der Grundstein zu ma‘ des Automobils, wie wir es kennen, zu alledem gelegt, was ich bis heute getan, er- entkommen“. Und zwar mittels verschiedenreicht und erlebt habe“, sagt er. Nach zweiein- artiger Fahrzeuge und sich langsam bewe-


›30 ›30 Der Pivo 2 ist eine Konzeptstudie von Nissan. Die Fahrgastkabine lässt sich um 360 Grad drehen und alle vier Räder sind über Elektromotoren einzeln ansteuerbar. Der Pivo soll vor allem Frauen ansprechen.

gender Wohnhäuser. Während dieser Zeit reifte sein Berufswunsch, Auto-Designer, und Tobias Nagel entschied sich zu einem Aufbaustudium in „Transportation Design“, um sich stärker zu spezialisieren. Zielort diesmal: das Royal College of Art in London. Noch bevor er die Zusage bekam, traf er sich erneut mit Mikio Fujito, der einen Blick auf Nagels Diplomarbeit werfen wollte – und von dessen Denkansätzen begeistert war. „Er fragte mich aus

„Die Industrie muss sich damit befassen, wie sie eine ‚ehemalige‘ Kundschaft bedienen kann, die im Besitz eines Fahrzeugs keine erstrebenswerten Vorteile mehr erkennen kann.“ heiterem Himmel, ob ich mir vorstellen könne, nach meinem Studium in Tokio beim Nissan Creative Box Studio zu arbeiten.“ Vorstellen konnte sich Nagel das schon, doch er wollte zuvor nach London. „Ich kann heute von unglaublichem Glück sprechen, dass Nissans

Antwort so pragmatisch wie großzügig ausfiel.“ Denn die Japaner boten ihm an, das zweijährige Studium zu finanzieren, wenn er anschließend beim Creative Box Studio arbeiten würde. An der königlichen Kunsthochschule setzte er sich mit Mobilitätskonzepten auseinander. „Perceptions of Freedom“ (Auffassungen von Freiheit) lautete der Titel seiner Dissertation. „Dass Mobilität so oft mit dem Automobil gleichgesetzt wurde, störte mich, und ist meiner Ansicht nach auch ein Grund, warum sich die westliche Automobilindustrie in einer Krise befindet“, meint Nagel. Er suchte nach Wegen, wie Flüsse oder Meeresbuchten in den Metropolen als Lebens- und Verkehrsraum genutzt werden könnten, entwarf schwimmende Wohn- und Büroeinheiten – quasi die Abkehr von der Immobilie zur „Mobilie“. Ein Gedanke, den er in Tokio bestätigt sieht. Er empfindet die Stadt als „nervtötend und faszinierend“, als „überraschend, inspirierend und frustrierend zugleich“. Hier ist das Auto das langsamste und teuerste Fortbewegungsmittel: „Die Industrie muss sich damit befassen, wie sie eine ‚ehemalige‘ Kundschaft bedienen kann, die im Besitz eines Fahrzeugs keine erstrebenswerten Vorteile mehr erkennen kann“, folgert Nagel.

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› 31 Der ITUBO wird mit Magnetschwebetechnik und Brennstoffzelle angetrieben. Tobias Nagels Entwurf für die Mobilität 2050.

› 32 Der moderne Großstädter der Zukunft könnte in diesen schwimmenden Häusern von Tobias Nagel wohnen.

› 33 Entwurf zur Innenausstattung des Nissan Pivo 1 von Tobias Nagel.

Während die Entwicklung aller Nissan-Fahrzeuge, die in den Verkauf gelangen, vor den Toren der Stadt vorangetrieben wird, befindet sich Nagels Arbeitsplatz in einem jungen, modischen Innenstadtviertel. „Wir entwickeln eine Vision für zukünftige Fahrzeugtypen, beschäftigen uns mit neuen Trends, Technologien und gesellschaftlichen Entwicklungen“, berichtet Nagel, der sich mit seinen 25 überwiegend japanischen Kollegen auf Englisch und in der Landessprache verständigt. In der Anfangsphase eines Projekts, wenn Ideen gesammelt und Konzepte entwickelt werden, arbeiten drei bis acht Designer in Gruppen zusammen. Je weiter ein Vorhaben gedeiht, desto mehr wird daraus ein kollegialer Wettbewerb um das beste Design. „Das Viertel Harajuku dient uns dabei als Fundgrube für neue Styles, Fashion und Trends vor allem jüngerer Generationen“, so Nagel.

Einige Ergebnisse des Thinktanks werden als „Concept Cars“ auf den großen Automessen gezeigt, die Ideen fließen in die Serienproduktion ein. So dürfte es auch den beiden ersten Projekten ergehen, die Tobias Nagel vor allem für Nicht-Fahrerinnen entwarf. Nur etwa zehn Prozent aller jungen Frauen in Tokio besitzen laut Nagel überhaupt einen Führerschein. Mit kraftstrotzenden Cabrios seien die anderen nicht zu gewinnen. Deshalb entschied sich der Designer für die Abkehr von typischen Attributen hin zu undynamischen, plumpen, niedlichen Formen. „Das war notwendig, um Sympathie bei denjenigen zu wecken, die Autos als aggressiv, laut und unpraktisch empfinden“, erläutert er. Da ist zum Beispiel die drehbare Fahrerkabine, die etwa das

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›34 › 34–36 In seiner Wahlheimat Japan begann Tobias Nagel sich intensiv mit analoger Fotografie auseinanderzusetzen. Demnächst erscheint sein zweiter Bildband.

Wenden in engen Straßen erleichtert. Die Reaktionen auf den „Pivo 1“ gaben Nagel Recht und er trieb das Konzept beim „Pivo 2“ weiter: Etwa mit vier unabhängig voneinan­der gesteuerten und um 90 Grad drehbaren Rädern, die seitliches Einparken ermöglichen. Die beiden Studien sind in erster Linie Technologieträger. Neue Lithium-Ionen-Batterien und Radnaben-Motoren werden wohl in der kommenden Generation von Elek­trofahrzeu­gen zum Einsatz kommen, erwartet der Designer. „Da das Styling der Pivos doch sehr gewagt ist, wird es nicht genau so auf der Straße zu sehen sein“, glaubt er. Doch als Inspiration für künftige Modelle hätten sie eine Zukunft: „Mit Sicherheit hat der Pivo den Grundstein für eine Reihe alternativer Konzeptfahrzeuge gelegt, wie den kürzlich vorgestellten ‚Land Glider‘, eines meiner letzten Projekte.“ Ständig in der Zukunft zu leben, das ist für ihn zur Grundhaltung geworden: „Dann stellt man sich einfach alles, was man sieht, auch in der Zukunft vor, malt sich aus, wie Gesichter altern, wie Zäune rosten und Städte sich ver-

›36 ändern.“ Diese Sicht auf das Leben korrespondiert mit seiner zweiten Leidenschaft, der Fotografie. Seit er in Japan ist, nimmt er sein Hobby ernst – und wird ernst genommen: Nagels Bilder sind in Ausstellungen zu sehen, ein zweiter Fotoband ist in Vorbereitung. Statt digital fotografiert er klassisch auf Filmmaterial. „Ich fand einen besonderen Reiz daran, mit Kameras aus den Sechziger- und Siebzigerjahren das moderne Japan festzuhalten“, erzählt er. Sein neuer Fotoband zeigt Autos, die in der Natur zum Verrotten abgestellt wurden. Abgelichtet hat er sie auf Motorradtouren quer durch das Land – über ein eigenes Auto verfügt Nagel nicht. Wie er seine Zukunft sieht? Japan ist dem Deutschen zur zweiten Heimat geworden, in der er sich sehr wohl fühlt. Doch festlegen möchte er sich noch nicht, die Neugier treibt ihn weiter. In Kürze will er seine Arbeit bei Nissan beenden und ein Jahr lang um die Welt reisen: „Ich möchte mich selbst mal wieder von außen sehen, außerhalb von Japan, inmitten anderer Kulturen.“

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Ausblick

Der Mensch im Mittelpunkt

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Dynamisch, flexibel, zielstrebig – Attribute, die eng mit Brunel verbunden sind. Das hat vor allem das vergangene Jahr gezeigt: Die Internationalisierung des gesamten Unternehmens wurde konsequent vorangetrieben, das Know-how-Netzwerk umfasst mittlerweile 33 deutsche und 90 internationale Standorte. Aber auch der Ausbau des Dienstleistungsspektrums wurde weiter forciert: Neben Ingenieuren, Informatikern und Technikern unterstützen immer mehr Betriebswirtschaftler und Manager die Kunden von Brunel länderübergreifend mit ihrem Expertenwissen.

gen und umfangreichen Berichten bietet Ihnen „Der Spezialist“ nun eine noch größere redaktionelle Vielfalt. Dafür haben wir eine Vielzahl neuer Rubriken, eine neue Schriftart und mehr Raum für Bilder eingeführt, was auch die Lesefreundlichkeit fördert. Das Ergebnis dieser Überarbeitung halten Sie in den Händen.

„Der Spezialist“ begleitet diese Entwicklung und wird daher künftig noch vielfältiger sein: Internationale Projekte, Fragestellungen und Entwicklungen sind ab sofort feste Bestandteile des Magazins. Format und Name bleiben gleich, die Optik und den redaktionellen Inhalt haben wir deutlich weiterent­ wickelt. Durch einen Mix aus kurzen Beiträ-

Herzlichst Gerjan Mazenier und Gunilla Pendt

Eines jedoch bleibt und rückt sogar noch mehr in den Fokus: Hinter jeder Idee, Technologie oder Dienstleistung stehen Menschen. Und genau um diese Experten, Querdenker und Antreiber wird es auch weiterhin in „Der Spezialist“ gehen.


Impressum Ausgabe 15 || April 2010

Neue Rubrik:

Leserfrage

REDAKTIONSANSCHRIFT Brunel GmbH, Redaktion „Der Spezialist“ Airport City, Hermann-Köhl-Str. 1, 28199 Bremen redaktion@der-spezialist.de Telefon 0421 / 1 69 41-14

HERAUSGEBER Brunel GmbH

VERANTWORTLICHER REDAKTEUR (V. I. S. D. P.) Drs. Johan Arie van Barneveld, RA, CEO, Brunel International N. V., General Manager Brunel GmbH

REDAKTION Dialog Public Relations, Bremen GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen

GESTALTUNG

„Klug fragen können ist die halbe Weisheit.“ Francis Bacon, englischer Philosoph und Staatsmann, 1561–1626

GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Bremen

FOTOGRAFIE (COPYRIGHTS) Sofern nicht abweichend, alle Angaben als Bildnummern: GfG / Gruppe für Gestaltung (Titel, 01, 02, S. 20–23, S. 30, 13, S. 37, S. 42, S. 46, S. 58), Tobias Nagel (03, S. 54, 30–36), Hermann Albers (BWE) (S. 6), dpa / Picture-Alliance (04, S. 11, S. 18–19, 15, 18, 22, 29), Vestas Central Europe (05), Marko Schwarz/Morelli (06, S. 16), Brunel GmbH (S. 10, 08, S. 13), Thomas Lünendonk (S. 15), Getty Images (S. 23, 11, 21), AREVA (10), Axel Hess (S. 26), Jens Ennen (S. 28), Manitowoc Crane Group Germany GmbH (12, 14), Claus Ableiter (16), Wikipedia (17), Wikimedia Commons (19–20), Markus Fühne (S. 40), Jörg Papke (S. 41), Dietmar Kraas (S. 44), Bombardier Transportation (Signal) Germany GmbH (23), Panthermedia (24), Axel Ekkernkamp (S. 48), Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) (25–28), www.windkraftkonstruktion.vogel.de (S. 52–53)

DRUCK Druckerei Girzig + Gottschalk GmbH, Bremen

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Haben Sie eine knifflige Frage aus den Bereichen Technik und Naturwissenschaften? Sind Sie trotz Google und Wikipedia immer noch auf der Suche nach einer Antwort? Dann schicken Sie uns einfach Ihre Frage. Wir finden den passen­den Brunel Spezia­ listen, der Ihrer Frage in einer der kommenden Ausgaben in unserer neuen Rubrik ­„Leserfrage“ mit seinem Know-how und seiner Erfahrung auf den Grund geht. redaktion@der-spezialist.de


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