INSIDE News aus der Literaturszene Ein Huhn namens Merkel
Martin Walker
Der Historiker, politische Journalist und Schriftsteller Martin Walker zog 1999 mit seiner Familie in den wunderschönen Südwesten Frankreichs. Hier, im Périgord, erfand er „Bruno“ – den „Chef de police“, der seit 12 Jahren im Mittelpunkt seiner höchst erfolgreichen Kriminalromane steht. Jeweils im April erscheint ein neuer „Bruno“ auf Deutsch, mit dem Walker immer im Mai auf Lesereise geht. Neues Buch – ja. Lesetermine – nein. Aber nach sieben Monaten Corona-bedingtem Lockdown war der gebürtige Schotte Anfang September erstmals wieder außerhalb seiner Wahlheimat in Hamburg unterwegs. Die ausgefallene Reise „durch kleinere und mittlere Städte“ fehlt dem bekennenden Spargelfan sehr: „Der Monat Mai ist Spargelzeit. Und in jeder Stadt sagt man mir: „Wir haben hier den besten Spargel in Deutschland.“ Seine langjährige Arbeit als politscher Journalist hingegen vermisst er nicht. „Ich verstehe die heutige Politik nicht mehr. Auch nicht, wie meine Landsleute für den Brexit und amerikanische Freunde für Trump stimmen können“, sagt der Studienfreund von Bill Clinton. Eine hemmungslose Untertreibung. Über die Tiefe seines mentalen Abschiedsschmerzes von der großen Politik lässt sich leichter spekulieren, wenn man einen Blick auf die Namensgebung seiner ersten Hof-Hühner wirft: „Zunächst hatte ich nur einen Hahn, der „Sarko“ hieß, nach dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.“ Dann war da „die Hübsche – Carla Bruni. Das den ganzen Tag eifrig herumpickende Huhn hieß Hilary Clinton. Es gab die Übellaunige, Flügelschlagende, die die anderen Hühner ständig wegschubste. Die immer zuerst da war, wenn es Futter gab – Margaret ‚Maggie‘ Thatcher. Und Angela Merkel war das Huhn, das regelmäßig die meisten Eier gab.“ Leider ist die Lebens- und Amtszeit von Martin Walkers Polit-Hühnern inzwischen naturgemäß abgelaufen. „Aber Sarko und Angela haben mir ein gemeinsames Geschenk dagelassen – ein neuer Hahn, dessen Eltern sie sind. Ich habe ihn Macron getauft.“
Paul, Herr Taschenbier und das Sams
Anlässlich des Erscheinens seiner Kindheitserinnerungen Wie alles kam. Roman meiner Kindheit gab der 82-jährige Sams-Erfinder Paul Maar jetzt in einem bewegenden Gespräch Auskunft über seine finsteren, von Schlägen des Vaters, Gewalt und Lesefeindlichkeit geprägten frühen Jahre; das Paradies bei seinen Großeltern; seine an Demenz erkrankte, geliebte Frau Nele; über Liebe, Hoffnung und den Einfluss der Kindheit auf sein Werk. Aber auch über Herrn Taschenbier aus den Sams-Romanen und dessen reales Vorbild – ein sehr schüchterner und stiller Bürogehilfe namens Wenner. „Mein Vater ließ auch an ihm seine schlechte Laune aus. Nur vor uns Kindern zeigte er sich ohne Scheu. Es war sehr traurig, das mit anzusehen, aber als Jugendlicher konnte ich ihm nicht helfen.“ Als erwachsener Autor stellte er ihm dann aber eine Figur zur Seite, „die all das verkörpert und im Übermaß besitzt, was ihm abgeht: Lebensfreude, Witz, Mut, Selbstsicherheit und eine große Portion Frechheit: das Sams.“
Paul Maar
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