Biopolymere - Materialexperimente und Rezepte

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Biopolymere

Materialexperimente und Rezepte

Veronika Schneider




Hallo, in einem Biokunststoff-Projekt im Sommersemester 2015 habe ich ein DIY-Kit entwickelt, das Menschen ohne Labor und Werkstatt (und ohne handwerklich/gestalterische Ausbildung) einen Zugang zum Thema Biopolymere ermöglichen soll. Mithilfe von „selbstgekochten“ Biokunststoffen lädt es zum experimentieren, basteln, und Fragen stellen ein. Der Entwicklung des Kits ging eine Recherchephase voraus in der ich Rezepte zusammengetragen, mit Chemikern gesprochen, Bücher bestellt und Unmengen an Kunststoff gekocht habe. Unabhängig von der Auseinandersetzung mit Kunststoffen an sich und dem Wort „bio“ im Kontext mit Kunststoff ist die Möglichkeit selber mit einfachen Mitteln harmlose Polymere zu erzeugen vielleicht für andere Projekte interessant und deswegen möchte ich meine Ergebnisse teilen. Im ersten Teil berichte ich von meinen eigenen Versuchen, während der zweite Teil der Anfang einer (mit Sicherheit unvollständigen) Sammlung ist, was andere zum Thema Homemade-Plastics geschrieben haben. Mir ging es auch darum zum „sofort loslegen“ Rezepte zusammenzutragen.


Ich würde mich freuen, wenn du, der das Heft in der Hand hältst weiter denkst und weiter forschst, offene Fragen (die es gibt) beantwortest und neue Fragen findest. Ich würde mich auch freuen, wenn du davon berichtest, meine E-mail-adresse ist veronikaschneider@gmx.de und Fragen und Antworten sind immer willkommen! Schönen Gruß! Veronika


Inhalt Eigene Experimente 9 Milchkunststoff 10 Sojamilchkunststoff 12 Agar und Öl 14 Gummi Arabicum 16 Pektin 18 Zucker 20 Essig und Stärke 22 Agar Only 24 Gelatine-Agar Blend 26 Stärke + Gelatine 28 Agar Stärke Blend 30 Agar Stärke Blend - blau 32 Gelatine Kunststoff 34 Fortsetzung 36 Stärke und Essig 38 Kartoffelstärke und Öl 40 Temperaturbeständigkeit 42 Feuchtigkeitsbeständigkeit 42 Mögliche Grundstoffe 44 Plastifizierer 45 Sonstige Hilfsstoffe 46 Konservierung 47 Prinzipielle Vorgehensweise 48 Unterlagen und Gießformen 48 Entsorgung 50 Einkaufen 50


Rezeptsammlung und Literatur

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E. S. Stevens - Green Plastics www.green-plastics.net 54 Miriam Ribul - Recipes for Material Activism

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Johan Viladrich - Bioplastics

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Oi Yin Quong - Bioplastics Handbook

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Georg Schwedt - Experimente rund um die Kunststoffe des Alltags

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Eigene Experimente

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Milchkunststoff Rezept:

1/8 l Milch 1 EL Essig In einem Topf erwärmen, wenn die Milch ausgeflockt ist, durch ein Sieb gießen und Feuchtigkeit raus pressen. Kann bei 50°C im Ofen ge- trocknet werden (wird dunkel, wenn zu heiß)

Materialeigenschaften: weiß, opak, sehr hart aber vor dem Trocknen krümelig, hinterlässt Fettflecken auf Papier. Bearbeitungsmöglichkeiten: sägen, feilen, schleifen, bohren Sonstiges: Verhalten bei Hitze siehe S. 38 f.. Quelle: Internet, diverse Seiten, die Mengenangaben variieren etwas, das Prinzip ist immer das Gleiche

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Sojamilchkunststoff Rezept: 1/8 l Sojamilch 1 EL Essig

In einem Topf erwärmen, wenn die Sojamilch ausgeflockt ist, durch ein Sieb gießen und Feuchtigkeit raus pressen. Kann bei 50°C im Ofen ge- trocknet werden.

Materialeigenschaften: bräunlich, opak, spröde, hinterlässt Fettflecken auf Papier. Bearbeitungsmöglichkeiten: sägen, feilen, schleifen, bohren (weit weniger stabil als der Milchkunststoff) Sonstiges: Verhalten bei Hitze siehe S. 38 f. Quelle: eigene Idee (nach Milchkunststoffrezept auf vorhergehender Seite)

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Agar und Öl Rezept: Agar in einem Topf erhitzen und tropfenweise Sonnenblumenöl hinzu fügen.

Materialeigenschaften: bräunlich, außen bröselig, innen gummiartig, spröde, hinterlässt Fettflecken auf Papier. Bearbeitungsmöglichkeiten: ? Sonstiges: -/Quelle: Konsultation mit Dr. Filipe Natalio

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Gummi Arabicum Rezept: Mit Glycerin und Wasser bis kurz vor dem Siedepunkt erhitzt und in Förmchen gegossen.

Materialeigenschaften: bräunlich, transparent, hart, spröde, trocknet langsam Bearbeitungsmöglichkeiten: sägen, feilen, schleifen Sonstiges: -/Quelle: Konsultation mit Dr. Filipe Natalio

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Pektin Rezept:

12 g Pektin 3 g Glycerin 240  ml Wasser Gemeinsam bis kurz vor dem Siedepunkt erhitzt und als Folie gegossen.

Materialeigenschaften: bräunlich, transluzent, hart, spröde, trocknet langsam Bearbeitungsmöglichkeiten: Kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges: löst sich im Kontakt mit Wasser komplett auf Quelle: eigene Idee (Versuch pflanzliche Alternative zu Gelatinekunststoff zu finden)

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Zucker Rezept:

470 ml Wasser 235 ml Maissirup 822 ml Zucker 1/4 Tl Weinstein (das Rezept ist amerikanisch, daher ist der Zucker in ml angegeben) Vorsichtig auf 140-150°C erhitzen.

Materialeigenschaften: bräunlich, transparent, zäh, bleibt klebrig (es soll möglich sein, die Masse so zu erhitzen, dass nach dem Abkühlen ein brüchiges Material entsteht, dass nicht klebt, ohne dass der Zucker dunkel wird) Bearbeitungsmöglichkeiten: ? Sonstiges: -/Quelle: http://www.howcast.com/videos/421421how-to-make-sugar-glass/ (zuletzt aufgerufen am 12. Juli 2015)

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Essig und Stärke Rezept:

175  ml Wasser 25  ml Essig 37,5  ml Maisstärke 1/2  TL Glycerin

Erhitzen, bis die Masse transparent wird. (Kurz vor dem Siedepunkt)

Materialeigenschaften: hell, transluzent, brüchig, starke Schrumpfung (verzieht sich währenddessen stark) Bearbeitungsmöglichkeiten: sägen, feilen, schleifen, brechen Sonstiges: kann im Ofen getrocknet werden Quelle: Biopolymerworkshop des ersten Studienjahrs mit Mareike Gast

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Agar Only Rezept: 3 g Agar 240 ml 1%ige Glycerinlösung 180 ml Wasser Bis knapp unter dem Siedepunkt er - hitzt.

Bild: einmal ausgegossen als Folie, einmal in Förmchen gegossen.

Materialeigenschaften: bräunlich, (als Folie) transparent, körnige Struktur bleibt erhalten, als Folie eher steif, als Körper extreme Schrumpfung und braune Farbe Bearbeitungsmöglichkeiten: Folie kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges: Schrumpfung im Vergleich zu Gelatinekunststoff (S. 30) siehe kleines Bild. Quelle: http://green-plastics.net/posts/39/ how-to-make-algae-bioplastic/ (zuletzt aufgerufen am 15. Juli 2015)

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Gelatine-Agar Blend Rezept:

3 g Agar 3 g Gelatine 3 g Sorbit 180 ml 1%ige Glycerinlösung

Erhitzt bis transparent und gelartig (knapp unter dem Siedepunkt)

Materialeigenschaften: farblos, elastisch, recht reißfest, anfangs transparent, später weißer „Reif“ s. kleines Bild (Vermutung: zu viel Sorbit) Bearbeitungsmöglichkeiten: Folie kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges:

-/-

Quelle: eigenes Rezept

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Stärke + Gelatine Rezept:

175 ml Wasser 37,5 ml Maisstärke 25 ml Essig 12,5 ml Glycerin 2,25 g Gelatine

Bis knapp unter dem Siedepunkt er - hitzt.

Materialeigenschaften: fast farblos und fast transparent, dick, weich, lederartig, wenig Schrumpfung Bearbeitungsmöglichkeiten: Folie kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges:

-/-

Quelle: Biopolymerworkshop des ersten Studienjahrs mit Mareike Gast

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Agar Stärke Blend Rezept:

1,5 g Sorbit 3 g Maisstärke 3 g Agar 240 ml 1%ige Glycerinlösung

Bis kurz vor dem Siedepunkt erhitzt, als Folie ausgegossen.

Materialeigenschaften: klar und transluzent, stabil und reißfest, haptisch zwischen Leder und Kunststoff Bearbeitungsmöglichkeiten: kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges: Im kleinen Bild als Komposit mit Kartoffelnetz verstärkt. Quelle: eigenes Rezept

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Agar Stärke Blend - blau Rezept: 1,5 g Sorbit 3 g Maisstärke mit Lebensmittelfarbe gefärbt 3 g Agar 240 ml 1%ige Glycerinlösung

Bis kurz vor dem Siedepunkt erhitzt, als Folie ausgegossen.

Materialeigenschaften: transluzent, blau, haptisch wie herkömmliche Plastikfolie Bearbeitungsmöglichkeiten: kann mit der Schere geschnitten werden (Tasche im kleinen Bild mit Flüssigkleber geklebt) Sonstiges: Auf Silikonmatte statt auf Alufolie gegossen. Dadurch dünner und glatter, aber weniger reißfest. Quelle: eigenes Rezept

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Gelatine Kunststoff Rezept: 3 g Glycerin 12 g Gelatine 60 ml Wasser Bis kurz vor dem Siedepunkt er- hitzt

Materialeigenschaften: transparent, mit Bläschen, vergilbt mit der Zeit, hart und stabil Bearbeitungsmöglichkeiten: sägen, feilen, schleifen - Löcher können ausgehärtet gebohrt, oder im halbfesten Zustand mit der Lochzange gestanzt werden. Sonstiges: Knöpfe in Silikonformen gegossen Quelle: http://green-plastics.net/posts/57/ qaa-bioplastic-by-da-vinci/ (zuletzt aufgerufen am 16. Juli 2015)

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Fortsetzung Weiteres Beispiel zum Rezept auf vorhergehender Seite

Materialeigenschaften: transparent, eher steif, glasklar Bearbeitungsmöglichkeiten: kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges: Folie dünn auf Silikonmatte (großes Bild) und Alufolie (kleines Bild) gegossen Quelle: http://green-plastics.net/posts/57/ qaa-bioplastic-by-da-vinci/ (zuletzt aufgerufen am 16. Juli 2015)

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Stärke und Essig Rezept:

1 EL 4 EL 1 TL 1 TL

Stärke Wasser Glycerin Essig

Erhitzt, bis die Masse transparent wird. Stärke (von oben nach unten): - Maisstärke - Kartoffelstärke - Weizenstärke - Tapiokastärke

Materialeigenschaften: transluzent, Kartoffelund Weizenstärke weiß, Maisstärke eher gelblich, stabil, mäßig elastisch Tapioka verhält sich anders und wirkt, als wäre viel weniger Stärke verwendet worden (-> dünnflüssiger und klebrig, da im Verhältnis zu viel Glycerin) Bearbeitungsmöglichkeiten: kann mit der Schere geschnitten werden Sonstiges: Stärkekunststoffe können bei geringer Temperatur im Ofen getrocknet werden Quelle: http://green-plastics.net/posts/10/video-brandon121233/ (zuletzt aufgerufen am 15. Juli 2015)

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Kartoffelstärke und Öl Rezept:

2 EL Kartoffelstärke 2 EL Wasser 1 TL Sonnenblumenöl Erhitzt bis die Masse transparent wird und sich zu einer Kugel formt

Materialeigenschaften: transluzent, hart, nach dem Trocknen innen hohl Bearbeitungsmöglichkeiten: -/Sonstiges: Stärkekunststoffe können bei geringer Temperatur im Ofen getrocknet werden Quelle: http://issuu.com/miriamribul/docs/ miriam_ribul_recipes_for_material_a (zuletzt aufgerufen am 16. Juli 2015)

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Temperaturbeständigkeit Einen Teil der Kunststoffe habe ich für längere Zeit bei 100°C in den Ofen gestellt. Die Kunststoffe auf Basis von Milch, Soja und die Weizenstärke/Essig-Kombination werden härter, wobei der Milchkunststoff etwas nachdunkelt. Alle anderen werden weich, verändern aber ihre Farbe kaum. Bei 200°C werden dann alle Kunststoffe außer der Stärke/Essig-Kunststoff und der Sojakunststoff dunkler (wobei der Sojakunststoff schon vorher dunkel war). Nach dem Abkühlen sind alle Kunststoffe spröder.

Feuchtigkeitsbeständigkeit Einen ähnlichen Versuch habe ich gemacht, in dem ich die Kunststoffe eine Weile in Wasser gelegt habe. Die Kunststoffe werden extrem transparent (deswegen gibt es keine Fotos) und quellen. Am stärksten quellen die mit einem Gelatine-anteil, am wenigsten Milch und Soja. Nach dem Trocknen nehmen sie ihre ursprüngliche Form wieder an, sind aber deutlich spröder. Der Kunststoff auf Pektinbasis (kein Bild) löst sich als einziger komplett auf.

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Mögliche Grundstoffe Es gibt verschiedene Grundstoffe die sich zur Entwicklung eigener Rezepte eignen. Die meisten Rezepte, die man findet, basieren auf Stärke, Agar und/oder Gelatine. Blends zwischen diesen Materialien sind in der Regel kein Problem. Polymere auf Stärkebasis haben den Vorteil, dass man sie im Ofen trocknen kann - längere Trocknungszeiten sind gerade dann, wenn man viele Kunststoffe kocht und vergleichen will ein Problem. Es gibt viele unterschiedliche Pflanzenstärken, die prinzipiell austauschbar sind, aber unter Umständen unterschiedliche Ergebnisse liefern. Meiner Erfahrung nach sind Kartoffel-, Weizen-, und Maisstärke relativ austauschbar (möchte man ein wiederholbares Ergebnis rate ich aber, bei der gleichen Stärke zu bleiben). Tapiokastärke verhält sich anders: man braucht deutlich mehr für ein ähnliches Ergebnis. Kunststoffe die aus Milch und Essig/Zitronensäure bestehen gibt es auch. Im Gegensatz zu Polymeren aus den oben genannten Grundstoffen ergeben diese harte und opake Kunststoffe. Vielleicht lohnt es sich, mit unterschiedlicher Pflanzenmilch zu experimentieren. Andere Stoffe die mir interessant erscheinen sind Gummi Arabicum und Pektin, vielleicht auch Harze die als Binder in der Malerei Anwendung finden. Schellack und Hautleim könn-

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ten auch vielversprechend sein, ich persönlich halte aber pflanzliche Rohstoffe für ethisch meistens unbedenklicher.

Plastifizierer Glycerin und Sorbit helfen im Polymerisationsprozess. Manchmal ist von „Plastifizierern“ die Rede, obwohl man nicht genau versteht, was die Stoffe im Polymer machen und unter bestimmten Bedingungen auch als „Anti-plastifizierer“ wirken können (Stevens, Green Plastics, S. 166 f.) Je mehr Glycerin/Sorbit eine Mischung enthält, desto flexibler wird der Kunststoff, zuviel macht den Kunststoff aber klebrig. Je weniger, desto härter und unflexibler wird der Kunststoff, aber zu wenig macht den Kunststoff brüchig. Glycerin ist die bessere Wahl für Kunststoffe, die auch in kalter Umgebung flexibel bleiben sollen, verliert aber mit der Zeit seine Wirkung. Sorbit hält Kunststoffe auch für längere Zeit flexibel, auch unter Hitzeeinwirkung, versprödet aber bei Kälte und neigt dazu auszukristallisieren, wenn man zuviel verwendet, was unschönen weißen „Reif“ ergibt. Glycerin und Sorbit können beliebig gemischt werden.

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Sonstige Hilfsstoffe In manchen Rezepten mit Stärke wird statt Glycerin/Sorbit Öl verwendet. Ist der Ölanteil hoch genug, funktioniert das, die Kunststoffe hinterlassen aber Fettflecken auf Papier. Interessant wäre herauszufinden, ob die Art des Öls (abgesehen von der Farbe) eine Rolle spielt, da Pflanzenöle ja eine unterschiedliche Fettsäurezusammensetzung haben und zum Beispiel Leinöl schnell verharzt. Kunststoffe auf Stärkebasis profitieren außerdem von der Zugabe von Essig. In manchen Rezepten wird Salz statt Essig verwendet, ich hatte damit keinen Erfolg. Vielleicht würde sich ein Versuch mit einer Kombination aus Salz und Essig lohnen. Je höher der Wasseranteil im Kunststoff desto dünnflüssiger wird das ganze. Entsprechend können mit einem sehr wasserhaltigen Kunststoff sehr dünne Folien gegossen werden. Je dünner aber der Kunststoff, desto größer ist auch die Schrumpfung (die darauf basiert, dass das Wasser aus dem Kunststoff verdunsten). Das ist wichtig beim Gießen von Körpern. Die Grundstoffe können unterschiedlich viel Wasser aufnehmen, bzw. man braucht unterschiedlich viel Wasser um die gleiche Festigkeit zu erreichen. Trocknungszeiten und die Festigkeit des Endproduktes hängen auch von der Temperatur und

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Luftfeuchtigkeit ab. Nicht alle hier genannten Quellen stammen aus Mitteleuropa. Möglicherweise müssen Mengenangaben also variiert werden.

Konservierung Anfangs hatte ich Probleme, die Kunststoffe, die eine Ofentrocknung nicht verzeihen, trocken zu kriegen, bevor sie anfangen zu schimmeln. Ich hab das Problem gelöst, in dem ich die Kunststoffe mit einer 20%igen Kaliumsorbatlösung konserviert habe. Kaliumsorbat wird im Lebensmittel- und Kosmetikbereich eingesetzt und vom Körper wie eine Fettsäure verstoffwechselt, ist also unbedenklich. Man kann es als Granulat kaufen und aus einem Teil Kaliumsorbat und 4 Teilen Wasser eine Lösung herstellen, von der man ca. 1-2 Tropfen auf 10 g Kunststoffmasse gibt.

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Prinzipielle Vorgehensweise Prinzipiell ist die Vorgehensweise immer gleich: Zutaten mischen und erhitzen. Bei den Milchkunststoffen wird die Flüssigkeit am Schluss abgeseiht und ausgepresst. Werden die Kunststoffe zu lange erhitzt, können Moleküle zerstört werden und der Kunststoff wird braun (bzw. brennt an). Lässt man dem Kunststoff nicht ausreichend Zeit zu „verkleistern“ wird er nach dem Trocknen brüchig. Der Moment der Verkleisterung ist bei der Stärke aber gut zu sehen: der Kunststoff wird transparenter. Agar und Gelatine sind toleranter und müssen in erster Linie gut aufgelöst werden. Wenn man den Herd nur auf mittlere Stufe stellt ist das Zeitfenster zwischen „nicht lange genug“ und „zu lang“ größer und man kann weniger falsch machen.

Unterlagen und Gießformen Meine ersten Versuche habe ich auf Backpapier gegossen, das durchweicht, dann bin ich auf Alufolie umgestiegen. Das funktioniert prinzipiell, allerdings lassen sich manche Kunststoffe schlecht lösen und die Struktur der nie ganz glatten - Alufolie drückt sich ab. Einen „Durchbruch“ erziehlte ich mit einer Silikonmatte aus dem Backbedarf. Der Kunststoff

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haftet einerseits gut auf der Matte, dadurch wird die Schrumpfung vermindert, lässt sich später aber gut ablösen und hat zumindest eine spiegelglatte Seite. Es empfielt sich, eher dicker zu gießen als auf Alufolie, da durch die geringere Schrumpfung die Reißfestigkeit abnimmt. Das Material entwickelt seine Festigkeit durchs zusammenziehen (mit dem Nachteil, dass es eben kleiner wird und Wellen schlägt), wenn man ihm die Möglichkeit nimmt, in x- und y- Richtung zu schrumpfen, muss es das in zRichtung können. Für Versuche mit Körpern habe ich zunächst in Gipsformen gegossen und bin an der Entformung schier verzweifelt. Alginat verbindet sich komplett mit den Kunststoffen und ist folglich auch ungeeignet. Für einfache Formen reicht tiefgezogenes PVC, allerdings halten die Formen nicht lange. Richtig gute Ergebnisse bekommt man mit Silikonformen.

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Entsorgung Reste von selbst hergestellten Kunststoffen lässt man am besten kurz gelieren, bevor man sie im (Bio)müll entsorgt. Prinzipiell sind sie alle wasserlöslich, aber die Löslichkeit variiert und gerade wenn man viel experimentiert, ist es besser, sie NICHT über den Abfluss zu entsorgen. Töpfe kriegt man aber mit Einweichen wieder sauber und Spritzer auf der Kleidung lassen sich auch auswaschen.

Einkaufen Stärke und Gelatine gibts im Supermarkt (Achtung genau lesen: Stärke hat oft Phantasienamen und Gelatine meint Gelatine-pulver/granulat ohne irgendwelche Zusatzstoffe) Agar gibt es im Asialaden oder in manchen gut sortierten Supermärkten, bei asiatischen Lebensmitteln. Glycerin, Sorbit und Kaliumsorbat bekommt man theoretisch in der Apotheke, da Apotheken diese Stoffe nur im Großgebinde bestellen können und kleine Mengen nicht ungeprüft abgeben dürfen (wollen?) ist das schwierig und wenn dann sehr teuer. Günstiger und schneller ist es im Internet zu bestellen, man erhält die Sachen zum Beispiel dort, wo es Zutaten für Naturkosmetik gibt (z.B. www.dragonspice.de)

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Rezeptsammlung und Literatur

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E. S. Stevens - Green Plastics (Unibib) www.green-plastics.net Meiner Meinung nach das beste Buch zum Thema. Wenig Bilder (wenn dann schwarz-weiß) und leider nur auf englisch erhältlich, aber gut lesbar und ziemlich fundiert. E. S. Stevens ist Chemiker, schreibt aber verständlich und erfreulicherweise nicht ausschließlich auf die USA bezogen. Die Homepage ist zum Einstieg ins Thema Kunststoffe selber kochen ganz ok, vermittelt aber nicht wirklich, was das Buch alles enthält. Es ist in zwei Teile unterteilt „Plastics“ und „Bioplastics“ und enthält einen Anhang mit Rezepten und Vorschlägen zur Materialanalyse. Die A-Formulierungen sind für ca. 25 cm x 15 cm Die B-Formulierungen sind für ca. 38 cm x 25 cm Bioglass A:

12 g (4 TL) Gelatine 240 ml 1%ige Glycerinlösung*

Bioglass B:

36 g (12 TL) Gelatine 480 ml 1%ige Glycerinlösung

Laminate A:

2,25 g (3/4 TL) Gelatine 135 ml 1%ige Glycerinlösung

Laminate B:

6 g (2 TL) Gelatine 360 ml 1%ige Glycerinlösung 120 ml Wasser

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Biowrap A:

2,25 g (3/4 TL) Gelatine 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Biowrap B:

6 g Gelatine 320 ml 1%ige Glycerinlösung 160 ml Wasser

Buttons:

12 g (4 TL) Gelatine 3 g (1/2 TL) Glycerin 60 ml heißes Wasser (vgl. S. 32 ff.)

Decorations:

12 g (4 TL) Gelatine 12 g (2 TL) Glycerin 60 ml heißes Wasser

Gelatine A:

2,25 g (3/4 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Gelatine B:

6 g (2 TL) Gelatine 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 240 ml 1%ige Glycerinlösung 180 ml Wasser

*1%ige Glycerinlösung: siehe Seite 62

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Stärke-Gelatine- 1,13 g (3/8 TL) Stärke A.1: 1,13 g (3/8 TL) Gelatine 120 ml 1%ige Glycerinlösung Stärke-Gelatine- 3 g (1 TL) Stärke B.1: 3 g (1 TL) Gelatine 360 ml 1%ige Glycerinlösung 120 ml Wasser Stärke-Gelatine- A.2:

1,13 g (3/8 TL) Stärke 1,13 g (3/8 g) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Stärke-Gelatine- B.2:

3 g (1 TL) Stärke 3 g (1 TL) Gelatine) 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 240 ml 1%ige Glycerinlösung 240 ml Wasser

Stärke-Gelatine: 6 g (2 TL) Stärke (mit wenig Wasser)6 g (2 TL) Gelatine 3 g (1/2 TL) Glycerin 60 ml Wasser

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Stärke A.1:

3 g (1 TL) Stärke 45 mg Salz 160 ml 1%ige Glycerinlösung

Stärke B.1:

6 g (2 TL) Stärke 90 mg Salz 320 ml 1%ige Glycerinlösung 160 ml Wasser

Stärke A.2:

3 g (1 TL) Stärke 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 45 mg Salz 120 ml 1%ige Glycerinlösung 40 ml Wasser

Stärke B.2:

6 g (2 TL) Stärke 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 90 mg Salz 240 ml 1%ige Glycerinlösung 200 ml Wasser

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Agar A.1:

1,5 g (1/2 TL) Agar 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Agar B.1:

3 g (1 TL) Agar 240 ml 1%ige Glycerinlösung 180 ml Wasser

Agar A.2:

1,5 g (1/2 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Agar B.2:

3 g (1 TL) Agar 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 120 ml 1%ige Glycerinlösung 300 ml Wasser

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Stärke-Agar A.1:

0,75 g (1/4 TL) Stärke 0,75 g (1/4 TL) Agar 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Stärke-Agar B.1:

3 g (1 TL) Stärke 3 g (1 TL) Agar 360 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Stärke-Agar A.2:

0,75 g (1/4 TL) Stärke 0,75 g (1/4 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Stärke-Agar B.2:

3 g (1 TL) Stärke 3 g (1 TL) Agar 240 ml 1%ige Glycerinlösung 300 ml Wasser

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Gelatine-Agar- A.1:

0,75 g (1/4 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Agar 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Gelatine-Agar- B.1:

2,25 g (3/4 TL)Gelatine 2,25 g (3/4 TL) Agar 420 ml Wasser

Gelatine-Agar- A.2:

0,75 g (1/4 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Gelatine-Agar- B.2:

2,25 g 2,25 g 2,25 g 180 ml 240 ml

Gelatine-Agar- A.3:

1,13 g (3/8 TL) Gelatine 0,38 g (1/8 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 60 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

Gelatine-Agar- B.3:

3 g (1 TL) Gelatine 1,5 g (1/2 g) Agar 2,25 g (3/4 TL) Sorbit 180 ml 1%ige Glycerinlösung 240 ml Wasser

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(3/4 TL) Gelatine (3/4 TL) Agar (3/4 TL) Sorbit 1%ige Glycerinlösung Wasser


Stärke-Gelatine- Agar A.1:

1,5 g (1/2 TL) Stärke 0,75 g (1/4 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Stärke-Gelatine- Zweimal A.1 Agar B.1: plus 180 ml Wasser Stärke-Gelatine- Agar A.2: Stärke-Gelatine- Agar B.2:

0,75 g (1/4 TL) Stärke 1,5 g (1/2 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Stärke-Gelatine- Agar A.3:

1,5 g (1/2 TL) Stärke 1,5 g (1/2 TL) Gelatine 0,75 g (1/4 TL) Agar 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 120 ml 1%ige Glycerinlösung

Stärke-Gelatine- Agar B.3:

2,25 g (3/4 TL) Stärke 2,25 g (3/4 TL) Gelatine 1,5 g (1/2 TL) Agar 1,5 g (1/2 TL) Sorbit 240 ml 1%ige Glycerinlösung 180 ml Wasser

Zweimal A.2 plus 180 ml Waser

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1-2-3-Plastic A:

1,5 g (1/2 TL) Stärke 0,75 g (1/4 TL) Gelatine 0,38 g (1/8 TL) Agar 0,75 g (1/4 TL) Sorbit 120 ml Glycerin

1-2-3-Plastic B:

4,5 g (1 1/2 TL) Stärke 2,25 g (3/4 TL) Gelatine 1,13 g (3/8 TL) Agar 1,5 g (1/4 TL) Sorbit 360 ml 1%ige Glycerinlösung 60 ml Wasser

1%ige Glycerinlösung 1 l Wasser 10  g Glycerin

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Miriam Ribul - Recipes for Material Activism

http://issuu.com/miriamribul/docs/miriam_ribul_recipes_for_material_a (zuletzt aufgerufen am 16. Juli 2015) Miriam Ribul hab ich im Buch „Material Alchemy“ von Jenny Lee entdeckt, welches grafisch schön aufgemacht ist und Anleitungen zu sehr unterschiedlichen potentiell zukunftsträchtigen Materialexperimenten enthält. Miriam Ribul selbst hat ein kleines Heft auf issuu rausgebracht, das viele inspirierende Bilder und auch ein paar Rezepte enthält. Rezept 1:

1 EL 1 TL 1 TL 4 EL

Rezept 2:

2 EL Stärke 2 EL Wasser 1 TL Öl

Stärke Glycerin Essig Wasser

--> es gibt zu beiden Rezepten Bilder und Anregungen zu möglichen Anwendungen, für unterschiedliche Sorten von Stärke (Tapioka, Mais, Kartoffeln)

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Johan Viladrich - Bioplastics

http://issuu.com/johanviladrich/docs/bioplastic Ebenfalls schön und reichlich bebildert ist die issuu-Publikation von Johan Viladrich. Er zeigt Bilder und Tabellen mit Materialeigenschaften, nennt aber keine konkreten Rezepte. Spannend ist die Auswahl seiner Grundstoffe, er experimentiert mit Dammar (einem Harz aus Indonesien, am ehesten vergleichbar mit Kolophonium), Blut + Gelatine/Hautleim und Kartoffelstärke in Verbindung mit Steinmehl und Sägemehl von unterschiedlichen Hölzern.

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Oi Yin Quong - Bioplastics Handbook

http://issuu.com/oi-ying/docs/bio-plastic_ handbook2 Wenig bebildert und eher an den chemischen Aspekten orientiert ist die issuu-Publikation von Oi Yin Quong. Interessant ist die Abbildung von Strukturformeln verschiedener homemade plastics. Im letzten Teil schildert er tabellarisch seine Experimente mit 8 Grundrezepten, deren Verhältnisse und Zubereitungsart er abwandelt. Er erklärt außerdem die Herstellung von Essig und wie man aus Kartoffeln Stärke gewinnen kann. 1. Milch + Essig 2. Stärke + Essig + Wasser + Glycerin 3. Gelatine + 1%ige Glycerinlösung 4. Gelatine + Glycerin + Wasser 5. Stärke + Essig + Glycerin + Wasser + Gelatine + 1%ige Glycerinlösung 6. Stärke + Wasser + Glycerin + Gelatine* 7. Stärke + Wasser + Glycerin + Gelatine+ Salz 8. Stärke + Wasser + Glycerin + Salz 9. Gelatine + Wasser + Glycerin + Salz *Die beiden grau gedruckten Kombinationen gelieren laut dem Autor nicht.

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Georg Schwedt - Experimente rund um die Kunststoffe des Alltags (gefunden in der Stadtbibliothek Leipzig)

Georg Schwedt ist ein Chemiker, der zahlreiche Bücher über experimentelle Chemie und auch Kunststoffe geschrieben hat. Im genannten Buch gibt es ein Kapitel über Biokunststoffe, in dem Georg Schwedt Rezepte aus anderen Quellen zusammenträgt. Die meisten richten sich aber an Leute, die ein Labor oder zumindest eine Absauganlage zur Verfügung haben und es kommen Chemikalien vor, deren „Küchentauglichkeit“ ich nicht einzuschätzen wage. Schön ist, dass er die Rezepte eben als „Experimente“ darstellt und zum Teil interpretiert. Galalith 1: 1/4 l Milch 2 EL Essig nach www.kindernetz.de Galalith 2: 1/2 l Milch 2 TL Essig/Zitronensaft nach Herbert Neureiter, HS Lehen Galalith 3: als Laborversuch nach Andreas Hirth und Dieter Wöhrle, Institut für organische und makromolekulare Chemie Bremen

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Galalith 4a:

50 ml Milch einige Tr. Essigessenz

Galalith 4b: als Laborversuch nach Albert-Schweizer-Schule, Berlin (4a & b) Stärkopor: 10 g Maisstärke 0,6 - 0,8 g (1/2 TL) Backpulver 0,3 g (1/4 TL) Gelatine 15 ml Wasser Mischen und bei 180°C für 10 Minuten im vorgeheizten Backofen erhitzen nach Albert-Schweizer-Schule, Berlin Stärkefolie 1: als Laborversuch nach www.experimentalchemie.de (Versuch des Monats 09/2001) Stärkefolie 2:

2,5 g Mais-/Kartoffelstärke 2,5 ml 85%ige Glycerinlösung 20 ml Wasser

Geschäumte Stärke: 35 g Stärke 1,5 g Backpulver 0,5 g (Natrium-)alginat 40 ml Wasser Mischen und im Waffeleisen 4,5 min backen. nach Andreas Hirth und Dieter Wöhrle

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Sorbit + 2,6 g Sorbit Zitronensäure: 2 g Zitronensäure Beide Pulver ohne Zugabe von Flüssigkeit gemeinsam erhit zen. nach Albert-Schweizer-Schule, Berlin Biopolymerblend: Blend aus oben genanntem Sorbit + Zitronensäure Polyester mit Galalith. Im beschriebenen Versuch wird der Galalith mit Acetyldehyd hergestellt und ist daher auch wieder ein Versuch, der nur in Laborumgebung zu empfehlen ist. nach Albert-Schweizer-Schule, Berlin

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Teil der Dokumentation im Projekt Hyperwood Sommersemester 2015, Betreuung: Jรถrg Hรถltje Veronika Schneider, ID, 6. Semester Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Halle




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