Leben mit Behinderung

Page 1

LEBEN MIT BEHINDERUNG •• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • ••

EINE VERLAGSBEILAGE DER BERLINER ZEITUNG

ISTOCKPHOTO

Inklusion in Kita und Schule

Teilhabe gesetzlich geregelt

Einschränkung nicht immer sichtbar

Tag der offenen Tür und große Donnerstag, 21. April 2016 von 10-17 Uhr direkt am U-& S-Bhf Westhafen

3 3 3 1 4 5 0 080 te stenlos un

ko Alle Infos

r:

4


2 I LEBEN MIT BEHINDERUNG

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I VERLAGSBEILAGE

Eine für alle

Kinder mit und ohne Behinderung sollen gemeinsam lernen – in einer Schule. Aber noch gibt es nicht genug Inklusions-Plätze

J

ahrelang hat Kirsten Ehrhardt gekämpft – und schließlich gesiegt. Ihr Sohn Henri, der das Downsyndrom hat, geht seit vergangenem Jahr aufs Gymnasium. Henri wird zwar wahrscheinlich nie Abitur machen. Kirsten Ehrhardt wollte aber, dass ihr Sohn dieselben Chancen bekommt wie nichtbehinderte Kinder. Sie wollte ihren Sohn um keinen Preis auf eine Sonderschule schicken. Ehrhardts Kampf sorgte für Schlagzeilen und hitzige Diskussionen. Die einen forderten vehement gleiches Recht für alle. Die anderen hielten es für unverantwortlich, ein Kind mit kognitiven Einschränkungen im schulischen Wettbewerb gegen nichtbehinderte Kinder antreten zu lassen, und fürchteten, dass die nichtbehinderten Schüler beim Lernen gestört würden. Hinter den Diskussionen stand letztlich die Frage: Wie viel Inklusion kann Schule leisten? Und wie viel Inklusion soll sie leisten müssen? Die UN-Behindertenrechtskonvention gibt eine klare Antwort: Kein Kind soll wegen einer Behinderung von einer Regelschule ausgeschlossen werden. Seit 2009 gilt die Konvention in Deutschland. In Berlin wird sie durch das im Februar 2011 beschlossene Konzept „Inklusive Schule“ schrittweise umgesetzt. Ziel: Der Anteil an

DPA

Inklusion bedeutet auch, dass es besondere Betreuung für Kinder gibt, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.

Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in allgemeinen Schulen den gemeinsamen Unterricht besuchen, soll steigen. „Wir wollen die Chancen von Kindern mit Behinderungen verbessern, Schulabschlüsse zu erlangen, die ihnen eine berufliche Perspektive ermöglichen“, heißt es bei der Schulsenatsverwaltung. Der Umsetzungsprozess gestaltet sich allerdings zäh. Das Hauptproblem ist Berlins chronischer Geldmangel. In inklu-

siven Schulen soll und muss jedes Kind die Förderung bekommen, die es benötigt. Das klappt nur, wenn es genügend Lehrkräfte gibt – und diese kosten Geld. So wurde in den vergangenen Jahren die Zahl der Förderstunden für Schüler mit speziellem Förderbedarf im Bereich Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache kontinuierlich gesenkt. Kein Wunder: Von 1999 bis zum Schuljahr 2013/2014 war eine fast gleichbleibende Anzahl an Lehrkräften für die Inklusion vor-

gesehen, berichtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Im gleichen Zeitraum hat sich aber die Zahl der Schüler, die eine Regelschule besuchen und spezielle Förderung benötigen, mehr als verdoppelt. In der Folge mussten Schüler auf Förderung verzichten, obwohl sie Anspruch darauf gehabt hätten. Nicht nur Lehrkräfte sind knapp, sondern auch sogenannte Schulhelfer. Ihre Aufgabe ist es, Schülern mit Behinderung bei Mo-

bilität und Orientierung zur Seite zu stehen. Sie helfen etwa beim Toilettengang, beim Essen oder beim Einsatz von Hilfsmitteln. Nachdem das Budget für Schulhelfer trotz steigender Schülerzahlen jahrelang nicht angehoben worden war, erweiterte der Senat 2014 den Etat. Die zusätzlichen Mittel deckten aber bei Weitem nicht den Bedarf der Schulen, so die GEW. Ein Großteil des Geldes, das Berlin für Inklusion an Schulen bereitstellt, dürfte künftig in sogenannte inklusive Schwerpunktschulen fließen. Das sind keineswegs Sonderschulen im neuen Gewand, sondern Regelschulen mit spezieller Ausstattung. Sie sollen dank Barrierefreiheit und ausreichender Fachkräfte für behinderte Schüler geeignet sein, gleichzeitig sollen dort aber auch nichtbehinderte Schüler unterrichtet werden. Insgesamt sind 36 solcher Schulen geplant. Die ersten sechs werden zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 starten, in jedem der folgenden fünf Jahre sollen sechs weitere hinzukommen. Im bundesweiten InklusionsVergleich steht Berlin damit gut da. Nach Angaben der Senatsverwaltung lernt mittlerweile mehr als die Hälfte aller Berliner Schüler mit Behinderung in einer Regelschule zusammen mit nichtbehinderten Kindern. Julia Groth

Von Anfang an dabei

barrierefrei-brandenburg.de

Die Inklusion soll schon in der Kita beginnen. Darum kümmern sich Facherzieherinnen

Entdecken Sie die Weite Brandenburgs Aktiv im Handbike, als Kapitän auf dem barrierefreien Hausboot oder bei einer Schlossführung für alle Sinne. Lassen Sie sich inspirieren! Information & Vermittlung 03 31/ 200 47 47

Arbeit & berufliche Bildung für Menschen mit Behinderung Wir bieten Ihnen: – Passgenaue Arbeitsplätze – Zahlreiche Arbeitsfelder

– Individuelle Betreuung – Betriebliche Praktika

in den Bereichen Industrielle Montage, Druckerei/Konfektionierung, Gastronomie, Holzbearbeitung sowie im Dienstleistungssektor mit den Abteilungen Schneiderei, Pferdedeckenservice und Grünlandpflege. Nordbahn gGmbH – Werkstatt für behinderte Menschen Glienicker Chaussee 6 · 16567 Schönfließ bei Berlin www.nordbahn-ggmbh.de

D

ie Inklusion von Kindern mit Behinderung beginnt nicht erst in der Schule. Schon in Kindertagesstätten sollen behinderte und nicht-behinderte Kinder voneinander lernen – und behinderte Kinder sollen erfahren, dass sie dazugehören. Aus diesem Grund hat in Berlin jedes Kind das Recht auf einen Platz in einer Kindertagesfördereinrichtung (Kita) – und zwar unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht. Das regelt Paragraf 6 des Berliner Kindertagesförderungsgesetzes: „Keinem Kind darf auf Grund der Art und Schwere seiner Behinderung oder seines besonderen Förderungsbedarfs die Aufnahme in eine Tageseinrichtung verwehrt werden.“ Ergänzende pädagogische Angebote an Kitas sollen dafür sorgen, dass jedes Kind genauso gefördert wird, wie es nötig ist – das eine mehr, das andere weniger.

DPA

Gemeinsam spielen ist wichtig.

Nicht jede Kita bietet solche spezielle Förderung an. Im OnlineVerzeichnis der Berliner Kindertagesstätten kann man allerdings gezielt die Einrichtungen suchen, die einen thematischen Schwerpunkt auf die „Integration von Kindern mit Behinderung“ legen. Diese Kitas betreuen die Kleinen in integrativen Gruppen, das heißt: gemeinsam mit nicht-behinderten Kindern. Zusätzlich zu den Erzie-

hern kümmern sich dort auch staatlich anerkannte Heilpädagogen oder Facherzieher für Integration um die Kinder. Diese sind Erzieher mit einer Zusatzausbildung, die sie dazu befähigen soll, besonders auf die Bedürfnisse behinderter Kinder einzugehen. Sie arbeiten eng mit den Eltern zusammen, denn jedes Kind braucht eine individuelle Förderung. IntegrationsFacherzieher beobachten, welche Fähigkeiten ein Kind hat, und legen dann gemeinsam mit den Eltern fest, wie man die Kompetenzen am besten fördern kann. Auf Wunsch der Eltern kann der Nachwuchs aber auch in kleinen Gruppen für Kinder mit besonderem Förderbedarf betreut werden. Eltern melden sie dazu über das für den jeweiligen Wohnort zuständige Jugendamt an. Dort wird festgelegt, wie hoch der Förderbedarf des Kindes ist – und wie intensiv es betreut werden muss. Klara Walk


MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I ANZEIGEN-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

LEBEN MIT BEHINDERUNG I 3

Behinderte als begehrte Arbeitskräfte

Die Integration wirkt sich nicht nur gut aufs Image der Firmen aus – sondern auch aufs Betriebsklima

S

inkende Geburtenraten und ein hoher Bedarf an qualifizierten Fachkräften stellen die Arbeitgeber vor neue Herausforderungen bei der Bewerberauswahl. Deshalb gewinnen Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung immer größere Bedeutung. Nie zuvor waren so viele Menschen mit Behinderung in Deutschland erwerbstätig wie im Jahr 2015: 1,15 Millionen hatten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, 20 000 mehr als im Jahr zuvor. Die richtigen Mitarbeiter auf dem richtigen Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsplatz bereichern die Betriebe nicht nur mit ihrer Leistungskraft: In der Regel sind Menschen mit Behinderung überaus motiviert. Gesetzliche Verpflichtung Arbeitgeber bestätigen immer wieder: Die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung wirkt sich positiv auf das interne Arbeitsklima aus. Zudem wird ihr Betrieb in der Öffentlichkeit als sozial engagiert wahrgenommen. Fast drei Viertel aller Firmen mit 20 Mitarbeitern und mehr erfüllen mittlerweile ihre gesetzliche Verpflichtung, Menschen mit Be-

hinderung zu beschäftigen. Es geht ihnen nicht nur darum, die andernfalls fälligen Ausgleichszahlungen zu vermeiden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften wächst.

im Jahr 2014 – im vergangenen Jahr 56 Prozent der behinderten Beschäftigten die staatlichen Unterstützungsleistungen als gut oder sehr gut.

Nationaler Aktionsplan

Initiative Inklusion

Im Juni 2011 wurde der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verabschiedet. Zentraler Leitgedanke ist die Inklusion: Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Es geht nicht darum, Sonderrechte zu schaffen, sondern die Menschenrechte zu konkretisieren. Mittlerweile sind immer mehr Arbeitgeber vom Leistungsvermögen ihrer behinderten Mitarbeiter überzeugt: 77 Prozent geben an, dass sie bezüglich der Arbeitsleistung keinen Unterschied zur übrigen Belegschaft feststellen. 2014 lag dieser Anteil noch bei 74 Prozent. Gut ein Viertel der Betriebe berichtet, dass die Beschäftigten mit Behinderung einen positiven Einfluss auf das Arbeitsklima haben. Im Jahr zuvor hatten dies nur 22 Prozent festgestellt. Auch aus Sicht der Arbeitnehmer hat sich manches verbessert. So bezeichneten – nach 53 Prozent

Die Initiative Inklusion hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Berufsorientierung schwerbehinderter Schülerinnen und Schüler zu verbessern, um ihren Übergang von der Schule ins Berufsleben zu unterstützen. Es sollen neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte junge Menschen und Arbeitsplätze für ältere schwerbehinderte Menschen geschaffen werden, denn noch immer sind Menschen mit Schwerbehinderung ab dem 45. Lebensjahr überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen. Außerdem soll bei den Kammern ein besseres Verständnis für Fragestellungen, die sich aus der Inklusion ergeben, gefördert werden. Das Umsetzen der Inklusion ist nicht ein Anliegen der Betroffenen, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Jeder muss sich dafür im Rahmen seiner Möglichkeiten einbringen. Unterstützung gibt es von Seiten des Staates. Die Bundesagentur für Arbeit berät Arbeitgeber dabei individuell.

S T A A T L I C H E Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter unterstützen Unternehmen, wenn diese Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Beschäftigung bringen. Sie informieren über Förderungsmöglichkeiten und Fragen des Schwerbehindertenrechts. Vermittlung und Beratung: Damit Unternehmen die Mitarbeiter finden, die zu ihnen passen, wird gemeinsam ein Anforderungsprofil für den zu besetzenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erstellt. Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung: Mehr junge Menschen mit Behinderung sollen durch betriebliche Ausbildung Berufsabschlüsse erreichen. Agentur für Arbeit und Jobcenter können für betriebliche Aus- und Weiterbildung einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung gewähren. Probebeschäftigung: Kosten der Unternehmen für eine auf maximal drei Monate befristete Probebeschäftigung können erstattet werden.

H I L F E N

Eingliederungszuschuss: Arbeitgeber können zur Eingliederung von Arbeitnehmern, deren Vermittlung erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt erhalten (Eingliederungszuschuss). Die Förderhöhe und -dauer richten sich nach der Einschränkung der Arbeitsleistung und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes. Ausgleich von Behinderungen durch technische Hilfen: Oftmals ist eine behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen erforderlich, um die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen. Arbeitgeber können dafür Zuschüsse beantragen. Hinweis: Die Leistungen an Arbeitgeber sind einzelfallabhängig. Vor der Einstellungszusage mit der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter vor Ort sprechen. www.arbeitsagentur.de Servicenummern: für Arbeitnehmer 0800– 4 55 55 00; für Arbeitgeber 0800–4 55 55 20

DPA/CHRISTIAN CHARISIUS

Immer mehr Menschen mit Behinderung erhalten Zugang zu normalen Jobs.


4 I LEBEN MIT BEHINDERUNG

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I ANZEIGEN-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

DPA/MIGUEL VILLAGRAN

Die Hackeschen Höfe, bei ihrem Bau 1906 die größte deutsche Hofanlage

„Molecule Man“ auf der Spree, im Hintergrund die Oberbaumbrücke

Mit Rollstuhl oder Blindenstock e

Berlin bietet vieles für Menschen mit Einschränkungen – barrierefrei zugängliche Verke

O

Palais im Nikolaiviertel, das Schloss Charlottenburg, die Topographie des Terrors und das DDRMuseum genannt werden.

Museen: Immer mehr kulturelle Einrichtungen schaffen Angebote, die sich speziell an körperlich eingeschränkte Menschen, aber auch an Menschen mit Demenz oder Lese- und Rechtschreibschwäche richten. Als Beispiele für barrierefreie Museen können das Ephraim-

Shopping: Die Potsdamer Platz Arkaden sind mit Aufzügen und breiten Gängen ausgestattet. Die Galeria Kaufhof am Alexanderplatz verfügt über Aufzüge und sanitäre Einrichtungen für Kunden im Rollstuhl. Die Lifts haben ertastbare Bedienelemente für Menschen mit Sehbehinderung. Den gleichen Service bietet das KaDeWe. Das Alexa am Alexanderplatz ist mit breiten Gängen und Aufzügen ausgestattet. Das Alexa bietet weitere attraktive Freizeitangebote: Die

b auf zwei Beinen oder auf den vier Rädern des Rollstuhls – Berlin zu genießen, ist für jeden möglich. Zahlreiche Museen, Restaurants, Bars, Clubs und Geschäfte legen großen Wert darauf, dass Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen körperlichen Einschränkungen einen guten Zugang zu ihnen haben.

Loxx-Miniaturwelten, eine umfangreiche Modellbahnausstellung mit digital gesteuerten Zügen von der S-Bahn bis hin zum ICE sowie Miniatur-Stadtansichten, haben für rollstuhlfahrende Besucher vergünstigte Eintrittspreise. Auch viele weitere Shopping-Center sind behindertengerecht. Auch das Kiez-Shopping in szenigen Läden ist mit Rollstuhl möglich: Viele Geschäfte sind mit dem Signet „Berlin barrierefrei“ ausgezeichnet. Infos dazu bietet die Datenbank „mobidat.net - Barrierefrei Leben in deiner Stadt“. Im Rahmen des EU-Projekts barrierefreies Einkaufen in Friedrichshain-Kreuzberg setzen beson-

ders viele Gewerbetreibende auf eine barrierefreie Gestaltung der Läden, beispielsweise an der Bergmann- oder der Oranienstraße. Tierparks: Tierfreunde, die nicht (mehr) gut zu Fuß sind, können im Tierpark Berlin sowie im Berliner Zoo, gratis einen Rollstuhl ausleihen. Alle Besucher-WCs sind barrierefrei. Gaststätten: Seit 2006 müssen alle neuen Gaststätten in Berlin einen barrierefreien Zugang und barrierefreie Sanitäranlagen vorweisen. Doch auch von den länger bestehenden Restaurants sind viele rollstuhlgerecht gestaltet: Am

Hackeschen Markt sind zum Beispiel das Oxymoron und auch das Restaurant Hackescher Hof rollstuhlgerecht gestaltet. Deftige Hausmannskost tischt das Julchen Hoppe im Nikolaiviertel auf, wo ebenfalls an die behindertengerechte Einrichtung gedacht wurde. Vietnamesisches Essen gibt es im Mr. Hai & Friends am Savignyplatz, das barrierefrei zugänglich ist. Wer Rindersteaks und andere Barbecue-Spezialitäten bevorzugt, ist im Midtown Grill am Potsdamer Platz richtig. Bei Käfer, dem Dachgartenrestaurant im Reichstag, gibt es auch die unmittelbare Nähe zum Parlament und politischen Entscheidungsträgern

Miteinander leben Messe für Reha, Pflege und Mobilität vom 7. bis 9. April in der Station Berlin am Gleisdreieck

A

Vielfalt, Erfahrung, Veränderung

Kontakt: WIB – Weißenseer Integrationsbetriebe GmbH Geschäftsstelle Tassostr. 17 • 13086 Berlin Tel. 030/4799110 Fax 030/47991132 info@wib-verbund.de www.wib-verbund.de

Wir fördern die soziale und berufliche Integration behinderter und sozial benachteiligter Menschen durch Beratung, Betreuung, Beschäftigung und Arbeit im Verbund von Projekten und Firmen. Jeder Mensch ist der Experte für seine Lebensgeschichte.

lle zwei Jahre können sich Interessenten – Betroffene und deren Familienangehörige – über das Thema „Leben mit Behinderung“ auf der Messe „Miteinander leben“ informieren. Aber auch diejenigen, die bewusst an Vorsorge denken, finden hier eine Fülle von Informationen. Vom 7. bis 9. April präsentieren fast 100 Aussteller wieder ihre Angebote in den Hallen 4 und 6 der Station Berlin. Hier geht es um selbstbestimmtes Leben, damit die Lebensfreude bis ins hohe Alter erhalten bleibt. Themen sind unter anderem: Pflege, Rehabilitation, Mobilität, Gesundheit und Prävention, Freizeit, Kultur und Sport. Es geht aber auch um das Arbeitsleben von Menschen mit

zu den Themen Depression, Parkinson, Pflege. Eröffnet wird die Messe von Berlins Sozialsenator Mario Czaja und Brandenburgs Arbeitsministerin Diana Golze.

FIRMA OTTO BROCK

Neue Perspektiven

Behinderung. Man kann sich über Reisen trotz Handicap und über barrierefreie Hotels in Deutschland informieren. Auch die Berliner Pflegestützpunkte stellen sich vor. Ein umfangreiches Begleitprogramm informiert unter anderem

Adresse: STATION BERLIN Luckenwalder Straße 4–6 10963 Berlin Öffnungszeiten: Do/ Fr 10–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr Eintritt zum Rabattpreis von zwei Euro, ermäßigt ein Euro. Tageskarte: 2 Euro (für Begleitpersonen frei), ermäßigt für Kinder von 6 bis 12 und für Studenten, Schüler, Azubis, Zivildienstleistende; Wehrdienstleistende: 1 Euro, Gruppenkarte: nach Absprache, abhängig von der Personenzahl.


LEBEN MIT BEHINDERUNG I 5

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I VERLAGSBEILAGE

MICHAEL HANSCHKE/DPA

ROBERT SCHLESINGER/ DPA

Das Schloss Charlottenburg im Sonnenschein

eigenständig die Stadt entdecken

ehrsmittel, Museen, Läden und Restaurants, besondere Führungen und Online-Hilfen zu erleben. Ein besonderes gastronomisches Erlebnis in Berlin sind zudem das Dunkelrestaurant Nocti Vagus sowie die unsichtBar: In Finsternis servieren blinde Kellner und Kellnerinnen das Menü. Das fordert die Sinnesorgane und bietet Sehenden eine Ahnung davon, was es bedeutet, blind zu sein. Freilich haben noch sehr viele weitere Gaststätten barrierefreie Zugänge. Verkehrsmittel: Die Berliner Verkehrsmittel sind für Menschen mit Behinderung gut nutzbar. Die meisten U-Bahn- und S-Bahn-Stationen sind mit Aufzügen ausgestattet. Mehr Infos unter bvg.de/barriere-

frei. Busse verfügen über Rampen. Die bekanntesten Berliner Sehenswürdigkeiten lassen sich mit den Buslinien 100 und 200 zwischen dem Bahnhof Zoo in der City West und dem Alexanderplatz in der City Ost entdecken. Auch der Großteil der Straßenbahnen ist barrierefrei zugänglich. Mit brokenlifts.org kann man die Ausstattung einzelner S- und UBahn-Stationen prüfen. Oder man nutzt die Fahrplanauskunft der BVG. Nach Eingabe der Route den Filter „barrierefrei“ aktivieren. Viele Verkehrsknotenpunkte, wie der Hauptbahnhof und der Bahnhof Alexanderplatz, verfügen über barrierefreie Zugänge zu den Gleisen.

Praktische Hilfe: Bei Problemen mit dem Rollstuhl unterwegs, hilft der Rollstuhlpannendienst RPD Berlin mit einem Notdienst rund um die Uhr. Verleihfirmen für Rollstühle und Hilfsmittel sorgen im Notfall für schnellen Ersatz. Hilfe bietet auch das Deutsche Rote Kreuz. Stadtführung: Der Verein Sozialhelden hat mithilfe des OnlineTools Wheelmap.org eine Route für Menschen im Rollstuhl zusammengestellt, die durch die Bezirke Kreuzberg, Mitte und Neukölln führt. Tolle Ausblicke, Kunst, Kultur und buntes Nachtleben liegen am Wegesrand. Wer überall anhält und

die Sehenswürdigkeiten besichtigt, ist einen Tag lang unterwegs.

Thema „Barrieren und Behinderungen“ (www.mobile-sinne.de).

Persönliche Führer: Wer nicht allein reisen kann, dem stehen mehr als 20 Berliner Mobilitätshilfedienste zur Verfügung. Sie bieten älteren und behinderten Menschen Begleit- und Schiebehilfe an, wie Abholung vom Flughafen, Busbahnhof oder Bahnhof, Transfer, Ausflugs- und Einkaufsfahrten. Die „BerlinSpecialGuides“ führen zum Beispiel Menschen mit und ohne Behinderungen durch den Reichstag, durch die Stadt oder durch Potsdam. Dabei werden Geschichten aus der Stadt ebenso vermittelt wie Informationen zum

Führer speziell für Blinde und Sehbehinderte: „Erlebnis Berlin“ heißt der akustische Reiseführer für blinde und sehbehinderte BerlinBesucher mit Wegbeschreibungen zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Die Nutzer können die Stadt eigenständig entdecken. Download unter www.berlinfuerblinde.de Mechthild Henneke

Ich wohne selbstständig mit Unterstützung auch für kurze Zeit und zum Probewohnen

Gute Arbeit – viele Chancen

Mehr Infos: Die Website www.visitberlin.de bietet zahlreiche Ideen für einen barrierefreien Besuch in Berlin

Unsere Angebote für Sie – Unterstützung und Assistenz:

Schwierige Situationen

Wohnen und lebenspraktische Hilfe auf Zeit

Suche nach beruflicher Tätigkeit

Erledigung der Post

Umgang mit dem Geld

Fragen zu Freundschaft & Partnerschaft

Pläne für die Zukunft

Begleitung zu Behörden & Ärzten

Alltagshilfe

www.via-werkstätten.de

Unser Profil: Attraktive Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Interessante Bildungsangebote und abwechslungsreiche Beschäftigungsmöglichkeiten, nette Kollegen und individuelle Begleitung an fünf Standorten in Berlin – das sind die VIA Werkstätten. VIA Werkstätten gGmbH Anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung Telefon 030 44354-770 • info@via-werkstaetten.de www.facebook.com/via.unternehmensverbund

info@lfb-lebensraeume.de Tel. (030) 68 281 - 521 www.lfb-lebensraeume.de


6 I LEBEN MIT BEHINDERUNG

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I VERLAGSBEILAGE

Entlastung für Angehörige Neues Projekt bietet Kurzzeitpflege für Behinderte

V

iele Menschen mit einer Behinderung leben in einer Familie und werden dort hervorragend umsorgt. Doch ab und zu können auch die Angehörigen und Betreuer für ihre Schützlinge nicht zur Verfügung stehen, sei es bei dringenden persönlichen Terminen oder bei einer Krankheit, einer Urlaubsfahrt oder bei der Renovierung ihrer Wohnung. Dann ist es schwer, die zu betreuende Person kurzfristig unterzubringen. Die gemeinnützige GmbH LfB Lebensräume, die Menschen mit geistiger Behinderung unterstützt, ihr Recht auf selbstbestimmtes Wohnen umzusetzen und ihr Leben eigenverantwortlich zu meistern, hat nun das Projekt w.LUZ geschaffen, das einspringt, wenn Betreuer und Angehörige kurzPRIVAT fristig ihre VerantSabine Apel wortung für die zu betreuenden Menschen mit Behinderung abgeben müssen. Sabine Apel, Koordinatorin für den Bereich „Betreutes Wohnen im Alter für Menschen mit geistiger Behinderung“, sagt, dass sie ganz konkret schauen, welche Hilfen nötig sind und dann die Kollegen aus allen Teams anfragen können, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten. Die vorübergehenden Gäste wohnen entweder in einem Ein-Zimmer-Apartment im Hans-Spänkuch-Haus der Vereinigung für Jugendhilfe Berlin (VFJ), oder sie können in ihrem Zuhause betreut werden. Dieses „Probewohnen“ kann dann auch ein Einstieg für ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung werden. Infos: http://goo.gl/VBdXfs IMPRESSUM Berliner Verlag GmbH Geschäftsführer: Michael Braun, Jens Kauerauf Anzeigen: BVZ BM Vermarktung GmbH (BerlinMedien), Karl-Liebknecht-Str. 29, 10178 Berlin Postfach: 02 12 84, 10124 Berlin Geschäftsführer: Andree Fritsche Projektverantwortung: Renate Werk Tel. 030-23 27 53 15 sonderprojekte@berlinmedien.com Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH, Am Wasserwerk 11, 10365 Berlin Redaktion: Peter Brock (verantw.) Angelika Giorgis Art Direction: Jane Dulfaqar, Annette Tiedge

MARKUS WÄCHTER

Das Hostel Pfefferbett – viele Gäste wissen gar nicht, dass es sich um einen Integrationsbetrieb handelt.

Das etwas andere Hostel

Im Pfefferbett arbeiten behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter zusammen

D

as Industriedenkmal Pfefferberg hat eine bewegte Geschichte. Das Gelände, auf dem der bayerische Braumeister Joseph Pfeffer 1841 die erste untergärige Bierbrauerei der Region gründete, hat beide Weltkriege überlebt und wurde im Laufe der Jahrzehnte stark ausgebaut und verändert. Heute stehen noch 21 Gebäude auf dem Areal, die für verschiedene Zwecke genutzt werden – zum Beispiel als Forschungslabor, als Museum oder auch erneut als Bierbrauerei. In einem befindet sich seit 2008 das Hostel Pfefferbett. Wer den roten Backsteinbau betrachtet, ahnt kaum, wie es im Inneren des Hostels aussieht: Hier ist alles modern, verchromte Lampen hängen von den hohen Decken, in der weiträumigen Lobby stehen Computer, ein Billardtisch und eine Bar. Auf einer großen Leinwand können Gäste Bundesligaspiele verfolgen. Im Außenbereich liegen ein hauseigener Biergarten sowie eine Chillout-Area mit Feuerstelle. Die Zimmer für die Gäste sind zweckmäßig eingerichtet – mit Hostel-typischen Stockbetten – aber hell und modern. Nicht nur die architektonische Mischung aus Industriegeschichte und Moderne macht das „Pfefferbett“ zu etwas Besonderem. Auch das Gesamtkonzept des Hostels ist außergewöhnlich: Das Pfefferbett gehört zum VIA Unternehmensverbund, einem Verbund für

I N T E G R A T I O N S - F I R M E N Der Unternehmensverbund VIA betreut, begleitet und beschäftigt seit 1991 Menschen mit Behinderungen sowie pflegebedürftige und ältere Menschen. Im Zentrum steht die VIA Verbund gemeinnützige GmbH. Tochterunternehmen sind neben dem Hostel Pfefferbett und dem Gastronomiebetrieb Schankhalle Pfefferberg die VIA Werkstätten gGmbH und die VIA Pflege gGmbH. Der Verbund will maßgeschneiderte Angebote in der ambulanten Betreuung, Beschäftiintegrative Angebote. Seit dem Jahr 2009 ist das Hostel ein gemeinnütziges Integrationsunternehmen: Behinderte und nichtbehinderte Menschen arbeiten in allen Aufgabenbereichen zusammen. Der VIA ist nicht nur mit dem Pfefferbett auf dem ehemaligen Industrie-Areal präsent. Der Verbund unterhält dort etwa auch den Gastronomiebetrieb Schankhalle Pfefferberg sowie ein Ladenlokal, in dem Produkte aus einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung verkauft werden. Im Hostel Pfefferbett sind 40 Prozent der Mitarbeiter schwerbehindert. In den meisten Fällen haben sie eine seelische oder geistige Behinderung, um zum Beispiel Lernschwächen und Depressio-

gung und im Betreuten Wohnen schaffen. 600 Mitarbeiter sind in dem Unternehmen beschäftigt. Menschen mit Behinderungen können bei VIA arbeiten. Darüber hinaus bietet der Verbund soziale Dienstleistungen an: etwa Unterstützung im Alltag durch ambulante Pflege oder betreutes Wohnen. Nichtbehinderte können zudem Angebote des Verbunds nutzen, um sich aus- oder fortbilden zu lassen: etwa in der VIA Berufsfachschule für Altenpflege. nen. Aber auch Mitarbeiter mit leichten körperlichen Behinderungen sind im Pfefferbett tätig – und zwar in allen Bereichen: „Mitarbeiter mit Behinderungen arbeiten an der Rezeption, in der Küche, an der Bar, kümmern sich um die Reinigung und Instandhaltung der Zimmer sowie um die Haustechnik oder sind im Backoffice tätig“, sagt Ralf Möller-Flohr, Geschäftsführer des Pfefferbett. Das Hostel will Mitarbeitern mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen die Möglichkeit bieten, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Das Konzept funktioniere gut, erzählt MöllerFlohr: „Das Team des Hostels unterstützt sich in allen Bereichen. Somit können die Fähigkeiten aller

gebündelt und optimal genutzt werden.“ Gegenseitiger Respekt und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse stehen dabei im Vordergrund. Ansonsten unterscheiden sich die Abläufe in dem integrativen Betrieb nicht von den Abläufen in anderen Hostels. Welcher Mitarbeiter in welchem Bereich eingesetzt wird, richtet sich nach seinen individuellen Fähigkeiten. Die Zusammenarbeit von behinderten und nichtbehinderten Mitarbeitern sei für beide Seiten eine Bereicherung, sagt MöllerFlor: „Die Mitarbeiter achten aufeinander und nehmen sich in ihren Stärken und ihrer Vielfalt wahr.“ Zudem werde im Pfefferbett zwar darauf geachtet, dass Mitarbeiter mit Handicap ihren Stärken und ihrem Können entsprechend eingesetzt werden. „Aber es wird keine falsche Rücksicht genommen oder gar ein Mitleidsbonus verteilt“, betont Möller-Flohr. Alle Mitarbeiter im Pfefferbett seien gleichberechtigt. Das Prinzip der Gleichberechtigung kommt auch bei den Gästen des Hostels gut an. Die meisten wissen indes vor ihrer Anreise nicht einmal, dass das Pfefferbett ein integrativer Betrieb ist. Denn das Hostel wirbt nicht damit und hängt sein Konzept bewusst nicht an die große Glocke: Man wolle die Gäste mit Qualität überzeugen und den Gast in den Mittelpunkt stellen – und nicht die Mitarbeiter mit Handicap. Annika Janßen


LEBEN MIT BEHINDERUNG I 7

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I VERLAGSBEILAGE

Unsichtbare Einschränkungen

Seelische Behinderungen sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Sie können den Alltag der Betroffenen aber sehr erschweren

D

ie meisten Menschen assoziieren mit dem Wort Behinderung körperliche Einschränkungen. Sie haben einen Rollstuhlfahrer vor Augen. Körperliche Behinderungen sind präsent in der Wahrnehmung. Auch geistige Behinderungen sieht oder merkt man vielen Betroffenen an. Indes gibt es viele Menschen mit Behinderungen, die auf den ersten und meist auch auf den zweiten Blick nicht sichtbar sind: Sie leiden unter einer seelischen beziehungsweise psychischen Behinderung. Sie haben Depressionen, leiden unter Autismus, Angststörungen oder unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ihr Alltag ist oft geprägt durch ihre Behinderung. Betroffene haben Probleme im Job, oder können gar nicht arbeiten, ihnen fällt es schwer, soziale Kontakte zu knüpfen. Wann man von einer seelischen Behinderung spricht, definiert im

DPA

Eine Depression kann so lang und stark sein, dass sie zur Behinderung wird.

Zweifelsfall das Sozialgesetzbuch: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“, heißt es dort. Seelische Behinderungen sind häufig die Folge einer psychischen Erkrankung. Die Krankheitsbilder sind vielfältig: Sie können die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen, zu Orientierungs- oder Wahrnehmungsschwierigkeiten führen oder die emotionale Stabilität eines Menschen aus dem Gleichgewicht bringen. Im Gegensatz zu körperlichen oder geistigen Behinderungen lassen sich seelische Leiden nicht so schnell feststellen. Sie treten in verschiedenen Formen auf, die Übergänge sind oft fließend, und

die Auswirkungen auf die Gefühlswelt, das Handeln oder die Wahrnehmung von Betroffenen lassen sich meist nicht messen. Nicht zuletzt sind psychische Behinderungen für viele Betroffene auch ein großes Alltagshindernis. Ein Beispiel: Wer unter dem Asperberger-Syndrom leidet, einer milden Form des Autismus, ist häufig überdurchschnittlich intelligent aber extrem auf feste Regeln und Logik fixiert. Ebenso fällt es Asperberger-Autisten schwer, soziale Bindungen aufzubauen, sie sind häufig sehr auf sich bezogen und brechen nur ungern aus ihren Gewohnheiten aus. Wird eine seelische Behinderung frühzeitig erkannt und therapiert, können Betroffene jedoch lernen, mit ihrer Einschränkung gut zu leben – so wie es auch bei körperlichen oder geistigen Behinderungen der Fall ist. Manche psychischen Erkrankungen können vollständig geheilt werden. Annika Janßen

Zurück in Arbeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen www.bfw-berlin-brandenburg.de

Das Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. ist ein modernes und zukunftsorientiertes Kompetenzzentrum für berufliche Rehabilitation und Integration.

Neustart in den

Beruf

Standort Mühlenbeck Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Kastanienallee 25 16567 Mühlenbeck Telefon 033056 86-0 Standort Berlin Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Epiphanienweg 1 14059 Berlin-Charlottenburg Telefon 030 30399-0

Wir qualifizieren Erwachsene, die aus gesundheitlichen (körperlichen und / oder psychischen) Gründen ihren Beruf oder ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können.

BTZ | Berufliches Trainingszentrum Berlin Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. Elsenstraße 87-96 12435 Berlin-Treptow Telefon 030 30399-701

Ziel dieser beruflichen Neuorientierung ist die dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

Offene Sprechstunden:

Sie sind interessiert? Dann besuchen Sie unsere Offene Sprechstunde oder rufen Sie uns an!

Standort Mühlenbeck dienstags 10 bis 12 Uhr Standort Berlin montags 13 bis 15 Uhr BTZ Berlin montags 13 bis 15 Uhr


8 I LEBEN MIT BEHINDERUNG

MONTAG, 14. MÄRZ 2016 I VERLAGSBEILAGE

R E G E L U N G Benachteiligungsverbot: Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) gilt für Behörden, Körperschaften und Anstalten des Bundes wie zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung. Diese Einrichtungen dürfen Behinderte nicht benachteiligen und müssen Zugänge zum Beispiel zu Behörden und Informationen barrierefrei gestalten. Mobilität: Die Deutsche Bahn hat mittlerweile einen großen Teil ihrer Bahnhöfe des Fernverkehrs mit Hubliften und Rampen ausgerüstet, damit Rollstuhlfahrer allein mobil sind. Zudem sind in vielen Nahverkehrszügen Rampen und Überfahrbrücken installiert, damit Rollstuhlfahrer auch kleine Bahnhöfe nutzen können. DPA

Behörden müssen mit Hörbehinderten auch in Gebärdensprache kommunizieren.

Das Gesetz fordert Gleichstellung

Die Vorgaben sind klar, die Umsetzung ist nicht immer perfekt – aber Berlin ist auf einem guten Weg

D

ominik Peter kauft gerne auf einem der vielen Berliner Wochenmärkte ein. Obwohl sie für ihn häufig mit Hindernissen gespickt sind: „Die Kabelstränge, die an den Markttagen samt Stolperschutz auf dem Boden liegen, sind für mich ein echtes Hindernis“, erzählt Peter, der querschnittsgelähmt und Rollstuhlfahrer ist. „Ich finde zwar immer jemanden, der hilft und mich samt Rollstuhl darüber wuchtet. Aber schöner wäre es natürlich, wenn ich mich selbstständig bewegen könnte.“ Abhilfe wäre leicht zu schaffen, etwa, indem die Kabel über Masten verlegt würden. „Oft fehlt einfach der Blick dafür, wo man Behinderten das Leben unnötig erschwert“, stellt Peter fest. Dennoch: Es tut sich was in der Republik. Der Gesetzgeber hat schon vor vielen Jahren das sogenannte Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Demzufolge müssen öffentliche Gebäude und Informationen der Verwaltung barrierefrei zugänglich sein. Das heißt etwa, dass Dokumente von Behörden auf deren Internetseite für Blinde auch als Audiodatei abrufbar sind (siehe Kasten). Menschen mit Behinderung kommt ein weiterer Faktor zu Hilfe: Sie stehen mit ihren Anliegen immer öfter nicht mehr allein da, der demografische Wandel verschafft ihnen eine breitere Lobby. Die Menschen in Deutschland werden immer älter, in Berlin sollen im Jahr 2030 schon 230 000 Bewoh-

DPA

Nicht immer ist die Wahl des Weges für Behinderte so einfach.

ner über 80 Jahre alt sein, fünfmal so viele wie heute. „Barrierefreiheit ist für immer mehr Menschen lebensnotwendig und entwickelt sich zu einem allgemeinen Qualitätsmerkmal“, sagt Jürgen Schneider, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung in Berlin. Er schätzt, dass heute bereits jeder zehnte Mensch in der Hauptstadt auf barrierefreies Bauen angewiesen ist. Zu den Vorreitern beim barrierefreien Gestalten zählen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Sie planen, bis zum Jahr 2020 sämtliche U- und S-Bahn-Linien innerhalb des Stadtgebiets barrierefrei umzubauen. Ein großer Teil der 173 Berliner U-Bahnhöfe ist bereits heute mit Aufzügen oder Rampen stufenlos erreichbar, zudem ist an

mehr als 100 Bahnhöfen ein Blindenleitsystem installiert. Ab 2017 sollen nur noch barrierefreie Niederflurstraßenbahnen fahren. „In den vergangenen Jahren hat sich bei den Berliner U- und S-Bahnen viel getan“, lobt Dominik Peter, der als Vorsitzender des Berliner Behindertenverbands (BWV) die Entwicklung in der Hauptstadt verfolgt und die Interessen der Behinderten vertritt. So richtig glücklich ist er über den öffentlichen Nahverkehr der Hauptstadt dennoch nicht. „Vandalismus ist ein häufiges Problem, wenn etwa die Steuerung eines Lifts demoliert ist und nicht mehr funktioniert“, sagt er. „Es passiert im Alltag immer noch relativ oft, dass Behinderte eine Verabredung sausen lassen müssen, weil sie unterwegs irgendwo

stranden und zum Beispiel wegen eines defekten Lifts einfach nicht weiterkommen.“ Peter nutzt deshalb am liebsten den Sonderfahrdienst der Stadt: Menschen mit Behinderung können sich für zwei Euro pro Strecke innerhalb des Stadtgebiets von einem Spezialtaxi fahren lassen. „Das Angebot ist super, die Nachfrage entsprechend hoch“, sagt Peter. „Man muss Fahrten deshalb ein bis zwei Wochen im Voraus anmelden.“ Barrierefreiheit bezieht sich aber längst nicht nur darauf, dass Menschen mit Gehbehinderung problemlos bewegen können. Der Berliner Behindertenverband fordert, dass auch seh- und hörbehinderten Menschen geholfen wird. Die sogenannten sprechenden Busse könnten zum Beispiel jeweils beim Anfahren einer Haltestelle über einen Außenlautsprecher ansagen, auf welcher Linie und zu welcher Endhaltestelle sie fahren. Weiterer Kritikpunkt des Behindertenverbands: Rund 95 Prozent der Wohnungen seien nicht barrierefrei. „Um das Angebot für behinderte Menschen spürbar auszubauen, müssten alle Neubauten barrierefrei sein“, fordert der BBVVorsitzende Peter. Immerhin: In neuen Wohngebäuden, in denen per Gesetz ein Aufzug vorgeschrieben ist, müssen ein Drittel der Wohnungen barrierefrei nutzbar sein. Andre Schmidt-Carré

Kommunikation: Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Hörbehinderte Menschen haben das Recht, gegenüber Bundesbehörden in Gebärdensprache zu kommunizieren. Behörden müssen Bescheide, Verträge und Vordrucke blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich machen, indem sie Dokumente zum Beispiel in Blindenschrift verfassen oder in einer elektronischen Audio-Datei hörbar machen. Das Gleiche gilt für das Internetangebot von Behörden. Selbsthilfe-Verbände: Anerkannte Verbände der Selbsthilfe können behinderte Menschen vor Gericht vertreten, um Rechte aus dem Gesetz zur Gleichstellung Behinderter Menschen (BGG) durchzusetzen. Zudem können die Verbände mit Unternehmen und Unternehmensverbänden Ziele vereinbaren, in welchem Rahmen Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen barrierefrei sein sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt ein Register über Zielvereinbarungen und laufende Verhandlungen.

DPA

Dokumente in Braille-Schrift


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.