Nachhaltiges Handeln

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EIN VERLAGSTHEMA DER BERLINER ZEITUNG

NACHHALTIG HANDELN

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NACHHALTIGKEITSRAT

AR TENVIELF ALT

Für die Rückkehr des Sonntagsbratens

Die Schattenseite des Sonnenstroms

Herr Prof. Bachmann, die EU schreibt größeren Unternehmen ab 2017 eine neue Art der Berichterstattung vor. Was ändert sich dadurch im Sinne der Nachhaltigkeit? Die Änderung besteht darin, dass die Unternehmen künftig nicht nur über ihre Finanzkennzahlen Auskunft geben müssen, sondern auch darüber, was in ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung liegt. Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das mit Textilien handelt, ist dann in der Berichtspflicht, mitzuteilen, was es dafür tut, dass etwa in Bangladesch faire Löhne gezahlt werden. Im Moment ist das noch der Freiwilligkeit überlassen.

ie Energiewende ist das wohl größte und ambitionierteste gesellschaftliche Projekt der Bundesregierung. Bis zum Jahr 2025 soll der Anteil an der Stromerzeugung zum Beispiel aus erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind und Wasser auf 40 bis 45 Prozent steigen. Bis 2035, so das anvisierte Ziel, soll der Anteil sogar auf bis zu 60 Prozent gesteigert werden. Dazu werden derzeit immer mehr Windkraftanlagen gebaut, Strommasten errichtet, riesige Solaranlagen und Biogasanlagen installiert. Energiespeicher sollen entwickelt werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Zudem soll quer durch Deutschland das Stromleitungsnetz auf neuen Routen erweitert werden. Aber auch die vorhandenen Überlandleitungen sind alles andere als flächendeckend auf den Transport der erneuerbaren Energien ausgelegt.

Näheres zu regeln, ist den Staaten überlassen. Und da empfiehlt der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung, sich am Deutschen Nachhaltigkeitskodex zu orientieren. Was ist das? Das ist ein in den letzten drei Jahren entstandener Leitfaden, der im Diskurs des Nachhaltigkeitsrates mit einer Reihe von Vorreiterunternehmen entstanden ist, vor dem Hintergrund, dass viele über Nachhaltigkeit reden, aber nur wenige es ernst damit meinen. Inzwischen sind es fast 80 Unternehmen, die sich daran beteiligen, darunter viele Mittelständler. Was ist das Wesen dieses Kodex’? Der Kodex sagt, worüber ein Unternehmen aussagefähig sein soll. Das reicht von der Ökologie über das Soziale, die Mitarbeiterführung bis hin zu Korruptionsbekämpfung und Menschenrechten. Beschränkt auf das Wesentliche, was das Geschäftsmodell ausmacht. Für die, die schon damit arbeiten, welchen Effekt hat die Anwendung des Nachhaltigkeitskodex’ erbracht? Das, was ich beobachten kann, ist, dass die Mitarbeitermotivation NACHHALTIGKEITSRAT steigt. Dass die Günter Chancen wachsen, Bachmann, neue Mitarbeiter zu Generalsekretär gewinnen, weil das des NachhaltigImage bestärkt keitsrates wird. Teilweise interessieren sich auch Banken, Versicherungen und Ratingagenturen dafür, um sich ein Bild von der Zukunftsfähigkeit des jeweiligen Geschäftsmodells zu machen. Das gesellschaftliche Nachhaltigkeitsprojekt könnte ja die Energiewende sein, die aber auch immer wieder auf die Kritik des Nachhaltigkeitsrates stößt. Warum? Das liegt daran, dass es eben noch kein gemeinnütziges Projekt ist, sondern verschiedene Gruppen um jeweils „ihre“ Energiewende streiten. Das zusammenzuführen, da sind Staat, Regierung und Parlament noch lange nicht im grünen Bereich. Alle sollen partizipieren, aber auch alle bezahlen. Unseren Vorschlag eines staatlichen Vorleistungsfonds zur Unterstützung der einseitig belasteten Masse der Stromkunden bleibt weiter aktuell. Das Wort Nachhaltigkeit wird so inflationär verwendet, dass von einem nachhaltigen Gebrauch keine Rede sein kann. Was aber ist ein nachhaltiger Lebensstil? Wenn ich ein T-Shirt für 2,50 Euro kaufe, kann ich wissen, dass irgendwo irgendwer für die Herstellung nur einen Hungerlohn verdient haben kann. Das Bewusstmachen solcher Zusammenhänge wäre ein Anfang, sich der eigenen Verantwortung zu stellen. Vielleicht führt sie zu der Konsequenz, beispielsweise nur noch sonntags Fleisch zu essen, den Sonntagsbraten wieder aufleben zu lassen. Alles in Maßen ist keine schlechte Maxime. Andererseits passieren ja auch viele Dinge, die in die richtige Richtung gehen, nehmen Sie den Bio-Trend, Carsharing, ohne dass das Wort in diesem Kontext auftaucht. Vielleicht ist der inflationäre Gebrauch ein kleiner Preis dafür, dass der Nachhaltigkeitsgedanke im Alltag angekommen ist. (mwo.)

INHALT Wassersensor Tüten-Weltrekord Windgas-Bilanz Strom aus trüber Brühe

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Nachhaltigkeitsziele im statistischen Trend Das Statistische Bundesamt berechnet in jedem Jahr auf der Basis der Entwicklung in den Jahren zuvor eine Reihe von Nachhaltigkeitsfaktoren und vergleicht diese mit den in der Nachhaltigkeitstrategie der Bundesregierung anvisierten politischen Zielen. Basis der Berechnung sind die letzten fünf Jahre. Für das aktuelle Jahr 2014 ergeben sich daraus folgende Eintwicklungen, die das Trendbarometer beschreibt:

Folgen für Fauna und Flora Was auf dem Papier grundsätzlich gut klingt, hat weitrechende Folgen für Fauna und Flora. Durch die immer weiter steigende Nutzung von Biogas wird mittlerweile auf fast drei Millionen Hektar Ackerland Mais angebaut. Das sind etwa 20 Prozent der gesamten Ackerfläche Deutschlands – und jedes Jahr kommen etwa 200 000 Hektar hinzu. Für Experten und Naturschutzorganisationen ist das eine beunruhigende Entwicklung. Denn durch den zunehmenden Maisanbau in der Landschaft und durch Monokulturen auf den Ackerflächen verlieren zahlreiche Tiere ihre Lebens- und Nahrungsgrundlage. So wie zum Beispiel der Rotmilan, das Rebhuhn, der Feldhase, die Goldammer oder die Feldlerche. Auch für die Bienen sind die riesigen Maisflächen wenig förderlich. Dabei fördert die Energiewende aber nicht nur die Monokultur beim Maisanbau. Mit dem Rapsanbau für Biodiesel und Weizen zur Bioethanol-Erzeugung könnten bis 2020 ein Drittel der Ackerfläche für Biogas, Benzin oder Strom genutzt werden. Für den Leiter des Biosphärenreservats Schorfheide, Martin Flade, ist diese Entwicklung ein BiodiversitätsDesaster. Betrug beispielsweise das Flächenverhältnis von Brache zu Maisfläche in den 90er-Jahren etwa 1:1, ist es heutzutage auf 1:20 gestiegen. Eine unverhältnismäßige Verschiebung, wie Experten wie Martin Flade besorgt feststellen. Für den Schreiadler hatte das schon bittere Konsequenzen. Nur noch 108 Brutpaare konnten in Deutschland registriert werden, in Sachsen-Anhalt gelten die Vögel seit vergangenem Jahr sogar als ausgestorben. Die Vögel finden immer weniger Nahrung im zurückgehenden Grünland und in der offenen Flur. Die Wege zwischen Brutplätzen und Nahrungsarealen werden immer länger – und diese werden, Martin Flade zufolge, nun auch noch zunehmend durch Windkraftanlagen zugestellt. Ähnlich könnte es auch den Fledermäusen ergehen. Schon heute finde man jährlich 200 000 tote Fledermäuse unter den Windkraftanlagen, erklärt Prof. Fritz Vahrenholt, der Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Besonders betroffen sind der Große Abendsegler, die Breitflügelfledermaus, der kleine Abendsegler oder die Zweifarbfledermaus. Die Tiere orten demnach die Rotoren der Windräder. Sie fliegen durch sie hindurch mit katastrphalen Folgen. Im Lee, der windabgewandten Seite hinter der Anlage, wo der Luftdruck stark abnimmt, platzen den Fledermäusen schließlich die Lungen. Dieses Sterben könnte mit einfachen Mitteln beendet werden, sind sich die Naturschutz-Experten sicher. In den Monaten, in denen die Fledermäuse besonders aktiv sind, einige Arten aus Nordosteuropa zum Beispiel auf ihrem Zug in wärmere Gefilde Richtung Süden sind, sollten die Windanlagen in der Abenddämmerung abgeschaltet werden. Fledermäuse bekommen nur ein bis zwei Junge pro Jahr. Stefanie Paul

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Ressourcenschonung Energieproduktivität: Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie ist es, die Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 zu verdoppeln. Energieverbrauch: Der Verbrauch von Pimärenergie der Privathaushalte und der Industrie soll von 2008 bis 2020 um ein Fünftel, also 20 Prozent, verringert werden. Rohstoffproduktivität: Ausgehend vom Jahr 1994 soll sich der mit jeder Tonne Ausgangsmaterial geschaffene Wert verdoppeln.

Klimaschutz Treibhausgasemissionen: Bis zum Jahr 2020 soll sich der Wert gegenüber dem Vergleichsjahr um 40 Prozent verringern.

Erneuerbare Energien Anteil am Endverbrauch: Das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie sieht vor, bis 2020 einen Anteil der enerneubaren Energien von 18 Prozent zu erreichen. Anteil am Stromverbrauch: Das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie sieht vor, bis 2025 einen Anteil der enerneubaren Energien von 40 bis 45 Prozent Prozent zu erreichen.

Flächeninanspruchnahme Siedlung- und Verkehrsflächen: Der Zuwachs dieser Flächenarten soll sich nach dem Willen der Bundesregierung auf tägliche nur noch 30 Hektar verringern.

Artenvielfalt Landschaftsqualität: Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind eine intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft, Versiegelung von Flächen sowie Stoffeinträge. IMAGO

Für manche Waldbewohner werden Windkraftanlagen zum unüberwindbaren Hindernis.


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NACHHALTIG HANDELN

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Grüne LifestyleAssistenten Es gibt bekanntlich für alles eine App, warum also nicht auch für Interessierte an einem nachhaltig orientierten Lebensstil. Folgende Beispiele für Android- und AppleSmartphones beruhen auf Empfehlungen des Berliner Onlineportals reset.org, das sich der Popularisierung einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat. Vegan Grillen: Das kleine Programm will beweisen, das vegane Gerichte gar nicht so schwer herzustellen sind. Vom Pilzburger bis zum Birnen-Chutney, vom ApfelAnanas-Türmchen bis zur Banane mit Nusskrokant erfährt man zahlreiche Rezepte, die ohne tierische Lebensmittel auskommen. Im iTunes-Shop für 1,79 Euro. WWF-Fischratgeber: Welche Fische kann man noch kaufen, ohne gleichzeitig die Überfischung der Meere zu unterstützen? Solche Fragen beantwortet die App der Umweltorganisation und unterteilt die Fischsorten nach „Gute Wahl“, „Zweite Wahl“ oder „Lieber nicht“. Gleichzeitig erfährt man einiges über den Grad der Bedrohung, das Aussehen und den Lebensraum. Das Programm ist für Android- und Apple-Geräte kostenlos. NABU-Siegel-Check: Die Zahl der Umweltsiegel ist nicht leicht zu durchschauen. Mit dem Programm kann man ein Foto des fraglichen Siegels auf dem Produkt machen und bekommt postwendend Informationen zu dessen Kriterien. Es enthält eine Suchfunktion sowie einen Filter nach bestimmten Produktgruppen. NABU-Siegel-Check ist für Androidund Apple-Geräte kostenlos. ToxFox: Der Kosmetik-Check des BUND weiß mithilfe eine Barcodescanners alles über Körperpflegeprodukte mit hormonell wirksamen Inhaltsstoffen. ToxFox weist auf negative Folgen hin und soll verhindern, sich solchen Belastungen auszusetzen. Gegebenenfalls kann das Programm gleich eine Protestnote an den Hersteller übersenden und kennt Alternativprodukte. Das Programm ist gratis, aber nur fürs iPhone zu haben. Der nachhaltige Warenkorb: Das Programm animiert zu bewussten Kaufentscheidungen. Erstellt im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung, informiert es über Themen wie Lebensmittel, Textilien, Reinigung, Kosmetik, Spielzeug, elektronische Geräte, Mobilität, Reisen, Wohnen und Geldanlagen sowie wichtige Produktkennzeichnungen. Der nachhaltige Warenkorb steht für Android-Geräte zur Verfügung und ist kostenlos. BahnSharing: Auch als Web-App verfügbar, kann man mit dem Programm günstig Mitfahrgelegenheiten auf Gruppenbahntickets anbieten oder solchen Angeboten beitreten. Dadurch können die Reisekasse entlastet und die gemeinsame Fahrt erheblich unterhaltsamer werden. Das Programm eignet sich für Apple- und Android-Smartphone und steht kostenfrei zur Verfügung. Carjump: Mithilfe dieses Anbieters bekommt man einen gebündelten Überblick über die bundesweiten Angebote von Carsharing-Anbietern wie car2go, DriveNow, Multicity, cambio, Autonetzer sowie Nextbike. Verfügbarkeitsanfragen wie eine direkte Buchung sollen direkt möglich sein. Das Programm wird kostenlos in den Shops von iTunes und Goolgeplay angeboten.

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YARA ZIM PLANT TECHNOLOGY BESTIMMT WELTWEIT VIA INTERNET DEN WASSERHAUSHALT VON PFLANZEN

HANDWERK

E-Mails aus dem Tomatenbeet

Inhaber tragen Verantwortung

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as Internet der Dinge ist eine noch recht vage Größe in unserer Vorstellungswelt. Während der Buttermangel meldende Kühlschrank stets wie eine technische Spielerei anmutet, gehören Pflanzen im Netz bereits zur Realität. So kommuniziert die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde online mit weit entfernten Weiden und Pappeln, um in Echtzeit im Labor deren Wasserhaushalt zu kontrollieren. „Wir tun das mit der Absicht, die geeignetsten Pflanzen für die eher kargen Böden in unserer Region herauszufinden“, sagt der Forscher Markus Schmidt vom Fachbereich Wald und Umwelt. Pappeln und Weiden eignen sich als schnell wachsende Hölzer besonders für die Verarbeitung in Hackschnitzel-Heizöfen oder Biomasseheizkraftwerken, einem technologischen Baustein im Rahmen der Energiewende. Vernetzte Sensoren helfen den Wissenschaftlern, um in langen Messreihen genau zu ermitteln, ab wann diese „kurzumtriebigen“ Gehölze in sogenannten Trockenstress geraten. Damit lässt sich etwa herausfinden, ob sich der Holzertrag an diesem Standort überhaupt lohnt, oder ob während der Anzucht eventuell gewässert werden muss. Die Technologie der Online-Messungen stammt von der brandenburgischen Firma Yara Zim Plant Technology. Fast schon symbolisch hat sie ihren Sitz im Blauen Wunder, einem Gewerbezentrum mitten in Hennigsdorf, das Hennigsdorfer wegen seiner glasblauen Fassaden so bezeichnen. Hier kommunizieren die Fachleute um Geschäftsführer Simon Rüger mit ziemlich vielen Pflanzenstandorte in aller Welt. Ihr sogenannter Zim-Sensor ist eine Erfindung von Firmengründer Prof. Ulrich Zimmermann, die inzwischen weltweite Anerkennung und Anwender findet. Denn nicht nur Pappeln und Weiden in der Uckermark, sondern auch Tomatenpflanzen in Holland, Eichen in der Schweiz, Weinreben in Chile, Maisfelder in Brasilien oder Eukalyptusbäume in Australien sind mit rund 6 000 solcher Sensoren online. Sie messen in einem einzelnen Blatt der Pflanze den Turgordruck, oder anders ausgedrückt das Wasserpotenzial der jeweiligen Pflanzen. Daraus lassen sich neben dem Trockenstress eines Baumes etwa die richtigen Bewässerungszeitpunkte oder die notwendigen Bewässerungsmengen am Standort bestimmen. Doch möglich ist mit der Echtzeitüberwachung des pflanzlichen Wasserhaushalts viel mehr. „70 Prozent des weltweiten Trinkwassers werden für Bewässerungszwecke eingesetzt, und 50 Prozent unseres Lebensmittelanbaus erfolgen auf bewässerten Flächen“, umreißt Simon Rüger eines der großen Aufgabenfelder von Yara Zim Plant Technology. Mit unserem Sensor muss nur noch so viel bewässert werden, wie die Pflanze wirklich braucht“, sagt er. Das könnte helfen,

YARA ZIM PLANT TECHNOLOGY

Der magnetischer Blattsensor misst den Flüssigkeitsdruck in der Pflanze.

die in vielen Teilen der Welt knappen Ressourcen sparsamer einzusetzen. Man könne aber auch sagen, mit der gleichen Wassermenge wesentlich mehr Pflanzen zu versorgen. Auf spanischen Olivenplantagen sorgt die Technik schon dafür, dass mit 40 Prozent weniger Wasser die gleiche Erntemenge eingefahren werden kann. Angesichts des enorm steigenden Wasserbedarfs in der Welt ist das eine grandiose Sache. Geht man doch davon aus, dass ein Kilogramm spanischer Freilandtomaten über 200 Liter Wasser bis zu ihrer Ernte benötigen. Um ein Kilogramm Reis herzustellen, sind sogar 3 500 Liter Wasser notwendig. Der zweiteilige Zim-Sensor wird magnetisch auf der Blatt Ober- und Unterseite befestigt. Er misst den sogenannten Turgordruck, manche Anwender sprechen auch von der Blattwelke. Die Werte erlauben eine klare Aussage über den Wasserhaushalt im Innern der Pflanze. Mit einem angeschlossenen Sender werden die Daten an einen Router und von dort über das Mobilfunknetz an die jeweiligen Nutzer übertragen. Die Anzahl der Sensoren in einer Plantage hängt von den jeweiligen Bedingungen ab, wie Simon Rüger sagt. Ehe die Daten den Nutzer erreichen, werden sie bei Yara in Hennigsdorf ausgewertet, denn um die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Signal zu treffen, ist das in der Firmendatenbank gespeicherte Erfahrungswissen von Bedeutung. „Jede Frucht, jeder Boden, jede Region hat besondere Eigenschaften, die die Messwerte beeinflussen“, sagt Simon Rüger. Den Wasserhaushalt in Relation zum Ertrag setzen zu können, bestimme neben dem Sensor inzwischen das Know-how der Firma, und eröffnet gleichzeitig neue Anwendungsmöglichkeiten. So kann es beispielsweise im Weinanbau notwendig sein, um bestimmte Geschmacksqualitäten zu erzielen, über eine gewisse Zeit den Trockenstress der Pflanzen zuzulassen. Auch dafür liefert der Zim-Sensor wichtige Anhaltspunkte. 2010 wurde das Unternehmen an der Universität Würzburg ausgegründet. 2011 zog man aufgrund der Förderbedingungen in Brandenburg, der Nähe zum Wissenschaftsstandort Berlin in die Heimat des Firmengründers nach Hennigsdorf. Die Mitarbeiterzahl ist seither auf 17 gewachsen. Die Bezeichnung Yara gehört noch gar nicht so lange zum Firmennamen. Er stammt vom gleichnamigen norwegischen Düngemittelkonzern, zu dem die Firma seit Kurzem gehört. Die Norweger haben das Potenzial der Technologie erkannt, mit der in Zukunft auch Aussagen über den Nährstoffhaushalt oder die Schädlingsresistenz getroffen werden sollen. Die Möglichkeiten des Sensors zeichnen sich gerade erst ab und machen Hennigsdorf zum Synonym der Wassersparer. Martin Woldt

Frau Laufer, die Handwerkskammer Berlin, zu der ihre Beratungsstelle gehört, veranstaltet am 2. Dezember die Tagung „Fair bewährt sich“. Hat das Handwerk beim Thema Nachhaltigkeit Nachholebedarf? Durch die regionale Verankerung und die enge Kundenbindung gehört ein nachhaltiger Ansatz durchaus zur Praxis vieler Handwerksbetriebe. Nur macht man sich das nicht immer so bewusst und erkennt nicht in jedem Fall, welche Chancen darin stecken. Ihre Beratungsstelle unterstützt Firmen bei der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. Stößt das eher auf taube Ohren oder bewirkt das etwas? Unsere Teilnehmerzahlen sind schneller gestiegen, als wir das ursprünglich erwartet haben. Insbesondere jüngere Inhaber zeigen sich dem Thema sehr aufgeschlossen gegenüber. Aber Verbesserungsbedarf gibt es immer. Wir haben da Schwerpunkte wie „Arbeitsklima“, „Umweltverträglich wirtschaften“, „Soziale Kommunikation mit dem Umfeld“ und „Fairer Wettbewerb“. Was genau machen Sie, wenn Sie eine Firma beraten? Wie stellt sich das an einem Beispiel dar? Nehmen wir die Firma Menzel, ein Elektromotorenhersteller mit 100 BeURBSCHAT schäftigten aus Gudrun Laufer, Tiergarten. Wir CSR-Beratungshaben sie dabei unstelle Fairplay terstützt, die inim Handwerk terne Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern zu verbessern, etwa durch die Installation eines regelmäßigen Informationsaustausches. Gleichzeitig haben wir die Vernetzung mit dem sozialen Umfeld etwa zu Schulen in der Umgebung verstärkt. Dabei ist ein regelmäßiger Nachwuchstag herausgekommen, der der Firma jetzt die Suche nach Nachwuchskräften doch spürbar erleichtert. Wie sieht es mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Breite in den unterschiedlichen Gewerken aus? Ist die Aufgeschlossenheit für nachhaltige Fragen in allen Handwerkszweigen eigentlich gleichermaßen hoch? Ja, es ist schon eine Herausforderung mit dem Thema in die Breite zu kommen. Wir haben relative viele Elektrofirmen oder Malerbetriebe dabei, die sich mit der ökologischen Verträglichkeit ihrer Arbeit auseinandersetzen. Oder Bäckerfirmen, denen es um regionale Lieferketten für ihre Produkte geht. Aber es gibt auch Bereiche wie im Kfz-Handwerk oder im Bauhauptgewerbe, da würde ich mir offenere Ohren wünschen. (mwo.)

VIRTUELLE KRAFTWERKE

Wie die Biogasanlage dem Atommeiler Konkurrenz macht

M

it dem Begriff „Schwarmstrom“ hatte der Hamburger Energieversorger Lichtblick die Idee des virtuellen Kraftwerkes vor einiger Zeit einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Sogenannte Zuhausekraftwerke auf der Basis von VW gelieferten Gasmotoren sollten die Heizung im Wohnhaus auch zum relevanten Stromerzeuger im Netz machen. Die Kooperation mit Volkswagen ist inzwischen zerbrochen, aber etwa 1 000 inzwischen installierte Zuhausekraftwerke kann Lichtblick nach den Worten von Sprecher Ralf Kampfwirth zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenschließen, um ihre Leistung im Netz zu vermarkten. „Wir benutzen den Begriff des virtuellen Netzwerkes gar nicht so gerne, weil wir im Unterschied zu manch anderen solcher Projekte, schon ein konkretes Produkt anbieten“, so Kampfwirth. Der Bruch mit Wolfsburg vor einem halben Jahr habe die Schwarmstrom-Idee sogar noch forciert. Weil man nun nicht mehr nur eine bestimmte Erzeugungsart einzubinden versuche. Mit dem „Schwarmdirigenten“ will Lichtblick künftig kleine wie größere Erzeuger zu einer größeren Einheit vereinen. Nach den Vorstellungen des Unternehmens werden neben den 1 000 Zuhausekraftwerken künftig auch

PSI

Leitwarte im Energiesystem der Deutschen Bahn

E-Autos, Batterien von Solaranlagen, die Leistung von Biogasanlagen wie von Blockheizkraftwerken kombiniert und vermarktet. Der Dirigent ist im Grunde eine Software, die eine Vielzahl von kleineren Stromakteuren intelligent vernetzt. „Wir können zum Beispiel Strom in Zeiten hoher Nachfrage erzeugen und an der Börse verkaufen. Oder wir richten uns nach den Bedürfnissen der Netzbetreiber, die flexible Stromangebote brauchen, damit die Netzspannung stabil bleibt. Ist zu viel Strom im Netz, betanken wir damit die Batterie eines Elektromobils. Fehlt Strom, dann entladen wir die Batterie

oder schalten unsere Mini-Kraftwerke dazu“, erklärt Lichtblick-Chef Heiko von Tschischwitz die erweiterte Technologie. Bei Lichtblick ist man der Ansicht, dass diese Entwicklung unausweichlich ist. Denn die Bedürfnisse der inzwischen 600 000 Kunden werden sich sukzessive verändern. „Lediglich als Versorger werden wir einen großen Teil der Kunden alsbald nicht mehr erreichen“, sagt Ralf Kampfwirth. Wenn der Kunde erst mal Erzeuger geworden sei, dann werde er nicht nur den eigenen Verbrauch optimieren wollen. Er werde auch nach Wegen suchen, mit den eigenen Kapazitäten

Geld zu verdienen, um seine Investition zu amortisieren. „Wenn wir solche Dienstleistungen nicht bereitstellen können, werden wir diese Kunden verlieren“, ist Kampwirth überzeugt. Noch dürfte es allerdings etwas dauern, bis neben den 1 000 Zuhausekraftwerken weitere Schwarmkapazitäten aufgebaut worden sind. Die Aufrüstung von Solaranlagen mit Batteriespeichern steht noch am Anfang. Wann die Zahl der Elektroautos in relevante Bereiche vorstößt, ist ungewiss. Ein einzelnes E-Auto sei in diesem Kontext „nicht mehr als ein Fliegenschiss“, sagt Kampwirth. Die Pläne sind ehrgeizig. 100 000 Anlagen soll der Dirigent einst im Schwarm steuern, die 2 000 Megawatt im Netz zur Verfügung stellen können, was etwa der Leistung zweier Atomkraftwerke entspricht. Großkraftwerke würden nach der vorherrschenden Auffassung bei Lichtblick zunehmend überflüssig. So forsch würde man bei Syneco – der Marktzugangsplattform des Thüga-Verbundes, einer Stadtwerke-Kooperation mit 100 Unternehmen zwischen Sylt, Görlitz und dem Allgäu – nicht formulieren. Dass sich die Energieversorgung indes weiter dezentralisiert, gilt auch hier als abgemacht. Gerade hat man die erfolgreiche Etablierung eines gemeinsamen vir-

tuellen Kraftwerkes am Markt vermeldet, an dem sich vorerst 50 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 45 Megawatt beteiligen. „Der Reiz, sich an einem virtuellen Kraftwerk zu beteiligen, liegt darin, dass der Zusammenschluss eine Dienstleistung erbringen kann, die einzelnen kleinen Anlage verwehrt wären“, sagt Dr. Manfred Groh, Projektleiter bei Syneco. So gebe es bestimmte Mindestanforderungen an die Stabilität, die Flexibilität oder die Größe einzuspeisender Regelleistungen – eine Art Reserveenergie zur Gewährleistung der Ausfallsicherheit im Netz – die eine kleine Anlage nicht erfüllen könnte. Gesteuert vom virtuellen Kraftwerk aber kommen eine bessere Auslastung und zusätzliche Einnahmen zustande. Durch die intelligente Vernetzung vorhandener Versorgungsstrukturen können virtuelle Kraftwerke in wachsendem Maße teuere Investitionen in Großkraftwerke erübrigen. Darüber hinaus halten Experten mithilfe einer intelligenten Infrastruktur, eine „sichere und stabile Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen in Zukunft für technisch möglich“. Nach Auskunft der Bundesnetzagentur gibt es gegenwärtig zehn virtuelle Kraftwerke im deutschen Stromnetz. Martin Woldt


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AUCH NACH DER WELTWEIT LÄNGSTEN PLASTIKTÜTENKETTE WOLLEN DIE BERLINER IHREN EINKAUSFMÜLL WEITER UMTAUSCHEN

Fallende Blätter als Mulch nutzen

Guinness-Rekord des Unbehagens G

uinness-Rekorde gehören im Allgemeinen in die Kategorie des nutzlosen Wissens. Der Ende September von über 3 000 Berlinern auf dem Tempelhofer Feld aufgestellte womöglich nicht. Wie Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) in einer aktuellen Fragestunde des Abgeordnetenhauses mitteilte, prüft seine Behörde, ob man der wachsenden Flut von Plastikeinkaufstüten mit einer Landessteuer begegnen kann. Darüber hinaus wolle man die Aufklärungsarbeit fortsetzen, um immer mehr Einwohner zu einem freiwilligen Verzicht auf dieses scheinbar so bequeme Einkaufsutensil zu bewegen. Nach Erkenntnissen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gehen alleine in Berlin pro Stunde 30 000 Plastiktüten über die Ladentheken, die schon „nach durchschnittlich 25 Minuten“ wieder in den Abfall wandern. Nach Recherchen der DUH würden die meisten anschließend nicht recycelt, sondern landen „in der Verbrennungsanlage oder sogar in der Landschaft, wo sie dann der Tier- und Pflanzenwelt schaden“. Der Tagesverbrauch an Plastiktüten liege in der Hauptstadt bei 710 000 Stück. Pro Jahr entstünde daraus ein Müllberg aus 260 000 000 Plastiktüten. Vor diesem Hintergrund hatte die Stiftung Naturschutz Berlin ihr Umweltfest am 20. September dazu genutzt, die Besucher zur Bildung einer Kette aus 30 000 zuvor gesammelten Einkaufstüten aufzufordern. Damit konnte der ein Jahr zuvor am Timmendorfer Strand aufgestellte Guinness-Rekord aus knapp 11 000 verknoteten Einkaufstüten deutlich überboten werden. „Nach monatelanger Vorbereitung ist der Weltrekord ein wunderbarer Erfolg. Plastiktüten sind ein

STIFTUNG NATURSCHUTZ BERLIN

Ende September verknüpften 3 000 Berliner auf dem Tempelhofer Feld 30 000 Plastik-Einkaufstüten.

gewaltiges Problem und vollkommen überflüssig. Es gibt zahlreiche umweltfreundliche Mehrwegalternativen, um die eigenen Einkäufe nach Hause zu bringen“, sagt die Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung Naturschutz Berlin, Sylke Freudenthal. Sie ist optimistisch, dass das Thema in der Politik angekommen ist. Von den 70 Sammelstellen, an denen man im Vor-

feld des Weltrekordversuches Plastiktüten gegen beständige Kampagnentaschen eintauschen konnte, befanden sich 15 in Bürgerbüros von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses. Es sei sehr leicht gewesen, mit den Bürgern zu diesem Thema ins Gespräch zu kommen. Wie Freudental berichtet, gingen auch nach Abschluss der Aktion noch zahlreiche Anfragen ein, ob man nicht weiterhin

Plastiktüten gegen Kampagnentaschen tauschen oder diese zumindest kaufen könne. Dass in Berlin wie andernorts die Tüte zunehmend zum Stein des Anstoßes avanciert, hat verschiedene Gründe. Wenn man ihre Omnipräsenz nicht als Menetekel des auslaufenden Zeitalters der fossilen Rohstoffe verstehen mag, beeindruckt ihre Verbreitung gleichwohl dennoch. Nicht nur, dass sich die Tage

ZERTIFIKATE

Möbel aus nachhaltigem Anbau

B

ei Möbeln aus Massivholz sollte man deutet: Derjenige, der das Holz in die EU eigentlich wissen, was man be- importiert und hier auf den Markt bringt, kommt: Ein Stück aus Naturmaterial, muss nachweisen können, dass es legal über viele Jahre gewachsen, frei von erwirtschaftet wurde. „Handelt es sich Schadstoffen. Und doch: Nur wenn die etwa um Teakholz aus Indonesion, müsStücke auch schonend für den Wald her- sen Nachweise der Legalität eingeholt gestellt wurden, also aus einer verant- werden“, erklärt der Experte. wortungsvollen Bewirtschaftung stamAllerdings kann sich der Verbraucher men, tut man damit auch etwas Gutes. nicht darauf verlassen, dass nicht geDas erkennt der Verbraucher kaum im trickst wurde: Denn nur der Importeur Handel, aber er hat Orientierungshilfen. oder Waldbesitzer muss den Nachweis „Das sind die beiden Labels des FSC und erbringen. Die Verordnung aber muss in des PEFC“, sagt Ulrich Bick vom Thünen- vielen EU-Ländern erst noch in nationales Institut für internationale Waldwirtschaft Recht umgewandelt werden, erklärt Bick. und Forstökonomie in Hamburg. Der Er sagt aber auch: „Man kann sich aber Forest Stewardship Council (FSC) will relativ sicher sein, dass der Möbelhändunter anderem die biologische Vielfalt, ler in Deutschland die vorgeschriebene die Wasserressourcen, die Böden sowie Sorgfaltspflicht erfüllt.“ Der Verbraucher einzigartige und empfindliche Öko- sei zwar sensibler geworden, aber nur systeme und Landleicht, sagt Ursula schaften erhalten. Geismann vom VerDiese Organisationen band der Deutschen seien trotz bestehenMöbelindustrie (VDM). der Kritik an der ZertifiZugleich werde er vonzierung immer noch seiten der Industrie das beste Kontrollsysnoch nicht genug angetem, sagt Bick. „Wenn sprochen – obwohl die ich so ein Logo sehe, Hersteller durchaus kann ich relativ sicher ökologisch verantworsein, dass ich mit dem tungsbewusste ProKauf das mir Mögdukte im Angebot hätlichste getan habe, um ten, sagt Geismann. illegalen Holzschlag zu Sie rät den Käufern, im vermeiden.“ Handel bewusst nachDie für den Herstelzufragen und die Verler freiwilligen Zertifikäufer anzusprechen. zierungen seien aber Das gilt auch in DPA/DREMEL nicht in allen Produktpuncto Gesundheit: bereichen gleich weit Auch Aufbereiten ist Waldschutz. „Nur rund 50 Prozent verbreitet. „Klassische der in Deutschland verGartenmöbel und Terrassendielen aber kauften Möbel stammen auch aus sind ein Bereich, bei dem Hersteller ohne Deutschland“, erklärt die Expertin. Der die Zertifizierung fast keine Marktchan- Großteil des Restes komme aus Asien. cen mehr haben“, weiß Bick. Denn Hölzer Für diese importierten Möbel gelten anim Außenbereich müssen besonders wit- dere Grenzwerte für Schadstoffe als für terungsbeständig sein, was jene mit tro- jene Stücke, die in der EU hergestellt wurpischem Ursprung am besten können – den. und gerade sie sind besonders durch Schadstoffe sind auch ein wichtiger Raubbau gefährdet. „Umgekehrt kann Punkt bei Spanplatten. Sie bestehen aus ich bei Material, das Tischlereien oder Holzteilchen – diese Resteverwertung ist Zimmerereien aus deutscher Waldwirt- laut Umweltbundesamt an sich sogar umschaft nutzen, so gut wie sicher sein, weltschonender als die Verwendung von dass es legal geschlagen wurde – ohne Massivhölzern. Aber Bindemittel halten Zertifikat.“ Der deutsche Wald sei aktuell die Teilchen zusammen, die flüchtige orzu fast 80 Prozent nach PEFC und/oder ganische Verbindungen sowie RestmenFSC zertifiziert. Darüber hinaus gibt es gen von Lösemitteln ausgasen können. hierzulande gesetzliche Regelungen: Seit Das belastet die Umwelt und die Gesund2013 gilt die Holzhandelsverordnung der heit. Der Rat der Behörde: Verbraucher EU, die verbietet, dass illegal geschlage- sollten auf Produkte mit Labeln wie dem nes Holz gehandelt werden darf. Das be- FSC-Siegel achten. (dpa)

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häufen, an denen man hilflos vor der überquellenden Verpackungsmülltonne am Haus steht. Wie der Regisseur Werner Boote in seinem Film „Plastic Planet“ von 2009 eindrucksvoll zeigen konnte, sind die Bestandteile der so bequemen Einkaufstüte längst in der Nahrungskette und im menschlichen Blutkreislauf angekommen. Das Unbehagen beim Schluck aus der PET-Flasche, beim Freilegen des Frühstückskäses, beim Abmanteln der Schnittblumen sucht nach einem Ventil. Vom spürbaren Überdruss profitieren Geschäftsideen wie die von Original Unverpackt, einem der ersten Lebensmittelläden in Berlin, der weglässt, was man eigentlich nicht braucht. Das Projekt wurde als Crowdfunding-Idee über das Internet inszeniert und fand über 4 000 Unterstützer, die mehr als das Fünffache der Summe aufbrachten, die zur Gründung notwendig gewesen wäre. Als erster US-Bundesstaat hat Kalifornien vor einigen Tagen die Einweg-Plastiktüte auf den Index gesetzt. Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete in der letzten Woche ein entsprechendes Gesetz. Demnach dürfen ab Juli 2015 die dünnen Plastiktüten in Lebensmittelläden und Drogeriemärkten nicht mehr an Kunden ausgegeben werden. Ab 2016 sind auch kleinere Läden von dem Verbot betroffen. Auch die EU will, dass die Europäer bis 2019 nur noch auf ein Fünftel der aktuellen Einsatzmenge zurückgreifen. Gemäß einer Entschließung soll der Verbrauch pro Kopf und Jahr von gegenwärtig 176 auf 35 Tüten sinken. Allerdings ist die Sache noch nicht mit den Einzelstaaten ausgehandelt. In Deutschland kommen pro Kopf etwa 71 Tüten, davon 64 Einwegtüten zum Einsatz. (mwo.)

Hobbygärtner sollten das nun stetig zunehmende Laub von Bäumen und Gehölzen am besten nicht komplett entsorgen, sondern als nützlichen Mulch nutzen. „Unter Gehölzen und Hecken kann das Laub einfach liegen bleiben“, erläutert Experte Wolfgang Groß. Hier schützt es die Pflanzen an bitterkalten Wintertagen. Und das Laub versorgt den Boden nachhaltig mit allem, was er braucht. „Es wird dort zersetzt, sodass die Nährstoffe den Pflanzen wieder zugutekommen.“ Auf Beeten mache sich Laubmulch ebenfalls gut als natürlicher Schutz und gleichzeitig als Düngung. (dpa)

Laubsauger töten Insekten am Boden Im Herbst räumen Hobbygärtner ihren Garten ab – gerne radikal. Jedes einzelne vom Baum gefallene Blatt wird aufgesammelt. Aber gut ist das nicht – zumindest nicht für die Tierwelt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) rät, nicht nur etwas Laub liegen zu lassen, damit Insekten und Igel darunter Unterschlupf finden, sondern auch auf Laubsauger zu verzichten. Die Geräte nehmen neben den Blättern auch Insekten auf, häckseln und töten sie. Auch Laubbläser sind nicht gut für die Natur. Denn bei beiden Gerätevarianten werden dem Boden mit den Blättern auch die Humus- und Nährstoffversorgung für das nächste Jahr genommen. Geräte mit Verbrennungsmotor stoßen außerdem schädliche Gase aus. (dpa)


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NACHHALTIG HANDELN

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Power to Gasanlage

Alte Computer oft mit hohem Stromverbrauch Wer einen neuen PC für wenig Geld sucht, findet im Netz Angebote zahlreicher Dienstleister. Die Geräte haben im Vergleich zu einem neu hergestellten PC nicht nur eine bessere Öko-Bilanz, sondern sind inklusive Betriebssystem oft auch für deutlich unter 200 Euro zu bekommen, berichtet die Zeitschrift c’t. Allerdings gehe der Energiebedarf betagter PC meist deutlich über den moderner Systeme hinaus. Von Geräten mit Windows XP sollte man in jedem Fall die Finger lassen, weil Microsoft dafür keine Sicherheitsupdates mehr liefert, warnen die Experten. Einen Bogen machen Käufer besser auch um sogenannte Workstations: Sie sind oft energiehungrig und laut. (dpa)

Kaputte Sparlampen mit Umsicht entsorgen Zerbricht eine Energiesparlampe, sollten die Scherben umgehend aufgesammelt und in einem Glas mit Schraubdeckel verschlossen werden. Denn es tritt Quecksilber aus, das giftig ist. Darauf weist das Öko-Institut in Berlin hin. Möglichst sofort sollten Verbraucher die Fenster aufreißen, um den Raum zu lüften, sowie das Zimmer verlassen und die Tür schließen. Allerdings sei die Menge an Quecksilber in Energiesparlampen sehr gering. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Grenzwerte nicht überschritten werden. Kaputte Energiesparlampen dürfen nicht in die normale Mülltonne kommen, sondern werden am besten zum Wertstoffhof oder Schadstoffmobil gebracht. (dpa)

Nur haushaltsübliche Mengen in die Bio-Tonne

Grundsätzlich dürfen laut Bioabfallverordnung nicht nur Grünabfälle und Obstreste in der grünen oder braunen Tonne landen. Darin ist laut Bundesumweltministerium auch die Entsorgung von Käse einschließlich der Naturrinde sowie von Fischgräten und Tierknochen in haushaltsüblichen Mengen möglich. Fischgräten werden am besten in Zeitungspapier eingewickelt, es sollte aber nicht bunt bedruckt sein. Brot und Milchprodukte wie die Reste von Joghurt und Quark dürfen ebenfalls in diese Tonne, Milch selbst aber nicht. Nur haushaltsübliche Mengen von rohen, gekochten oder verdorbenen Nahrungsmitteln sind gut, ebenfalls möglichst in schwarz-weißes Zeitungspapier verpackt. (dpa)

Auf recycelfähige Bauteile im Smartphone achten

Die meisten neuen Smartphones strotzen inzwischen nur so vor Leistungsfähigkeit und Features. Auf diesem Sektor können Käufer also nicht mehr viel falsch machen. Ganz anders sieht es bei Aspekten der Nachhaltigkeit aus. Verbraucher sollten etwa auch darauf achten, dass der Anteil recycelter Materialien besonders hoch und der Schadstoffeinsatz bei der Produktion besonders gering ist. Darauf weist das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) hin. Auch die Einhaltung internationaler Arbeitsstandards oder eine verbesserte Energieeffizienz sollte berücksichtigt werden. (dpa)

Jugendliche geben Umwelttipps

Ein Video auf dem Portal checked4you klärt Jugendliche über Nachhaltigkeit auf. Es stammt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Elf Jugendliche geben in dem Clip Tipps, wie jeder etwas für die Umwelt tun kann. So sind Handzahnbürsten zum Beispiel umweltfreundlicher als elektrische Bürsten. Außerdem sollte beim Zähneputzen immer das Wasser ausgestellt werden. Wer Kaffee oder Brotaufstrich aus fairem Handel kauft, unterstützt faire Arbeitsbedingungen für die Bauern und nachhaltigen Abbau von Rohstoffen. (dpa)

Windenergie Ausgangspunkt für das Projekt ist regenerativ erzeugter Strom.

O2 Sauerstoff

Gasnetz Das e-gas wird im öffentlichen Gasnetz gespeichert und kann so auch Haushalte und Industrie mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgen.

CO2 Kohlendioxid

CO2 Kohlendioxid H2O Wasser

H2 Wasserstoff

Elektrolyse Die mit Windstrom betriebene ElektrolyseAnlage spaltet Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff.

H2O Wasser Methanisierung Der Wasserstoff reagiert in einer Methanisierungsanlage mit Kohlendioxid. Ergebnis: e-gas (künstliches Erdgas).

Stromnetz Die Windenergie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.

CH4 e-gas

CNG-Tankstelle Der steigende Anteil an e-gas fördert klimafreundliche Langstreckenmobilität. B L Z / H E C H E R ; QU E L L E : AU D I

HOFFNUNGST RÄ GER

Windgas auf dem Prüfstand N

ach einjährigem Probebetrieb hat E.ON jetzt eine erste Bilanz seiner Windgasanlage im brandenburgischen Falkenhagen gezogen. Wie das Unternehmen mitteilt, wurden über zwei Millionen Kilowattstunden Wasserstoff in das Ferngasnetz eingespeist. Das entspricht etwa dem Gasverbrauch von 100 Einfamilienhäusern für Heizung und Warmwasser. Jedoch stand nicht die Mengenproduktion für die Pilotanlage im Vordergrund, sondern die Serientauglichkeit der Technologie. „Bereits nach einem Jahr Betrieb können wir sagen, dass Power-to-Gas großes Potenzial hat. Bei bestimmten Anwendungen, zum Beispiel im Mobilitätsbereich, sehen wir sogar Möglichkeiten zu einem baldigen Einstieg in die kommerzielle Nutzung“, so Ingo Luge, Vorsitzender der Geschäftsführung der E.ON Deutschland. Windgas gilt als einer der Hoffnungsträger, die schwankende Stromproduktion der erneuerbaren Energien im Stromnetz auszubalancieren. Ist das Stromangebot größer als das Netz aufnehmen kann, könnten solche Anlagen dabei helfen, dass Windräder nicht abgeschaltet werden müssen. Sie könnten auf diese Weise dazu beitragen, den Anteil der EEG-Umlage im Strompreis zu entschärfen.

VATTENFALL

Wasserstofftankstelle von Vattenfall in Hamburg

Umstrittene Rahmenbedigungen

Anlage ohne Personal Wie Dr. Andrei Zschocke aus dem E.ON Innovation Center Energy Storage erläutert, kommt die Anlage in Falkenhagen ohne Personal aus. Der Betrieb wird komplett ferngesteuert. Bis auf einige kleinere Störungen habe sie stabil produziert. E.ON sei mit der Effizienz sehr zufrieden, so Zschocke. „Wir haben mit einem Wirkungsgrad von 50 plus x gerechnet und haben 66 Prozent als Verhältnis von eingespeistem Strom zu energetischer Leistung des produzierten Wasserstoffs erzielt.“ Die Aufnahmeleistung der Anlage für Strom beträgt zwei Megawatt. Es können pro Stunde 360 Kubikmeter Wasserstoff produziert werde. Der größte Teil der hergestellten Menge sei durch den Kooperationspartner Swissgas verwertet worden. Nach den Worten von Zschocke entsteht gerade in Hamburg eine zweite Versuchsanlage. Die dort eingesetzte, weiterentwickelte Technik soll bis zu 80 Prozent der eingespeisten Stromleistung in Wasserstoff umwandeln können. „Wir glauben, dass sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahren weiter verbessern lässt“, sagt Zschocke. Die Hoffnungen der Betreiber solcher Pilotanlagen konzentrieren sich inzwischen allerdings nicht mehr ausschließlich auf den Schwankungsausgleich im Strommarkt. „Power to Gas kann dazu beitragen, die CO2 -Emissionen in verschiedenen Verbrauchssektoren zu reduzieren, indem das erneuerbar erzeugte Gas fossile Energieträger in der Mobilität, der Industrie, der Wärmeversorgung und der Stromerzeugung ersetzt“, heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Energieagentur (dena). So sei etwa das angestrebte CO2 -Minderungsziel im Verkehrssektor, ohne alternative Kraftstoffe nicht zu erreichen. Auch zum schleppen-

E.ON

Power-to-Gas-Anlage im brandenburgischen Falkenhagen

F A K T E N Die Technologie von Power-to-Gas-Anlagen spaltet unter dem Einsatz von erneuerbaren Energiequellen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Während der Sauerstoff an die Umwelt abgegeben wird, kann der Wasserstoff weiter verwendet werden. In reiner Form kann er in industriellen Anwendungen mit konventioneller Energie erzeugten Wasserstoff ablösen oder zur Betankung von Wasserstofffahrzeugen dienen. Der Autohersteller Audi betreibt im Emsland die bekannteste Windgasanlage in Deutschland. Beim Kohlendioxid, das die Audi-e-gas-Anlage nutzt, handelt es sich um das Abgas einer mit organischen Abfällen betriebenen Biomethananlage, die der Energieversorger EWE in unmittelbarer Nähe betreibt. Pro Jahr produziert die Audi-e-gas-Anlage etwa 1 000 Tonnen e-gas und bindet dabei zirka 2 800 Tonnen CO2, die sonst die Atmosphäre belasten würden. Mit dem e-gas aus Werlte sollen 1 500 Audi A3 Sportback g-tron pro Jahr jeweils 15 000 km CO2-neutral zurücklegen können.

den Ausbau des Stromnetzes sieht man die Windgas-Technik in gewisser Weise als alternative Möglichkeit. Das etwa 40 000 Kilometer umfassende gut ausgebaute Erdgasnetz biete erhebliche Potenziale, erneuerbare Energien zu speichern und zu transportieren. „Im Erdgasnetz stecken Speicherkapazitäten, die Strommengen aus mehreren Monaten Wind- und Sonnenstrom entsprechen,“ sagt Dimosthenis Trimis vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Damit ginge der Alternativstrom, wenn man von gewissen Verlusten absieht, die bei der Umwandlung und Anreicherung entstehen, nicht verloren. Trimis betreut am KIT das Projekt Helmeth, auch eine Demonstrationsanlage, die nach ihrer Fertigstellung Methan aus erneuerbaren Energien mit einem Wirkungsgrad von 85 Prozent erzeugen soll.

Mit Kohlendioxid angereichert kann der Wasserstoff auch zu Methan als synthetisches Erdgas weiterverarbeitet werden. Das so erzeugte Gas ließe sich ins Erdgasnetz einspeisen und wie gewöhnliches Erdgas etwa für Heizzwecke einsetzen. 14 Windgasanlagen sind derzeit in Betrieb, 15 weitere entweder in Bau oder in der Planung. Dabei handelt es sich ausschließlich um Forschungsprojekte oder Pilotanlagen mit einer Leistung von maximal sechs Megawatt. In der Region zählen neben der Anlage im brandenburgischen Falkenhagen auch das Hybridkraftwerk in Prenzlau und die Multi-Energie-Tankstelle am Flughafen BER dazu. Anlagen mit einer Produktionsleistung von bis zu 1 000 Megawatt werden bis zum Jahr 2022 erwartet. Das Gasnetz verfügt über Fernleitungen mit einer Länge von 40 000 Kilometern, das gesamte deutsche Gasnetz ist sogar 530 000 Kilometer lang. Die direkte Einspeisung von Wasserstoff bis zu einer Konzentration von zehn Prozent halten Experten für unproblematisch.

Damit ließe sich eine engere Verknüpfung von Strom- und Gasnetz erreichen; der Einfluss der erneuerbaren Energien auch bei der Wärmeerzeugung ausbauen. Wenn Power to Gas in absehbarer Zeit in wirtschaftliche Dimensionen vorstoßen sollte. Wirtschaftlich ist die Technologie bis auf Weiteres noch nicht. Gegenwärtig liegen die Investitionskosten je nach Anlagengröße zwischen 1 500 und 3 500 Euro pro Kilowatt elektrischer Leistung. Mit veränderten Rahmenbedingungen aber könnten Speicherkapazitäten wie in Falkenhagen in den kommenden Jahren um 40 Prozent günstiger werden, sagen Schätzungen. „Im Grunde müsste es eine Befreiung von Kosten wie der EEG-Umlage oder Netznutzungsentgelten geben, um ein konkurrenzfähiges Produkt zu haben“, findet Andrei Zschocke. Solche Kosten sind aus Sicht von E.ON wenig hilfreich, denn die Anlagen verbrauchen den Strom ja nicht einfach, sondern sie speichern ihn und gleichen schwankende Erzeugung aus erneuerbaren Energien aus. Das hilft, die Netze zu entlasten und gleichzeitig die Integration der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Dennoch ist Power to Gas nicht unumstritten. Das Öko-Institut Freiburg etwa mag sich der Meinung der Dena nicht anschließen. Die Forscher halten die derzeitigen Umwandlungsverluste für zu hoch, um die Windgastechnologie als die Systemlösung zu betrachten. Insbesondere dann, wenn der erzeugte Wasserstoff mit Kohlendioxid angereichert zu Methan umgewandelt wird. „In den chemischen Prozessen der Wasserstoffelektrolyse und Methanisierung gehen große Mengen der eingesetzten Energie verloren. Wird das mittels Power to Gas erzeugte Methan beispielsweise dazu genutzt, wieder Strom zu erzeugen, stehen nur noch etwa 30 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie zur Verfügung“, heißt es in einer Stellungnahme. Als Kraftstoff genutzt, bliebe während der Umwandlung etwa die Hälfte der aufgewandten Energie auf der Strecke. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass das bei der Methananreicherung eingesetzte Kolendioxid aus erneuerbaren Quellen stammt, da sonst die klimaentlastenden Effekte nicht eintreten. Martin Woldt

VERSCHWENDUNG

Kühlschrank einmal pro Woche aufrämen

V

erbraucher verschwenden weniger Lebensmittel, wenn sie ihren Kühlschrank wöchentlich nach bald zu verbrauchenden Produkten durchsehen. So gerate nichts in Vergessenheit und verderbe nicht unbemerkt, erläutert die Verbraucherzentrale Sachsen. Es empfehle sich, frisch erworbene Waren nach hinten zu räumen und ältere, bald zu verbrauchende nach vorne zu stellen. Verschrumpeltes Gemüse etwa sollte nicht einfach in den Müll wandern. Es lasse sich gut als Auflauf- oder Pfannengemüse-Zutat verwenden, ohne dass ein Unterschied zu schmecken sei, erläutert die Initiative „Zu gut für die Tonne!“ des Bundesernährungsministeriums anlässlich des Erntedankfestes am vergangenen Sonntag. Auch angeschnittenes Obst und Gemüse mit braunen Stellen müssen nicht entsorgt werden. Bei den Verfärbungen handelt es sich um eine natürliche Reaktion von Pflanzenstoffen mit der Luft. Haftet einem Gemüse Erde an, ist das der Initiative zufolge ebenfalls nicht bedenklich. Sie sollte zum Beispiel von Kartoffeln erst unmittelbar vor der Zubereitung entfernt werden, weil sich die Knollen nicht so gut halten, wenn sie gewaschen aufbewahrt werden. Nahrungsmittelverschwendung vermeiden Verbraucher auch, indem sie ihre Trockenvorräte regelmäßig überprüfen. Bevor diese ergänzt werden, verwenden sie am besten zuerst ältere Bestände, raten die Verbraucherschützer. Tiefgefrorenes sollte mit Einfrierdatum versehen werden: Obst und Gemüse sind noch nach bis zu einem Jahr genießbar, Fisch, Fleisch und fertig gekochte Speisen dagegen nur innerhalb von drei Monaten. Lebensmittelverschwendung lasse sich außerdem vermeiden, wenn gezielt und nur in den genau benötigten Mengen eingekauft werde. (dpa)

VERHALTENSKODEX

Bekleidungsfirmen arbeiten am Image

B

ei Lebensmitteln sind Biowaren längst verbreitet – die Modebranche hinkt da noch hinterher. Zuletzt gab es wieder Skandale über umweltschädliche Stoffe und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Mittlerweile wollen viele Firmen ihr Image verbessern oder zumindest dem Verbraucher Alternativen zur üblichen Produktion anbieten. „Mehr und mehr Konzerne erlegen sich mittlerweile einen eigenen Verhaltenskodex auf, was das ökologische Produzieren und faire Handeln ihrer Ware betrifft“, hat Melanie Weber-Moritz von der Verbraucher-Initiative in Berlin beobachtet. Öko-Bilanz von Puma Viele Hersteller nähern sich dem Thema über Projekte an: Puma etwa hat eine Ökobilanz erstellt. Darin bilanziert das Unternehmen seine Umweltschäden entlang der gesamten Produktionskette in Euro – vom CO2 -Ausstoß über den Wasserverbrauch bis zur Abfallproduktion. Das Ergebnis: Umweltschäden in Höhe von 145 Millionen Euro allein für 2010. Als Konsequenz entwickelte Puma einen Plan, wie bis 2020 die Freisetzung gefährlicher Chemikalien unterbunden werden soll. Andere Unternehmen bringen grüne Kollektionen auf den Markt. „H & M und C & A etwa sind mittlerweile große Abnehmer von Bio-Baumwolle“, erklärt WeberMoritz. Für die Aufzucht von konventioneller Baumwolle für ein durchschnittliches Shirt werden 2 700 Liter Wasser benötigt, für Bio-Baumwolle nur halb so viel, klärt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf. Und wiederum andere Firmen entwickeln neue Fasern: Das vegane Label Umasan nutzt etwa Algen und Eukalyptus. Neben den verarbeiteten Materialien sind Siegel Anhaltspunkte, um faire Waren zu erkennen. Doch auch hier gilt Vorsicht: „Einige Unternehmen vergeben Siegel an sich selbst, die keiner Qualitätsprüfung unterliegen“, erläutert Christiane Schnura von der Kampagne für Saubere Kleidung. Das bedeutet: Verbraucher müssen genau hinschauen und sich im Zweifelsfall selbst informieren. Aber: „Mit etwas Recherche findet man schnell heraus, welche Siegel tatsächlich empfehlenswert sind.“ (dpa) www.label-online.de


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ROTER MILAN

Anteil sparsamer Autos gestiegen

Volkszählung beim heimlichen Wappenvogel E

r ist etwa 70 Zentimeter groß, hat eine stolze Spannweite von bis zu 1,75 Metern, und sein Gefieder ist rostbraun gefärbt. Gestatten: Milvus milvus. So der lateinische Name. Den meisten ist der majestätische Greifvogel allerdings unter einem anderen Namen bekannt: Rotmilan oder Roter Milan. „Er wird auch der heimliche Wappenvogel Deutschlands genannt“, erklärt Matthias Bormann vom Landschaftspflegeverband Mecklenburger Endmoräne. Der Vogel – mit dem für ihn charakteristisch tief gegabelten Schwanz – kommt fast ausschließlich in Europa vor. Hauptverbreitungsgebiet Neben Frankreich und Spanien ist vor allem Deutschland sein bevorzugter Lebensraum. Fast 60 Prozent der schätzungsweise weltweit 25 000 RotmilanBrutpaare leben hier. „Deshalb haben wir gegenüber diesem Vogel eine besondere Verantwortung“, erklärt Naturschützer Bormann. Seit einigen Jahren beobachten die Experten aber einen zunehmenden Rückgang der Population. „Es geht langsam, aber sicher bergab“, sagt Bormann. Der Rückgang hat mehrere Gründe. Einer davon ist das immer schlechter werdende Nahrungsangebot, sind sich die Vogelschützer sicher. Rotmilane sind Opportunisten. Sie ernähren sich von dem, was am einfachsten zu erbeuten ist: zum Beispiel Kleinnager wie Mäuse oder Feldhamster, die auf dem Ackerboden leben. In der Landwirtschaft wurde in den vergangenen Jahren jedoch immer stärker auf einzelne, hochwachsende Kulturen wie Raps und Mais gesetzt. Die großen Felder aus den dicht beieinanderstehenden Kulturen versiegeln das Land wie eine Art undurchdringlicher Teppich. Dadurch kann der Greifvo-

gel seine Beute am Boden nicht mehr ausmachen und jagen. Die Konsequenz: Wenn es nicht genügend Futter gibt, bleibt der zum Erhalt der Art notwendige Bruterfolg aus. „Wenn wir den Rotmilan retten wollen, dann kommt es also vor allem auch auf die Landwirte an“, erklärt Matthias Bormann. Genau an dieser Stelle setzt ein aktuelles Projekt an. Um dem Rotmilan besser unter die Flügel greifen zu können, haben sich Landschaftspflegeverbände

zu pflanzen. Besonders in den Monaten Mai und Juni, wenn der Rotmilan für seinen frisch geschlüpften Nachwuchs genügend Futter braucht. Niedrig wachsende Kulturen sind dabei zum Beispiel Kleegras oder Luzerne – eine immergrüne, winterharte Nutzpflanze aus der Familie der Hülsenfrüchtler. Oder auch sogenannte Blühmischungen. Davon würden dann nicht nur die Rotmilane profitieren, sondern auch die Bienen. Das Vorhaben ist nicht immer leicht und erfordert oft Fingerspitzengefühl. „Die Landwirte sollen darunter nicht leiden oder davon Nachteile haben“, erklärt Matthias Bormann. In elf Modellregionen in acht Bundesländern läuft das Projekt mittlerweile. Auf einer Fläche von jeweils etwa 300 Quadratkilometern wurden von Dezember bis Juli in einem ersten Schritt systematisch alle Rotmilan-Nester erfasst und katalogisiert. „Die Nester sind relativ markant. Oft nutzen die Vögel alte Stoff- und Folienreste für den Nestbau, die man leider noch zu häufig in der Landschaft findet“, sagt Bormann.

➤„WENN WIR DEN ROTMILAN RETTEN WOLLEN, KOMMT ES VOR ALLEM AUCH AUF DIE LANDWIRTE AN.“ und Akteure aus Wissenschaft und Naturschutz zusammengeschlossen. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL), der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und die Deutsche Wildtier-Stiftung (DeWiSt) bilden gemeinsam mit den Partnern vor Ort das nationale Schutzprojekt „Rotmilan – Land zum Leben“. Einer der lokalen Projektpartner ist der Landschaftspflegeverband Mecklenburger Endmoräne. Ziel des Projekts ist es, die Landwirte davon zu überzeugen, an den richtigen Stellen niedrig wachsende Ackerkulturen

Projekt bis 2018

WOLDT/LPV MECKLENBURGER ENDMORÄNE

Roter Milan: Greifvogel in der Krise.

300 potenzielle Rotmilan-Nester konnten in der Modellregion in Mecklenburg-Vorpommern lokalisiert und in Karten eingetragen werden. In einer zweiten Begehung überprüften die Experten und Vogelschützer, welche Nester besetzt sind, und in einem dritten Schritt wurden schließlich die Eier und die geschlüpften Jungtiere gezählt. Letztlich wurden dort allerdings nur 22 Brutpaare registriert. Im Dezember startet die nächste Zählaktion. Um die Entwicklung zu verstehen, soll das Projekt bis voraussichtlich 2018 laufen. Spätestens dann soll der Rotmilan wieder Aufwind haben. Stefanie Paul

Energieeffiziente Autos sind im Kommen: Der Anteil von Wagen mit entsprechendem Label an den Neuzulassungen ist gestiegen. So hatte 2013 jeder zweite neu zugelassene Pkw (50 Prozent) das Label der Effizienzklassen A+, A oder B – das sind 11 Prozentpunkte mehr als 2012 (39 Prozent). Das teilt die Deutsche Energie-Agenturmit. Gründe für den Anstieg seien unter anderem gestiegenes Verbraucherinteresse an Energie- und Umweltaspekten beim Autokauf. Neuwagen müssen seit 2011 mit dem Pkw-Label gekennzeichnet sein. (dpa)

Auch E-Mobile benötigen eine Umweltplakette Obwohl Elektroautos keine Abgase ausstoßen, benötigen sie für Fahrten in Umweltzonen eine Feinstaubplakette. Darauf weist der TÜV Nord hin und betont, dass es für die Stromer keine Ausnahme gebe. Wenn alle einfahrtberechtigten Autos eine Plakette tragen, hätten es die Kontrolleure einfacher. (dpa)

Effizienzangaben im Onlinehandel verbindlich

Auch Online-Händler müssen den Energieverbrauch von kennzeichnungspflichtigen Geräten angeben. Das hat das Landgericht Mainz in einem aktuellen Urteil entschieden (Aktenzeichen.: 12 HK O 41/13). Die Informationen zur Energieeffizienzklasse müssen dabei sowohl auf der Startseite des Online-Shops als auch auf den Produktübersichtsseiten zu sehen sein. (dpa)


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NACHHALTIG HANDELN

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DENA-CHECKLISTE

ABWASSER

Ist mein Haus fit für den Winter?

Die Kraft der trüben Brühe

m den energetischen Zustand eines Hauses besser einschätzen zu können, hat die Deutsche EnergieAgentur (dena) eine Checkliste für Hauseigentümer zusammengestellt. Sie soll ihnen im Selbstabgleich Argumente für ein Beratungsgespräch mit einem Energieberater liefern, die vom Staat mit einem Zuschuss von 400 Euro gefördert werden.

bwasser, das war bislang für die Berliner Wasserbetriebe eher wegen seiner Reinigung eine interessante Größe. Dass Abwasser darüber hinaus auch eine Energiequelle sein kann, sei ein vergleichsweiser noch neuer Betrachtungswinkel, wie Sprecher Stephan Natz zugibt. „Mit Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad Celsius ist Abwasser eine regenerative Energiequelle, die an 365 Tagen im Jahr nutzbar ist“, sagt er. Die in der trüben Brühe schlummernden Potenziale sind beachtlich. Etwa 15 Prozent der in einem Haushalt zum Erwärmen von Wasser eingesetzten Energie, gehe über den Abfluss wieder verloren. Abwasserdruckleitung und Abwasserkanäle ließen sich aus dem neuen Betrachtungswinkel auch als „Niedertemperatur-Fernwärmenetz“ verstehen.

U

Ist es im Haus im Winter zu kalt oder im Sommer zu heiß? Wenn ja, dann spricht dies für Defizite bei der Wärmedämmung oder schlechte und undichte Fenster. Auffällige Temperaturschwankungen können an ganz unterschiedlichen Stellen auftreten, zum Beispiel in den Räumen unter dem Dach, an der Innenseite der Außenwände oder am Fußboden über dem Keller. Auch Tauwasser an der Innenseite der Fenster und Zugluft sind Zeichen dafür, dass etwas getan werden muss. Je nachdem können unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll sein, die von der Dämmung der Kellerdecke über einen Fensteraustausch bis hin zur Dämmung der Außenwände oder des Dachs reichen. Das bringt nicht nur im Winter deutlich komfortablere Temperaturen, sondern auch im Sommer. Gibt es Probleme mit Schimmel im Bad oder in Zimmerecken? Wenn sich Schimmel in einem unsanierten Wohnhaus bildet, zum Beispiel im Bad, in Zimmerecken oder rund um ein Fenster, sollte die betroffene Stelle genauer analysiert werden. Manchmal verbessert sich die Lage bereits durch regelmäßiges Lüften. Hält das Problem trotzdem an, kann das ein Hinweis auf eine mangelhafte Dämmung sein. In einem unsanierten Gebäude lässt sich durch eine gut gedämmte Gebäudehülle und energiesparende Fenster der Heizungsverbrauch nahezu halbieren. Die Einsparung hängt dabei immer vom energetischen Zustand des Gebäudes und dem gewählten Maßnahmenmix ab. Schwitzt man im Heizungskeller, oder rauschen die Heizkörper? Ein warmer Heizungskeller ist ein Zeichen dafür, dass die Heizungsanlage ineffizient arbeitet, und Wärme ungenutzt verloren geht. Ist die Heizung älter als 15 Jahre, kann es sich bereits lohnen, über einen Austausch des Heizkessels nachzudenken. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) werden Einzelmaßnahmen wie der Kesseltausch, aber auch die Dämmung der Gebäudeteile staatlich gefördert. Eine effiziente Heizungsanlage, die auch erneuerbare Energien einbindet, reduziert den Heizungsverbrauch um 20 bis 30 Prozent. Rauschende Heizkörper sind ein Indiz für eine schlecht eingestellte Heizungsanlage. Dies kann ein Experte durch entsprechende Einstellungen leicht beheben. Und wenn die Heizkörper „gluckern“, liegt das wahrscheinlich an Luft in den Heizkörpern. Hier hilft bereits eine Entlüftung der Heizkörper, die selbst durchgeführt werden kann. Ist der Heizungsverbrauch trotz eines effizienten Heizverhaltens hoch? Grundsätzlich kann der Heizungsverbrauch bereits durch richtiges Heizen und Lüften sowie geringinvestive Maßnahmen reduziert werden. Dazu gehört das Stoßlüften anstelle des Dauerlüftens genauso wie die unterschiedliche Beheizung der einzelnen Räume oder das Abdichten zugiger Fenster. Wer dennoch hohe Heizungsverbräuche zu verzeichnen hat, der sollte sich mit einem Experten über mögliche energetische Sanierungsmaßnahmen austauschen. (dena) Eine Energieeffizienz-Expertenliste findet man unter: www.energie-effizienz-experten.de

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Settergren. Die Abwasserwärmenutzung decke den Energiebedarf für das Heizen in Höhe von 1 500 Kilowattstunden sowie 1 150 Kilowattstunden für das Kühlen jährlich. „Im Winter wird mithilfe von Wärmepumpen dem Abwasser Wärme entzogen und für die Gebäudebeheizung auf rund 35 Grad Celsius erhitzt und dann in die Fußbodenheizungen und die Deckenstrahlplatten geleitet“, so Settergren. „Und im Sommer wird zur Kühlung die Wärme des Einrichtungshauses wiederum ins Abwassernetz geleitet. Mit dieser Art der Energienutzung kann der Jahresbedarf im Sommer zu 100 Prozent und im Winter zu bis zu 70 Prozent abgedeckt werden.“ Bei tiefen Außentemperaturen könne ein Gaskessel die Anlage unterstützen. Die Abwärmenutzung betrifft allerdings nur einen Teil des im Abwasser schlummernden Energiepotenzials. Forscher des Kompetenzzentrums Wasser Berlin verhelfen zusammen mit Fachleuten der Berliner Wasserbetriebe derzeit einem anderen Konzept der Abwasserreinigung zum Durchbruch. Das Verfahren filtert die energiereichen organischen Stoffe schon im Zulauf der Kläranlage aus dem Abwasser und überführt sie direkt in die Schlammfaulung. Auf diese Weise kann Biogas zur Stromerzeugung gewonnen werden.

Großes Potenzial Nach Expertenberechnungen könnten deutschlandweit „zwei bis vier Millionen Wohnungen mit der aus Abwasser wieder gewinnbaren Wärme versorgt werden“. Oder, wie man bei den Berliner Wasserbetrieben auch rechnet: „Theoretisch kann der Warmwasserbedarf von 100 Wohnungen mit der Abwasserwärme von 300 Wohnungen gedeckt werden.“ Das Potenzial für Abwasserwärme in Deutschland sei immens: Jedes zehnte Gebäude könnte mit thermischer Energie aus Kanälen versorgt werden.“ Bedingung dafür, dass sich das lohnt, seien ausreichend große Kanäle oder Druckrohre. Zur Vermeidung von Verlusten sollten sie nahe an den zu heizenden bzw. zu kühlenden Räumen liegen. Bereits acht solcher Projekte sind in Berlin inzwischen verwirklicht, sechs weitere haben die Wasserbetriebe in der Vorbereitung. Ganz neu ist ein gemeinsames Projekt mit dem Erbbauverein Moabit. Hier geht es um die Versorgung eines Wohnhauses an der Dorotheastraße in Berlin-Karlshorst. Die Heizenergie für dieses Gebäude mit 78 Wohnungen wird über einen Wärmetauscher in der Abwasserdruckleitung unter der Dorotheastraße bereitgestellt. Zu den bislang größten Vorhaben gehört der vor drei Jahren in Betrieb genommene Anschluss des Ikea-Möbelhauses an der Landsberger Allee. Ziel des Andockens an die dortige Abwasserdruckleitung war, etwa 40 Prozent der prognostizierten Primärenergie des Marktes einzusparen. Das ist offenbar eingetreten. „Die Anlage läuft wirtschaftlich“, teilt Ikea-Sprecherin Simone Settergren auf Anfrage mit. Umgesetzt wurde das Vorhaben mittels eines großen Ringwärmetauschers, einer Art doppelwandigem Abwasserrohr. „Es wird stündlich von 500 000 bis 1,4 Millionen Litern Abwasser durchströmt. Das entspricht dem Inhalt von 13 bis 35 Tanklastern pro Stunde“, sagt

Vom Klärwerk zum Kraftwerk

BERLINER WASSERBETRIEBE

Filteranlage der Berliner Wasserbetriebe

Die Sache könnte sich lohnen und aus dem Klärwerk ein Kraftwerk machen. „Die großen Kläranlagen Berlins haben derzeit einen spezifischen Energiebedarf von 0,2 bis 0,4 Kilowattstunden pro Kubikmeter behandeltes Abwasser“, besagen die Berechnungen der Experten. Bei einer vollständigen Umwandlung aller im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe zu Methan könnten bis zu 0,8 Kilowattstunden pro Kubikmeter Abwasser erzeugt werden. Der Bedarf ließe sich aus dem Abwasser decken. Das Projekt mit dem Namen Carismo verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2030 kommunale Kläranlagen von herkömmlichen Energieverbrauchern zu Erzeugern regenerativer Energie zu machen. Die Reinigung des Abwassers wäre davon nicht beeinträchtigt. Zumindest sei dies das Ziel. Aber noch sind nicht alle Fragen gelöst. Neben der Energie stecken im Klärschlamm aber noch andere wiedergewinnbare Schätze. Längst filtern die Wasserbetriebe mit einem speziellen Verfahren unter anderem Phosphordünger aus der trüben Brühe. 400 Tonnen sollen es durch eine neue Technologie in diesem Jahr werden. Der Dünger wird unter der Marke „Berliner Pflanze“ zur Bodenverbesserung angeboten. „Zwei Kilo Nachhaltigkeit für den heimischen Garten kosten vier Euro“, sagt Stephan Natz. Martin Woldt

ÖKO-PUTZ

Das beste Hausmittel: Schmutz sehen und gleich entfernen

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s liegt auf der Hand: Mit Putzmitteln gelangen Schadstoffe in das Abwasser und damit in die Umwelt. Und diese wird geschädigt. Außerdem kommen dadurch Stoffe in die Wohnung, die Allergien auslösen können – also eine Gesundheitsgefahr für die Bewohner sind, erläutert Marcus Gast vom Umweltbundesamt (UBA). Zwar seien die in den Reinigungsmitteln enthaltenen waschaktiven Stoffe, die Tenside, inzwischen vollständig biologisch abbaubar. Andere Inhaltsstoffe aber bleiben teilweise oder lange Zeit erhalten. Dazu gehörten Phosphonate, optische Aufheller, Polycarboxylate, Konservierungsmittel, Silicone, Paraffine, Duftstoffe und Farbstoffe. Gast rät, möglichst Produkte ohne diese Stoffe zu kaufen. „Zusätzlich sollte auf chlorhaltige Sanitärreiniger und WC-Reiniger mit anorganischen Säuren verzichtet werden, da sie im Vergleich zu anderen Reinigungsmitteln oder -methoden die Umwelt stärker belasten.“ Mit Blick auf die Gesundheit rät Gast, stark saure oder alkalische Reiniger zu meiden, da sie bei unsachgemäßer Anwendung die Haut reizen oder sogar Verätzungen verursachen können. Was ist die Alternative? Einen chemischen Abflussreiniger ersetzen meist mechanische Hilfsmittel wie Saugglocke,

DPA/SILVIA MARKS

„Es hilft schon viel, auf die Dosierung zu achten“, sagt die Expertin.

Bürste oder Spirale. Auch anderswo helfen Muskelkraft und etwas stärkeres Schrubben. Und viel hilft es schon, auf die Dosierung zu achten – also die Umwelt nicht mehr als nötig zu belasten. „Eine sparsame Verwendung von Reinigungsmitteln ist selbstverständlich“, sagt Monika Wittkowski vom DHB-Netzwerk Haushalt. Aber es müssen auch gar nicht viele Produkte eingesetzt werden: „Ich habe dreierlei im Haushalt: Allzweckreiniger, Spülmittel und eine Scheuer-

milch. Mehr brauche ich nicht.“ Auf Hausmittel zu setzen, ist hingegen in den meisten Fällen keine Lösung. Nicht jeder Ratschlag der Großmutter hilft auch, auf zusätzliche Spezialreiniger zu verzichten. „Vom alten Hausmittel, zur Reinigung von Gardinen ein Päckchen Backpulver hinzuzugeben, halte ich nichts“, sagt Bernd Glassl vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). „Die darin enthaltenen Trennmittel sehe ich eher als zusätzliche Verschmutzung an.“

Auch von Essig als Entkalkungsmittel rät er ab. „Der Dampf des heißen Essigs ist nicht gesund, Zitronensäure oder ein fertiges Entkalkungsprodukt sind besser.“ Gerade bei Armaturen im Bad sei Vorsicht geboten, denn Essig greift viele Oberflächen an. „Gut sind in jedem Fall Produkte auf pflanzlicher Basis und ohne Chlor.“ Verbraucher können diese Produkte im normalen Einzelhandel aber nicht so einfach ausmachen, betont Katharina Istel vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Zwar gebe es auch für Reinigungsmittel Siegel wie den Blauen Engel und die Europäische Umweltblume, die solche umweltschonenden Produkte kennzeichnen. Aber diese finden sich nur selten im Supermarkt. Istel empfiehlt den Einkauf im Biohandel. Und manchmal hilft schnelles Handeln: „Schmutz sehen, und Schmutz möglichst gleich entfernen – das ist mein bestes Hausmittel“, sagt Wittkowski. „Das beginnt damit, morgens Waschbecken und Dusche trockenzureiben, sodass sich kein Kalk absetzen kann. So hat man im Endeffekt weniger Arbeit.“ Umweltschutz fängt aber schon bei den Verpackungen an. Glassl rät, konzentrierte Wasch- und Reinigungsmittel zu verwenden. Die Verpackungen sind kleiner, der Transportaufwand damit auch. (dpa)

DPA/ANDREA WARNECKE

Auf Siegel achten.

NATURKOSMETIK

Hersteller arbeiten mit vielen Tricks

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urück zur Natur – dieser Trend macht auch vor der Schönheitspflege nicht halt. Im Gegenteil: Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit gewinnen auch in der Kosmetikbranche immer mehr an Bedeutung, hat Martin Ruppmann vom VKE-Kosmetikverband in Berlin beobachtet. „Grüne“ Kosmetik ist schon lange kein Nischenprodukt mehr. „Der Umsatz mit Naturkosmetik ist 2013 um 12,1 Prozent auf 22,2 Millionen Euro gewachsen und damit doppelt so stark wie 2012.“ Die Gründe für den Boom liegen auf der Hand: Es geht primär darum, die Haut nicht mit Chemie zu behandeln. Genau deshalb greifen die Hersteller auch zu dem sogenannten Ohne-Trick: Sie preisen an, was in ihren Produkten nicht enthalten ist. Das sind im Wesentlichen Duft- und Konservierungsstoffe, die sich im Körper ablagern können, aus Erdöl gewonnene Rohstoffe sowie Emulgatoren, die im Verdacht stehen, die Haut spröde und trocken zu machen. Stattdessen setzen Hersteller auf pflanzliche Stoffe. Wie viel von diesen pflanzlichen Wirkstoffen eine Creme oder Lotion enthalten muss, ist gesetzlich aber nicht vorgeschrieben. Und Naturkosmetik ist kein geschützter Begriff, erklärt Uta Schlossberger, Dermatologin aus Köln. „Dementsprechend gibt es durchaus Produkte, die zwar mit dem Wort Natur im Namen auftreten, aber dennoch Duft- und Konservierungsstoffe enthalten, im Gegenzug dazu jedoch extrem wenig pflanzliche Wirkstoffe.“ Doch das ist gefährlich: „Gerade Konservierungs- und Duftstoffe können teilweise heftige Reaktionen wie Ekzeme hervorrufen.“ Dementsprechend reicht es also für den Verbraucher nicht aus, zu Produkten zu greifen, die lediglich natürliche Inhalte versprechen. Allerdings gibt es einen guten Anhaltspunkt, um zwischen echter und falscher Naturkosmetik zu unterscheiden: Siegel, unter anderem jenes mit dem Slogan „Kontrollierte Naturkosmetik“. Dieses Zertifikat kennzeichnet Produkte mit pflanzlichen Rohstoffen, die so weit wie möglich aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Außer natürlichen Konservierungsmitteln dürfen zwar naturidentische eingesetzt werden, diese müssen aber gekennzeichnet sein. Ähnliche Kriterien erfüllen auch andere Labels, etwa Ecocert, EcoControl oder NaTrue. Letzteres gilt als internationaler Standard. Bei Produkten mit einem dieser Siegel kann sich der Verbraucher sicher sein, auch tatsächlich Naturkosmetik erstanden zu haben. Deren Vorteile liegen allerdings nicht nur darin, dass sie Chemie ersetzen. Im Gegensatz zu Vitaminen beispielsweise, die im Labor hergestellt werden, enthalten Naturextrakte immer einen ganzen Wirkstoff-Cocktail, also eine Kombination von Vitaminen. Diese werden im Allgemeinen von der Haut besser aufgenommen. Als besonders effektiv gelten Pflanzenwirkstoffe, wenn es darum geht, die Haut vor Umweltstress zu schützen. Der Grund: Viele Pflanzen haben hoch wirksame Schutzmechanismen gegen freie Radikale, Bakterien oder Sonnenstrahlen entwickelt. „Allerdings muss man auch klar sehen, dass natürliche Stoffe vor allem für Allergiker immer ein gewisses Risiko bergen“, schränkt der Dermatologe Heiko Grimme aus Stuttgart ein. Er ist Mitglied im Berufsverband der Dermatologen. „Man muss sich vor Augen führen, dass die meisten Unverträglichkeiten von natürlichen Substanzen ausgelöst werden.“ Auch auf die beste, geprüfte Naturkosmetik reagieren manche Menschen mit Überempfindlichkeiten. (dpa)


EIN VERLAGSTHEMA DER BERLINER ZEITUNG

NACHHALTIG HANDELN

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SEITE 7

STADTGÄRTNERN

Knapp die Hälfte entsorgt Medikamente falsch

Grüne Orgie auf Brachen, Beeten und Balkonen

Medikamentenreste gehören nicht in den Abfluss oder in die Toilette. Darauf weist die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hin. Denn über das Abwasser können sie in die Umwelt gelangen und damit auf lange Sicht das Grundwasser belasten. Einer aktuellen Umfrage des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) zufolge entsorgt knapp die Hälfte der Bundesbürger (46,6 Prozent) flüssige Medikamentenreste falsch. Richtig ist, abgelaufene oder nicht mehr benötigte Medikamente entweder in den Hausmüll zu werfen oder zur Schadstoffsammelstelle zu bringen. (dpa)

E

in Sprichwort besagt: „Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann leg’ einen Garten an.“ In Berlin muss es deshalb besonders viele glückliche Menschen geben. Zwar findet das urbane Gärtnern überall in Deutschland begeisterte Anhänger. Doch in kaum einer anderen deutschen Stadt wird so viel gegärtnert, gepflanzt und gesät wie in Berlin. Auf Brachen und Balkonen, in Töpfen, Kisten oder alten Getränkekartons werden Tomaten, Salat, Karotten und Gurken gezüchtet. Rasen wird verlegt, bunte Blumen werden gepflanzt, Kräuter gesät – und mithilfe der Natur ein Stück Stadt zu-

➤„WILLST DU EIN

Schimmelsporen in der Bio-Tonne

LEBEN LANG GLÜCKLICH SEIN, DANN LEG’ EINEN GARTEN AN.“ rückerobert. Urbane Gärten begrünen aber nicht nur Stadtviertel und Kieze, sie verbessern auch die Luftqualität und bieten Raum für ehrenamtliches Engagement und soziale Beteiligung. Einige Berliner Garten-Projekte haben mittlerweile sogar internationale Berühmtheit erlangt und wurden oft in den Medien erwähnt. So wie beispielsweise die Prinzessinnengärten am Moritzplatz in Kreuzberg. Sie sind zu einer Art Vorzeigeprojekt der deutschen Urban-Gardening-Bewegung geworden, die auch internationale Beachtung gefunden hat. CNN und die New York Times haben schon darüber berichtet. Auf einer zuvor jahrzehntelang brach liegenden Fläche werden seit dem Sommer 2009 gemeinschaftlich mehr als 500 verschiedene Gemüse- und Kräutersorten angebaut – in Reissäcken, Getränkekartons oder Kisten. In einer großangelegten Aktion reinigten damals mehr als 100 engagierte Berliner die zugemüllte Brache und machten so Platz für den mobilen Garten – und für eine Erfolgsgeschichte. Ambitioniert waren auch die Pläne des Himmelbeet-Gartens.

DPA/SOEREN STACHE

Stadtgarten mitten auf dem ehemaligen Flughafen, dem Tempelhofer Feld

Eigentlich sollte der Garten in 22 Metern Höhe, über den Dächern Berlins gedeihen, auf dem Parkdeck des Schillerpark-Centers an der Müllerstraße in Wedding. Europas größter Dachgarten – das war das anvisierte Ziel. Die Voraussetzungen waren bestens: Das Parkdeck stand leer, der Chef vom Real-Markt war von der zukünftigen Nutzung angetan. Doch als die Himmelbeet-Initiatorin Hannah Lisa Linsmaier ihren Bauantrag einreichte, wich die Euphorie schnell der Ernüchterung. Denn für das Himmelbeet auf dem Kaufhausdach wären umfangreiche Umbauten nötig gewesen, vor allem aus brandschutztechnischen Gründen. Das hat die Pläne zwar geändert, die Ver-

antwortlichen aber nicht abgeschreckt. Der Garten ist mittlerweile sozusagen ins Erdgeschoss gezogen, aber deshalb nicht weniger erfolgreich. 150 Pachtbeete Das Bezirksamt hat den Gärtnern ein 1 700 Quadratmeter großes Grundstück auf dem ehemaligen Sportplatz an der Ruheplatzstraße zur Verfügung gestellt. Der Vertrag läuft vorerst bis Ende 2015. Neben den mehr als 150 Pachtbeeten gibt es einen Gemeinschaftsgarten. Die Ernte wird zu Biopreisen direkt im Garten verkauft. Einnahmen generiert die gemeinnützige Himmelbeet GmbH auch aus dem

SMARTCITY-KONZEPT

Die Hauptstadauf der Datenspur

S

tadtentwicklungskonzept Berlin 2030“ – unter diesem Titel veröffentlichte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vor einigen Wochen ein Strategiepapier. Der Anspruch: die Hauptstadt soll in der kommenden Dekade zur führenden „Smart City“ Europas heranreifen. „Metropolen wie Berlin müssen in Zukunft auf den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Energie, auf schlaue und vernetze Mobilität und auf kluge Strategien für Stadtentwicklung insgesamt setzen“, sagt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Hinter dem Konzept verbirgt sich die Vorstellung, dass der Standort künftig durch die intelligente Nutzung moderner Kommunikationsmittel innovativer, wettbewerbsfähiger und vor allem klimafreundlicher wird. Die umfangreichen Daten, die dabei generiert werden, sollen Entscheidungsträgern, der lokalen Wirtschaft und Bürgern helfen, nachhaltige sowie erfolgreiche Lebens- und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Geplant ist eine Erneuerung hin zu einer ressourcensparenden Versorgungsinfrastruktur. Das Konzept erinnert an die technologischen Utopien der 1950er- und 1960er-Jahre. Doch gibt es schon heute erste Anzeichen, dass die smarte Stadt näher ist, als man vielleicht meint. Erkennbar wird das anhand verschiedener Beispiele. Nicht nur die Stadt, auch die Politik soll künftig smarter werden. Durch Transparenz-Initiativen wie das „Open Data Portal“, das 2011 bundesweit als Erstes seiner Art startete, werden heute schon vielfältige Behörden-Daten zugänglich. Organisationen, Bürger und Unternehmen sollen sich eingeladen fühlen, gemeinsam am Findungsprozess mitzuwirken und durch die Entwicklung von Computer-Anwendungen auf Basis der Daten, die „Smart City“ nachhaltig mitzugestalten. Als „erste Pilotanwendung“ entsteht gegenwärtig eine App, die den

FOTOLIA/ANDREAS UNGER

Demnächst: Umziehen mit der App.

Berlinern den Umzug erleichtern soll. Sie verknüpft „die Verwaltungsprozesse der Ämter und ergänzende privatwirtschaftliche Angebote“, wie das mit der Entwicklung betraute Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (Fokus) mitteilt. Damit sollen beispielsweise die Ummeldung des Wohnsitzes vereinfacht, Aufträge für Umzugsunternehmen vergeben oder ein Termin mit dem Bankbetreuer vereinbart werden können. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Neugestaltung der städtischen Energieversorgung dar. Bereits 2012 wurde zu Testzwecken ein „Micro Smart Grid“ auf dem Euref-Campus der Technischen Universität Berlin am Gasometer in Schöneberg realisiert. Mit der Technologie werden verschiedene Energiequellen computergesteuert ins Netz eingespeist. Sollte die Sonne nicht scheinen, wird künftig auf Windkraft oder Geothermie umgeschaltet. Außer-

dem werden im Modellprojekt Elektroautos als dezentrale Energiespeicher eingesetzt. Sichtbar wird die „Smart City“ auch auf der Straße. Der Besitz eines Autos ist in einer Stadt mit dichter öffentlicher Verkehrs-Infrastruktur nicht mehr zwangsläufig. Neben privatem Verleih sind kommerzielle Carsharing-Modelle im Kommen. Mit etwa 2 500 Leihautos auf den Straßen gilt Berlin als die CarsharingMetropole schlechthin. Die Mobile lassen sich mit dem Smartphone orten, reservieren und sind sofort nutzbar. Auch die Müllabfuhr bricht in das digitale Zeitalter auf. Die Abfallentsorgung soll künftig durch elektronische Papierkörbe effizienter werden. Fokus entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit der Stadtreinigung auch Müllbehältnisse mit Füllstands-Sensoren. Volle Eimer werden dadurch identifizierbar und von der Stadtreinigung gezielt entleert. Nach Angaben des Institutes soll so das aktuelle Abfallmanagement verbessert werden. Ungenutzte Potenziale finden sich aber auch im heimischen Umfeld. Hier ist die intelligente Stadt teilweise Realität. Wer verreisen möchte, muss vorrätige Nahrungsmittel oftmals entsorgen. Auf dem Bürgerportal foodsharing.de hat man Gelegenheit, die genießbaren Produkte zur kostenfreien Abholung anzumelden. Vorstellbar ist auch ein Austausch von Geräten, Kleidung oder Büchern – Dinge, die in vielen Haushalten lediglich als Staubfänger dienen. Sicherlich bleibt die intelligente Stadt zunächst eine Vision. Trotzdem bedeutet Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert, innovative ökologische Lösungen zu finden. Neue technische Möglichkeiten und die massenhaft generierten Daten aus dem Alltag können dieses Projekt sinnvoll fördern. Dabei sollten interessierte Bürger die Einladung zum Mitgestalten ernst nehmen. Eine smarte Stadt lebt nicht allein von Technik. Noch wichtiger sind smarte Berliner. (xtwo.)

Garten-Café. Dazu kommen Spenden und Fördergelder für Kurse zur Umweltbildung oder Gartenbauaufträge an Schulen und Kitas. Eine erfolgreiche, aber auch bewegte Geschichte hat der Garten Rosa Rose an der Kinzigstraße in Friedrichshain hinter sich. Vor zehn Jahren ergriffen einige Anwohner beherzt die Initiative und schufen einen Nachbarschaftsgarten. In dem Viertel lagen drei Grundstücke direkt nebeneinander brach. 2 000 Quadratmeter zugemüllte Fläche, in einem an Grünflächen sehr armen Berliner Bezirk – wie geschaffen also für einen Garten. Doch nach vier Jahren musste der Garten das Feld räumen, die Grundstücke sollten be-

baut werden. In einer großen Fahrradkarawane wurden die transportablen Pflanzen mitgenommen und auf mehreren – teilweise neu gegründeten Guerillabeeten – verteilt. Seit Mai 2010 hat die Rosa Rose ein neues Zuhause auf einer öffentlichen Grünfläche an der Jessnerstraße. Auf der Internetseite der Gartenpiraten (www.gartenpiraten.net) werden verschiedene Gemeinschaftsgärten vorgestellt – nicht nur Projekte in Berlin, sondern auch bundesweit. Zudem werden Projekte wie der Selbsternte-Garten Bauergarten Berlin vorgestellt oder Projekte mit dem Schwerpunkt solidarische Landwirtschaft. (dpa)

Menschen mit Asthma oder einer Schimmelpilzallergie überlassen es besser anderen in ihrem Haushalt, Biomüll in die Biotonne zu werfen. Denn beim Hantieren mit der Tonne können Schimmelsporen aufgewirbelt und eingeatmet werden. Darauf weist das Umweltbundesamt hin. Auch Menschen, die ein geschwächtes Immunsystem zum Beispiel wegen einer Chemotherapie nach einer Krebsoperation haben, sollten sich aus diesem Grund von dem Müllbehälter fernhalten. Sie bewahren Biomüll besser auch nur kurz in der Wohnung auf. Für gesunde Menschen ist der meist nur Sekunden dauernde Kontakt mit Schimmelsporen unbedenklich. (dpa)

Nur leere Becher im Plastikmüll entsorgen

Verbraucher spülen die Plastikbecher am besten vor dem Wegwerfen nicht aus – das verschwendet Wasser und die Spülmittel belasten die Umwelt. Allerdings sollten größere Reste des Inhaltes ausgekratzt werden, teilt das Umweltbundesamt mit. Leere Becher von Joghurt und Quark sollten nicht fest ineinanderstecken, wenn sie im Plastikmüll landen. (dpa)


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NACHHALTIG HANDELN

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NUMMER 236 · FREITAG, 10. OKTOBER 2014

ONLINEWISSEN

HACKSCHNITZEL AUS DEM BRANDENBURGISCHEN

Hinter der Fassade des Smartphones

Grüner Strukturwandel

eim Bau von Smartphones kommen zahlreiche seltene und wertvolle Metalle zum Einsatz. Welche das genau sind, können Internetnutzer auf einer Webseite der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen herausfinden, auf die das Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) hinweist. Dort wird detailliert beschrieben, welche Metalle in modernen Mobiltelefonen stecken, und wo sie abgebaut werden. Die für die Herstellung benötigten Metalle werden den Angaben nach häufig unter menschenunwürdigen oder umweltschädlichen Bedingungen gewonnen. So erfährt der Besucher der Webseite zum Beispiel, dass Arbeiter in China beim Abbau sogenannter Seltener Erden oft unzureichend vor Schadstoffen geschützt sind und bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Und im Kongo gefährdet der Abbau von Coltan, das in Transistoren von Mobiltelefonen steckt, unter anderem den Lebensraum der letzten Flachlandgorillas. Die Verbraucherzentrale gibt außerdem Tipps, was der Verbraucher gegen diese Form der Ausbeutung tun kann. Die Experten empfehlen zum Beispiel, nicht alle ein oder zwei Jahre ein neues Smartphone anzuschaffen, sondern das alte Modell lieber zu reparieren und weiterzunutzen. Häufig ist zum Beispiel nicht das ganze Gerät, sondern nur der Akku kaputt. Am besten achtet man daher schon beim Kauf darauf, dass sich die Handybatterie problemlos austauschen lässt. Und wer von seinem Provider ein neues Gerät angeboten bekommt, obwohl das alte noch funktioniert, sollte sich erkundigen, ob er stattdessen auch eine Gutschrift bekommen kann. (dpa)

ach Einschätzung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) handelt es sich um Deutschlands größte Ökosiedlung, die dort im Norden Berlins entsteht. Was insofern missverständlich ist, als es nicht um einen Neubau geht. Das Märkische Viertel begeht gerade sein 50-jähriges Bestehen. Es ist eher ein bemerkenswerter Wandel, der sich in der Großraumsiedlung wie um sie herum vollzieht. „Nach Abschluss der Arbeiten wird das Märkische Viertel Deutschlands größte Niedrigenergiesiedlung sein, da neben unseren Maßnahmen auch die zentrale Wärmeversorgung auf Biomasse umgestellt wird“, sagt Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der Gesobau AG, die diesen Wandel vorantreibt. Bis zum kommenden Jahr werden 13 500 Wohnungen neue Heizkörper, besser isolierte Rohre, Doppelglasfenster, eine bis zu 18 Zentimeter starke Fassaden- und Kellerdeckenisolierung erhalten haben. Der Energieverbrauch der Gebäude sinkt auf nur noch ein Viertel. Der CO2 -Ausstoß verringert sich von 43 000 Tonnen auf 11 000 Tonnen. Denn parallel zum Viertel wandelte sich auch dessen Energieversorger. Das Heizkraftwerk Reinickendorf wird „das erste Vattenfall-Heizkraftwerk in Berlin, das zu 100 Prozent auf Kraft-Wärme-Kopplung aus naturbelassenen Holzhackschnitzeln“ setzt, teilt das Energieunternehmen mit, das andernorts schwer mit seinem Kohle-Image kämpft. Mit Hackschnitzeln aber spart man bei der Versorgung mit Fernwärme und Strom von insgesamt 30 000 Wohnungen im Einzugsgebiet jährlich 26 000 Tonnen CO2. Rund 70 000 Tonnen aus Waldrestholz und naturbelassenem Holz verschiedener Quellen sollen dafür pro Jahr verheizt werden. Verschiedene Quellen?

B

www.vz-nrw.de/rohstofftool www.vz-nrw.de/handyrohstoffe

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VATTENFALL

Hackschnitzelvorrat im modernisierten Vattenfall-Blockheizkraftwerk Reinickendorf

Um den Nachschub zu sichern, hat die Vattenfall-Tochter Energy Crops jetzt eine Vereinbarung mit den Berliner Stadtgütern geschlossen. Wie es in einer Mitteilung heißt, wollen beide „auf den Rieselfeldern am Schönefelder Kreuz Kurzumtriebsplantagen (KUP) mit schnell wachsenden Baumarten etablieren“. Darunter versteht man Pappeln oder Weiden, die in mehrjährigem Abstand abgeholzt werden, um anschließend wieder auszutreiben und schließlich erneut geerntet werden zu können. Noch in diesem Jahr sollen auf dem drei Hektar großen

Versuchsfeld die „Bodenvorbereitungen“ beginnen. Der Boden wird aufgelockert und mit einer Kalkdüngung stabilisiert, wie Vattenfall mitteilt, ehe im kommenden Frühjahr die Pflanzungen mit Pappelstecklingen beginnen können. Die Verantwortlichen geben sich zuversichtlich, dass der Versuch gelingt, und hoffen, in den nächsten Jahren gemeinsam weitere und größere Plantagen auf den Rieselfeldern am Schönefelder Kreuz anlegen zu können. Die Vattenfall-Tochter betreibt inzwischen in fast allen brandenburgischen Landkreisen rings um Berlin und auch in

Polen etliche solcher „Kurzumtriebsplantagen“ in einer Größenordnung von etwa 1 300 Hektar. Damit sei man auf diese Art „größter Biomasseerzeuger in Brandenburg“ und zähle zu den Marktführern in Deutschland. Die Pflanzungen wären auf bis zu 20 Jahre angelegt und könnten im zweibis vierjährigen Turnus geerntet werden. Nach den bekannt gewordenen Plänen sollen diese Anbauflächen in absehbarer Zeit auf rund 3 000 Hektar ausgedeht werden. In der Außendarstellung betont man, dass das auf sogenannten Grenz-

ertragsstandorten oder auf ausgewiesenen Problemflächen mit geringer Bodengüte geschieht. Der Ackerstatus der Kurzumtriebsplantagen bliebe erhalten, der Anbau von Feldfrüchten sei anschließend wieder möglich. Unumstritten ist das Ganze dennoch nicht. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) etwa weist darauf hin, dass der Wasserverbrauch immens sei, was vor allem in niederschlagsarmen Regionen zu einem erheblichen Absinken des Grundwasserspiegels führen kann. Martin Woldt


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