Beton.
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Architekturpreis Beton 2020
© 2020 Callwey GmbH Streitfeldstraße 35 81673 München buch@callwey.de Tel.: +49 89 436 00 50 www.callwey.de Wir sehen uns auf Instagram: www.instagram.com/callwey ISBN 978-3-7667-2478-6 1. Auflage 2020 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herausgeber: Die InformationsZentrum Beton GmbH bietet als Plattform der Zement- und Betonhersteller und als Impulsgeber der Branche ein Netzwerk für alle Partner am Bau und informiert umfangreich über alle Fragen rund um die Baustoffe Beton und Zement.
Dazu gehören technische Informationen und Beratungen, Messen, Anzeigen, Hochschulinitiativen, die Auslobung nationaler Architekturpreise und ein umfangreiches Online-Angebot auf www.beton.org und www.beton-webakademie.de. Dieses Buch wurde in CALLWEY-QUALITÄT für Sie hergestellt: Beim Inhaltspapier haben wir uns für ein LuxoArt Samt in 150 g/m2 entschieden – ein matt gestrichenes VolumenBilderdruckpapier. Diese Oberfläche gibt dem Inhalt einen edlen und hochwertigen Charakter. Weiterhin verwenden wir für bestimmte Teile des Inhalts ein hochwertiges RecyStar Polar auch in 150 g/m2, das auch durch die Haptik auffällt. Die Hardcover-Gestaltung besteht aus bedrucktem Bilderdruck-Papier und wurde mit einer Heißfolienprägung in Silber veredelt. Dieses Buch wurde in Deutschland gedruckt und gebunden bei optimal media GmbH, Röbel/Müritz. Viel Freude mit diesem Buch wünschen Ihnen: Autor Oliver Herwig Projektleitung Anja Zimmermann Lektorat Katrin Pollems-Braunfels, München Gestaltung & Satz Rosa Wagner Herstellung Dominique Scherzer
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Editorial Grußwort
Christian Knell Susanne Wartzeck
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Online-Jurysitzung am 17. Apri 2020 Jurymitglieder
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Das Bestehende immer neu erfinden Essays zu den Preisträgern
Christian Holl
Oliver Herwig
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Terrassenhaus Berlin / Lobe Block
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James-Simon-Galerie, Berlin
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Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart
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Baulücke Köln
25 39 53 67
Preisträger Oliver Herwig Terrassenhaus Berlin / Lobe Block James-Simon-Galerie, Berlin Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart Baulücke Köln
81 91 101 111
Anerkennungen Oliver Herwig taz Neubau, Berlin Haus am Buddenturm, Münster Bücherei Kressbronn am Bodensee 4 Grundschulen in modularer Bauweise in München / Freiham Quartierszentrum
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Projekte der engeren Wahl Eingereichte Projekte Architektenangaben Bildnachweis 5
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Editorial
„Beton. Für große Ideen.“ Es gibt wohl kaum einen anderen Architekturpreis, der diesem Leitmotiv und Motto so sehr gerecht wird wie der Architekturpreis Beton. Die große Idee manifestiert sich in diesem Jahr in den acht ausgezeichneten Projekten – jeweils vier Preisen und vier Anerkennungen. Die Zement- und Betonindustrie engagiert sich seit Jahren für anspruchsvolles und nachhaltiges Bauen. Sie fördert darüber hinaus den gesellschaftlichen Dialog über die Qualität der Baukultur und beteiligt sich mit zahlreichen Aktivitäten an der Diskussion und den Fragestellungen zum Bauen der Zukunft. Der Architekturpreis Beton, der bereits seit über 40 Jahren von unserer Industrie ausgelobt wird, ist dabei ein wichtiges Instrument. Wir möchten mit diesem Preis die Arbeit, die Ideen und den kreativen Umgang von Architekten mit den Bauaufgaben von heute wertschätzen. Der Preis ist eine Anerkennung und dokumentiert die Leistungen, die sich aus den ersten Ideen entwickelt haben.
Aufmerksamkeit und mediale Präsenz – im Idealfall begeistern wir Menschen, sich direkt mit der Baukunst auseinanderzusetzen: hautnah und mit allen Sinnen. Die unmittelbare Wirkung von Architektur zeigt sich in einer bestimmten Situation, zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort. Obwohl die gebauten Werke vor allem in der realen Umgebung direkt sinnlich erfahrbar sind, lassen sie sich auch auf vielen anderen Wegen den an Architektur Interessierten vermitteln. Es geht darum, die gute Idee festzuhalten und ihr einen bleibenden Wert zu geben. Aus diesem Grund präsentieren wir Ihnen in der vorliegenden Publikation alle Preisträger, Anerkennungen und Projekte der engeren Wahl sowie alle anderen Einreichungen. Mit diesem Buch gelingt es, die große Idee, die hinter den jeweiligen Projekten steht, sichtbar zu machen. Ermöglicht wird dies durch kreativ schaffende Menschen, durch Autoren, Architekturfotografinnen und -fotografen, die mit ihren Arbeiten die Ideen der Architekten in Wort und Bild fassen.
Zum diesjährigen Verfahren wurden 143 ausgeführte Projekte eingereicht – Schulen, Wohnhäuser, Verwaltungs-, Industrie- und Gewerbebauten, Verkehrsbauwerke, Museen und Sakralbauten. Sie zeigen eindrucksvoll die hohe Qualität und Bandbreite der aktuellen Betonarchitektur in Deutschland. Die ausgezeichneten Projekte präsentieren die in jeder Hinsicht kreative und meisterhafte Verwendung des Baustoffs Beton: von der Visualisierung des Entwurfs über die Konstruktion, die Gebäudehülle, die Farbe bis zur Textur der Oberfläche. Die prämierten Werke haben aus unserer Sicht ein breites Publikum und eine besondere Wertschätzung verdient. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für gute Architektur zu fördern und zu erweitern. Mit dem Architekturpreis Beton schaffen wir eine Plattform und ein Forum, wir sorgen für
Den Autoren und Gestaltern ist es gelungen, Architektur so darzustellen, dass sie dem realen Erlebnis möglichst nahekommt. Die Publikation ist eine Ergänzung zur realen Begegnung und direkten Erfahrung. Lassen Sie sich daher von dem vorliegenden Buch inspirieren. Entdecken Sie die ausgezeichneten Bauwerke und machen Sie sich selbst auf den Weg, zu erfahren, wie gute Architektur wirkt, und spüren sie die Idee dahinter. Ich wünsche Ihnen viel Freude und viele Inspirationen mit diesem Buch.
Christian Knell Präsident Verein Deutscher Zementwerke e.V. 7
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Grußwort
Mit dem Positionspapier „Das Haus der Erde“ hat der Bund Deutscher Architekten BDA sein Selbstverständnis und seine qualitativen Anforderungen an eine klimagerechte Architektur postuliert. Dazu gehört auch die Forderung nach Dekarbonisierung des Bauens mit dem Anspruch, möglichst auf Materialien zu verzichten, die bei der Herstellung viel CO2 emittieren. Vor diesem Hintergrund bin ich als Jurorin des Architekturpreises Beton gefragt worden, warum der BDA diesen Preis unterstützt. Die Frage ist auf den ersten Blick völlig berechtigt, denn die Produktion von Zement und der Abbau von Sand sind sehr ressourcenintensiv: Weltweit ist die Zementherstellung für 4 bis 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Dennoch erfordert die Frage eine differenzierte Beantwortung. Kaum ein Material ist, für sich genommen, strikt abzulehnen. Wir werden alle Baustoffe brauchen: Stahlbeton, Ziegel, Holz, Stahl und Glas. Aber wir müssen von allem weniger verbrauchen, wir müssen Materialien ressourceneffizient einsetzen, kreativ und fantasievoll neue Mischformen wie die Holz-Verbund-Decke oder den Carbon-Beton entwickeln und solche CO2-sparenden Innovationen fördern. Zudem müssen Herstellungsprozesse in ihrer Effizienz weiter gesteigert werden. Auch brauchen wir eine echte und sinnvolle Weiternutzung aller Bauteile und der gesamten Baustoffe, statt diese nur in Downcycling-Prozessen einzusetzen. Auf diesen Feldern muss sich die Industrie ihrer Verantwortung und wichtigen Rolle bei der Entwicklung klimaschützender Neuerungen bewusst werden.
Dabei sollte Beton immer zu einem architektonischen Wert führen, zu einer Architektur, die über einen langen Zeitraum dank eines inspirierenden, vorausschauenden und den Menschen in den Mittelpunkt stellenden Entwurfs fortbesteht. In der Gesamtschau dieser Aspekte kann der Baustoff Beton dem Nachhaltigkeitsgedanken gerecht werden. Getreu dem eingängigen Werbeslogan, mit dem unsere Generation aufgewachsen ist: „Beton. Es kommt darauf an, was man daraus macht.“ Die prämierten Projekte des Architekturpreises Beton 2020 setzen das Material „auf den Punkt“ ein: Die überschlanken Stützen der Kolonnaden der James-Simon-Galerie, die beeindruckenden Auskragungen des Terrassenhauses Berlin, die plastisch geformten Treppentürme der Württembergischen Landesbibliothek oder die extrem geringe Hausbreite der Baulücke Köln – um nur die vier Preisträger zu nennen – sind durch einen reflektierten Einsatz des Baustoffs Beton möglich geworden. Alle Preisträger haben dabei hervorragende, ganzheitliche Architektur geschaffen. Dazu möchte ich ihnen im Namen der Jury meine herzlichen Glückwünsche übermitteln.
Susanne Wartzeck Präsidentin des BDA
Die bisher vielfach verschwenderische Verwendung von Beton weicht dann einem gestalterisch und konstruktiv präzis begründeten, angemessenen und reduzierten Einsatz. 9
Online-Jurysitzung am 17. April 2020
Jurymitglieder
Susanne Wartzeck Präsidentin des Bundes Deutscher Architekten BDA Amandus Samsøe Sattler Allmann Sattler Wappner Architekten Sven Plieninger Geschäftsführer schlaich bergermann partner sbp gmbh Prof. Florian Musso Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde Technische Universität München Dr.-Ing. Brigitte Schultz Chefredakteurin Deutsches Architektenblatt Ulrich Nolting Geschäftsführer InformationsZentrum Beton GmbH Oliver Herwig Moderator und Journalist, Leiter KAP FORUM
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Das Bestehende immer neu erfinden Christian Holl Freier Autor und Kurator, frei04 publizistik, Stuttgart
„An Beton scheiden sich die Geister.“ Mit diesem Satz beginnt das fast 15 Jahre alte Sichtbetonkompendium von Rüdiger Kramm und Tilman Schalk. „Für die Einen der Marmor des 20. Jahrhunderts, für die Anderen der Inbegriff des Scheiterns moderner Architektur, bleibt der Diskurs stets aktuell und vor allem auch emotional aufgeladen“1, führen die Autoren aus. Seine Faszination könnte damit erklärt werden, dass der Wunsch von Architekten, mit dem Äußeren eines Hauses etwas über die Konstruktion zu erzählen, im Sichtbeton eine zeitgemäße Erfüllung findet. Dessen Oberfläche kann äußerst variantenreich gestaltet werden, Stahlbeton ist ein Produkt erfinderischer Kombination, Beton erschöpft sich nicht in naturgegebenen Eigenschaften, sondern ist Kunstwerkstein und Baustoff im wörtlichen Sinne. Noch in seiner Serialität stellt sich beim Bauen mit Beton immer die Frage nach dem Verhältnis von Struktur und Ordnung, nach dem von Flexibilität und Originalität, nach der Kombination von System und Raster. Die Vorstellung von einer mathematischen Reinheit der Konstruktion, die Beton abbilden könne, beschäftigt Architekten bis heute. Dahinter verbirgt sich die Idee einer Ordnung, die auf Geometrie aufbaut, in der ein platonisch-philosophisches Prinzip aufscheint, das durch den mittelalterlich-scholastischen „Ordo“-Begriff in der abendländischen Baukultur bis in die Moderne hinein verankert wurde. Ursprünglich getragen von der Vorstellung, dass die göttliche Weltordnung durch Proportionen und geometrische Ordnungen als weltlicher Abglanz sichtbar gemacht werden könne, unterliegen bis heute Raster- und Strukturbegriffe einer über den Pragmatismus hinausweisenden Überzeugung, dass Architektur nicht nur ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, einer ausschließlichen Funktionsoptimierung oder modischem Gestaltungsanspruch gehorchen darf. Raster und Systeme sind demnach nie nur praktische Werkzeuge der Architekturproduktion, sie sind genauso Ausdrucksträger wie die kraftvollen, 12
mit Beton gestalteten skulpturalen Gebilde am anderen Ende der Möglichkeitsskala. Beton ist Resultat eines Prozesses, der von Anfang an die Frage danach stellt, was man von ihm erwartet. Das Material allein gibt nicht die Antwort darauf, man kann sich nicht hinter vermeintlich unveränderlich gegebenen Voraussetzungen verstecken. Beton impliziert immer auch die Aufforderung, Absichten zu haben. Und genau das macht ihn umstritten: Er ist immer Ausdruck der gesellschaftlichen, soziokulturellen Rolle, die man dem Bauen zuweist. Beton ist untrennbar mit der ganzen Bandbreite des Bauens des 20. Jahrhunderts verbunden, das von emanzipatorischen Wirkungen bis zu dystopischen Systemen alles einschließt, wofür Gebautes Symbol sein kann, aber eben auch, wovon Gebautes konkrete Folge ist. Beton ist so sehr mit dem verbunden, was uns in den letzten 120 Jahren möglich geworden ist, an Erfreulichem, Erschreckendem, Befreiendem wie Gewalttätigem, dass es kaum möglich ist, unser heutiges Leben ohne Beton zu denken. Deutlich wird dies an der Kritik an Beton, die in den letzten Jahren erheblich an Vehemenz gewinnt. Die Rede ist von der ungünstigen Energiebilanz von Zement, vom großen ökologischen Fußabdruck des Bauens mit Beton, auch von der „grauen Energie“, die in bestehenden Gebäuden gespeichert ist. Zum ersten Mal ist damit ein Vorwurf benannt, der sich nicht über Gestaltung und nicht einmal mit Verzicht auf diesen Baustoff auflösen lässt. Er ist zu sehr Teil eines Systems, das nicht mehr trägt. Nur ein Symptom zu kurieren, wird nicht helfen. Dagegen ließe sich sagen, dass man eben nur noch hochwertig und gut bauen solle. So bliebe Architektur so lange wie möglich bestehen, um von der investierten Energie so lange wie möglich zu profitieren. Dass man deswegen in Ausbildung investieren müsse, dass man architektonische Bildung
forcieren müsse, damit auch in der Gesellschaft höhere Qualität öfter gewürdigt wird, als wir das erleben. Wenn wir schon nicht auf Beton verzichten können, dann sind wir erst recht dazu herausgefordert, die Möglichkeiten dieses Baustoffs bestmöglich zu nutzen und auszureizen, sie sichtbar und verständlich zu machen. Aber reicht das? Wie auch immer man Qualität versteht und wie sehr man, wie beim Architekturpreis Beton, beste Architektur würdigt und verbreitet, sind Spitzenleistungen doch immer von Alltagsarchitektur durch eine Lücke getrennt, die sich nicht schließen lässt und vielleicht nicht einmal schließen lassen muss. Besteht doch Alltagstauglichkeit von Gebautem auch darin, nicht aufzufallen. Die Praxis des Alltags ist geprägt von Routinen, die nicht hinterfragt werden, damit wir uns auf das konzentrieren können, was unsere ganze Aufmerksamkeit fordert. Wäre es immer Architektur, wäre das eine permanente Problematisierung ihrer Realität. Es ist wie beim Schreiben: In der Zeitung lese ich einen Artikel nicht seines Stiles wegen – fällt dieser auf, ist er schon zu aufdringlich. Die Unauffälligkeit wird nur in Sonderfällen durchbrochen – der Betonpreis ist ein solcher Sonderfall – und befragt die Routinen des Alltäglichen, fragt, ob sie noch geeignet sind, den Herausforderungen gerecht zu werden, denen zu begegnen sie versprechen. Damit sind wir in einer paradoxen Lage: Wir brauchen die hohe Qualität, um das Alltägliche infrage zu stellen, um daraus abzuleiten, wie das Alltägliche verändert werden könnte, damit es Antworten auf die alltäglichen Probleme von heute gibt. Und nicht auf die von gestern. Der Anteil von Kleinfamilien an allen Lebensformen ist nicht annähernd so hoch, wie es neu fertiggestellte Wohnungen vermuten lassen. Was heute auf dem Wohnungsmarkt gebaut wird, ist Antwort auf
ein Problem, das sich irgendwann einmal gestellt hat. Das Verhältnis von Spitzenleistung zu Alltagsqualität ist also auch eines, das sich in einem permanenten Prozess permanent erneuert und verändert, ohne dass die Kluft zwischen beidem aufgehoben würde. Ich möchte deswegen auf die Prozesshaftigkeit der Entstehung von Beton zurückkommen, auf die besondere Qualität, dass erst die an ihn gestellten Wünsche und Bedarfe bestimmen, wie er geformt und gestaltet wird. Ebenso könnte man auch Architektur als einen Prozess verstehen, dessen Qualität sich nicht in der Erfüllung eines Programmes erschöpfen lässt. Lucius Burckhardt hat vor fast fünfzig Jahren gezeigt, wie Architektur nur dann den Anschein erweckt, Probleme zu lösen, wenn ein Problem auf das reduziert wird, was ein Gebäude leisten kann. „Die Summe des vermeintlich Unwesentlichen, das bei dieser Verfahrensweise unter den Tisch fällt, schafft neue, größere Probleme“, so Burckhardt. Und weiter: „Um das Problem möglichst exakt zu machen, wird die Dynamik des zu lösenden Problems stillgelegt; ein momentaner Zustand wird einer ,dauernden Lösung‘ zugeführt. Indem sich die ,Lösung‘ als Maßanzug einem Problem überstülpt, blockiert sie dessen weitere Entwicklung, bis dann die Nähte aufplatzen.“2 Das korreliert mit der Vorstellung, dass sich Architektur auf dem Höhepunkt ihrer Qualitäten befindet, bevor der Nutzer kommt. Ich möchte daher fragen, ob die Qualitäten von Beton für ein Denken genutzt werden können, mit dem Architektur sich immer wieder neu ihrer Nutzung und Aneignung öffnet. Der Philosoph Martin Seel unterscheidet das philosophische und das literarische Schreiben und Lesen. Das philosophische sei ein unverzichtbares Medium der Erfindung und Konstruktion von Thesen und Argumenten, ihrer Erprobung und Variation. 13
Text diene hier dazu, Texte zu reflektieren, zu prüfen und zu verarbeiten. Nur der Gedanke, so Seel, der nicht an seine ursprüngliche oder endgültige Formulierung gebunden sei, sei auch philosophisch ernst zu nehmen. Im Gegensatz dazu steht die Literatur: Was hier geschrieben ist, könne und solle nicht mit anderen Worten gesagt werden. Literarische Lektüre sei stimulierende Lektüre als Imagination von Texten, während produktive philosophische Lektüren immer überschreitende Improvisationen auf Texte seien.3 Wenn wir das auf Architektur, auf ihren Gebrauch und ihre Produktion übertragen, dann könnte man sagen, dass Architektur selten Literatur ist. Ihr Gebrauch und ihre Produktion sind nur dann – nach Martin Seel – ernst zu nehmen, wenn sie nicht an eine ursprüngliche oder endgültige Formulierung gebunden sind. Man beschneidet Architektur ihrer Möglichkeiten, wenn man von ihr verlangt, einen Idealzustand zu erreichen. Ein Idealzustand, der spätestens dann verlassen werden muss, wenn sich Wünsche artikulieren und materialisieren, die man beim Bau noch nicht kennen konnte. Das impliziert eine Reihe von Forderungen, die hier nicht vertieft werden können, denn damit wäre nicht nur ein Umdenken in den Fachdisziplinen, in der Ausbildung und im Umgang mit Bausubstanz verbunden. Es hieße auch, dass die Ökonomie von Architektur sich auf einen längeren Zeitraum beziehen müsste und sich ihre Qualität erst erweisen könnte, wenn das Gebäude nicht auf eine einzige Nutzung hin optimiert wurde. Dass die beim Abriss vernichtete graue Energie in Rechnung gestellt wird. Dass die Großzügigkeit von Räumen nicht ein Mangel an Wirtschaftlichkeit, sondern eine Qualität wäre, weil sich dann eine andere Vielfalt entwickeln könnte, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Haus noch nicht bekannt gewesen wäre. Mit einem solchen Ansatz würden wir anders auf den Bestand schauen, der viel zu oft 14
und viel zu schnell dem vermeintlich besseren Neubau geopfert wird. Das hieße, dass die Arbeit des Architekten nicht mit der Übergabe eines Werks beendet ist. Und es hieße, dass Architektur sich nicht in maximaler Neutralität erschöpft, denn dann wäre ausgeschlossen, was dieses Denken impliziert: Dass zur Weiterentwicklung und Neuerfindung bestehender Architektur die Architektinnen und Architekten immer dazu gehören. Formenreichtum dürfte dann nicht das Gegenteil von Prozesshaftigkeit sein, sondern ihr Teil. Gestaltungsreichtum artikulierte sich als eine grundsätzliche Qualität von Architektur, die sich dann eben nicht auf den fertiggestellten Neubau beschränken müsste. Viel von dem, was ein solches Denken zur Folge haben kann, zeigt sich in den Projekten, die 2020 ausgezeichnet wurden, vor allem darin, wie dieses Denken auf die Stadt übertragen wird, wie es sich im Wechselspiel von Haus und Stadtraum, von Lücken und Neuentdeckungen, wie es sich im Eröffnen von Spielräumen und einem Weiter- und Neudenken des Bestehenden etabliert. Würde sich ein solches Denken weiter verbreiten, wäre viel gewonnen – auch im Hinblick auf die Frage nach den ökologischen Folgen des Bauens. Vielleicht ist dann irgendwann der Respekt vor dem Bestand nicht auf das beschränkt, was uns wertvoll erscheint, weil wir dann etwas als wertvoll erachten, weil es besteht.
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Rüdiger Kramm, Tilman Schalk: Sichtbeton, Betrachtungen. Ausgewählte Architektur in Deutschland. Düsseldorf 2007, S. 7 Lucius Burckhardt: Bauen – Ein Prozeß ohne Denkmalpflichten (1967), in: ders.: Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch. Berlin 2004, S. 26 – 45; hier S. 26 Martin Seel: Die Macht des Erscheinens. Frankfurt am Main 2007, S. 139 – 142
â&#x20AC;&#x17E;Beton ist Resultat eines Prozesses, der von Anfang an die Frage danach stellt, was man von ihm erwartet. Das Material allein gibt nicht die Antwort darauf [...] Beton impliziert immer auch die Aufforderung, Absichten zu haben.â&#x20AC;&#x153;
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Terrassenhaus Berlin / Lobe Block Oliver Herwig
Rau und brachial, dabei offen für Neues. Das Weddinger „Lobe-Terrassenhaus“, ein Kunstwort aus den Metropolen London und Berlin, setzt Zeichen für eine Gemeinschaft von Arbeiten und Wohnen. Die funktionsgetrennte Stadt der Moderne ist passé. Bauherrin Olivia Reynolds und die Architektengemeinschaft Brandlhuber+ Emde, Burlon mit Muck Petzet Architekten setzten sich über Standards hinweg, um ein großes Experiment im Herzen der Hauptstadt zu ermöglichen. Das multifunktionale Gebäude wurde als Atelierhaus entworfen, als Gewerbebau, der zugleich Raum bietet für eine Community, die über Terrassen und Ebenen hinweg zueinanderfindet und ganz nebenbei auch die klaren Grenzen zwischen öffentlich und privat durcheinanderwirbelt. Leben findet im Dazwischen statt – eine Erfahrung, die immer mehr Städter machen, die sich auf Sharing und Gemeinschaftseinrichtungen einlassen und mit Nachbarschaftsgärten und gemeinschaftlichen Besorgungen im Corona-Krisenmodus das Wort Zusammenhalt neu buchstabieren lernen. Zeichen dieses Neustarts sind die beiden Freitreppen, welche die 3 Meter tiefen gemeinschaftlichen Terrassen auf beiden Seiten des Hauses flankierend verbinden und ihm eine prägnante Form verleihen. Auf den Gemeinschaftsterrassen treffen sich Haus- und Kiezbewohner, Geschäftskunden und Zufallsbekanntschaften. Und nebenbei fragt das Haus, was es mit der typisch deutschen Trennung von Wohnraum und Arbeitsumfeld auf sich hat. Neue Gemeinschaft: her mit den Terrassen! Das mit fast 40 Metern ungewöhnlich tiefe Gebäude reizt die maximale Bebauung des Geländes aus und verpasst dem in den Sechzigerjahren beliebten Typus des Terrassenhauses eine Frischzellenkur. Sonnenschutzvorhänge aus 16
semitransparentem Polyethylen verbreiten mediterrane Lässigkeit. Dazu passt die bewusst ungeschliffene Ausführung der Betonarbeiten. Roh belassene Oberflächen aus WU-Beton zeigen, wo der Schwerpunkt liegt: Es gilt, preiswerten Raum zu schaffen, nicht, vermeintlichen Luxusbedürfnissen nachzugehen. Konsequent verweigert sich das Haus in béton brut daher gängigen Klischees und Kategorien. Es ist eine Setzung, ein Statement, das zwar auf die Kubaturen der umliegenden Bebauung eingeht, aber Raumprogramm und Ziele nur aus sich selbst heraus entwickelt. Der Wohn-Arbeits-Hybrid verzichtet sogar auf ein Treppenhaus. Dafür gibt es gleich zwei Aufzüge, die zu den insgesamt fünf Etagen führen. Den Kern bilden ebendiese Fahrstuhlschächte und Sanitäreinrichtungen. Das ermöglicht flexible Grundrisse und steift die Stahlbetonkonstruktion aus. Die einzelnen Geschosse sind lediglich durch reversible Leichtbauwände aus Gipskarton- und Seekieferplatten in maximal vier durchgesteckte Einheiten unterteilt, so dass angenehme Raumtiefen zwischen 11 und 26 Metern entstehen. Überhaupt sind die Dimensionen des Hauses beachtlich. Allein die den Arbeitsstätten und Wohnungen vorgelagerten Begegnungsterrassen sind 6 Meter tief, sie verbinden mit ihren raumhohen Schiebetüren bruchlos innen und außen. Denn die beiden imposanten Treppenanlagen dienen nicht nur als optische Begrenzung, sie sind notwendige Erschließung und Fluchtweg der oberen Geschosse. Es ist kein Zufall, dass sich die Bauherrin, Wahlberlinerin Olivia Reynolds, die schon eine Galerie im Wedding betrieb, bei ihrem Vorhaben eines (gesellschaftlich) offenen Atelierbaus für das Büro Brandlhuber und den eher ungewöhnlichen Typus des Terrassenhauses entschied. Hier sei jene Heterogenität möglich, die Arbeiten und Leben vereine. Die zwischen den beiden Freitreppen durchlaufenden Balkone lassen sich nicht so einfach privatisieren und abtrennen, da
sie die Haupterschließung des Terrassenhauses bilden. Und weil das so ist, wird das Haus zu einem echten öffentlichen Ort, bestimmt durch permanente Begegnung zwischen freiwilliger Gemeinschaft, zeitweiliger Abgrenzung, Rückzugsbewegung und freigebiger Öffnung. Das Haus ist in Bewegung. Permanent. Es ist zugleich ein Mikrokosmos der sich verändernden Stadt, die auf Ausgleich und Verhandlung angewiesen ist, und ein Rückzugsort für Kreative in der Hauptstadt mit einem Artist-in-Residence-Programm. Für das „Lobe“ bedeutet das: Freiraum verlangt Engagement. Und Rückzug geht nicht mehr auf Kosten anderer. Neue Wege: keine Dachabdichtung Auch konstruktiv geht der Bau neue Wege. Sichtbeton im Inneren und wasserundurchlässiger Beton außen sind Komplizen. Die unter den Terrassen applizierte mineralische Innendämmung endet gut sichtbar im Raum selbst. Der Bau verzichtet auf Dachabdichtung. Der Regen fließt nach unten. Falls sich das Konzept bewährt, wäre dies ein enormer Anstoß für die Bautechnik in Deutschland, sagt Florian Musso vom Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde der TU München. So etwas sei tatsächlich nur mit Beton möglich – und mit keinem anderen Baustoff. Das bestätigen die Architekten: „Die über 30 Meter spannenden Terrassen konnten in ihrer entwerferischen Klarheit – fugenlos und aus einem Guss, wie im ursprünglichen Entwurf – nur mithilfe von Spannbeton ausgeführt werden.“ Die Struktur des Hauses bestimmt seine Nutzung. Es zeigt zwei klar getrennte Seiten. Nach Süden, zum Gemeinschaftsgarten, ist das Gebäude offen. Zur Straße hin ändert sich das Gesicht. Hier formen zurückspringende Elemente einen überdachten Vorplatz, hier liegt auch der Zugang zum Restaurant, das im Erdgeschoss untergebracht wurde,
wo es die naturgemäß größten Flächen nutzt, darüber liegen Büros, gefolgt von Studios, in denen sich Arbeiten und Wohnen ohnehin nicht klar trennen lassen. Neues Denken: Wer gehört zu wem? Eingespannt zwischen den Freitreppen entwickelt sich ein Haus, das Grenzen neu definiert und Mut macht für weitere urbane Experimente. Dazu passt auch das, was im restlichen Grundstück geschieht. Dort soll ein Nachbarschaftsgarten für zwei Dutzend Menschen wachsen und den Kiez weiter verbinden. Was also ist in Berlin-Wedding genau entstanden: ein bauphysikalischer Modellbau? Ein wohnsoziologisches Experiment? Ein Statement, das gewohnte Standards hinterfragt und kluge Hinweise auf preiswertes Wohnen in den Städten bietet? Womöglich alles zusammen. Der Hybrid mit seinen halb privaten, halb öffentlichen Terrassen und seiner rauen Optik zeigt, welche Möglichkeiten in einem Bauen stecken, das sich nicht in der Suche nach zu erfüllenden Normen erschöpft, sondern neue Wege beschreitet. „Der Verlust an öffentlichem Raum, der mit der großflächigen Überbauung einhergeht, wird durch die weiträumigen, halb öffentlichen Terrassen ausgeglichen“, propagieren die Architekten. „Nutzern wie Besuchern wird so wieder ein Stück ‚Grund‘ zuteil.“ Eines ist sicher: Auf Nummer sicher gingen hier weder Bauherrin noch Architekten – ein Gewinn nicht nur für die unmittelbare Nachbarschaft, die auf den Terrassen des Hauses Platz nehmen kann, ein Gewinn vor allem für die Baukultur, die in Deutschland mehr Experiment braucht, mehr Mut zur Lücke und mehr Mut zu unkonventionellen Wegen, wollen wir den Herausforderungen der Stadt wirklich begegnen.
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James-Simon-Galerie, Berlin Oliver Herwig
Die vielfach ausgezeichnete und hochgelobte James-SimonGalerie bildet den Schlussstein der Berliner Museumsinsel. Sie ist der zentrale Knoten, der Besucher willkommen heißt und auf die einzelnen Häuser des Quartiers verteilt. Entsprechend würdevoll ist die Geste ausgefallen, die David Chipperfield bereits im Literaturhaus Marbach (2001–2006) anwandte: Kolonnaden, wie sie in Berlin das Pergamonmuseum aufweisen, das Neue Museum und die Alte Nationalgalerie. David Chipperfield destillierte aus der klassischen Würdeformel freilich etwas unerhört Leichtes. Die Stützen sind extrem verschlankt und abstrahiert, die Proportionen auf die des benachbarten Pergamonmuseums abgestimmt – und selbst das Material Beton scheint in mehreren Stufen seine eigene Auflösung zu proben. Direkt an der Spree entstand eine flirrende Betonskulptur, deren Elemente das historische Umfeld weiterdenken. Seine Ambivalenz zwischen Transparenz und Kristallisation bindet das Haus ein in das historische Beziehungsgeflecht der Museumsinsel. Bereits bei Chipperfields Meisterwerk, dem Wiederaufbau des Neuen Museums (1997–2009), das seine wechselvolle Geschichte als Palimpsest eindrücklich vor Augen führt, war an ein neues Verbindungsbauwerk gedacht. Der Wettbewerb von 1993 jedenfalls benannte die „Errichtung von Verbindungs- und Ergänzungsbauten“, die sich in den nächsten anderthalb Jahrzehnten zu einem zentralen Service- und Infrastrukturgebäude verdichteten. Denn das ist es, was man über der flirrenden Leichtigkeit des Hauses leicht vergisst. Das Eingangsgebäude ist der zentrale Hub der Museumslandschaft, vollgepackt mit Funktionen. Es verbindet Info- und Kassenbereich, Garderoben, Museumsshop, Café und Restaurant mit einem Auditorium für 300 Besucher. An gleicher Stelle stand einst die Schinkel’sche Packhofanlage, an der sich Stüler beim Bau des Neuen Museums orientierte. Dessen Front wies nach Osten, dort, wo später 18
der Kolonnadenhof entstand, den David Chipperfield wiederum weiterdachte. So ist es durchaus passend und logisch, dass hier, im einst industriellen Herz der Insel, wieder geschäftige Bewegung herrscht. Verteilerfunktion: Von der James-Simon-Galerie aus starten diverse Rundgänge für geführte Gruppen, die über die Hälfte aller Besucher der Museumsinsel bilden. Das Haus hat drei Hauptgeschosse, ein Mezzanin (mit Garderoben, Schließfächern, Toiletten und dem Museumsshop) sowie ein Untergeschoss. Knotenpunkt der Museen Besucher empfängt die zum Lustgarten orientierte repräsentative Treppenanlage im Obergeschoss, das einen direkten Zugang zum Pergamonmuseum eröffnet. Dort angekommen, lösen Gäste ihre Tickets, besuchen das Café und können über die Terrasse schlendern. Über ein kleines Foyer geht es hinunter zu Sonderausstellungen. Hier beginnt die sogenannte „Archäologische Promenade“, ein unterirdischer Verbindungsgang, der vier der fünf Museen erschließt. Die James-Simon-Galerie, benannt nach dem Mäzen James Simon (1851–1932), der über 10.000 Kunstwerke und Objekte stiftete, darunter die weltberühmte Büste der Nofretete, besticht durch helle, offene Räume und eine ausgezeichnete Besucherführung. Im Inneren überzeugen glattgeschalte Ortbetonwände und -decken in Sichtbetonqualität (SB4), an der Fassade Fertigelemente aus Betonwerkstein aus Weißzement und großkörnigem, hellem Marmorschotter. Sein Hellgrau nimmt die Muschelkalkfas-sade des Pergamonmuseums auf. Aufwendig wurden die Sichtbetonbauteile ausgeschrieben und auf Qualität überprüft. Zahlreiche Sonderkonstruktionen und Innovationen prägen den Bau.
Die Schinkel’sche Packhofanlage wurde zwar durch die Museen verdrängt, hatte aber wie ihre Nachfolgebauten denselben schlechten Baugrund. Das gilt auch für die 11.000 Quadratmeter große James-Simon-Galerie. Über 1.000 Pfähle trieben Taucher in den schlammigen Grund, um das Fundament des Hauses zu sichern. Im Morast des Kupfergrabens gründet auch die Westfassade des 10 Meter hohen und 100 Meter langen Sockelbaus. Um die Stabilität zu sichern, wurden die „38 Zentimeter dicken Verbundschalen aus Fertigteilen und Hintergussbeton gleitend gelagert auf einer durchgehenden Betonkonsole, die unter dem Wasserspiegel aus der tragenden, wasserundurchlässigen Stahlbetonwand vorkragt“, wie die Architekten ihr Werk selbst beschreiben. Weitaus spannender als die technischen Eigenschaften des Materials und seine Konstruktion, ist seine Transformation von der Gründung im märkischen Schlick über den monolithischen Sockelbau hin zu den filigran ausgebildeten Pfeilern der Kolonnade, die sich dem Licht öffnen und bei 9 Meter Höhe zunehmend selbst immateriell wirken. Die im Abstand von 1,5 Metern gesetzten Pfeiler sind als Pendelstützen ausgebildet und fangen so Längenänderungen des 100 Meter langen und 7,5 Meter breiten Daches ab. Die quadratische Stützenordnung abstrahiert die Umgebung und verdichtet ihr Thema: Raum zu markieren. Statt ihn aber nur schnöde abzugrenzen, gelingt es der Kolonnade, ihn öffnend zu verbinden. Ort der Begegnung David Chipperfield wollte schließlich keine Kiste errichten, sondern einen Ort der Begegnung schaffen, ein Raumgebilde, das die jährlich zuletzt rund zweieinhalb Millionen Besucher der Museumsinsel willkommen heißt und die bestehende Infrastruktur von zentralen Aufgaben entlastet.
Auch nach Eröffnung der James-Simon-Galerie mit ihrer Nutzfläche von 4.600 Quadratmetern bleiben die Eingänge der Museen offen. Statt also Besucher an einer Stelle zu kanalisieren, wie es etwa die Louvre-Pyramide tut, öffnen sich viele Optionen und Einstiegsmöglichkeiten in das Gesamtgefüge der Museumsinsel. Zugleich wächst das Servicegebäude über sich hinaus. Die helle und freundliche, vor allem aber gut erschlossene und übersichtliche James-Simon-Galerie hat das Zeug, das Bild der Museumsinsel nachhaltig zu prägen. Ihr Erkennungszeichen neben den charakteristischen Kolonnaden bleiben die beiden Treppenanlagen: die hohe Freitreppe vor dem Haupteingang ebenso wie die interne, die das Haus großzügig erschließt. Von Anfang an wurde das Haus von Kritik und Besuchern begeistert angenommen. Der Louvre habe seine Pyramide, die Berliner Museumsinsel nun die James-Simon-Galerie verkündet der „Deutschlandfunk“, als „funktionale Krönung der Berliner Museumsinsel“ bezeichnet sie das „Handelsblatt“. Und auch der DAM-Preis bescheinigte der JamesSimon-Galerie, „zukunftsfähig“ zu sein in ihrer Haltung zum Stadtraum und den „großartigen Bauten der Nachbarschaft“, wie es DAM-Direktor Peter Cachola Schmal sagte. Wenn es etwas gibt, das die Transformation Berlins in den letzten Jahren exemplarisch vor Augen führt – von der verwundeten Stadt der Nachkriegszeit über das angesagte Party-Paradies zur internationalen Kulturmetropole, so ist es auch die Entwicklung in Mitte, das zwischen Ministerien, Büros und internationalen Vertretungen den Primat der Kultur behauptet. Die James-Simon-Galerie zwischen Kupfergraben und Neuem Museum ist in der Tat ein solcher Puzzlestein, etwas, das verändert – ohne künftige Entwicklungen abzuschließen.
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Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart Oliver Herwig
Hell und strukturiert im Inneren, sinnlich und raumprägend von außen, das ist der erste Eindruck der erweiterten Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Die Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei schufen freilich viel mehr: einen Lernort inmitten der Gesellschaft, der stadträumlich wirksam ist. Ihre strukturierte Fassade nimmt mit Faltungen und Bullaugen die herausfordernde Umgebung der Konrad-Adenauer-Straße auf und integriert die verschiedensten Solitäre der Umgebung, insbesondere die postmoderne Vergangenheit Stuttgarts mit der Neuen Staatsgalerie (1979 –1984) sowie der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (1993 –1994) des Schotten James Stirling. Sie öffnet zudem Blickachsen zur Staatsoper, zum Landtag und zum Neuen Schloss und skizziert eine Idee, wie aus der autoversessenen Stadtbrache wieder ein urbaner Boulevard werden könnte. Der Neubau blickt selbstbewusst in die Geschichte und führt ebenso souverän in eine Zukunft des Miteinanders. Paris hat seine Champs-Élysées, Washington, D.C. die Mall – und Stuttgart die Konrad-Adenauer-Straße oder besser: die sogenannte Kulturmeile, ein über Jahrzehnte gewachsenes Ensemble aus Staatsgalerie Stuttgart, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Musikhochschule und den Staatstheatern sowie – neuerdings – dem Erweiterungsbau der Württembergischen Landesbibliothek. Der Wettbewerb von 2010 brachte zunächst drei gleichberechtigte zweite Plätze: wulf architekten, Stuttgart, E2A / Piet Eckert und Wim Eckert Architekten, Zürich, sowie Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart. Die Jury unter Leitung von Christoph Mäckler forderte eine „stadtbildprägende Lösung von hohem architektonischen Anspruch“. Schließlich galt es nicht nur, die 1970 von Horst Eduard Linde entworfene Landesbibliothek zu ergänzen, sondern die gesamte Kulturmeile mitzudenken, insbesondere die Sichtachsen zum Turm der Musikhochschule. 20
Nach der Überarbeitung votierte die Jury im Mai 2011 für das Stuttgarter Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei. Entscheidend war die „hervorragende städtebauliche Einbindung entlang der Kulturmeile“. Die dominierende Konrad-Adenauer-Straße könnte jetzt schrittweise zur Allee rückgebaut werden. Der Verlust dieses einst respektablen Boulevards werde deutlich, wenn man als Fußgänger versuche, die Konrad-Adenauer-Straße entlangzugehen, sagen die Architekten: Der freien Fahrt im Auto stehe die Gängelung des Fußgängers gegenüber. Hier setzt das neue Haus Zeichen. Es rückt an die Konrad-Adenauer-Straße und verbindet den Bürgersteig der Stadtautobahn durch eine großzügige Treppenanlage, die ihre eigentliche Bedeutung wohl in den nächsten Jahren erst entfalten wird. Stadtraum reparieren Eines stand für die stadträumlich denkenden Architekten immer im Vordergrund: Es galt, dem im Krieg traumatisierten und in der Nachkriegszeit vollends aus den Fugen geratenen Stadtraum „wieder eine Fassung zu geben“. So setzten sie den Baukörper wie eine Akupunkturnadel dorthin, wo er Wirkung entfalten konnte, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Denn das Haus tritt nicht als weiterer Solitär in der Perlenkette der großen Bauten auf, es verbindet und versöhnt, wie es ein Duett bildet mit der ursprünglichen Württembergischen Landesbibliothek, einem kupferverkleideten Kubus aus Sichtbeton mit seinem markanten Lesesaal. Die Erweiterung sollte „nicht als eigenständiger Baukörper in Erscheinung treten, sondern optisch tatsächlich lediglich eine Erweiterung des viel größeren Altbaus darstellen“, fordern die Architekten. Dies gelang, indem sie die Materialität des Bestands aufnahmen und den Baukörper zugleich frei stellten. Das Haus verfügt über zwei Eingänge.
Unten, auf Straßenniveau, liegt die Cafeteria, die unabhängig von der Bibliothek betrieben werden kann. Darüber öffnen sich der Haupteingang mit Foyer und der Ausstellungsbereich. Das erste Obergeschoss wiederum verbindet über eine Brücke Alt- und Neubau. Weiterdenken, so lautet das Prinzip. Der Erweiterungsbau nimmt daher die Materialität des Altbaus, Sichtbeton in feiner Bretterschalung, auf und ähnelt die mit Weißzement und Titandioxid aufgehellte Fassade zugleich dem Sandstein der benachbarten Stirling-Bauten an. Seine Sichtbetonfassade ist als Ortbetonschale mit Kerndämmung vor die tragenden Betonwände gehängt. Selbst die Schalung aus sägerauen Brettern bezieht sich auf die vom Bestand vorgegebenen Dimensionen. Die Oberflächen wurden mit Zementschlämmen vorgealtert. Und die Wandfelder der gefächerten Fassade greifen die Kupferverkleidung des alten Lesesaals auf, ebenso wie das Dach. Ursprünglich war die Eröffnung zum 250. Jahrestag der Württembergischen Landesbibliothek im Jahr 2015 geplant. Die 1765 von Herzog Carl Eugen gegründete Institution – eine der ältesten öffentlichen Bibliotheken Deutschlands – hatte mit 70.000 Neuzugängen im Jahr und über 5,6 Millionen Medien (derzeit über 6 Millionen Medien) Bestand die Kapazitätsgrenzen längst erreicht. Knappe Geldmittel verhinderten den Baubeginn, im März 2015 wurde die Baustelle eingerichtet, im Folgemonat die bestehende Tiefgarage abgebrochen, im März 2018 war der Rohbau fertiggestellt, der nahezu seinen gesamten Bedarf an Heiz- und Kühlenergie aus Geothermie sowie über Wärmetauscher beim Abwasser gewinnt. Lebendiger Lernort Eine gute Bibliothek ist heute kein Bücherlager mehr, die ihre Bestände nur für folgende Generationen verwahrt, sie
ist ein lebendiger Lern- und Begegnungsort, der Wissen mit den Wünschen seiner Nutzer teilt und sich so vernetzt mit den Fragen der Gegenwart. Der durch einen Steg mit dem Bestandsgebäude verbundene Neubau vergrößerte die Freihand- und Lesebereiche sowie die Magazinflächen dramatisch. Er bot zugleich die Chance, die Magazin- in eine Freihandbibliothek zu verwandeln. Im Zentrum der größten wissenschaftlichen Bibliothek Baden-Württembergs liegt der Lesesaal mit seinen rund 250.000 Medien für bislang 1.200 tägliche Besucher. Dazu kommen 500.000 Bände des Freihandmagazins, so dass permanent rund 750.000 Medien frei zugänglich sind. Im zweiten und dritten Obergeschoss sind die Leseplätze direkt an der gefächerten Fassade ablesbar. Dieses Prinzip kehrt sich im Dachgeschoss um: Dort, wo über Dachfenster Tageslicht direkt ins Herz des Hauses fällt, finden sich auch die Leseplätze. Zwar wurde aus Kostengründen darauf verzichtet, den Beton einzufärben, dafür greift der grüne Teppichboden augenzwinkernd den Noppenboden der benachbarten Staatsgalerie auf. Die handwerklich aufwendige Schalung mit sägerauen Brettern sorgt für eine lebendige, stets sich wandelnde Atmosphäre des Sichtbetons, dessen raue Oberfläche perfekt mit glatten, abgehängten Decken und Holzverkleidungen kontrastiert. Entstanden sind klare Räume, perfekt für Forscher und die interessierte Öffentlichkeit. „Don’t judge a book by its cover“, heißt es warnend im Englischen, beurteilen Sie ja kein Buch nach seinem Einband. Bei der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart kann man getrost dem ersten Augenschein trauen. Die Qualitäten, die das Haus schon auf den ersten Blick verspricht, setzen sich im Inneren fort. Die städtebauliche Akupunkturnadel sitzt und verspricht eine langfristige Transformation des Areals. 21
Baulücke Köln Oliver Herwig
Eine schmale Baulücke in einer denkmalgeschützten Häuserzeile aus der Gründerzeit in Köln-Ehrenfeld. Eine Garage. Und eine Chance für den Architekten Wolfgang Zeh, der hier, unmittelbar gegenüber der Eisenbahnlinie nach Aachen, ein Experiment begann, das Räume ebenso neu sortiert wie unsere Vorstellung vom Wohnen. Zwischen zwei Brandwände einklemmend errichtete der ArchitektenBauherr ein sechsgeschossiges Haus mit viel Eigeninitiative und offenem Denken. Creatio ex nihilo – gilt hier nicht. Nichts kommt von nichts. Wir sind eingebettet in Gesellschaft, Wirtschaft, Verordnungen und Beziehungsgeflechte. Manchmal aber ergeben sich unverhoffte Chancen. Wie diese Lücke im städtischen Geflecht, die es erst zu finden und dann klug zu füllen galt für Menschen, die Chancen jenseits konventionellen Renditedenkens sehen. In Köln-Ehrenfeld jedenfalls lag ein solcher Ort, der vom Architekten-Bauherrn Wolfgang Zeh identifiziert und genutzt wurde. Das bereits vielfach ausgezeichnete Projekt „Bauen in der Lücke“ zeigt, wie wichtig ein offener Blick und eine unvoreingenommene Betrachtung des Bestandes sind, um Stadt gezielt weiterzuentwickeln. Oder sollte man eher sagen: spontan weiterzubauen? Denn genau dieses Moment macht den Charme und die Leichtigkeit des Projektes aus. Gefragt, wann denn das Haus „fertig“ wurde, schmunzelt der 43-Jährige. So 2017/18, kommt als Antwort, ohnehin sei er/es noch immer nicht fertig, zumindest nicht restlos. Flexibilität gefragt Wer spontan ist, muss mit Unwägbarkeiten zurechtkommen. Und unerwartete Wendungen als gute Fügungen begreifen. „Flexibilität ist ein Gewinn“, sagt Wolfgang Zeh, der eine 3-Zimmer-Wohnung in die Vertikale kippte. Auf einem 22
Grundstück in Handtuchgröße entstand über sechs Etagen ein Haus, samt Keller und Dachterrasse. Unten Ankommen und Arbeiten. Darüber Wohnen. Das Erdgeschoss verknüpft das Wohn-Arbeits-Haus mit der Straße. Die Wohnräume allerdings blicken über die Gleise. Dazwischen liegen Schlafräume und das Bad. Zugegeben, eine etwas seltsame Vorstellung – und doch hoch spannend. Denn das Haus gleicht mit seinen an die Treppen und Lufträume angeschlossenen Räumen einem Möbiusband, das immer neue Perspektiven eröffnet und großzügiger wirkt, als es die reinen Zahlen erwarten lassen. Doch was sagt schon ein Blick auf Quadratmeter? Formal hat der Architekten-Bauherr alle Regeln eingehalten. Aufenthaltsräume müssen in Nordrhein-Westfalen mindestens 2,40 Meter Höhe aufweisen, oberhalb und unterhalb einer Empore aber nur 2,20 Meter. Folglich entstanden drei Geschosse und drei Emporen – und zugleich ein ungewohnt fließender Raumzusammenhang über Lufträume. Der Hausherr nickt: Hier könne er Räume anders verbinden und trennen als auf einer einzelnen Etage. Jeder Raum habe einen anderen Bezug nach außen. Das Haus will erwandert, erstiegen und körperlich erfahren werden. Zentrale Fragen waren etwa die nach Bad und Toilette. Das familiäre Leben spielt sich in der Mitte ab. Gewinne an Flexibilität ziehen eine gewisse Unschärfe nach sich. Das Projekt ist ein Experiment, eines, das im Dazwischen angesiedelt ist, wie die aufgelösten Raumgrenzen schon andeuten. Zeit spielte bei dem Projekt eine besondere Rolle. Vieles war – und ist immer noch – Prozess. 2011 wurde das Grundstück erworben. Der erste Gedanke: Weihnachten sind wir drin. Aber für sich selbst zu entwerfen, ist schwer, besonders, wenn alles nebenbei funktionieren soll. Das Projekt ruhte und reifte immer wieder. Nach zwei Jahren war das zentrale Verbindungsstück, die Treppe, entworfen, auch der Genehmigungsprozess kostete Zeit.
Pragmatisch mit Beton Es tut gut, sich die Dimensionen des Hauses vor Augen zu führen: 10 × 3 Meter. Das Grundstück selbst ist zum Glück 3,50 Meter breit. Das hat zur Folge, dass die 52 Zentimeter tiefen Kölner Brandwände hälftig dazugehören – auf beiden Seiten. Geschlämmt und neu verfugt, tragen sie dazu bei, den Charme des Hauses zu verstärken, diesen Mix aus Glas und Beton. Ganz am Anfang dachte Wolfgang Zeh an einen Holzbau in der Lücke, ein Paar Holzdecken, fertig. Doch so einfach war es nicht. Ein Stahlgebäude wäre wohl möglich gewesen, allerdings komplett verkleidet. Er sei heilfroh, dass es in Beton ging, sagt Zeh, das Haus habe eben eine recht ungünstige Geometrie. Der „Statiker mag Beton, hat lange Erfahrung im Beruf und auch schon für Böhm gerechnet. So hat er dann auch diesen sehr ungünstigen Lastfall mit Ansetzung aller Treppen, Über- und Unterzüge hingekriegt.“ Gebaut wurde wie in den Sechzigerjahren. „Einen Kran hat das Haus nicht gesehen, auch keine Betonpumpe. Zum Betonieren genügten Eimer und Seilwinde.“ Mehr hätte sich auch gar nicht gelohnt, die Betonierabschnitte waren dafür einfach zu klein. Also wurde am Freitagabend der Beton auf der Straße gemischt und Schritt für Schritt betoniert. Sizilianische Brüder arbeiteten am Wochenende, sie hatten Lust darauf, alles schön zu machen, besonders die Treppenwendelung. Der Rohbau zog sich hin. Sobald aber die Fassade dran war, zog der Architekt ins neue, noch ungeheizte Büro. Der Keller wurde Baubude und Werkstatt, im fließenden Übergang bis zur Inbetriebnahme. Natürlich legten alle selbst Hand an: Oberflächen wurden geschliffen, Fenster eingesetzt, alles nebenbei und ohne großen Zeitdruck. Das ist es, was Zeh anderen Bauherren rät: Die Wand selbst zu schlämmen und ganz nebenbei im
Bauprozess zu lernen, was noch geht und wo man selbst anpacken kann. Die Fliesenfarbe sei doch egal, meint Zeh, wichtig sei der Grundriss, später könne man über Bodenbeläge nachdenken. Bauen heißt, Schwerpunkte zu setzen. Die Treppe etwa war wichtig, damit musste der Bauherr zufrieden sein. Und doch ist hier nichts für die Ewigkeit. So wie das Mobiliar schon etliche Male herumgerückt wurde, ist auch das Haus nicht fürs Rentnerdasein gedacht. Etwa 20 Jahre gibt der Architekt seiner Familie hier. Er glaube an den Wechsel des Wohnortes, sagt Zeh. Denn eigentlich sei die Idee des Eigenheims überholt. Experimente lohnen sich Was also lehrt der Lückenfüller von Köln? Zunächst, dass Grenzen wohl in erster Linie in unseren Köpfen stecken, Grenzen, die es zu umgehen oder zu überwinden gilt. Natürlich wirkt es wie ein Stückchen vom Glück, wenn der Plan aufgeht. Besonders im Nachhinein fügen sich Puzzlesteine in ein Ganzes, das am Anfang so nicht erkennbar war. Doch Glück hat mitunter Methode. So wie Flexibilität die Kehrseite von Unschärfe ist. Beispiel energetische Optimierung. Das Haus steckt zwischen Bestandsbauten und ist mit seinen großen Glasflächen nach Süden ausgerichtet. Der Energieverbrauch ist verschwindend gering, die Heizung sitzt in den Betondecken, und das bisschen Volumen bewältigt die Wärmepumpe. Fazit des Bauherrn und Architekten: Wir sollten nicht so DIN-gläubig sein und immer die vorhandenen Spielräume erweitern. Vielleicht ist es das, was hier mitschwingt und das Projekt so anziehend macht. Hier wird spielerisch Raum gesehen und Raum geschaffen – Neuland mitten in der Stadt.
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