Stiftspostillchen 2012

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Stiftspostillchen Frühjahr 2012

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> Stola aus Bethlehem Annemarie Badawi-Rausch · Carl-Mez-Haus

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Vorfrühling Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung an der Wiesen aufgedecktes Grau. Kleine Wasser ändern die Betonung. Zärtlichkeiten, ungenau, greifen nach der Erde aus dem Raum. Wege gehen weit ins Land und zeigens. Unvermutet siehst du seines Steigens Ausdruck in dem leeren Baum. Rainer Maria Rilke

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Inhalt

5 Geistlicher Impuls Ulrike Oehler 6 Editorial 10 Haus Schloßberg Die kleinen Entdecker 12 Carl Mez Haus und Haus Gottestreue Lesen, erinnern, erzählen … 14 Haus Münsterblick Geselligkeit mit Stil 15 Albert-Ria-Schneider-Haus Wohnen mit Studenten 18 Seniorenzentrum Gundelfingen Rückschau und Ausblicke 22 »Grüßen Sie die Nordsee von mir…« Porträt 26 Begegnungsstätte Termine und »Schätze in Stoff« 29 Impressum 30 Unterstützen Sie das Evangelische Stift

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Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von 1 Petrus 1,3 den Toten.

Ostern Wir gehen mit großen Schritten auf Ostern zu. Ostern, das Fest der Auferstehung. Ostern vermittelt uns, dass wir für Gott einen unendlichen Wert haben. Hier erfahren wir den größten Liebesbeweis! Menschen, die diese Liebe annehmen, müssen sich selbst nicht mehr rechtfertigen, sie sind es durch die Auferstehung Jesu; sie müssen sich nicht wichtiger machen, denn sie sind wichtig für Gott und durch Gott. So entsteht daraus ein tiefes Vertrauen und eine lebendige Hoffnung und wird so stark, dass wir den Mut und die Kraft bekommen, die wir brauchen, Tag für Tag, und die uns über die Grenze des Todes hinwegträgt.

Ostern, das Fest des Lebens!

Mit österlichen Grüßen Ihre Stiftspfarrerin Ulrike Oehler

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Liebe Leserin, lieber Leser, auf die dynamische Entwicklung des Evangeli­ schen Stifts können wir wirklich stolz sein. Projekte wie das Intergenerative Wohnen mit Studierenden, die Kleinkindbetreuung oder die Zusammenarbeit mit den Freiburger Hochschulen als Akademische Lehranstalt haben dazu beigetragen, dass wir heute nicht mehr als Problemfall, sondern als innovatives Vorzeigeunternehmen wahrgenommen werden. Das ist gut so. Nicht nur die Menschen, auch die Märkte entwickeln sich weiter. Deshalb müssen wir uns da­ rüber klar sein, dass das Evangelische Stift Zukunft bewusst gestalten muss. Maßvolles Wachstum ist die Basis für wirtschaft­ liche Stabilität. Schon seit September letzten Jahres hat das Evangelische Stift über einen Geschäfts­ besorgungsvertrag die Leitung der Pflegeheime ­Blumenfeld im Landkreis Konstanz übernommen. Seit Januar gibt es außerdem einen Management­ vertrag mit dem Evangelischen Altenpflegeheim Stockach. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden dort 32 Betreute Wohnungen und 86 Pflegeplätze im Hausgemeinschafts-Modell gebaut. Da das Evangelische Stift solche Investitionen natürlich nicht selbst tragen kann, haben wir uns hierfür einen Bauträger als Investor gesucht. Auch für das Evange­lische Altenpflegeheim Bretten bei Karlsruhe übernahm das Evangelische Stift Freiburg zum 1. Januar die Verantwortung. Das dreißig Jahre alte Gebäude kann nicht mehr nach den gesetzlichen Auflagen saniert werden, deshalb haben wir hier ebenfalls einen Investor gefunden, der im Herbst diesen Jahres mit dem Neubau beginnt. —6—


Es gibt aber auch vor Ort so viele Dinge, die oft bei­ nahe geräuschlos vor sich gehen und die doch für das Stift elementar wichtig sind. Ich denke da zum Beispiel an unsere Pfarrstelle, in der Pfarrerin Ulrike Oehler hervorragende Arbeit leistet. Sie tut das als Seelsorgerin ebenso wie bei der Gestaltung der ­Gottesdienste, oder wenn es um die Ideenfindung und Organisation im Bereich Ehrenämter geht. Das Stift kann sich die Pfarrstelle nicht mehr leisten, deshalb haben wir für eine Lösung gekämpft, die Frau Oehlers Arbeit auf Dauer absichert. Die Evangelische Landeskirche und der Freundeskreis des Evange­ lischen Stifts sind bereit, einen Teil des Deputats ­finanziell zu tragen. Wir möchten auch in Zukunft vorne mitmischen. Spannende Entwicklungen, die wir behutsam und mutig zugleich begleiten möchten, gibt es aktuell im Bereich Pflege und Technik, aber auch bei interna­ tionalen Partnerschaften. Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Freude mit dem Stiftspostillchen, frohe Frühlingstage und eine er­ füllte, gesegnete Zeit.

Herzlichst Ihr

Hartmut von Schöning Stiftsvorstand

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> Tischdecke aus Russland Gertrud Schmitt · Carl Mez Haus

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Haus Schloßberg

Die kleinen Entdecker »Hallo, hallo, schön dass wir da sind, hallo, hallo, schön dass Sie hier sind…« Das Erkennungslied, das künftig die Begegnungen der Kinder mit den Senioren einleiten soll, wird schon mal geprobt, und der kleine Linus hämmert begeistert ein paar hohe Töne auf dem Klavier dazu. Zwischen einem und drei ­Jahren alt sind die Kinder, die in der Betreuungsgruppe »Die kleinen Entdecker« mitten im Evange­ lischen Stift untergekommen sind. Momentan tummeln sich hier gerade vier Jungs, maximal sollen es acht Kinder werden, die von Kornelia Krahé und ­Friederike ­Funda betreut werden. Die früheren Tagespflege-Räume im Haus Schloßberg sind zu einer schönen, großzügigen Kinder­ tagesstätte umgebaut worden, die von den beiden selbständigen Tagesmüttern angemietet wurden. Der Tages­mütterVerein Freiburg e.V. unterstützt das Projekt mit Rat und Tat und regelmäßigen Fortbildungen. Schon während der Bauphase re­ agierten die Senioren sehr positiv, erzählt Kornelia Krahé. Trotz des Baulärms freuten sie sich sichtlich auf das, was entstand. Im September letzten Jahres zogen die ersten Kinder ein. Bei den Eltern scheint das Betreuungsangebot von 8 bis 16 Uhr ebenfalls gut anzukommen: Es gibt bereits eine Warteliste. Auch Kinder von Mitarbeitern des Stifts könnten hier betreut werden. Oskar sitzt bei Musikpädagogin Friederike auf dem Schoß, während sie mit Linus Klavier spielt, — 10 —


und Leandro und Gabriele sich nebenan mit klappernden Wackeltieren amüsieren. Der Kontakt zwischen Alt und Jung läuft erst ganz behutsam an: »Die Kinder müssen mit ihren Bedürfnissen im Vordergrund stehen, deshalb machen wir es vorsichtig, Schritt für Schritt«, erklärt Kornelia Krahé. Jeden Dienstag gehen sie mit der ganzen Gruppe ins Foyer, wo die Senioren sich zur Singstunde treffen. Natürlich begegnen sich Kinder und Stiftsbewohner auch beim Spaziergang im Stiftspark und in der näheren Umgebung. Einzelne Kinder werden auch schon mal mit auf eine Station des Pflegeheims genommen, wo man sie freudig empfängt. Friederike Funda machte dort neulich eine Beobachtung, die sie besonders rührte: Eine demenzkranke Dame, die sonst keine Reaktionen mehr zeigte, winkte den Kindern plötzlich mit einem Finger nach, als die sich wieder verabschiedeten. Für die Zukunft sind neben einem wöchentlichen gemeinsamen Frühstück auch Ausflüge mit Alt und Jung geplant. Sylvia Schmieder — 11 —


Carl Mez Haus und Haus Gottestreue

Lesen, erinnern, erzählen … Neun Damen und zwei Herren sitzen im Raum Schauinsland im Halbkreis. Die meisten von ihnen sind über neunzig Jahre alt. So verschieden sie sind, in einem sind sie sich einig: Gäbe es diesen Lesekreis nicht, würde er ihnen sehr fehlen: »Wir kommen so gern hierher!« Helga Stebner, Pflegedienstleitung und stellvertretende Hausleitung im Carl-Mez-Haus, leitet den wöchentlichen Lesekreis nun schon seit rund 18 Jahren. Momentan wird gerade ein Buch von Angela Elis gelesen, »Bertha Benz – Mein Traum ist länger als die Nacht«. Frau Stebner liest vor, eine wichtige Erleichterung vor allem für die, die nicht mehr so gut sehen oder hören können. Es geht um die Geschichte der Ehefrau des berühmten Erfinders Carl Benz. »Sie war die erste Frau in ganz Deutschland, die Auto gefahren ist!« erklären die Damen. Welchen Mut Bertha das damals gekostet haben muss, können sie gut nachvollziehen – schließlich gehören sie selbst einer Generation an, in der nur ganz wenige Frauen sich hinters Steuer wagten. Auch unter den Frauen hier gibt es nur einzelne, die einen Führerschein gemacht haben. Frau Offerhaus zum Beispiel war immer gern mit ihrem VW unterwegs. »Das würde ich heute noch machen, wenn’s die Augen noch täten!« versichert sie

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schmunzelnd. Auch die Männer in der Runde, Herr Triebert und Herr Höflinger, wissen von Autoreisen zu berichten. Für die anderen war ein weniger komfortables Verkehrsmittel wichtig, das heute aus Umwelt- und Gesundheitsgründen wieder schwer in Mode gekommen ist: das Fahrrad. Sie kommen aus allen Gegenden Deutschlands: aus Schleswig-Holstein oder Niederschlesien, aus Ostpreußen, Banater-Schwaben, Nordrhein-Westfalen oder Berlin. Eine Freiburgerin ist immerhin auch dabei. »Sie alle hier haben so viel zu erzählen«, sagt Helga Stebner, und berichtet mit leuchtenden Augen von den spannenden Details in den schönen Sprachmelodien und Dialekten, die sie hier zu hören bekommt. »Hier soll jeder sagen, was ihn bewegt, und es macht nichts, wenn das Gespräch manchmal ­abschweift. Dann holen wir es einfach wieder zum Thema zurück. Die Teilnehmer gehen sehr rücksichts­ voll und gut miteinander um«, erklärt sie. Der Lesekreis ist also vor allem auch ein Gesprächskreis? Ja, bestätigen die Damen, sie werden durch die Lektüre immer wieder an ihre eigene, bewegte Vergangenheit erinnert. Manchmal wird auch gesungen, zum Beispiel, wenn durch die Lektüre die alten Schlager der Nachkriegszeit wieder ins Gedächtnis kommen. Die Gemeinschaft in der Gruppe genießen sie sehr. »Man redet ja sonst nur zu zweit oder dritt miteinander. Deshalb ist das hier etwas Besonderes!« Sylvia Schmieder

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Haus Münsterblick

Geselligkeit mit Stil Schon beim Betreten der Empfangshalle fühlt man sich individuell betreut und findet einen kompetenten Ansprechpartner. Die Mitarbeiter am Empfang und in der Hauswirtschaft stehen für die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner jeden Tag – auch am Wochenende und feiertags – zur Verfügung. In dem Haus mit seinen 30 Servicewohnungen finden interne Veranstaltungen wie zum Beispiel Spielenachmittage, ein Literaturkreis und eine ­monatliche Hausandacht statt. Selbstverständlich werden auch die Feste rund ums Jahr gefeiert wie Fastnacht, Frühlingskaffee oder die Maibowle. Im Sommer wird auf der Erdterrasse gegrillt und im Herbst gibt es Zwiebelkuchen und Neuen Süßen. Nicht zu vergessen der Adventsnachmittag, den die Bewohner selbst gestalten, und die Vorweihnachtsfeier im festlichen Rahmen. Auch an Heiligabend trifft man sich zu einer gemeinsamen Feier. Das Kultur- und Begegnungsprogramm der Begegnungsstätte steht den Bewohnern zusätzlich offen. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre im Haus. Das spürt man auch daran, dass die Bewohner mittlerweile ihre Geburtstage im Speisesaal feiern und hierzu nicht nur Familie und Freunde, sondern auch Mitbewohner und Personal einladen.

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Albert-Ria-Schneider-Haus

Wohnen mit Studenten »Ich muss Sie enttäuschen«, sagt Detlef Theobald, »es gibt so gut wie keine Probleme!« Vor zwei Jahren startete das Projekt »Studierende wohnen im Se­ niorenheim« des Evangelischen Stifts in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg. Theobald studiert selbst Religionspädagogik, gehört aber als Mittvierziger zur mittleren Generation und hat im Albert-Ria-Schneider-Haus die Funktion des Ansprechpartners vor Ort übernommen. »Nur eins ist wichtig: Zu Beginn, wenn neue Studenten einziehen, die Erwartungshaltungen abzuklären.« Denn die jungen Leute meinten oft schon zu wissen, womit sie den Senioren Gutes tun könnten, und da irrten sie sich manchmal. Auch hätten Studenten nun mal einen Tagesablauf, der nicht zu dem der Senioren passe. Deshalb müsse man sich gut absprechen. Das sei aber auch schon alles. — 15 —


»Die Senioren freuen sich einfach nur, dass Leben in die Bude kommt!« Das Projekt wurde aus einer doppelten Not geboren. Im Albert-Ria-Schneider-Haus gab es Leerstände, und das Stift musste darüber nachdenken, es zu schließen. Andererseits suchten Studenten in Freiburg händeringend nach bezahlbaren Zimmern. Professor Kerstin Lammer, Leiterin des Studiengangs Religionspädagogik an der EH und das Stift entwickelten daraus eine Idee, die es davor nur in Privathaushalten gab: Studierende bekommen ein Zimmer im Haus und sind etwa fünf Stunden pro Woche für die Senioren da. Dafür erlässt man ihnen einen Teil der Miete. Die Studierenden organisieren einen regelmäßigen Spiele- oder Literaturkreis oder begleiten die Senioren zum Einkaufen oder zum Arzt. Eine Computerecke wurde eingerichtet, ein PC-Kurs wird hier stattfinden. Der regelmäßige Stammtisch erfreut sich großer Beliebtheit. Für den aktuellen Bedarf — 16 —


an kleinen Dienstleistungen bewährt sich ein einfaches System: Die alten Bewohner ­werfen Briefchen mit ihren Wünschen in einen dafür vorgesehenen Kasten. Die jungen Mieter leeren ihn regelmäßig und sprechen untereinander ab, wer was erledigt. Auch einen Ausflug mit einer großen Gruppe nach Sulzburg haben sie schon organisiert. Aber wie geht es den jungen Leuten selbst mit diesem ­Projekt? »Sie profitieren viel«, ist Theobald überzeugt. Die ­Altersbilder ändern sich, werden vielfältiger und konkreter. Sie lernen, sich einzufühlen, über die ­Generationengrenzen hinweg. Manche Studenten erzählen, dass sie jetzt mit anderen Augen durch die Stadt gehen und die vielen Hindernisse sehen, die den Alten das Leben schwer machen. Andere setzen sich mit dem Thema Tod auseinander und sind ­beeindruckt, wie die Senioren damit umgehen. Weil die Studierenden jeweils nur zwei Semester bleiben dürfen, ist jetzt schon die »dritte Genera­ tion« mit momentan zehn jungen Leuten hier. Der Abschiedsschmerz ist jedes Mal groß. Gerade die Senioren tun sich schwer mit der Regelung. »Im Alter gewöhnt man sich nicht so schnell an neue Menschen«, gibt Detlef Theobald zu bedenken. Doch die Hochschule will die preiswerten Zimmer mit pädagogischem Mehrwert möglichst vielen Studierenden anbieten und fordert deshalb Flexibilität und Offenheit ein – bei Alt und Jung. Sylvia Schmieder — 17 —


Seniorenzentrum Gundelfingen

Rückschau und Ausblicke Neujahrsempfang im Seniorenzentrum Es ist bereits zur Tradition geworden, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenzentrums Gundelfingen zur Begrüßung des neuen Jahres in die Gaststätte »Ochsen« eingeladen werden. Der neue Ochsenwirt hatte die Tische festlich gedeckt. Stiftsvorstand Hartmut von Schöning blickte in seiner Ansprache auf das Jahr 2011 zurück. Hausleiter Peter Penno ergänzte diesen Vortrag mit interessanten statistischen Daten und einem Ausblick auf die Pläne für das neue Jahr. Yasmin Schmieder

Aktionstag zum Tag der offenen Tür Am Samstag, den 28. April öffnet das Seniorenzentrum von 14 bis 17 Uhr seine Türen für alle Inte­ ressenten, mit Führungen durch das Haus und in ­einzelne Wohnungen. Verschiedene Kooperationspartner stellen sich dabei mit ihrem Angebot vor. Zeit und Raum für Gespräche mit Bewohnern gibt es bei Kaffee und Kuchen in der Tagespflege. Yasmin Schmieder — 18 —


Ehrenamtlichen-Kreis Seit einigen Jahren gibt es im Seniorenzentrum Gundelfingen einen sehr aktiven EhrenamtlichenKreis. Die Aufgaben der Helferinnen und Helfer sind sehr vielseitig. Sie unterstützen die Pflegekräfte bei Mahlzeiten, begleiten die Bewohnerinnen und Bewohner bei Spaziergängen, engagieren sich mit Gesellschaftsspielen oder sind einfach nur da und halten die Hand, wenn es jemandem einmal nicht gut geht. Viele der Ehrenamtlichen kommen mehrmals in der Woche in den vollstationären Pflegebereich und ins Betreute Wohnen. Seit Januar bieten wir für sie in Kooperation mit der Kirchlichen Sozialstation Nördlicher Breisgau und der Gemeinde Gundelfingen einen Qualifizierungskurs zum/zur Demenzhelfer/in an. Zu diesem Kurs haben sich die Ehrenamtlichen zahlreich angemeldet. Wir freuen uns über das große Engagement und sagen ein herzliches Dankeschön für die vielen Hilfen, die wir durch den Ehrenamtlichen-Kreis täglich erhalten. Peter Penno und Liesa Schiller — 19 —


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> Bluse mit Hardanger Stickerei Anneliese Werlein · Carl-Mez-Haus

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Das Porträt

Grüßen Sie die Nordsee von mir…« Im März wird Anneliese Werlein 99 Jahre alt. Doch die ersten fünf Jahre ihres Lebens waren die glücklichsten, versichert sie. Dabei waren das schwere Zeiten: Ein Jahr nach ihrer Geburt in Wilhelmshaven an der Nordsee begann der Erste Weltkrieg. Der Vater kämpfte in der berüchtigten Skagerrak-Schlacht als Marineoffizier und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Er musste ein Jahr vom Dienst freigestellt werden. Dann kam der Hungerwinter 1917, an den Frau Werlein sich bewusst erinnert. »Ich habe mich damals immer in ein Schlaraffenland hineingeträumt.« Was hat sie also eigentlich glücklich gemacht, damals? »Mein Vater. Er war ein so wunderbarer Mensch, der leider zu früh gestorben ist.« Anneliese wurde als Älteste von vier Geschwistern geboren, zwei von ihnen leben noch, wohnen aber weit weg. Sie hätten sich damit abgefunden, sagt sie ernst, dass sie sich nicht mehr sehen werden. Als Anneliese zwölf Jahre alt war, zog die Familie nach Berlin. Wegen der Umstellung des Schulsystems 1925 wurde sie in eine Obertertia gesteckt, für die sie viel zu jung war. Den Schulstoff von zwei Jahren hätte sie in einem lernen müssen, das war zu viel, sie musste die Klasse wiederholen. Eine schwierige Erfahrung, von der sie sich aber in der spannenden Großstadt Berlin bald erholte. Eine Freundin der Familie arbeitete an der Theaterkasse und besorgte preiswerte Karten, »also war ich dreimal in der ­Woche im Theater. Das war großartig!« Sie ging in Opern und Konzerte, sah all die berühmten Schauspieler – und musste miterleben, wie nach der Machtergreifung der Nazis das Kulturleben verarm— 22 —


Die ersten fünf Jahre meines Lebens waren die glücklichsten, sagt Anneliese Werlein

te. Die junge Frau las plötzlich seltsame Zettel, an die Linden der Brandenburgischen Straße geheftet, in der sie zu Hause war. Juden, die ausreisen mussten, boten hier alles an, was sie nicht mitnehmen konnten. Auf einer Silvesterparty lernte sie ihren späteren Mann kennen, da war sie gerade zwanzig. »Er wollte sofort heiraten. Aber mein Vater wollte mich nicht so schnell hergeben.« Er mahnte, wenigstens zu warten, bis sie 22 Jahre alt sei – also wurde wenige Tage nach diesem Geburtstag geheiratet. Zwei Kinder ­kamen, während der Zweite Weltkrieg über Berlin he­reinbrach. Eine Zeitlang gab es jeden Abend ­Bombenangriffe. Die 43 Mietparteien ihres Hauses sammelten sich im Keller, wo sie sich alles andere als sicher fühlten. Ihr stockt noch heute der Atem, — 23 —


Das Wichtigste: Anderen Menschen eine Freude machen.

wenn sie daran zurückdenkt: »Die Angst war so fühlbar im Raum.« Also floh die Familie nach Bad Mergentheim, wo die Schwiegermutter ein großes Haus hatte. 1945 kam Annelieses Mann so ausgehungert aus dem Krieg zurück, dass sie sich fragte, »ob ich den überhaupt wieder hochbekomme.« Man wollte nur drei Wochen bleiben, doch es wurden sieben Jahre – eine quälend lange Zeit für sie. »Bad Mergentheim war damals stockkatholisch, auf eine sehr engstirnige Art und Weise. Das war ein riesiger Gegensatz zu Berlin. Ich hatte einen schweren Stand dort.« Immer wenn sie einen Möbelwagen sah, träumte sie davon, selbst fortzuziehen. Endlich bekam ihr Mann eine Stelle in einem Bankhaus in Mannheim. Zwei Jahre später wurde er — 24 —


nach Freiburg versetzt, wo sie jetzt schon bald sechzig Jahre zu Hause ist. Der Mann starb, als sie siebzig war. Da überkam sie die Reiselust, in eine Richtung, in die sie ihren Mann nie lotsen konnte: an die Nordsee. Insgesamt 52mal ist sie nach Norderney gefahren, auch in Schleswig-Holstein ist sie immer wieder gewesen, erzählt sie mit glänzenden Augen. »Wenn Sie mal nach Norderney fahren – grüßen Sie die See von mir!« Das aufmerksame Zuhören lag ihr immer, und sie kultiviert es noch heute. »Dadurch gewinnt man viel Menschenkenntis.« Sie wartete nie darauf, zufällig die Menschen kennenzulernen, mit denen sie sich verstand. »Ich habe einfach die angesprochen, die mich interessierten. Daraus haben sich wunderbare Freundschaften entwickelt.« Ihr Freundes- und Bekanntenkreis war groß – und doch wurde er mit dem Alter immer kleiner. »Eine nach der anderen ist gegangen. Das glaubt man nicht, wenn man so alt wird, wie einsam man dann wird.« 2007 fiel sie in eine schwere Depression und wurde auch körperlich immer hinfälliger. Sie wusste, dass etwas geschehen musste, doch der Umzug von ihrem schönen Zuhause in Herdern ins Evangelische Stift war ein schwerer Entschluss. Unter den wenigen Möbeln, die sie mitnehmen konnte, ist der runde Tisch mit den Spuren von Granatsplittern. Den hat sie aus Berlin retten können. Jetzt steht er mitten in ihrem Zimmer, und wer sie besucht, sitzt daran. Als sie hierher zog, war sie überzeugt: »Lang mach ich’s sowieso nicht mehr.« Jetzt ist sie schon vier Jahre im Evangelischen Stift und hat sich gut erholt. Was hält sie für besonders wichtig, im Leben? »Dass man anderen Menschen Freude machen kann. Andere Menschen haben mich sehr gebraucht.« Sylvia Schmieder — 25 —


Begegnungsstätte

Ausgewählte Angebote im Frühjahr Die Begegnungsstätte des Evangelischen Stifts in der Hermannstraße veranstaltet auch im Frühjahr wieder einen bunten Strauß vielfältiger Angebote, vom Französischkurs über Tai Chi oder Gymnastik bis hin zum Bücherplausch oder den »Musikalischen Lebensbildern«. Auch kleine Konzerte finden hier immer wieder statt. Die Veranstaltungen sind für alle Interessent(inn)en offen. Das vollständige Programm des aktuellen Monats finden Sie auch im ­Internet unter www.stift-freiburg.de.

9. März 2012 Tag der offenen Tür im Albert-Ria-Schneider-Haus

17. März 2012 Tag der offenen Tür in der Hermannstraße

7. – 11. Mai 2012 Seniorenfreizeit auf dem Thomashof

22./23. Mai 2012 KontakTee und Maientanz Als Teil ihrer Ausbildung zu zukünftigen Kulturmanagerinnen veranstalten vier Studentinnen der Business School Freiburg (ISW) zwei spannende Tage im Evangelischen Stift Freiburg. Im Rahmen dieses Projekts, das sich »KontakTee« nennt, werden am ersten Tag drei Workshops angeboten: Acrylmalen, Töpfern und ein Tanzkurs. Am 23. Mai findet der »Maientanz« statt, ein großer Tanztee in der Cafeteria, mit Live-Klaviermusik und Kaffee und Kuchen.

22. Juni 2012 Sommerfest in der Hermannstraße — 26 —


Textiles

Schätze in Stoff Dieses Stiftspostillchen hat Wolfgang Wick vom Büro Magenta mit »Schätzen in Stoff« gestaltet. In einer Spontanaktion in der Begegnungsstätte wurden schöne Stoffe von Bewohnerinnen und einer Besucherin der Begegnungsstätte fotografiert. Wir danken allen Stoffbesitzerinnen für ihre Mithilfe. Eine Ausstellung mit einigen Stoffen und Foto­grafien ist in Planung.

Alles wirkliche Leben ist Begegnung.

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Kontak Tee

Martin Buber


> Kimono aus Japan Hedwig Specht · Carl-Mez-Haus

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IMPRESSUM ......................... .. .. Herausgeber Evangelisches Stift Freiburg Hermannstraße 10 D-79098 Freiburg Telefon 0761 / 31913 – 0 info@stift-freiburg.de www.stift-freiburg.de .......................... .. . Redaktion Hartmut von Schöning (V.i.S.d.P.), Sylvia Schmieder, Barbara Gelbke, Sandra Prinich, Helga Stebner, Ulrike Oehler, Detlef Reuter .......................... .. . Textiles In dieser Ausgabe präsentieren wir Ihnen »Lieblingsstücke« von: Annemarie Badawi-Rausch, Gerda Herrmann, Gertrud Keller, Waltraut Neumann, Gertrud Schmitt, Hedwig Specht, Anneliese Werlein .......................... .. . Fotografie Stiftsarchiv, Marc Doradzillo, Patrik Schulz, Wolfgang Wick ......................... .. .. Gestaltung Büro MAGENTA, Freiburg ......................... .. .. Herstellung Furtwängler GmbH, Denzlingen ......................... .. ..

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Unterstützen Sie das Evangelische Stift Liebe Leserin, lieber Leser, in den letzten Jahren ist viel geschehen, um das Evangelische Stift finanziell wieder auf eine solide Grundlage zu stellen. Wer rechnen muss ist immer wieder gezwungen, das Notwendige vom Nichtganz-so-Notwendigen zu trennen. Dass sich Vielfalt und Menschlichkeit in den Häusern des Evange­ lischen Stifts dennoch so gut entwickeln konnten, haben wir vor allem zwei Antriebskräften zu ver­ danken: einerseits dem bewunderungswürdigen Engagement der Mitarbeiter und ehrenamtlich Engagierten, die bei uns aus und ein gehen; auf der anderen Seite aber auch Ihren Spenden, auf die wir als gemeinnütziger Träger der Altenhilfe ebenfalls angewiesen sind. Damit unser Haus ideell und materiell nachhaltig unterstützt werden kann, hat sich 2011 der »Freundeskreis des Evangelischen Stifts Freiburg« neu gebildet. Er möchte die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vertreten und dafür Sorge tragen, dass über die finanzielle Grundversorgung hinaus bei uns Altenpflege weiter entwickelt wird. Der Freundeskreis unterstützt kulturelle Veranstaltungen ebenso wie die seelsorgerische Betreuung. Er sorgt aber auch dafür, dass viele kleine Dinge geschehen können, die Bewohnern und Mitarbeitern das Leben einfacher machen.

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Die Jahresmitgliedschaft kostet für Einzelpersonen 25 Euro, für Institutionen 50 Euro und für Mitarbeiter des Evangelischen Stifts 15 Euro. Natürlich freut sich der Freundeskreis auch über Einzelspenden. Freundeskreis Evangelisches Stift Freiburg e.V. Kontonummer

130 045 81

Bankleitzahl

680 501 01

Bank

Sparkasse Freiburg – Nördlicher Breisgau

Sie können aber auch direkt spenden an:

Evangelisches Stift Freiburg Kontonummer

201 095 7

Bankleitzahl

680 501 01

Bank

Sparkasse Freiburg – Nördlicher Breisgau

Auf Wunsch erstellen wir gerne eine Spenden­ bescheinigung, wenn Sie auf dem Einzahlungsbeleg Ihren Namen mit Anschrift vermerken.

Im Namen des Evangelischen Stifts danke ich I­ hnen herzlich für Ihre Unterstützung! Sie können sicher sein, dass sie direkt bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt.

Hartmut von Schöning Stiftsvorstand

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Hermannstraße 10 D-79098 Freiburg Telefon 0761 / 3 19 13 – 0 www.stift-freiburg.de

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