Semesterstart

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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014 – Seite 1

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Bachelor- und Masterstudium Information und Anmeldung: 0800 0800 229

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Semesterstart Inhalt

BLZ /P AULUS P O NIZAK

Eine Nacht in der Uni: Schreibhemmungen kennt wohl jeder. Gerade bei größeren Arbeiten besteht die Gefahr, dass man sich verzettelt. Manche scheitern an der eigenen Perfektion, verlieren den Überblick oder suchen zu lange nach dem richtigen Aufbau. Hilfe bietet da unter anderem die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ an der TU Berlin. Hier können Studenten eigene Verhaltensmuster erkennen und Auswege finden. Seite 2

Schreiben braucht Konzentration. Gut, wenn man einen geschützten Raum hat.

B E R LI N E R Z E I TUNG/ MAR K US WÄC H TE R

Hilfefonds für Notlagen: Die Miete ist gestiegen, der Nebenjob bringt nicht viel ein, die Prüfung steht bevor, und dann geht auch noch der Rechner kaputt – so mancher Student gerät finanziell ins Trudeln. Obwohl es den 167 400 Berliner Studenten im Bundesdurchschnitt recht gut gehen soll, bieten die Sozialberater des Studentenwerks auch hier Hilfe an. Studenten in Notlagen können und sollen sich an sie wenden. Seite 3 Mobile Vorlesung: Statt sich mit vielen hundert Kommilitonen in einen Hörsaal zu quetschen, können Studenten der FU jetzt Vorlesungen im Internet verfolgen. An den Unis entstehen immer neue Ideen für digitales Lernen. Dieses ist jedoch nicht in jedem Fall der beste Weg. Seite 4

Eine Campus-Wiese in Berlin. Auf dem Innenhof der Humboldt-Universität verbringen Studierende ihre Pause. Wie viele von ihnen wissen schon, was sie später einmal machen werden?

Eine Berliner Studentin startet in die Endphase ihres Studiums und blickt dabei auf die ereignisreichen Jahre zurück, die hinter ihr liegen VON JULIA GRASS

und auch mal nur in den Tag hinein leben zu können, und ich habe Berlin erlebt. Fast ein Semester brauchte ich zu Anfang, um herauszufinden, dass ich vom Alexanderplatz zur Oranienburger Straße laufen kann und nicht mit der S-Bahn über den Potsdamer Platz fahren muss. Heute kenne ich das BVG-Netz auswendig, und, um kurz vorm Ende auch noch richtig Berlinerin zu sein, habe ich mir vor drei Tagen ein

Fahrrad zugelegt, ein gebrauchtes natürlich, Vintage. Vor fünf Jahren bin ich während meiner WG-Suche fast rückwärts aus der Tür gefallen, weil in einem Wohnzimmer ein Joint auf dem Tisch lag. Heute wohne ich im Simon-DachKiez, und der Frühling kündigt sich durch den Duft frisch angetauter Hundehaufen mit einer Brise Marihuana an, die durch das Treppenhaus wabert. Ich bin mittlerweile richtig fit im Fluchen über die S-Bahn. Ich kenne BER-Witze und kann über die Schwaben schimpfen, als wäre ich selber keiner (was ich aus Berliner-Sicht natürlich bin, so wie alles südlich von Niedersachsen). Langsam aber verstreuen sich meine besten Freunde nach und nach in alle Richtungen, haben Jobs in Aussicht nach dem Master. Meine Mitbewohnerin zieht bald mit ihrem Freund zusammen, dann ist auch die Wohnung nicht mehr, was sie mal war, und der leere Bierkasten im Kücheneck, das Überbleibsel unserer letzten WG-Party, verliert seinen studentischen Charme. Übrig bleiben Fragen über Fragen. Was macht man eigentlich, wenn man das Zeugnis in der Hand hat, aber noch keinen Job? Wie geht man damit um, wenn über 100 Bewerbungen mit freundlichen Absagen zurückkommen? Werde ich wirklich über 100 Bewerbungen schreiben müssen …? Geht der Journalismus den Bach runter? Und wann muss ich über Kinder nachdenken? Manchmal verfalle ich in Panik , weil ich noch keinen festen Plan für die Zeit nach dem Abschluss habe. Meist aber finde ich das Ungewisse auch richtig spannend. Jeden Tag kann irgendwas Neues passieren, und dieses Gefühl, dass sich bald auf jeden Fall irgendwas ändert, aber man nicht genau weiß, was, kann ziemlich euphorisierend wirken. Sicher ist es auch nicht schlecht, nach dem Abi bereits zu wissen, wo man hin möchte, am besten schon den zukünftigen Arbeitgeber im Kopf zu haben. Aber diesen Weg erst während des Studiums zu finden, sich auszuprobieren und sich auch mal zu erlauben, überhaupt nicht zu wissen, was man eigentlich möchte – das ist eben auch nicht schlecht. Im Gegenteil, es kann sehr bereichern. Deshalb mache ich es, wie unser Professor gesagt hat, gehe außen herum und nimm dabei so viel vom Leben mit wie nur möglich.

Paten für Berlin: Der zwölfjährige Mustafa trifft sich regelmäßig mit dem Physikstudenten Martin, um gemeinsam etwas zu unternehmen oder Hausaufgaben zu machen. Beide sind ein Tandem im Berliner Projekt „Kotti-Paten“. Seite 5 Die Uni als Laufsteg: Kaum etwas hält sich hartnäckiger als die Klischees über Studenten: mode-resistente InformatikNerds, Juristen in Anzügen, Gender-Studenten mit Dreadlocks. Doch Mode ist im Fluss. Und auch scheinbar Billiges und Durchschnittliches kann zum neuesten Modetrend werden. Seite 6

BL Z/ OPA UL US P ON I Z AK

„Ich genieße es, jung und frei zu sein“

Zwei Studentinnen vor der HU-JuraFakultät, die erste Sonne genießend.

IMPRESSUM Torsten Harmsen (verantwortlich) Telefon: 23 27 56 75 torsten.harmsen@berliner-zeitung.de

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ir haben einen Professor an unserem Institut, der sieht noch richtig aus wie ein Professor. Er hat weiße, zerzauste Haare, eine weinrote Cordhose, trägt oft eine Fliege und eine runde, goldene Brille. In unserem letzten Seminar vor den Semesterferien verabschiedete sich dieser Professor von uns mit denWorten:„Sie sind in Berlin! Denken Sie daran, dass es im Leben nicht immer darauf ankommt, geradeauszugehen.“ Der Professor war schon da, als ich an die Uni kam und Ende nächsten Semesters gehen wir beide. Er in Rente und ich … nun ja. Vor fünf Jahren ging es los, das Studium der Kommunikationswissenschaften. Im Bachelor erntete ich noch regelmäßig diesen mitleidigen „Ach,-was-mit-Medien“-Blick, wenn man mich nach dem Studium fragte. Heute, wenn ich sage, ich studiere „Politische Kommunikation“ und das im Master, dann kommen meist anerkennende Blicke und dann die Feststellung, dass ich also unglaublich viel Ahnung von Politik haben muss. Dann antworte ich immer, dass ich eher Ahnung davon habe, ob das Internet zurVerbreitung der Demokratie beiträgt oder was die Aufgabe des Journalismus in unserer Gesellschaft ist – und hoffe, dass keiner weitere Fragen stellt. Denn wenn ich eins ganz sicher während meines Studiums gelernt habe, dann, dass in den Sozialwissenschaften generell alles in Frage gestellt werden kann. Manchmal denke ich, ich hätte vielleicht besser etwas Handfestes studiert. Sodass ich zum Beispiel jetzt ein Auto bauen könnte. Oder dass man mich gleich vom Campus wegkaufen würde, weil ich einer der wenigen weiblichen Informatiker wäre. Aber dann fällt mir ein, dass ich im Studium vor allem eins gelernt habe: Nachdenken. Ich kann vielleicht kein Auto bauen, aber ich habe Theorien gelesen, diskutiert und verinnerlicht, über Literatur und Medien, über Diskurse und Öffentlichkeit. Ich habe Medienwissenschaften studiert in einer Zeit, in der das Internet und Soziale Medien in der Wissenschaft gerade neu aufkamen. Ich habe meinen Geist geschult und ein Gespür für soziale Phänomene entwickelt und kritisches Denken kann man im Journalismus schließlich ganz gut gebrauchen. Vor allem aber habe ich gemacht, was unser Professor uns geraten hat. Ich habe genossen, jung zu sein und frei

www.wgli.de


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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014

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AStA: Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss – oder ReferentInnenRat, wie er an der HU heißt – wird vom Studentenparlament gewählt. Bestehend aus einem Vorstand und Referaten, vertritt der AStA die Interessen der Studenten (sollte er jedenfalls) – von der Hochschulpolitik bis hin zur Frage, wie es sich mit Kind studieren lässt. Hilfreicher Service: die Rechts- und Sozialberatung. ReferentIn (immer mit Binnen-I) zu sein, ist übrigens immer noch ein echter Job, inklusive Sprechstunden für alle. Die Arbeit wird vergütet. Ausland: Praktika gehören heutzutage zu jedem Studium, auch wenn mit den neuen, kürzeren Studiengängen die Zeit knapp ge-

Behinderung

worden ist. Wer ein Praktikum oder ein Semester im Ausland verbringen will, der findet wichtige Informationen auf den Hochschulseiten oder in den Hochschulführern. Eine größere Auswahl gibt es im Stipendienprogramm des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes: www.daad.de.

Nur ein Viertelstündchen

Bachelor: Erster Abschluss (undergraduate), meist nach drei Jahren. Er breitet sich seit der Jahrtausendwende, im Zuge der Europäisierung der Hochschullandschaft, aus. Im Wintersemester 2013/14 gab es 14 540 Bachelor- und Masterstudiengänge an staatlichen Hochschulen in Deutschland. Etwa 87 Prozent der Studiengänge sind umgestellt. In Berlin gibt es gegenwärtig 433 Bachelor- und 540 Masterstudiengänge. Börse: Seitdem die Hochschulen sich die meisten Studenten selbst aussuchen können und ein hoher Numerus clausus auf allen Fächern liegt, sind Hilfen bei der Studienplatzsuche dringend notwendig. So mancher, der im ersten Anlauf keinen Platz bekommen hat, findet irgendwo im Internet einen frei gebliebenen. Andere tauschen

„Cum tempore“ gibt den Studenten Zeit, nach und nach im Hörsaal einzutrudeln.

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D AV I D A US SE R HO FE R

on Lisa Pfahls Bürofenster aus schaut man direkt auf die SBahn-Gleise. Hier brausen im Abstand von wenigen Minuten die Züge vorbei. Die Dynamik passt gut zu der umtriebigen Junior-Professorin und zu ihrem Forschungsfeld, das gerade dabei ist, sich in Deutschland zu etablieren. Seit dem Wintersemester ist Lisa Pfahl an der Humboldt-Universität (HU) Berlin für Disability Studies zuständig, einen vergleichsweise jungenWissenschaftszweig, der sich mit den Belangen Behinderter beschäftigt. Ihre Stelle wird über das „Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ finanziert. Pfahl ist die erste deutsche Professorin ausschließlich für Disability Studies. Anfang April kam mit Swantje Köbsell an der Alice-Salomon-Hochschule noch eine zweite hinzu. Bisher gibt es bereits in Köln und Bochum Professorinnen, bei denen Disability Studies mit Soziologie, Politik der Rehabilitation und Recht verbunden sind. 2002 ent-

Lisa Pfahl will ihr Forschungsthema fest an der Uni verankern.

stand die Arbeitsgemeinschaft Disability Studies für behinderte Wissenschaftler, 2005 das Zentrum für Disability Studies als Projekt an der Uni Hamburg. Die Anfänge sind gemacht. Im angloamerikanischen Raum ist das Forschungsfeld mit eigenen Lehrstühlen und Instituten seit den 80er-Jahren verankert. „Ich bin ein ungeduldiger Mensch“, sagt Lisa Pfahl und lächelt. Noch ist ihre Stelle befristet, aber immerhin auf drei Jahre. Im Gegensatz zu anderen Vorreitern der Fachrichtung ist die Bildungssoziologin, die an der Freien Universität (FU) Berlin über das Sonderschulsystem promovierte und danach in Bremen die Forschungsstelle Inklusion leitete, nicht selbst betroffen. Manche sind der Ansicht, nur Behinderte könnten die eigenen Belange vertreten, Pfahl betrachtet die Zusammenarbeit von Betroffenen und Nichtbetroffenen hingegen

als eine wichtige Ergänzung. Die Selbstvertretung hat schließlich auch ihre Grenzen. Während Sehbehinderte oder körperlich Beeinträchtigte in der Wissenschaft durchaus vertreten sind, trifft dies etwa auf psychisch Beeinträchtigte und Lernbehinderte kaum zu. Und wo fängt eine Behinderung überhaupt an? Ganz allein existieren könne schließlich keiner, sagt Pfahl. Jeder brauche Menschen, die ihm auf die eine oder andere Art und Weise assistieren. „Und damit sind wir schon mittendrin im Thema der Disability Studies.“ Dem Forschungszweig geht es nämlich nicht primär um gesundheitliche Beeinträchtigung, sondern um die Frage, wie Behinderung von der Gesellschaft produziert wird, etwa wenn ein öffentlicher Ort nicht barrierefrei ist. Kernpunkt ist es, die Belange von Behinderten in die Wissenschaft zu tragen – als Objekt von Forschung und auch als Subjekt. Das heißt, Behinderte sollen vermehrt als Forschende aktiv werden, nicht nur die Pädagogik, sondern viele Disziplinen um ihre Perspektive erweitern. Inklusion lautet das Schlagwort, doch diese ist selbst an der Hochschule noch nicht weit gediehen. Auch Studierende haben es oft nicht leicht. Lisa Pfahl kramt in ihrer Schreibtischschublade und zieht einen Flyer des HU-Ref-Rats hervor. Die studentische Vertretung bietet zweimal pro Woche eine „Enthinderungsberatung“ an. Für rechtliche Fragen ist in Berlin zentral das Studentenwerk zuständig. Das war’s. „Behinderten Studierenden, die an die Universitäten kommen, kann ich nur den Rat geben, nicht zu schnell den Mut zu verlieren“, sagt Lisa Pfahl. Allein sind sie keineswegs. Laut der Sozialerhebung des Studentenwerks fühlen sich rund acht Prozent der Studierenden in Deutschland gesundheitlich beeinträchtigt. Viele dieser Behinderungen sind nicht auf den ersten Blick sichtbar, sondern psychischer Natur. Der Leistungsdruck und Stress in Universität und Gesellschaft können chronisch krank machen. Die Folge: Betroffene Studierende fühlen sich eingeschränkt, brauchen zum Teil länger oder schließen das Studium mit schlechteren Noten ab. Noch agierten die Hochschulen an diesem Thema vorbei, findet Pfahl. Für das gesamte Bildungssystem plädiert sie dafür, Behinderung und Begabung zusammenzudenken und Stärken individuell zu fördern. Im vergangenen Semester kam das Angebot der Professorin gut an. Pfahls Seminare, die sich an Studierende der Rehabilitationswissenschaften und der Gender Studies richten, waren voll. Die Zeichen stehen gut, dass das Fach Disability Studies sich langfristig an den Hochschulen bewähren wird.

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Career Center: Manchmal auch Career Service genannt. Die Uni-Einrichtung hilft Studenten beim Übergang auf den Arbeitsmarkt. Sie bietet Praktikums- und Karriereberatung, Seminare, Bewerbungstraining, Vorträge, Unterstützung bei der Unternehmensgründung. Kontakte: FU: www.fu-berlin.de/career, HU: www.careercenter.huberlin.de, TU: www.career.tu-berlin.de. UdK: www.careercenter.udk-berlin.de. Cum tempore: Lehrveranstaltungen beginnen c.t. (cum tempore = mit Zeit), und zwar ein Viertelstündchen später. Wenn es 16 Uhr c.t. heißt, dann ist der Beginn also 16.15 Uhr. Früher wollte man damit den Studenten Zeit geben, von einem Ort zum anderen zu gelangen. Denn oft fand der Unterricht in Privaträumen der Professoren statt. Darlehen: Studenten können Darlehen aufnehmen, um sich ganz dem Studium zu widmen, auch wenn das Geld knapp ist oder

Studiengebühren zu zahlen sind. Der Zwang zum Jobben nebenbei und ein übergroßer Druck in bestimmten Studienphasen sollen damit gemindert werden. Studienkredite werden von Banken, Sparkassen, Bildungsfonds, dem Studentenwerk oder der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt. Monatlich werden 100 bis 850 Euro ausgezahlt. Die Auszahlungsdauer beträgt vier bis sieben Jahre, die maximale Tilgungszeit zehn bis 25 Jahre. Siehe unter anderem: www.kredit-engel.de/studentenkredit oder www.studienkredit.de. Employability: Neudeutsches Modewort. Es bedeutet „Beschäftigungsfähigkeit“ oder „Arbeitsmarktfitness“ und stammt aus der Wirtschaft. Professoren und Uni-Leitungen haben nämlich entdeckt, dass die Bachelorstudiengänge ganz neue Anforderungen an die Lehre stellen. Sie sollen gezielt auf Anforderungen der Arbeitswelt vorbereiten. Ausgebildet werden sollen: fachliche Kompetenzen und sogenannte Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Engagement, Empathie, Ausdauer, Frustrationstoleranz und ähnliches mehr.

Während einer Langen Nacht in der TU-Mensa bringen Studenten endlich ihre Hausarbeiten voran

B E R LI N E R Z E I TUN G/ P AULUS P ON I Z AK

B EATE S CHEDER

ihre Plätze. Adressen: www.freie-studienplaetze.de, www.studienplatztausch.de, www.studienplatz-tauschboerse.de.

Aufschieben ist wie eine Droge

neu denken

Lisa Pfahl ist seit dem Wintersemester Junior-Professorin für Disability Studies an der Humboldt-Universität VON

UNIVERSITÄT VON A BIS Z

IM AG O /M O M ENT P H O T O /KIL L IG

Alumni ist die Mehrzahl des Wortes Alumnus (lat.), das „der Genährte“ bedeutet. Heute sind die Alumni Absolventen von Hochschulen. An den großen Berliner Unis gibt es Kontaktstellen, Clubs oder Gesellschaften, wo sich Ehemalige treffen. Adressen: www.hu-berlin.de/alumni, www.fu-berlin.de/sites/alumni, www.alumni.tu-berlin.de.

Während der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ in der TU-Mensa. Das Studentenwerk Berlin hat dafür gesorgt, dass eine konzentrierte Atmosphäre herrscht. Schreibberater und Psychologen stehen bereit, um bei möglichen Schreibhemmungen nach Gründen und Auswegen zu suchen. V ON A NTJE S TIEBITZ

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eute klappert hier niemand mit Tellern und Besteck. In der Mensa der Technischen Universität (TU) Berlin herrscht konzentrierte Stille. Alle anwesenden Studenten sind heute Abend gekommen, weil sie eine Seminararbeit, eine Abschlussarbeit oder einen anderen Text schreiben müssen. Und weil sie ein Problem teilen: Sie schieben ihr Schreibprojekt immer wieder vor sich her. Wissenschaftler sprechen von Prokrastination, von krankhaftem Aufschieben. Das Studentenwerk Berlin hat zwischen 17 und 23 Uhr zur „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ geladen. In der hintersten Mensaecke sitzt Sandra und blickt auf den Bildschirm ihres Laptops. Sie will nicht gestört werden. Die 31-Jährige studiert Erziehungswissenschaften und schreibt eine Hausarbeit im Bereich der Erwachsenenpädagogik. Eigentlich mache ihr das Schreiben Spaß, erklärt sie, nur gebe es noch zu viele andere Aufgaben. „Ich arbeite viel als NachhilfeLehrerin, unterrichte Deutsch, Englisch und Mathematik. Da bleibt nicht viel Zeit.“ Dieses Jahr beteiligt sich das Studentenwerk erstmalig an der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“, einer bundesweiten Aktion, 2010 von der Europa-Universität Viadrina ins Leben gerufen. „In der psychologischen Beratungsstelle sind wir ständig damit konfrontiert, womit sich die jungen Menschen herumquälen“, erklärt Jürgen Morgenstern vom Studentenwerk. Er ist davon überzeugt, dass Schreibschwierigkeiten inzwischen ein gesellschaftliches Problem sind: „Wir teilen uns heute nur noch über EMail, SMS oder What’s App mit. Aber für eine Hausarbeit müssen wir ein Thema strukturell erfassen und brauchen viel Konzentration. Dafür wollen wir heute Abend einen geschützten Raum anbieten.“ Bei Schreibhemmungen hilft seit Januar 2014 auch Constanze Keiderling. Sie ist Beraterin im gerade eröffneten Schreibzentrum des Studen-

Hilfe fürs Schreiben Wie gliedere ich meine Hausarbeit? Wie schreibe ich eine Einleitung? Wie schaffe ich es, regelmäßig zu schreiben? Das Schreibzentrum des Studentenwerks bietet unter www.studentenwerk-berlin.de/schreibzentrum individuelle Schreibberatung und Workshops für Gruppen an. Einen Leitfaden zu wissenschaftlichen Anforderungen namens „Assis Thesis“ hat die TU Berlin herausgebracht. Jeder Studierende kann sich die 107 Seiten unter www.career.tu-berlin.de/fileadmin/ref2/career-service/AssisThesis_Studierendenversion.pdf herunterladen. An der Humboldt-Universität finden Studierende Hilfe beim Career Service (www.careercenter.hu-berlin.de) oder der pychologischen Beratung (www.hu-berlin.de/studium/beratung/psyber). Ähnlich ist es an der Freien Universität. Fachbereiche verteilen eigene Leitfäden zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten. Studierende und Doktoranden können seit 2003 in der Wissenschaftlichen Schreibwerkstatt Berlin ihre Fähigkeiten verbessern. Allerdings kostet die Beratung für Studierende 40 Euro pro Stunde. Infos unter www.wissenschaftlicheschreibwerkstatt.de

tenwerks. Die Idee zu diesem Zentrum kam ihr, als sie an ihrer eigenen Masterarbeit zum Thema Schreibberatung saß. Heute versuchen sie und zwei studentische Hilfskräfte jedem Studenten zu helfen, der den Weg ins Schreibzentrum findet. Oft kämen die Studenten bereits mit einem konkreten Schreibprojekt, fänden aber keinen Anfang, sagt Keiderling. „Wir fragen erst einmal ganz viel, weil wir herausfinden wollen, was der Betroffene für ein Schreibtyp ist.“ So erlebt das Team Menschen, die schon viel geistige Vorarbeit geleistet haben und schließlich an den eigenen Vorstellungen von Perfektion scheitern. „Dann ermutigen wir zu ersten Entwürfen.“ Andere legen einfach los und verlieren dann schnell den Überblick. „In einem solchen Fall kürzen wir und arbeiten die Essenz heraus.“ Inhaltlich mischt sich das Team allerdings nicht ein: „Dafür sind die Dozenten zuständig.“ Benni hat gerade sein erstes Gespräch im Schreibzentrum hinter sich gebracht. Seine Devise lautet jetzt: eingrenzen! Denn das Thema „Islamische Frauen in den Medien“ ist uferlos, und er darf nur acht Seiten schreiben. Der Philosophiestudent mit Bart und langem Mantel

ist ein großer Prokrastinierer, wie er zugibt. Er befindet sich im dritten Fachsemester und hat erst eine Prüfung ablegt. Schließlich gibt es auch andere Dinge im Leben. Er ist gerade Papa geworden und hängt auch viel mit Freunden herum. Über die Initiative des Studentenwerks freut er sich:„Ich finde es gut, dass inzwischen offiziell wahrgenommen wird, dass es diese Probleme gibt. Außerdem sehe ich hier, dass andere mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfen wie ich.“ Im Seminarraum neben der Mensa findet ein Workshop „Wege aus der Prokrastination“ statt. Er ist komplett ausgebucht. Jeder der zwanzig Teilnehmer erklärt, warum er gekommen ist: „Ich kann nicht sitzenbleiben!“ sagt eine junge Frau mit Pferdeschwanz. „Andere Dinge sind viel interessanter“, erklärt ein Student. „Ich kann mich für kein Thema entscheiden“, wirft der nächste ein. Der Psychologe und Seminarleiter Kai Ehlers hört geduldig zu. Dann gibt er einen Selbstbefragungsbogen aus, weil er möchte, dass die Studenten ihre Verhaltensmuster erkennen. Interessante Einsichten kommen ans Licht: „Solange ich nicht schreibe, kann mich niemand

schlecht bewerten“ – „Ich arbeite einfach an zu vielen Baustellen“ – „Ich habe Probleme damit, mich zu entscheiden, weil ich Angst habe, einen Fehler zu machen“. Besonderen Beifall findet die Aussage: „Das Aufschieben ist wie eine Droge. Erst bringt es Erleichterung, aber hinterher werden die Probleme noch größer. Prokrastination ist wie Suchtverhalten.“ Ehlers kennt durch seine Arbeit in der psychotherapeutischen Beratungsstelle die Lebenswirklichkeit der Studenten. „Oft sind die Studierenden schlichtweg überfordert. Sie haben nie gelernt zu lernen und brauchen Strategien, um die Arbeit zu bewältigen.“ Viele kämen neu nach Berlin, hätten zu Hause immer zu den Besten gehört und seien plötzlich einem gewaltigen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Außerdem: Wer jobbt oder nebenher ein Kind großzieht, muss die Anzahl der Semester aufstocken. Die Betroffenen, so Ehlers, machten oft den Fehler, dass sie sich an der Leistungsspitze orientierten. „Dabei ist es wichtig, dass sie für sich selbst einen angemessenen Maßstab entwickeln.“ Schließlich brauche man auch Belohnung und Anerkennung. „Die müssen sich die Studenten selber geben. Auch das müssen viele erst lernen.“ Der Workshop wird am Ende zum Coaching. Praktische Tipps kommen auf den Tisch: „Teilen Sie den großen Berg in kleine Einheiten auf! Setzen Sie sich Ziele, die Sie auch erfüllen können! Lieber kleine und kontinuierliche Arbeitseinheiten als riesig viel an einem Tag! Schreiben Sie sich einen Wochenplan!“ Und: „Fehler sind Freunde, wer keine Fehler mehr macht, lernt nicht mehr!“ Inzwischen ist es dunkel geworden. Nebenan schreiben die Studenten noch immer an ihren Arbeiten. Die Atmosphäre ist entspannt. Die Lehramtstudentin Olumide sitzt vor einem Tablet, zupft an ihrem roten Fransenschal und flüstert: „Total gut. Ich bin gerade so in Fluss gekommen, dass ich gar nicht zum Workshop gegangen bin.“ Sie würde jederzeit wiederkommen.


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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014

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Flirten: Das Studium soll die schönste Lebensphase sein. Dazu gehört auch, sich näherzukommen. Leider jedoch laufen viele auf dem Uni-Flur völlig achtlos aneinander vorüber. Denn man hat ja viel zu viel zu tun und den Kopf voll. Also muss das Internet helfen. Jeder sechste Student soll schon online einen Partner gefunden haben. Zu den einschlägigen Seiten gehört die studentische Partnerbörse www.uni-kuscheln.de („Einsam studieren? Nicht mit uns!“). Weitere Plattformen findet man zum Beispiel unter www.studieren-im-netz.org und (für

den, der’s ein bisschen direkter mag) unter www.boeser-junge.de. Eines allerdings bleibt einem nicht erspart, wenn am Ende mehr daraus werden soll: dem virtuellen Flirtpartner irgendwann einmal Auge in Auge gegenüberzustehen. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Ganz wie früher. Gründer: Viele Studenten wollen sich irgendwann mit einem Unternehmen selbstständig machen. Manche sogar schon während des Studiums. Die Hochschulen fördern solche Bestrebungen. An der FU steht zum Beispiel die Gründungsberatung „profund“ jedem Studenten offen: www.profund.fu-berlin.de. HU: Der Gründungsservice ist zu erreichen über: http://gruendung. hu-berlin.de. Die Gründungsaktivitäten an der TU wiederum wurden in einem Zentrum für Entrepreneurship gebündelt: www.gruendung.tu-berlin.de. Auch Fachhochschulen besitzen Gründungszentren. Handapparat: Ein Wort, das viele neue Studenten belustigt, weil man es an der Schule noch nie gehört hat. In Bibliotheken ist damit der Bücherbestand gemeint, der im Le-

UNIVERSITÄT VON A BIS Z

Uni-Kuscheln geht auch online

G ETTY /ISTOC KPHOTO

Fachschaft: Umfasst alle Studenten eines Instituts oder Fachbereichs. Mit der Immatrikulation wird der Student automatisch Mitglied einer Fachschaft. Die Interessen werden von gewählten Fachschaftsräten vertreten, die auch die Gelder aus dem Haushalt der Studentenschaft verwalten. Weniger formell sind die Fachschaftsinitiativen. Fachschaften stellen kommentierte Vorlesungsverzeichnisse zusammen, betreiben Cafés, unternehmen Exkursionen und lassen Partys steigen. Fachschaftsvertreter sitzen auch in Uni-Gremien.

Jeder sechste Studierende soll schon im Internet einen Partner gefunden haben.

sesaal präsent ist. Viele Bibliotheken bieten Semesterapparate. Das ist Literatur, die zu einzelnen Lehrveranstaltungen in den Lesesälen zur Verfügung steht, während der Öffnungszeit benutzt, aber nicht ausgeliehen werden kann. Hochschulsport: Das Hochschulsportangebot in Berlin ist umfangreich. Die Liste reicht von Aerobic bis Zumba. Man findet neben Dauerbrennern wie Tennis, Basketball oder Schwimmen auch ganz besondere Angebote wie Bouldern, Parkour, Futsal oder Krav-Maga-Selbstverteidigung. Die Kurse finden das ganze Jahr über statt. Sie starten jeweils zum Semesterbeginn und in den Semesterferien. Einige Überblicke: www.zeh.hu-berlin.de, www.hs-sport.fuberlin.de oder www.tu-sport.de. Immatrikulation: Einschreiben eines Studenten in die Liste (Matrikel) der Hochschule. Der Begriff ist abgeleitet vom lateinischen Wort matricula (Stamm). Die Matrikel ist sozusagen das Stammbuch der Universität. Bei jeder Einschreibung und Rückmeldung werden Semesterbeiträge fällig. An der FU

Lauter kleine

betragen diese für das Sommersemester zum Beispiel etwa 290 Euro: für Immatrikulationsgebühr (50 Euro), Sozialbeitrag für das Studentenwerk (46,13 Euro), Studentenschaftsbeitrag (8,70 Euro), Semesterticket Tarifbereich ABC (184,40 Euro). Mit der Einschreibung bekommt der Student seine Imma-Bescheinigung und einen Studentenausweis mit Semesterticket. Job: Zwei von drei Studenten müssen nebenbei arbeiten, um sich das Leben zu finanzieren. Bei der Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen des Studentenwerks sind die Aussichten auf einen Job verhältnismäßig gut und auch sozialversicherungspflichtig, siehe: www.studentenwerk-berlin.de/jobs. Wer nach dem Studium an der Universität arbeiten will und auch während des Studiums mit einer anspruchsvollen Tätigkeit sein Geld verdienen möchte, sollte sich an die Fersen seiner Dozenten und Profs hängen, um bei der nächstbesten Gelegenheit einen Job an der Uni zu bekommen. Hier einige weitere Jobportale und Agenturen: www.jobber.de, www.jobisjob.de, www.criteria-jobs.de oder www.jobstudent.de.

Inseln

Anders als Heidelberg, Marburg oder Greifswald ist Berlin keine überschaubare Studentenstadt. Hier weiß man oft nicht, wer studiert und wer nicht. Dennoch gibt es statistische Aussagen V ON T ORSTEN H ARMSEN

GETTY/ISTOCKPHOTO

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Beliebtes Studentenessen, für manche sogar jeden Tag. Die Basilikumblätter sind dabei reiner Luxus.

Karges

Mahl am Monatsende

Viele Studenten leiden unter Geldproblemen. Zur Not gibt es Hilfefonds V ON M ARIE -C HRISTINE K ESTING

O

h je, der Monat ist schon wieder fast vorbei, und das Geld reicht nur noch für täglich Nudeln mit Tomatensoße. Diese sind vielleicht immer häufiger auf Berliner Studententellern zu finden. Denn das Geld wird für andere Dinge gebraucht als für gutes Essen. Vor allem für die Miete. Die Attraktivität der Stadt wächst und damit auch die Mietausgaben, die den größten Kostenfaktor für Studierende ausmachen. Im Vergleich zu 2009 sind sie um acht Prozent gestiegen. Laut der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks müssen Berliner Studierende durchschnittlich 321 Euro Miete aufbringen, 23 Euro mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Da wäre ein Wohnheim mit um die 238 Euro schon die günstigere Variante, doch Iris Altheide von der Sozialberatung des Berliner Studentenwerks bedauert: „Wir können in Berlin nur für fünf Prozent der Studierenden einen Wohnheimplatz anbieten.“ In anderen Ländern, wie Thüringen und Baden-Württemberg, liege die Quote bei zehn Prozent. Das Studentenwerk bietet derzeit nur 9 500 Wohnheimplätze an. „Dabei bräuchten wir eigentlich 500 zusätzliche Plätze in Hochschulnähe“, sagte der Sprecher des Studentenwerks, Jürgen Morgenstern, schon 2012. Doch die Umsetzung ist nicht in Sicht. Für ein Leben in der Hauptstadt nehmen viele Studierende einiges in Kauf. Iris Altheide: „Uns berichten Studierende, dass sie containern gehen“, also in Abfallbehältern von Supermärkten nach Lebensmitteln suchen. Andere wohnten auf engstem Raum oder teilten sich dieWohnfläche mit vielen anderen. Nur 27 Prozent der Studierenden steht Bafög zu. Zwar gab das Studentenwerk Anfang 2014 an, dass Berliner Studierenden im Schnitt monatlich 971 Euro

zur Verfügung stünden, 50 Euro mehr als ihren Kommilitonen bundesweit. Doch Iris Altheide begegnen auch Studenten, die mit 400 Euro auskommen müssen. Viele halten sich durch Jobben über Wasser. Im Durchschnitt widmen sie elf Stunden pro Woche einer Erwerbstätigkeit, 2,5 Stunden mehr als die Studierenden im Bundesschnitt. Doch auch der Berliner Arbeitsmarkt macht es einem nicht so einfach. Hier sei es deutlich schwieriger, einen gut bezahlten Job zu finden, als etwa in Süddeutschland, da es nicht besonders viel Industrie gebe, so Iris Altheide. „Einige fahren in den Semesterferien ganz klassisch nach Stuttgart, arbeiten da für ein paar Wochen und leben dann davon eine Weile.“

Zu wenige Studierende wissen, dass es für finanzielle Ernstfälle Töpfe gibt, aus denen Darlehen und Hilfen gezahlt werden können. Doch ganz allein sind die Studierenden in Berlin mit ihren Geldproblemen nicht. Die Sozialberatung des Studentenwerks steht für sie bereit. In einer persönlichen Beratung helfen Iris Altheide und Kollegen, alle finanziellen Quellen aufzudecken, natürlich immer mit Weitblick: „Tendenziell ist es bei uns in der Beratung so, dass wir erst mal die Studierenden zu all den Quellen beraten, die keineVerschuldung mit sich bringen“, sagt Altheide. Sie rät, auch kleinere Unterstützungsmöglichkeiten wahrzunehmen. So bieten Hochschulen einen Zuschuss zum Semesterticket an. Das Studentenwerk hilft

dabei, Jobs zu finden, etwa über die Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen (www.studentenwerkberlin.de/jobs/index.html). Das ist besonders für ausländische Studierende eine Hilfe, die es auf dem freien Arbeitsmarkt etwas schwerer haben. Das neue „Study&Work Programm“ vermittelt sogar Jobs im eigenen Haus. In Notlagen hält das Studentenwerk aber auch eigene Töpfe bereit, aus denen es schöpfen kann. Wenn Studierende zum Beispiel die Doppelbelastung Job und Studium in der Prüfungszeit nicht mehr durchhalten oder plötzlich der Rechner kaputtgeht, können sie ein Überbrückungsdarlehen beantragen. Die Rückzahlungen der Studierenden speisen diesen Topf immer wieder neu. Ein neues Studienbegleitdarlehen soll über eine längere Zeit aushelfen können. Für plötzliche Krankheiten, etwa nach einem Unfall, gibt es auch einen Notfonds, in den kein Geld zurückgezahlt werden muss. Er speist sich aus der Aufwandsentschädigung, den die KfW-Bank für jeden vermittelten Studienkredit zahlt. Im Jahre 2012 wurde zum Beispiel 105 Studierenden mit 97 000 Euro aus dem Notfonds geholfen. Weiterhin bewilligte man 64 Überbrückungsdarlehensanträge mit insgesamt 18 000 Euro. Erfreulich ist, dass den meisten Anträgen tatsächlich stattgegeben wird. Leider wissen aber noch zu wenige von dem Angebot: „Wir haben immer wieder die Situation, dass Studierende zu uns kommen und nachher sagen: Hätte ich das eher gewusst“, sagt Iris Altheide. Sie ermutigt Studenten, bei jeder noch so kleinen Frage vorbeizukommen, auch ohne Termin. Informationen über Studienfinanzierung und mögliche Hilfen in Notfällen: www.studentenwerk-berlin.de und www.studentenwerk-berlin.de/bub/ sozialberatung/finanzierung/index.html

o findet man ihn, den Berliner Studenten? Sorry, natürlich ist auch die Berliner Studentin damit gemeint. Im Gegensatz zu anderen Uni-Städten hat Berlin keinen zentralen Campus, sondern viele studentische Inseln – ob „draußen“ in Adlershof, wo die Mathematiker und Naturwissenschaftler der Humboldt-Uni beheimatet sind, ob am Ernst-ReuterPlatz in Charlottenburg, im Umfeld der Charité in Mitte oder rund um die Rost- und Silberlaube in Dahlem. Fast nirgendwo findet man die Einheit von Studieren, Wohnen und Freizeit an einem einzigen Ort, wie in vielen kleinen Studentenstädten. Älter als der Durchschnitt Die mehr als 167 400 Berliner Studierenden – so viele wie nie zuvor! – verteilen sich also gut über die verschiedenen Stadtteile. Manchmal treten sie geballt auf: in bestimmten Straßenzügen Friedrichshains, Mittes, Kreuzbergs oder Dahlems, in bestimmten Kneipen oder Clubs. Aber da weiß man oft auch nicht genau: Wer ist gerade Student und wer Tourist? Soziologisch lässt sich also „der“ Student oder „die“ Studentin

kaum durch Beobachtung charakterisieren. Am besten schafft man das noch in Bibliotheken, wie dem Grimm-Zentrum der HU nahe dem S-Bahnhof Friedrichstraße. Wie das Studentenwerk mitteilt, sind die Berliner Studierenden älter als der deutsche Durchschnitt. Bundesweit beginnen Abiturienten im Schnitt mit 21 Jahren ihr Studium. In Berlin sind allerdings fast 56 Prozent 25 Jahre und älter. Fast jeder Zehnte hat sogar bereits das 35. Lebensjahr erreicht oder überschritten. Woran liegt das? Auch hier findet sich die Antwort in der Statistik des Studentenwerks: 27 Prozent der Erstsemester haben vor dem Studium bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen. In Berlin gibt es neben vier Universitäten und drei Kunst- und Musikhochschulen auch sieben Fachund 28 Privathochschulen. Gerade an fachorientierten Hochschulen und in vielen Masterstudiengängen schreiben sich Studenten ein, die bereits Berufserfahrung haben. Berlin hat in den vergangenen Jahren den Hochschulzugang für Berufserfahrene ohne Abitur erweitert, sogar für allgemeine Studiengänge. Fast 29 Prozent aller Berliner Studenten lernen an den Fachhochschulen, die aber seit einigen

Jahren meist ohne die Vorsilbe „Fach“ im Namen auftreten. Sie wollen damit zeigen, dass sie mit den Unis gleichwertig sind. Durch die Einführung von Bachelor und Master haben sich die Studiensysteme immer mehr angeglichen. Wo wohnen die Berliner Studenten? Fast 30 Prozent teilen sich eine Wohnung mit der Partnerin oder dem Partner. In einer Wohngemeinschaft leben 26 Prozent. 22 Prozent wohnen allein und 16 Prozent noch bei den Eltern. Nur fünf Prozent der Studenten beziehen ein Zimmer in einem Wohnheim. Und das Modell Untermiete – in anderen Städten zunehmend beliebter – nutzt in Berlin nur eine verschwindend geringe Minderheit von einem Prozent. Fast jeder Sechste ist Ausländer Mehr als 16 Prozent der Studenten kommen aus dem Ausland, viele davon aus China, Russland, Polen, weniger aus den USA, Frankreich oder Italien. Überdurchschnittlich viele Studenten, nämlich mehr als zwölf Prozent, belegen übrigens auch ein sogenanntes Mint-Fach aus den Bereichen Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Damit liegt Berlin weit über dem OECD-Mittelwert von neun Prozent. Anzeige

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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014

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Semesterstart

Kernfach: So nennt sich das Schwerpunktfach eines Studiums. Hier sammelt man die meisten Leistungspunkte und schreibt auch die Bachelorarbeit. Kombiniert wird das Ganze mit anderen Bestandteilen – Zweitfach, Beifach, berufsvorbereitende Module. Kommilitone: Kommt vom Lateinischen „commilito“. Das Wort hat einen militärischen Ursprung und bedeutete Kriegsgefährte, Kamerad, Mitstreiter, was einst sogar

buchstäblich zutraf. Denn die Wege zu den Universitäten waren lang und gefährlich. 1514 erlaubte Kaiser Maximilian I. den Studenten als Erster das Tragen von Waffen. Heute müsste man statt Kommilitonin oder Kommilitone vielleicht sagen: Ersti-, WGoder Fachschafts-Ini-GefährtInnen. Es erleichtert das Studium, wenn man sich Mitstreiter sucht, mit denen man die nächsten Jahre verbringt, um sich beim Lernen zu helfen, aber auch gemeinsam Party zu machen.

Mit-: Vorsilbe für verschiedene billige Gelegenheiten: Mitwohnen, Mitfahren und so weiter. Man findet diese an schwarzen Bret-

Summer University für Künstler an der UdK Mit ihrer Summer University of the Arts bietet die Universität der Künste (UdK) auch in diesem Jahr eine internationale Plattform für Künstler und Kreative. Die Seminare und Workshops finden vom 15. Juli bis 15. Oktober statt. Unter anderem geben die bildenden Künstler Valérie Favre und Robert Lucander einen Einblick in ihre Arbeit und die Berliner Galerien-Szene. Der BaglamaVirtuose Erdal Erzincan führt in die Selpe-Spieltechnik ein. Die Opernsängerin Cheryl Studer und der Klarinettist Karl Leister geben einen Meisterkurs. AuchWorkshops zum Künstlerischen Erzählen und zum Szenischen Schreiben sind angekündigt. Siehe: www.udk-berlin.de/summercourses. (BLZ)

Technische Universität lädt zum Großen Mathefest Eine „bunte Mischung aus Wissenschaft und Unterhaltung“ versprechen die Berliner Mathematiker für ihr Großes Mathefest am 22. Mai, 18 Uhr, im Audimax der Technischen Universität (TU) Berlin, Straße des 17. Juni 135. Ein Anlass ist dasWeiterbestehen des Forschungszentrums Matheon im neuen Einstein-Zentrum ECMath. Das Matheon entwickelte sich innerhalb von zwölf Jahren zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Angewandten Mathematik. Bereits am 17. Mai, von 9 bis 17.30 Uhr, lädt die TU zum 19. Berliner Tag der Mathematik. ImWettbewerb treten Schülermannschaften gegeneinander an. Anmeldungen bis 9. Mai unter: www.math.tu-berlin.de/tdm. (BLZ)

Magazin kürt HU Berlin zur viertbesten deutschen Uni Einem aktuellen Ranking des britischen Magazins Times Higher Education zufolge ist die HumboldtUniversität (HU) Berlin eine der angesehensten Unis der Welt. Sie landete in der Ranggruppe 71 bis 80 – als viertbeste deutsche Uni nach der Universität München, der Uni Heidelberg und der TU München. Damit liegt sie vor der Freien Universität (FU) Berlin, die in die Ranggruppe 81 bis 90 kam. Das Ranking beruht auf einer Befragung von Akademikern über das Ansehen in Lehre und Forschung. Die ersten zehn Plätze belegen US-amerikanische und britische Unis, allen voran Harvard. (BLZ)

Kaiser Maximilian I. erlaubte 1514 den Studenten das Tragen von Waffen.

Der Professor

tern in den Hochschulen oder auch im Internet, zum Beispiel zum Mitfahren: www.mitfahrgelegenheit.de, www.mitfahrzentrale.de. Viele Angebote zum Mitwohnen in Berlin finden sich unter: www.citywohnen.de, www.city-mitwohnzentrale.com, www.studenten-wg.de/Berlin.html, www.zwischenmiete.de. Modul: Bestandteil des durch und durch „modularisierten“ Bachelor- und Masterstudiums. Der Begriff bezeichnet einen thematisch zusammenhängenden Block, der aus mehreren Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Seminare, Übungen, Laborpraktika) besteht. Er kann ein oder zwei Semester dauern, ein bestimmtes Fach behandeln (etwa: Musiktheorie), sich aber auch auf Qualifikationsziele (etwa: Sprachenlernen) orientieren. N.N.: Diese Abkürzung (lat. „nomen nominandum“) taucht im Vorlesungsverzeichnis immer dann auf, wenn eine bestimmte Lehrveranstaltung oder eine Beratung feststeht, aber noch nicht klar ist, wer sie übernimmt.

Numerus clausus: (Geschlossene Zahl, NC.) Zulassungsbeschränkung. Zum ersten Mal erließ das Bundesverfassungsgericht 1972 ein bundesweites Numerus-clausus-Urteil. In bestimmten Fächern gab es einfach zu viele Studenten. Um die Unis arbeitsfähig zu halten, wurden Obergrenzen festgelegt. Mittlerweile haben alle Berliner Unis einen internen NC eingerichtet. Sie können in ihren Fächern nur die jeweils Notenbesten zum Studium auswählen. Es gibt in Berlin bis zu zehn Bewerber auf einen Studienplatz. Zu den am meisten nachgefragten Fächern gehören Psychologie, BWL, Jura, aber auch Grundschulpädagogik und Sozialwissenschaften, Publizistik und Politik, Wirtschaftsingenieurwesen und Architektur. Orchideenfächer: Blumen werden da nicht gezüchtet. Es geht um bewahrenswerte Kleinode der Berliner Universitäts-Welt. Dazu gehören Angebote wie Altorientalistik, Semitistik und Arabistik, Katalanisch, Galicisch, Ostasiatische Kunstgeschichte, Bohemistik/Slowakistik, Koreastudien, Neogräzistik, Musik- oder Theaterwissenschaft.

zum Umhertragen

Erstmals findet an der FU Berlin eine ganze Vorlesung im Internet statt. Man kann sie zu Hause, im Park oder in der Bahn hören

A

einer ganz anderen Motivation und einem besseren Gefühl an die Vorlesung“, sagt Azemine, die Politik Lehramt studiert. Sie spulte das Video zurück, wenn sie etwas nicht verstand, pausierte, wenn sie sich Notizen machte, und nahm ihren Rechner samt de Haan auch mal mit zum Babysitten. „Manche Studierende haben mir auch mitgeteilt, dass mich bei ihnen zu Hause mittlerweile schon vom Kleinkind bis zur Oma jeder kennt“ sagt de Haan und lacht. Lars Biermann wiederum regte dazu an, neben den Videos auch eine Audiospur zur Verfügung zu stellen. „Das wurde schnell umgesetzt“, sagt der 31-Jährige. Mit Kopfhörer-Stöpseln im Ohr und den ausgedruckten Folien lernte Lars am liebsten am Boxhagener Platz, aber auch in der U-Bahn.

V ON J ULIA G RASS

ls Professor Gerhard de Haan im Oktober 2013 seine rund 600 Teilnehmer um acht Uhr morgens in der Vorlesung „Einführung in die Erziehungswissenschaften“ an der Freien Universität (FU) Berlin begrüßt, teilt er ihnen erst mal mit, dass sie ihn vorerst nicht mehr sehen werden – jedenfalls nicht live. Dafür aber auf Video, wann immer sie möchten. „Der volle Hörsaal und die frühe Uhrzeit – das war bei den Studenten nicht gerade beliebt und gab regelmäßig Minuspunkte bei der Evaluation“, sagt de Haan. Also wurde die Vorlesung als erste Veranstaltung an der FU komplett ins Internet verlagert. Ein Semester lang hat er dafür seine klassische Vorlesung filmen lassen, seinen Vortrag sowie die Diskussion mit den Studenten. „Dabei war mir wichtig, die authentische Stimmung beizubehalten. Vierzehn Vorlesungen in einem Aufnahmestudio zu filmen, das mag zwar professioneller sein, erschien mir aber sehr monoton – wer hätte das denn sehen wollen.“ Bei einer gefilmten Online-Vorlesung blieb es allerdings nicht. In Zusammenarbeit mit dem Center für Digitale Systeme (Cedis), dem Kompetenzzentrum für E-Learning und Multimedia an der FU Berlin, entstand eine komplette virtuelle Lernumgebung. „Die große Frage dieses Projekts war: Wie kann man Lerninhalte mit Hilfe des Computers und des Internets vermitteln?“, sagt Nicolas Apostolopoulos, Leiter des Cedis. In einem Seminar über Medienpädagogik ließ er seine Studenten an den Videos der Vorlesung basteln und Zusatzmaterialien entwickeln. Außerdem holte er Hinweise ein, an welchen Stellen noch Erklärungsbedarf sei. „Erstaunlich war, dass die Studenten uns auch darauf hingewiesen haben, nicht zu viel zu erklären, weil man sich als Student sonst bemuttert fühlen würde“ sagt er. Eine ganz andere Motivation In der fertigen Lernumgebung waren die Vorlesungs-Videos schließlich in Kapitel unterteilt, wurden durch druckfähige Vortragsfolien ergänzt, Abbildungen und Diagramme gab es hochauflösend zum Download. An Übungsaufgaben und Selbsttests konnten die neuen Studenten ihr Wissen überprüfen, bei Fragen standen sowohl Diskussions-Foren, als auch studentische Tutoren per Mail zurVerfügung. Ein Mal pro Woche, zur eigentlichen Vorlesungszeit, beantwortete Gerhard de Haan Fragen per Mail oder im Live-Chat.„Wir waren sehr unsicher, wie das Format angenommen würde. Es war im Grunde eine Operation am offenen Herzen“, sagt Apostolopoulos. Deshalb trafen die Studenten noch zwei Mal persönlich auf ihren Dozenten: kurz vor der Klausur und kurz vor Weihnachten, um offene Fragen zu klären und Feedback zu geben. Die meisten Rückmeldungen sind positiv, viele schätzen die Flexibilität, die das Format bietet – so wie Azemine Qorraj. „Dadurch, dass man immer dann lernen kann, wenn man Zeit hat, geht man mit

Austausch wird vermisst

GE TTY / I S TOC K P H OTO

Ein neues Studierenden-ServiceCenter baut die Freie Universität (FU) Berlin nahe dem U-Bahnhof Dahlem-Dorf. Richtfest war im Wintersemester. Das Gebäude in der Iltisstraße 4 soll noch im Spätsommer dieses Jahres eröffnet werden – als zentrale Anlaufstelle für alle Studierenden und Studienbewerber. Mit 920 Quadratmetern Nutzfläche ersetzt es drei bisher von der FU genutzte Villen. Am Counter im Erdgeschoss sollen Studenten Fragen stellen, einfache Verwaltungsvorgänge abwickeln oder sich Termine geben lassen können. Die Studienberatung, Psychologen, Ansprechpartner für ausländische Studenten, das Bafög-Amt und andere mehr sollen präsent sein. (BLZ)

Die Wandlung des Commilitio

Literaturliste: Es muss ein Vorurteil sein, dass heutige Studenten angeblich nur noch drei Seiten am Stück lesen können, wie einst ein FU-Präsident sagte. In manchen Fächern ist sehr viel zu lesen. Literaturlisten – relevante Texte und Bücher – werden von Dozenten zusammengestellt. Institute geben generelle Literaturempfehlungen. Die Listen sind maßgeblich für Inhalte, die bei Prüfungen abgefragt werden können.

N A C H R I C H T E N ❖ Neues Service-Center für Studenten der FU entsteht

UNIVERSITÄT VON A BIS Z

IM AG O /IM AG EBRO KER

Kindergeld: Es klingt zwar komisch, noch von Kindergeld zu sprechen, wenn es sich um erwachsene Frauen und Männer handelt. Aber es stimmt: Auch für Studenten gibt es noch Kindergeld – und zwar bis zum 25. Lebensjahr, wenn ihr Jahreseinkommen 8 004 Euro nicht übersteigt. Der Zeitraum wird verlängert, wenn man zum Beispiel einen anerkannten Wehr- oder Freiwilligendienst geleistet hat. Und wenn Eltern keinen Unterhalt zahlen, können (unverheiratete) Studierende auch die Zahlung des Kindergeldes an sich selbst beantragen. Informationen unter: www.studis-online.de/ StudInfo/kindergeld.php

Vorlesungen und Übungen im Internet ersparen einem, sich in überfüllte Hörsäle zu quetschen. Man kann in Ruhe zu Hause auf dem Bett lernen – oder ganz woanders.

Lernen im digitalen Hörsaal Bereits 2001 gab es an der FU Berlin das E-LearningProjekt „Neue Statistik“ mit virtueller Lernumgebung. Im Internet fanden die Studenten problemorientierte Anwendungsaufgaben zu den Inhalten, die sie in der Vorlesung gehört hatten. Allerdings gab es die Vorlesung als Video damals noch nicht. „Dazu waren die Technik, die Breitbandnetze, das Smartphone und Tablet, nicht verbreitet genug“, sagt Nicolas Apostolopoulos, Leiter des Centers für Digitale Systeme (Cedis) an der FU. Die Vorlesung des Erziehungswissenschaftlers Gerhard de Haan samt Lernumgebung ins Internet zu bringen, gestaltete sich als ein riesiges interdisziplinäres Projekt. „Der Aufwand, den die Studenten betrieben, die an der Entwicklung teilgenommen haben, ist mit keiner Bachelor-Prüfung auszugleichen“ sagt der E-LearningExperte Nicolas Apostolopoulos. Er könnte sich auch vorstellen, das Projekt zu erweitern und noch mehr Studenten ins Boot zu holen, darunter zum Beispiel Informatiker, die die dazugehörige Technik entwickeln könnten. Leider aber gäben die derzeitigen Studienbedingungen nur wenig Spielraum für solche Lernprojekte An deutschen Universitäten wird über viele Wege nachgedacht, digitale Formen in Studium und Lehre zu nutzen. So entwickeln sie seit einiger Zeit zum Beispiel sogenannte Massive Open Online Courses (Moocs) nach amerikanischem Vorbild, wie sie beispielsweise auf Portalen wie Coursera.com oder Edx.com angeboten werden. Dabei kann jeder, der möchte, ganze Vorlesungsreihen kostenlos im Internet belegen. Einige Universitäten, wie beispielsweise Harvard, stellen nach bestandener Klausur sogar Zertifikate für solche Kurse aus. Auch Kurse der TU und Universität in München finden sich auf solchen Portalen. Neulich berichtete die Berliner Zeitung, dass der Fachbereich Design der kleinen Fachhochschule Potsdam, an der nur 3 500 Studenten lernen, einen Mooc entwickelt hat. Für die Vorlesung „The Future of Storytelling“ haben sich 50 000 Teilnehmer eingeschrieben.

Das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam entwickelte mit dem openHPI sogar eine interaktive Plattform für Online-Kurse zu verschiedenen Themen der Informationstechnologie. Es ist eine Art Tele-Teaching von Professoren des Instituts und soll dabei helfen, bei der IT-Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben. Die offenen, kostenlosen Kurse laufen jeweils über zwei Monate. Zugangsvoraussetzungen gibt es nicht. Kurssprachen sind Deutsch und Englisch. Pro Kurswoche sind drei bis sechs Stunden einzuplanen: für das Anschauen der Lehr-Videos, das Lesen des Materials, Selbsttests und die Teilnahme an Diskussionsforen. Am Ende gibt es eine Prüfung, auch online, sowie ein Zertifikat. Weiteres unter: www.openhpi.de „Inverted Classroom“ heißt ein Konzept, das sich auch in Deutschland verbreitet. Die Ansätze wurden schon Ende der 1990er-Jahre in den USA entwickelt. Es bedeutet: umgedrehtes Klassenzimmer. Unter anderem hat Jörn Loviscach von der FH Bielefeld dieses Konzept nach Deutschland geholt. Der Professor für Mathematik und Informatik hält schon lange keine Vorlesungen mehr, seine Erläuterungen stellt er stattdessen in lernfreundlichen Häppchen auf Youtube, für jedermann zugänglich. Wer zusätzlich an der FH Bielefeld bei ihm studiert, kann in Präsenzübungen, im „richtigen“ Klassenzimmer, über das Gelernte mit ihm diskutieren. Weitere Formen findet man unter anderem an der TU Freiberg . Hier kann man über eine Smartphone-App Fragen in Vorlesungen und Seminaren stellen. Freigeschaltet wird man dafür automatisch, wenn man seinen Stundenplan in die App einträgt und (mit Smartphone) im richtigen Raum sitzt, vorausgesetzt, man ist im UniWLAN eingeloggt. Das funktioniert in kleinen Seminaren ganz gut. Nicolas Apostolopoulos von der FU Berlin kann sich das aber für Massenveranstaltungen nicht vorstellen. „Wenn 600 Leute versuchen, Fragen via Smartphone zu stellen, brechen Ihnen die Netze zusammen wie in einem Fußballstadion.“

Dennoch ist Lars von dem Modell nicht ganz überzeugt. Er studiert Grundschulpädagogik und Politik im zweiten Semester und vermisste vor allem den Austausch unter den Studenten. „Nach einer Politikvorlesung diskutieren wir oft auf dem Heimweg noch richtig lange. So kriegt man auch mal eine andere Sicht auf die Dinge vermittelt. Das hat mir bei der Vorlesung von Professor de Haan gefehlt.“ Klar, habe er auch mit den Kommilitonen geredet, aber längst nicht so intensiv. Ähnliche Rückmeldungen hat auch de Haan selbst erhalten. „Ich glaube, einigen Studenten hat es auch gefehlt, sich im Hörsaal mal zum Nachbarn umdrehen und die Augen rollen zu können.“ Nicolas Apostolopoulos sieht zwar ein, dass der menschliche Faktor eine wichtige Rolle beim Lernen spielt, ist aber überzeugt davon, dass die Vorteile des E-Learning-Konzepts gerade für Massenveranstaltungen überwiegen. Solche Veranstaltungen seien nicht erstrebenswert. Man finde keinen Platz, könne kaum Fragen stellen, sei schnell abgelenkt. „Eigentlich substituieren wir nur eine Veranstaltung, die für die Studenten ohnehin frustrierend ist.“ Was für Veranstaltungen sollten denn dann wirklich offline bleiben? Da sind sich alle einig. „Sobald in einer Vorlesung oder einem Seminar viel Interaktion unter den Studenten vorgesehen ist, lässt sich das nicht einfach ins Netz übertragen“, sagt Apostolopoulos, und Lars Biermann macht deutlich: „Bei Seminaren kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen“. Die Vorlesung von Gerhard de Haan soll weiter online angeboten, der persönliche Kontakt aber vertieft werden. Vorstellen könnte man sich dabei etwa regelmäßigere Präsenzveranstaltungen, in denen über Themen aus den Videos diskutiert wird, eine Art „Inverted Classroom“ (siehe Infokasten). Die Ergebnisse der Klausur hat das neue Format nicht groß verändert. „Aber ich glaube, ich habe sehr viel nachhaltiger gelernt“, sagt Lars. Auch Azemine hatte das Gefühl, ihr Lernprozess sei strukturierter und effektiver geworden. Sie sagt: „Ich hätte gerne noch viel mehr von solchen Veranstaltungen an der Uni.“


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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014

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Semesterstart

Praktika oder Praxissemester sind in vielen Bachelorstudiengängen vorgeschrieben, je nach Studiengang und Fachbereich unterschiedlich. Das Praxissemester wird als Studienabschnitt zwar von der Hochschule ge-

regelt, findet aber in einem Betrieb oder in einer anderen Einrichtung der Berufspraxis statt. Es umfasst etwa 20 Wochen und soll an die berufliche Tätigkeit durch konkrete Aufgabenstellungen und praktische Mitarbeit heranführen. Über die Zulassung zum Praxissemester entscheidet der Prüfungsausschuss des jeweiligen Fachbereichs. Psychologische Beratung: Sie wird vom Studentenwerk (www.studentenwerk-berlin.de) angeboten. Hier gibt es auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung nach dem Paragrafen 219. Psychologen und Psychotherapeuten helfen Studenten bei Prüfungs- und Redeangst, Kontakt- und Lernschwierigkeiten, Partnerproblemen, depressiven Verstimmungen. Es gibt in Berlin zwei Beratungsstellen: Franz-MehringPlatz 2-3 (Friedrichshain), Haus 2, Tel. 93 939-84 38, sowie Hardenbergstraße 34, (Charlottenburg), Tel. 93 939-84 01. E-Mail: beratung@studentenwerk-berlin.de. Quote: Die Politik will die Studentenquote in Deutschland weiter erhöhen. Denn während OECD-weit etwa 39 Prozent eines Al-

UNIVERSITÄT VON A BIS Z

Der Talar ist längst wieder da

tersjahrgangs ein Studium erfolgreich beenden, sind es hierzulande etwa 31 Prozent (im Jahr 2000 waren es noch 18 Prozent). Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass man in anderen Ländern unter Studium vieles subsumiert, was in Deutschland im dualen Berufsbildungssystem absolviert wird. Es gibt aber auch andere Quoten, etwa die Betreuungsquote: In Berlin betreut ein Professor im Schnitt 85 Studenten. Rückmeldung: Nach jedem Semester hat sich der Student bei seiner Hochschule rückzumelden, sonst droht die Exmatrikulation. Zugleich wird Geld fällig (siehe Immatrikulation).

IM AG O /P AP SCH

Plagiat: Das Wort ist vom lateinischen plagium, „Menschenraub“, abgeleitet. Es steht heute für den Raub geistigen Eigentums. Im Zeitalter des Googelns, Kopierens und Einfügens haben viele Hochschulen ihre Prüfungsordnungen verschärft. Studenten, die sich eines Plagiats schuldig machen, droht im schlimmsten Fall die Exmatrikulation. Auch viele Computerprogramme sind mittlerweile auf das Aufspüren von Plagiaten spezialisiert. Professoren nutzen sie immer häufiger, mitunter routinemäßig. Ein interessanter Link zum Thema: http://plagiat.htw-berlin.de. Dort findet man eine scherzhafte Definition des Plagiats durch den amerikanischen Dramatiker Wilson Mizner: „Aus einem Buch abschreiben = Plagiat; aus zwei Büchern abschreiben = Essay; aus drei = Kompilation; aus vier = Dissertation. Heute mag man ergänzen: aus der Wikipedia = Hausarbeit.“

Viele Unis haben sich in den vergangenen Jahren auf ihre Traditionen besonnen.

Streik: Aktivisten versuchen immer mal wieder, Studenten zum Streik zu bewegen – aus politischem Protest oder für bessere Studienbedingungen. Streiksemester, die den ganzen Uni-Betrieb lahmlegten, gab es unter anderem in den Jahren 1988/89, 1997 und 2003. Das Bündnis „Bildungsstreik“ sorgte auch in den vergangenen Jahren immer wieder für Demos und Aktionen. Doch wogegen streikt ein Student eigentlich,

Den

wenn er denn streikt? Eigentlich gegen die eigene Ausbildung, die in dieser Zeit brachliegt. Dem Professor tut’s nicht weh, denn er kriegt sein Geld ja trotzdem. Studentenstadt: Berlin hat etwa 160 000 Studenten. Rund die Hälfte kommt von außerhalb. Für Neu-Berliner gibt es viele interessante Angebote. So kann man zum Beispiel auf einer Tour unter Anleitung eines BerlinKenners die Stadt kennenlernen. Näheres: www.berlinforbeginners.de. Weitere Seiten: www.gratis-in-berlin.de, www.berlineradressen.de, www.berlins-gruene-seiten.de, www.berlin-hidden-places.de. Talar: So was zieht man nicht mehr an, seitdem vor fast 47 Jahren den Magnifizenzen das alte Gewand wegen des darunter wabernden „Muffs von tausend Jahren“ verekelt worden war. Wirklich? Längst ist alles ausgelüftet. Die alten Uni-Traditionen sind zurückgekehrt und mit ihnen mancherorts auch die Talare. In Berlin, das nicht ganz so verrückt ist, legen die Präsidenten zumindest wieder die Amtskette um, was sie auch jahrzehntelang nicht getan hatten.

Speicher auffüllen

Das Studium ist eine gute Zeit, um zu lernen, die richtige Energie-Balance für sein Leben zu finden V ON T ORSTEN H ARMSEN

P AULI N E K R E B S

B

Der zwölfjährige Mustafa und der Physikstudent Martin Schlak verbringen regelmäßig Zeit miteinander. Beide haben etwas davon.

Hundert

Paten für Berlin

Eine Plattform bringt Studenten und Kinder zusammen, um gemeinsam etwas zu erleben und zu lernen V ON P AULINE K REBS

M

ustafa hat Hausaufgaben mitgebracht: Der Zwölfjährige soll für den Geografie-, Ethikund Wissenschaftskurs – kurz GeWi – ein Plakat zum Thema „Monokultur in Nigeria“ mit Informationen und Bildern bestücken. Da weiß auch Physikstudent Martin Schlak auf Anhieb nicht weiter und schlägt vor, dass sie erst einmal gemeinsam am Bibliotheks-Computer recherchieren. Jeden Dienstag treffen sich Martin und Mustafa, um Hausaufgaben zu machen oder etwas zu unternehmen. Dann geht’s ins Naturkundemuseum oder auf die Go-Kart-Bahn, denn die beiden sind ein sogenanntes Tandem beim Berliner Projekt „Kotti-Paten“. Einmal in der Woche Zeit für Kids „Wir bringen Kinder und Jugendliche mit Erwachsenen zusammen, die sich mindestens einmal in der Woche Zeit für die Kids nehmen“, sagt Laura Bauer, die Leiterin des Paten-Projekts. „Egal, ob sie gemeinsam lernen, Ausflüge unternehmen, basteln oder Fußballspielen gehen. Ziel ist es, die Talente der Kinder zu fördern, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und Menschen zusammenzubringen, die sich im Alltag nicht begegnen würden.“ Vor rund einem Jahr hat sich Martin Schlak als ehrenamtlicher Pate gemeldet. Über einen Artikel in der Berliner Zeitung ist der 25Jährige auf die Onlineplattform „100 Paten für Berlin“ aufmerksam geworden. Dort stieß er auf die „Kotti-Paten“ und meldete sich an. „Ich wollte mich schon lange ehrenamtlich engagieren. Aber erst durch die Internetseite habe ich

das für mich richtige Angebot gefunden“, sagt Martin Schlak heute. Die Plattform „100 Paten für Berlin“ stellt mehrere Vereine vor, die Kinderpatenschaften in der Hauptstadt fördern. Die Schwerpunkte sind unterschiedlich: Mal geht es um reine Lernpatenschaften, bei denen die Paten ausschließlich bei den Hausaufgaben helfen, mal geht es darum, Kindern von psychisch kranken Eltern Zeit zu schenken und so die Familien zu entlasten. Ins Leben gerufen wurde die 100-Paten-Plattform von Studierenden der Technischen Universität (TU) Berlin. Die Idee entstand vor rund zwei Jahren im Rahmen eines von Studenten initiierten Soziologie-Seminars zum Thema „Medienwandel und Engagement“. Die Teilnehmer wollten sich nicht nur theoretisch mit ehrenamtlichem Handeln im digitalen Zeitalter auseinandersetzen, sondern die Inhalte auch praktisch nutzen, um studentisches Engagement zu fördern. Unterstützt wurden sie hierbei von der TU. Die Uni schuf Tutorenstellen für das selbstorganisierte Seminar, und die Studierenden, die auch von der Freien Universität Berlin (FU) sowie der Universität der Künste (UdK) kamen, konnten sich ihre Teilnahme anrechnen lassen. „Am Anfang war es schwierig, sich auf einen Schwerpunkt für unsere Online-Kampagne zu einigen“, sagt Alexander Hänel, einer der Tutoren. „Sollte es um Umweltoder Tierschutz gehen? Sollten Menschen im Mittelpunkt stehen, lokale oder überregionale Projekte gefördert werden?“ Die Studierenden entschieden sich schließlich, ehrenamtliches Engagement für Kinder in der Hauptstadt zu unterstützen – und stießen auf das Netzwerk Berliner Kinderpatenschaf-

ten. Dann ging es an die Kampagnenplanung und -umsetzung. Das Ziel war es, für interessierte Vereine und Initiativen 100 ehrenamtliche Paten mit Hilfe des Internets zu gewinnen. Die Seite ging Anfang Januar online. „Die hundert Paten haben wir bereits zusammen“, sagt Alexander Hänel. „Aber natürlich läuft die Kampagne trotzdem weiter. Wir wollten schließlich etwas Nachhaltiges schaffen und zeigen, dass man mit dem Einsatz digitaler Medien etwas für die Gesellschaft tun kann.“ Für ihr Projekt wurden die Studierenden dieses Jahr mit der Hochschulperle ausgezeichnet. Der Preis des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft ist mit 3 000 Euro dotiert. Ulrike Findeklee vom Stifterverband sagte dazu: „Die Onlineplattform ,100 Paten für Berlin‘ verbindet in vorbildlicher Weise selbstorganisiertes Lernen und soziales Engagement. Studierende wollen Berliner Kindern helfen und nutzen ihre Erfahrungen aus der Hochschule, um die Idee von mehr Kinderpatenschaften umzusetzen – und lernen dabei auch selbst dazu.“ Andere Blicke auf die Welt Fünf Studierende kümmern sich auch nach Ablauf des Seminars ehrenamtlich um die Plattform – und die Anzahl der Paten wächst weiter. Tatsächlich haben die auf der Homepage vorgestellten Initiativen seit Beginn der Kampagne deutlich mehr Anfragen bekommen. Am Anfang habe er noch gezweifelt, ob 100 Paten nicht eine zu optimistische Anzahl sei, gibt Alexander Hänel zu. Aber mittlerweile wollen der 27-Jährige und seine Mitstreiter noch mehr Ehrenamtler über die Plattform gewinnen. „Das Projekt ist unser Baby. Natürlich

wollen wir es aktiv halten“, sagt der Soziologiestudent. Momentan sind er und seine Kommilitonen dabei, weitere Seminare zu digitalen Tools und ehrenamtlichem Engagement zu organisieren. Die Erfahrungen der letzten zwei Jahre kommen ihnen hierbei zugute. Ein weiteres Plus: Studenten sind die ideale Zielgruppe für soziales Engagement. „Sie können sich ihre Zeit relativ flexibel einteilen“, sagt Hänel. „Viele haben noch keine eigenen Kinder und freuen sich darüber, gedanklich mal nicht mit der nächsten Hausarbeit oder Vorlesung zu tun zu haben.“ Martin jedenfalls möchte seine Patenschaft nicht mehr missen. Auch wenn es manchmal stressig ist, neben Masterarbeit, Seminarvorbereitungen und der eigenen Freizeitgestaltung noch Zeit für Hausaufgaben und Ausflüge mit seinem Patenkind zu finden. „Wer eine Patenschaft eingeht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es eine gewisse Verpflichtung ist“, sagt er. „Aber eine ganz tolle. In der Lebenswelt eines Zwölfjährigen gibt es andere Prioritäten und einen anderen Blick auf die Welt. Das hat auch meinen Horizont erweitert.“ Und Mustafa hat nicht nur einen Freund gefunden, der ihm im Museum oder Aquarium vieles erklärt. Er erlebt auch ganz konkrete Schulerfolge, seit Martin ihm bei den Hausaufgaben hilft. „Meine Noten sind viel besser geworden“, sagt er stolz. Solche Erfolgserlebnisse schweißen zusammen, weiß Martin. Außerdem lerne auch er immer noch dazu – zum Beispiel über Monokulturen in Nigeria. Weitere Informationen unter: http://100-paten-fuer-berlin.de

urnout – das ist einer der Begriffe, die schon unter Studierenden umgehen. Dabei dürften Zwanzigjährige noch gar nicht ausgebrannt sein. Dieser Zustand betrifft ja im klassischen Sinne Angehörige von sozialen und Pflegeberufen, die jahrelang ihre Kraft für andere aufgewandt haben, ohne ihren Energiespeicher wieder aufzuladen. Eines Tages sind sie innerlich leer, erschöpft, zerschlagen, depressiv. Egal, wie man es nennt: Im Grunde geht es darum, schon im Studium zu lernen, wie man sich Arbeit und Leben so organisiert, dass der Energiespeicher niemals leer ist. Das betrifft alle Tätigkeiten, die man einmal machen wird. Und auch schon das Studium selbst. „Jetzt mal langsam!“ heißt ein Programm, das das Magazin Stern als Plakat veröffentlicht hat. Es ist zwar an Berufstätige gerichtet, aber auch Studenten könnten davon lernen. Deshalb hier eine kleine Adaption der wichtigsten Punkte: Prioritäten setzen: Die Aufgaben des Tages sollten nach Wichtigkeit geordnet werden. Wenn ein Vortrag zu machen ist, dann muss anderes eben zurückstehen. Am besten, man schreibt sich eine To-Do-Liste. Pausen machen: Auch als Student sollte man einen arbeitsfreien Tag pro Woche einplanen. Experten sagen auch, dass man nicht mehr als fünf Stunden pro Tag konzentriert lernen sollte. Nach 45 Minuten ler-

nen sollte man 15 Minuten pausieren, mal spazierengehen, Kaffee trinken, aus dem Fenster gucken. Aufgaben verteilen: Was später im Büroteam wichtig ist, kann schon im Studium geübt werden, unter anderem in der Lern- oder Arbeitsgruppe. Wer alles allein macht, bricht irgendwann zusammen. Probleme anpacken: Wenn man sich zu sehr unter Druck, unzufrieden oder vom Professor schlecht behandelt fühlt, sollte man aktiv das Gespräch suchen. Früher hieß es: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Hobbys pflegen: Sport, Chor, Tanzgruppe, Yoga – es gibt vieles, das einen mit anderen Leuten zusammenbringt. Man setzt sich damit Lichtpunkte, die das Lernen mal unterbrechen. Vieles hilft auch, Ruhe und Entspannung zu finden. Warnsignale hören: Der Körper sagt einem, wenn er sauer ist über das, was man so tut: mit Nacken- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Herzbeschwerden und anderem. Das sollte man nicht ignorieren. Hilfe suchen: Viele Beschwerden gehen von allein wieder weg, wenn man ausgeglichener lebt. Manchmal sind sie aber auch hartnäckig. Mitunter glaubt man sogar, in eine ausweglose Situation geraten zu sein. Dann sollte man unbedingt Experten – zum Beispiel Psychotherapeuten – zu Rate ziehen. Denn, es gibt immer einen Ausweg! Anzeige

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Heute schon wie morgen wohnen.


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Berliner Zeitung · Nummer 88 · Montag, 14. April 2014

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Semesterstart

Unibibliothek: In den letzten Jahren wurde viel in neue, große Bibliotheken der Universitäten investiert. Unter anderem erhielt die FU eine neue Philologische Bibliothek nach Entwürfen von Norman Foster. Noch in diesem Jahr soll eine Bibliothek der „kleinen Fächer“ eröffnet werden, mit insgesamt 1,1 Millionen Bänden von 24 Institutsbibliotheken. Das Ende 2009 eröffnete Jacob-undWilhelm-Grimm-Zentrum der HumboldtUniversität bietet 2,5 Millionen Bücher und andere Medien sowie 1 250 Arbeitsplätze. Unterhalt: Das Unterhaltsrecht ist – wie alles Juristische – recht kompliziert. Eines ist aber

klar: Auch volljährige Kinder haben während ihrer Ausbildung (gemessen an der Regelstudienzeit) Anspruch auf Unterhalt. Er kann in Form von freier Kost und Logis oder in Bargeld gezahlt werden. Für Studenten, die nicht bei ihren Eltern leben und einen eigenen Haushalt führen, ist ein monatlicher Bedarf von 670 Euro festgelegt. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, nebenbei zu jobben. Eigenes Einkommen kann aber auf den Bedarf angerechnet werden. Näheres: www.studis-online.de/ StudInfo/unterhalt.php. Urlaubssemester: Aus wichtigen Gründen können Studenten für bis zu zwei Semester hintereinander vom Studium beurlaubt werden, jedoch nicht im ersten Fachsemester. Wichtige Gründe sind etwa Krankheit, Schwangerschaft, Praktikum, Pflege von Angehörigen, Mitarbeit in der studentischen Selbstverwaltung oder Auslandsstudium. Ein Urlaubssemester zählt nicht für das Fach, aber als Hochschulsemester. Es gibt in der Zeit kein Bafög, es sei denn fürs Auslandssemester. Im gesamten Studium sind maximal vier Urlaubsemester möglich.

Familienprojekt der TU erhält die Hochschulperle In der Prüfungsphase fällt die Kinderbetreuung aus. Das Seminar um zwölf Uhr kann man nicht besuchen, weil der Verwandte gepflegt werden muss. Studierende mit Kind oder pflegebedürftigen Angehörigen stehen vor besonderen Herausforderungen. Im Mentoring-Programm „TU Tandem“ werden ihnen deshalb Studenten zur Seite gestellt, die ihnen bei der Organisation des Studiums helfen. Das Programm hat dafür jetzt die Hochschulperle des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft erhalten. Das ist eine Auszeichnung für beispielhafte Hochschulprojekte, die oft übersehen werden. Die Tandems werden meist von Studierenden aus dem gleichen oder einem ähnlichen Studiengang gebildet. Die Mentoren besuchen regelmäßig Schulungen. Darüber hinaus erhalten sie für ihr Engagement Leistungspunkte. Das Programm „TU Tandem“ für Studierende mit Familie startet jetzt in seine zweite Durchlaufphase. Weiteres im Internet unter: www.tandem.tu-berlin.de. (BLZ)

Studentische Berater suchen neue Team-Mitglieder Das Berliner Company Consulting Team (CCT) sucht Nachwuchs. Die studentische Unternehmensberatung der TU Berlin bietet seit mehr als 20 Jahren Studenten die Möglichkeit, ihr erworbenes Wissen in die Praxis umzusetzen. Bisher boten etwa 70 Mitglieder des Teams rund 450 Beratungsprojekte für Unternehmen, Institute oder Organisationen an. Nun will das CCT neue Interessenten gewinnen und führt deshalb am 3. Mai in der TU Berlin einen Workshop durch. Eingeladen sind Studierende aller Berliner Hochschulen. Fachrichtung und Semesterzahl seien nicht ausschlaggebend, teilt das CCT mit. Allerdings sollte das Studium noch mindestens ein Jahr dauern. Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl bittet der Verein um eine Bewerbung bis 27. April auf seiner Homepage. Diese findet sich unter: www.cctev.de. (BLZ)

Das Grimm-Zentrum ist die größte Uni-Bibliothek Berlins.

über erschienen. Eines der bekanntesten ist „Uni-Angst und Uni-Bluff heute“ des Autors Wolf Wagner, das schon 1977 erschien und zum Klassiker wurde (neu herausgegeben 2007 im Rotbuch Verlag Berlin).

Workload: Neudeutscher Begriff für alle Leistungen, die ein Student im Studium zu erbringen hat. Dazu gehören Veranstaltungsbesuche, Selbststudium, Prüfungen, Praktika. Der Workload erfasst den erwarteten Arbeitsaufwand und wird in Leistungspunkten (Credit Points) gemessen. Ein Punkt entspricht etwa 30 studentischen Arbeitsstunden. Ein Aufwand von 1 800 Stunden pro Jahr drückt sich also in 60 Credit Points aus. Für ein Bachelorstudium sind 180 bis 240 Punkte nötig.

Y-Modell: Dahinter verbergen sich verschiedene Studienmodelle zur Verbindung von Bachelor- und Masterstudium. Eines sieht so aus, dass zunächst alle Studenten gemeinsam studieren. Nach drei Jahren werden sie befragt.Wer„nur“ eine Berufsausbildung will, schließt ein viertes Jahr bis zum Bachelor an. Wer eine akademische Laufbahn anstrebt, beginnt ein zweijähriges Masterstudium. In Spanien und Schweden wird dieses Modell der Weggabelung bereits genutzt. Auch in Berlin hat man es in einigen Studiengängen testweise eingeführt.

X: Ein X für ein U vormachen lassen – das sollte man an der Universität nicht. Doch wie lernt man, kritisch mit dem neuen Wissen, der fremden Akademikersprache und dem ungewohnten Alltag umzugehen? Viele bluffen. Das scheint an der Uni so weit verbreitet zu sein, dass sogar ganze Bücher dar-

Zweitstudium: Dieses folgt immer auf ein regulär beendetes Studium. Es kann dem eigenen Lebensweg eine neue Richtung geben, für das eigene Unternehmen weiterqualifizieren. Rat bekommt man unter anderem auf der Seite www.studium-ratgeber.de/zweitstudiuminfos.php

Juristen tragen Anzug, Architekten nur Schwarz, Pädagogen lieben es handgestrickt. Welche Rolle die Mode für Studierende spielt

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V ON B EATE S CHEDER

weiundfünfzig Euro. So viel geben laut der neuesten Sozialerhebung des Studentenwerks Durchschnittsstudenten pro Monat für Kleidung aus. Schaut man sich in der neuen Mensa der HumboldtUni um, scheint ziemlich eindeutig, wofür dieses Geld investiert wird: Kapuzenpullis, Jeans, Turnschuhe, so weit das Auge blickt. So sieht er also aus, der studentische Dresscode 2014, bequem, praktisch, unauffällig. Lediglich zwei Studentinnen mit Salattellern auf dem Tablett tanzen modisch etwas aus der Reihe. Die Freundinnen tragen beide Bob – die eine blond, die andere rot –, dazu einen olivgrünen Parka, einen schwarz-weißgemusterten Riesenschal und Boyfriend-Jeans, die unten ein wenig hochgekrempelt sind, damit die schmalen, flachen Schühchen noch zu sehen sind. So oder so haben Studierende anscheinend die Tendenz, sich optisch aneinander anzupassen, wenn nicht an die große Masse, dann aber zumindest an den Freundeskreis. Klischees über die Vorlieben von Studierenden gibt es viele (siehe Kasten). Zumindest gefühlt ist an diesen Vorurteilen einiges dran. Doch warum eigentlich? Im Grunde genommen hat man als Student alle Freiheiten der Welt. Warum passen sich die meisten dennoch so stark aneinander an, dass man fast schon von einer Uniformierung sprechen könnte? Eine, die sich damit auskennt, ist Antonella Giannone. Die gebürtige Italienerin, die über die Funktionen der Kleidung im Alltag und im Film promoviert hat, ist seit Juni 2013 Professorin für Modegeschichte und -theorie an der Kunsthochschule Weißensee. Fragt man sie, was uns bei unserer Kleiderwahl beeinflusst, hat sie die Antwort sofort parat: Die Kontexte seien es. Mit Kontexten meint sie die Orte, die man immer wieder aufsucht, sowie die Menschen, mit denen man sich umgibt und zu denen man als soziales Wesen ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelt. Normcore heißt der 0815-Trend Anders als Tracht oder Uniform habe man mittels der modischen Kleidung die Möglichkeit, sich an andere anzupassen oder sich von ihnen abzugrenzen. Dazu komme der Individualisierungsdrang unserer Zeit. Fertig ist das leicht ambivalente Modephänomen. „Durch die modische Kleidung gibt es die Möglichkeit, gleichzeitig Zugehörigkeitszeichen zu senden, aber auch Individualität auszudrücken“, so Giannone. Das funktioniert übrigens ebenso in die andere Richtung. Die Theoretikerin Susan B. Kaiser spricht auch von einer Nicht-Identität, der Identity Not, in der Mode. Da geht es um Mechanismen, die so stark wie das Zugehörigkeitsgefühl wirken, aber dafür sorgen, gerade nicht wie eine bestimmte Gruppe auszusehen oder eben einfach nicht modisch. Auch dieVerweigerung ist letztlich Mode. Tatsächlich bestätigen sich viele der altbekannten Vorurteile beim

B E R LI N E R Z E I TUN G/ P AULUS P ON I Z AK

Wie wird die Geschichte des Holocaust in israelischen Geschichtsbüchern erzählt und wie in deutschen? In welcher Weise unterscheidet sich die Erinnerungskultur? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt eines Austauschs, an dem Lehramtsstudenten der Fächer Geschichte und Ethik der Freien Universität Berlin und der Hebräischen Universität in Jerusalem teilnehmen. Das länderübergreifende Projekt hat jetzt den FU-Lehrpreis verliehen bekommen. Entwickelt wurde es vom Historiker und FUProfessor Martin Lücke. Es beinhaltet ein Vorbereitungsseminar an beiden Universitäten sowie zwei Begegnungen im April und August 2014. Unter anderem besuchen die Studenten den Gedenkort Yad Vashem und das Haus der Wannseekonferenz. Sie entwickeln dabei gemeinsam Lehr- und Lernmaterialien, die in der Lehrerbildung beider Universitäten genutzt werden sollen. Siehe auch: www.fu-berlin.de/lehrpreis. (BLZ)

Millionen Bücher unter einem Dach

Verbindungen: Fast vergessen, aber die gibts ja auch noch – in Deutschland allein 1 100 Studentenverbindungen. In Berlin gehören dazu etwa das Corps Rheno-Guestphalia in Charlottenburg oder die Verbindung Berliner Studentinnen Lysistrata.

Laufsteg Uni

N A C H R I C H T E N ❖ FU-Lehrpreis für Studenten aus Jerusalem und Berlin

UNIVERSITÄT VON A BIS Z

BERL INER ZEIT U NG /P AU L U S P O NI ZAK

Tutor: Das Wort kommt aus dem Lateinischen. Es bedeutet „Vormund, Beschützer“. Tutoren an heutigen Hochschulen sind Studierende höherer Semester, die jüngere unterrichten oder anleiten. Ein Tutorium ist eine Lehrveranstaltung im Grundstudium, in der ein fortgeschrittener Studierender mit den Teilnehmern Grundkenntnisse vertieft und übt. Tutoren helfen auch in Wohnheimen als EDV-Tutor, Wohnheimsprecher, Ausländer-Tutor oder Kultur-Tutor.

Sehen (wenn auch ein bisschen abgedunkelt) und gesehen werden, das gilt an der Universität wie überall. Hier ein eingefangener Blick an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Uni in Berlin-Mitte.

Kleine studentische Klischee-Kunde Ein Klischee bestätigt sich im Einzelfall oft nicht. Das ist wie mit der sprichwörtlichen Regel und den Ausnahmen. Klischee kommt vom französischen „cliché“, was so viel wie Abklatsch oder Druckform bedeutet. Es ist also eine hergestellte Form, von der unendlich viele Abzüge gemacht werden können. Allerdings befinden sich diese Grundformen seit einigen Jahren in Auflösung, auch was Studententypen betrifft. Früher hieß es:„Karohemd und Samenstau – ich studier’ Maschinenbau“. Heute soll es immer mehr Mädchen geben, die Maschinenbau studieren. Denn Maschinen werden auch immer moderner, haben selten noch etwas mit nach Schmierstoff stinkenden riesigen Stahlmonstern früherer Fabrikhallen zu tun. Anlass also, sich an den einen oder anderen StudentenAbklatsch früherer Zeiten zu erinnern – auch im Sinne des Abschiednehmens. Andererseits: Ein bisschen ist ja immer dran. Sozialwissenschaftler und Pädagogen: Hier laufen viele „Ökos“ herum, die die Welt retten wollen und keine Zeit oder kein Interesse für Mode haben. Die Kleidung ist praktisch, gerne auch ein bisschen schlabberig. Angehende Pädagogen bevorzugen es kunterbunt, handgestrickt und barfuß, sobald es die Temperaturen erlauben. Die Haare sind lang, oft findet man auch Rastalocken. Studien-Utensilien werden in Rucksäcken oder Stoffbeuteln umhergetragen. Überflüssig zu erwähnen, dass man auch hier Wesen findet, die eher ModedesignStudentinnen ähneln. Architekten: Jutebeutel und Hornbrillen gehören zur Grundausstattung. Man trägt skandinavische Marken, die keiner kennt. Männer haben Undercut-Frisuren, Frauen tragen Dutt. Betriebswissenschaftler und Juristen: Sie tragen am liebsten Polohemden mit Stehkragen, Barbour-Jacken (mit Stepp oder ohne) und Segelschuhe oder gleich ei-

Gang durch die Fakultäten. Bei den Rechtswissenschaften der Humboldt-Uni am Bebelplatz sind zwar auch ein paar vereinzelte Dreadlockträger zu entdecken, die Mehrheit aber setzt hier auf adretten

nen schneidigen Anzug. Die weiblichen unter ihnen sind an Perlenohrringen zum ordentlich frisierten Pferdeschwanz, Cashmere-Pullovern und Longchamp-Taschen zu erkennen. Im Kopf schwirrt den kleinen Guttenbergs nur die schnelle Manager- oder Kanzlei-Karriere herum. Mädchen denken an den Urlaub in Saint-Tropez oder die möglichst vorteilhafte Heirat. Doch auch hier findet man Studenten mit Outdoor-Jacken. Und wer wirklich etwas erreichen will, für den sind Schwitzen in überfüllten Hörsälen und hartes Büffeln angesagt. Geisteswissenschaftler: Sie tragen schwarze Pullover, Jeans oder Cordhosen. Sie rauchen ständig, lesen irgendwelche unverständlichen Bücher und leben ansonsten in den Tag hinein. Mediziner: Künftige Ärzte werden von verschiedenen Motiven angetrieben. Jemand hat einmal vier Gruppen von Medizinstudenten beschrieben: Die ersten fühlen sich schon als Studenten wie Halbgötter, weil sie Ärzte werden. Die zweiten interessieren sich eigentlich gar nicht für Medizin, haben aber ein Einser-Abi und glauben deshalb, das Fach studieren zu müssen. Die dritten wollen Menschen wirklich helfen, die Welt von Krankheiten befreien, oft sind es weibliche Studenten. Die vierten sind von Krankheiten fasziniert, manchmal auch echte Hypochonder. Informatiker und Mathematiker: Sie mögen lustige T-Shirts, auf denen Dinge wie „Shift happens“, „Fatal Error“ oder „In: Coffee. Out: Java“ stehen. Sie tragen die Haare, wie es gerade kommt, und gerne auch Brillen. Sie reden Kauderwelsch, das kein Sterblicher versteht. Außerdem ist es tödlich langweilig. Aus der belächelten Nerd-Ecke sind sie allerdings spätestens raus, seit Bill Gates Milliarden mit Computerkram verdient und Hollywood Filme über die Zuckerbergs dieser Welt macht.

Chic. Auch für den KapuzenpulliLook haben die Jurastudenten eine eigene Edel-Version: Die Lässigen unter ihnen tragen das gebügelte Hemd ganz einfach darunter. Im Mathe-Institut der TU an der

Straße des 17. Juni herrschen Sweatshirts und Baumwollstrickpullover in ausgewaschenem Marineblau, Dunkelgrün, Braun oder Schwarz vor, dazu eine No-NameJeans, Funktionsjacke und ein paar

funktionale Treter. Seit ein paar Monaten geistert der Begriff des Normcore umher. Gemeint ist ein neuer Kleidungstrend, bei dem es darum geht, nicht besonders auszusehen, sondern 0815, betont durchschnittlich. Paradebeispiel dafür sei Barack Obama mit seinen eher schlecht sitzenden Jeans. Ob sich die Mathestudierenden mit dieser Diskussion auseinandergesetzt haben? Vermutlich nicht. Im Grimm-Zentrum der HU nahe der Friedrichstraße hingegen sollen sie sich tummeln, die Hipster-Studenten dieser Stadt. Zumindest wird das behauptet. Als wolle sie den Ruf des Grimm-Zentrums als angesagtesten aller universitären Orte bestätigen, schlurft gerade eine Fashionista-Studentin auf Sneakers-Sohlen über den Gang zwischen Rechnern und Cafeteria: schwarzer Stretch-Bleistiftrock, weißes Shirt, schwarze Bomberjacke, hoher Dutt, knallrote Lippen und ein gelangweilter Gesichtsausdruck. Und natürlich handelt es sich bei ihren Leisetretern auch nicht um irgendein Paar, sondern um die legendären Stan Smiths, die Adidas nach dreijähriger Pause wieder aufgelegt hat und die dank cleverer Marketingstrategie auf den Modewochen in Paris und New York der meist getragene Schuh waren. Das mögen nur Eingeweihte wissen, aber egal. Kleidung ist Kommunikation, auch wenn die Botschaft nur von einer Minderheit entschlüsselt werden kann. Das Fach bestimmt das Äußere Im Studium ist das Geld meist knapp. Für Designermode reicht das Budget nicht, der Billigschwede und seine Konkurrenten bieten zumindest für den Moment ein wenig mehr fürs Geld. Auch wenn die Empfehlung lautet, in wenige, hochwertige Teile zu investieren, werden das die wenigsten tatsächlich so halten. Cool auszusehen und trotzdem einen guten Eindruck beim Professor zu hinterlassen, ist zudem nicht immer so einfach. In manchen Studiengängen gehört ein gepflegt konservatives Äußeres zum guten Ton, in anderen hingegen – Landschaftsökologie ist ein Beispiel – sind Anzug und Kostüm sogar bei Prüfungen verpönt. Kein Schüler mehr, aber noch nicht im Berufsleben – das Studium ist eine Zeit des Übergangs. „Meines Erachtens ist es ein Mechanismus, der entsteht, wenn man sich gesellschaftlich positioniert“, erklärt Giannone. „Man ist in einem bestimmten Alter, man gehört einem bestimmten Milieu an, man schaut, was die anderen, die ähnlich sind, machen und versucht sich weiter anzugleichen, aber kleine Unterschiede zu behalten.“ Dann erzählt sie von dem Projekt „Exactitudes“ von Ari Versluis und Elli Uyttenbroek. Die beiden haben dreizehn Jahre lang an verschiedenen Orten der Welt Menschen in ihrer Kleidung fotografiert und sie dann Gruppen zugeordnet, die sich fast wie ein Ei dem anderen gleichen. Die Ergebnisse sind ebenso witzig wie frappierend. Die Tendenz, sich ähnlich zu kleiden, ist also ein globaler Trend und betrifft längst nicht nur Studierende.


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