Buchszene III/2020 - Das Magazin für Bücherfreunde

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Wir sind doch einfach Europäer

Martin Graff Grenzkabarett – Je t’aime, ich liebe dich 84 S., 12,90 € Morstadt

Er ist ein erfahrener Wanderer zwischen zwei Welten. Martin Graff, Autor und Filmemacher aus dem Elsass. Basierend auf dem Theaterstück Sause in Versailles – la grande bouffe, mischt er sich mit seinem jüngsten Buch Grenzkabarett – Je t’aime, ich liebe dich in die deutsch-französischen Befindlichkeiten ein. Ein sprachmächtiges, freches Feuerwerk von auch herbem Esprit. Natürlich zweisprachig! Keine Stärke, kein Fehler entgeht seinem satirisch bis humoresk geprägten Blick. In „schonungsloser Freundschaft“ führt er uns durch den dichten Dschungel der deutsch-französischen Klischees. Ob Erotik, Gastronomie, Wirtschaft oder Politik. Kein Schlachtfeld wird ausgelassen. Graffs mutige Grenzverletzungen fegen den letzten Mief nationaler Trägheit und Banalität aus den Köpfen. Eine gute Gelegenheit, sich wieder europäischen Träumen zu widmen.

Ijoma Mangold

Foto: © Christian Werner | Text: Reinhard Leipert

Geboren 1971 in Heidelberg, wuchs bei seiner Mutter, einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, auf. Seinen Vater, einen nigerianischen Kinderchirurgen, lernte er erst als Zweiundzwanzigjähriger kennen. Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München und Bologna. Nach Stationen bei der Berliner Zeitung und der Süddeutschen Zeitung wechselte er 2009 zur Wochenzeitung Die Zeit, deren Literaturchef er von 2013 bis 2018 war. Inzwischen ist er kulturpolitischer Korrespondent der Zeitung.

Nicht mit dem Bauch denken Das ist Politik mit anderen Mitteln: das politische Tagebuch. Ijoma Mangold hat dieses Medium gewählt, um seine direkten Reaktionen auf den politischen Alltag zu registrieren und zu reflektieren. Auf Trump und Greta, auf Boris Johnson, den Hansdampf in allen Mediengassen, auf den Mietendeckel, den Terror in Hanau, das Corona-Virus. Seine Diagnose: Die Eindeutigkeit ist aus der Politik

verschwunden. Sie wird ersetzt durch Reflexe und Schnappatmung, durch Wut und Widersprüche. Mit einem Wort: Der innere Stammtisch ist das neue Modell der Zivilgesellschaft! Das Unreflektierte, die Affekte werden zu politischen „Tugenden“. Eine gefährliche Entwicklung. Denn am Ende der selbstverschuldeten Unmündigkeit meldet sich allzu oft die Barbarei.

Romantik Komik Weisheit Gänsehaut Unterhaltung

Ijoma Mangold Der innere Stammtisch 272 S., 22,00€ eBook 19,99 € Rowohlt

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