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om 14. bis 18. Oktober präsentiert sich die Frankfurter Buchmesse als Special Edition 2020 – das heißt, sie ergänzt coronabedingt ihr reduziertes real stattfindendes Programm auf dem Messegelände mit innovativen virtuellen Formaten (weitere Infos unter www.buchmesse. de). Komplett verschoben wurde der geplante Gastlandauftritt: Statt diesen Herbst wird Kanada erst 2021 mit seinen Autoren und Autorinnen die
gemeinsamen Wurzeln und Werte feiern und durch ihre literarischen Stimmen in Englisch, Französisch und indigenen Sprachen seine einzigartige Vielfalt erklingen lassen. Einen wunderbaren Vorgeschmack auf das Motto Singular Plurality/Singulier Pluriel bieten diese beiden herausragenden Romane, die mal ins Zentrum Torontos und mal mitten hinein in die Wälder von Greenwood Island in British Columbia führen.
Vielsagendes Schweigen
machte?“, fragt sich Tom, der schließlich mitten in Toronto bei seiner Tante Rose und dem Weltenbummler-Onkel Will unterkommt. Dort wird Toms Schweigen zu einer mächtigen Präsenz, die es dieser zerrütteten Familie ermöglicht, einander erstmals wirklich zu hören … „Eines der besten kanadischen Debüts des Jahres!“, schrieb Montreal Gazette über das einfühlsame Debüt der Deutsch-Kanadierin Wiebke von Carolsfeld.
Wiebke von Carolsfeld Das Haus in der Claremont Street 368 S., 20,00 € eBook 16,99 € Kiepenheuer & Witsch
Den Jahresringen eingeschrieben Michael Christie Das Flüstern der Bäume 560 S., 20,00 € eBook 16,99 € Penguin
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Kanada
Farbenprächtige Familiensaga und atmosphärisch dichte Öko-Parabel in einem: Mit Das Flüstern der Bäume ist dem Kanadier Michael Christie ein wahres Meisterwerk geglückt! Wie die Jahresringe eines Baumes überlagern sich in diesem Roman einzelne Schicksale der Familie Greenwood, die seit Generationen eines verbindet – der Wald. Auf diese Spur kommt Jacinda Greenwood, die als Naturführerin auf Greenwood Island arbeitet und die Namensgleichheit für reinen Zufall hält. Bis eines Tages ihr Ex-Verlobter vor ihr steht. Im Gepäck hat er das Tagebuch ihrer Großmutter, in dem sich für Jacinda sowohl ihre Familiengeschichte als auch die besondere Bedeutung des Waldes aufblättert: Er bietet Auskommen, ist Zuflucht und Grund für Verbrechen und Wunder, Unfälle und Entscheidungen, Opfer und Fehler. Eine grandios vielschichtige Lektüre.
Bild: © i viewfinder/Shutterstock.com | Text: Tina Rausch
Der kleine Tom ist verstummt. Seit er hautnah miterleben musste, wie seine Eltern im eigenen Heim auf schreckliche Weise starben, bringt er kein Wort mehr über die Lippen. Mit Tante Sonya nimmt ihn zuerst die unfreiwillig kinderlose Schwester seiner Mutter auf – doch sie dringt einfach nicht durch zu dem schwer traumatisierten Jungen. „Warum bloß mussten Erwachsene immer reden, wenn das doch alles nur viel schlimmer