Gärten des Jahres 2020

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GÄRTEN DES JAHRES 2020

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PAR TNER UND JUROREN

Lutze von Wurmb (Präsident Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V.) Prof. Dr. Swantje Duthweiler (Vorsitzende Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) Bayern) Tanja Gallenmüller (Editorial Manager Garten+Landschaft und topos) Andrea Kögel (Chefredakteurin Mein schöner Garten) Volker Püschel (Büro Landschaftsarchitekt Volker Püschel, Preisträger GÄRTEN DES JAHRES 2019) Dr. Folko Kullmann (Editor Gartenpraxis & GÄRTEN) Jens Spanjer (Präsident Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V., Geschäftsführer Stiftung Schloss Dyck) Konstanze Neubauer (Autorin)

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Partnern

GÄRTEN DES JAHRES CALLWEY VERLAG GARTEN + LANDSCHAFT MEIN SCHÖNER GARTEN GARTENPRAXIS, BDLA BGL, BSLA, DGGL, ÖGLA

GARTEN +

LANDSCHAFT


Die 50 schönsten Privatgärten


I N H A LT

ab Seite 14

6

04 05

Einleitung

12

1. Preis/Anerkennungen

14

1. Preis Atmosphäre ist alles Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen gartenplus – die gartenarchitekten

24

Anerkennungen Der Garten der zehn Jahreszeiten Viersen, Niederrhein, Nordrhein-Westfalen Brigitte Röde – Planungsbüro Garten und Freiraum

ab Seite 40

ab Seite 80

84

Ein Garten in der Garrigue Correns, Frankreich Auböck+Kárász Landscape Architects

88

Das gewisse Etwas Oberösterreich tomhimmelgrün

92

Ein begehbarer Traum Mödling, Niederösterreich dieLandschaftsplaner.at Ziviltechniker GmbH

98

Im Weingarten zu Hause Mainz-Bodenheim, Rheinland-Pfalz Peter Berg

32

Küstenträume im Garten Ostseebad Sierksdorf, Schleswig-Holstein Ilka Mahro Gartengestaltung

102

40

Oberbayrisches Lebensgefühl in Grün Starnberger See, Voralpenland, Bayern Christiane von Burkersroda Gartendesign

Viel mehr als „nur“ Wasser Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen Daldrup Gärtner von Eden

106

48

Klassik trifft Moderne Bonn, Nordrhein-Westfalen WKM Landschaftsarchitekten

Ein guter Garten gibt Geborgenheit Stadtgebiet München, Bayern Koch+Koch GartenArchitekten

110

56

Ausgezeichnete Projekte

Mit der Natur auf Augenhöhe Wila, Kanton Zürich, Schweiz Angelika Studer Garten – Architektur

58

Inszenierung einer Seelandschaft Oberbayrischer See, Bayern Koch+Koch GartenArchitekten

114

Kleinod hinter hohen Mauern Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen Frensch GartenLandschaft

64

Gartenhof unter freiem Himmel Kanton Graubünden, Schweiz egli jona ag

118

Wasser ist Leben Vorort von Bern, Kanton Bern, Schweiz Hariyo Freiraumgestaltung GmbH

68

Tiefe Blicke Udligenswil, Kanton Luzern, Schweiz Lustenberger Schelling Landschaftsarchitektur

122

Der Garten der bewegten Steine Lindlar, Nordrhein-Westfalen Frank Schroeder Gartenmanufaktur & Landschaftsbau

72

Es lebe der Unterschied! Hamburg MSB Landschaftsarchitekten

126

Höhenspiele zwischen Marsch, Geest und Moor Westoverledingen, Niedersachsen Peter Berg

76

Relaxen auf dem Garagendach Kanton Zürich, Schweiz Parc's Gartengestaltung GmbH

130

Aus grauer Vorzeit in die Moderne Muntelier, Kanton Freiburg, Schweiz Gartenkultur AG

80

Der Wow-Effekt Wollerau, Kanton Schwyz, Schweiz BNP Landschaftsarchitekten GmbH

134

Ein Geschenk an die Natur Burg bei Magdeburg, Sachsen-Anhalt Potsdamer Gartengestaltung GmbH

138

Einer für alle, alle für einen Wil, Kanton Zürich, Schweiz Grimm Gärten


ab Seite 134

ab Seite 166

ab Seite 228

142

Willkommensgruß von einer Baumschönheit Aachen, Nordrhein-Westfalen 3PLUS Freiraumplaner

194

Der Traum vom Süden Potsdam, Brandenburg Potsdamer Gartengestaltung GmbH

146

Die Spur führt zum Wasser Hamburg WES LandschaftsArchitektur mit Maxie Strauch

198

Reminiszenz an eine Villen- und Landhauskolonie Feldafing, Bayern Stephan Maria Lang Architektengesellschaft mbH

150

202

Weite Blicke – tiefe Einkehr Region Erlangen, Bayern WLG Wollborn LandschaftsArchitekten GmbH

Das i-Tüpfelchen in der Gestaltung Potsdam, Brandenburg Landschaftsarchitekt Ulrich Timm

154

206

Keine Frage der Größe Wilhelmshaven, Niedersachsen Karin Schelcher Garten- und Landschaftsarchitektin

Gartenkunst am steilen Hang Olten, Kanton Solothurn, Schweiz Hariyo Freiraumgestaltung GmbH

210

Wechselspiel der Ebenen Richterswil, Kanton Zürich, Schweiz Lustenberger Schelling Landschaftsarchitektur

214

Wasserlandschaft im Wohngarten Erkelenz, Nordrhein-Westfalen Mueller Landschaftsarchitekten BDLA

158

Auf Entdeckungstour durch einen Hanggarten Landkreis Roth, Bayern gardendesign.green Büro für Privatgartenplanung

162

Der Hortus conclusus des Wassers Berchtesgaden, Bayern Fuchs baut Gärten, Gärtner von Eden

220

Weniger ist manchmal mehr Odenwald, Hessen Feldmann Garten & Landschaft

166

Die Liebe zu den Bäumen Kanton St. Gallen, Schweiz Parc's Gartengestaltung GmbH

224

In der Tradition schwäbischer Weingärten Stuttgart, Baden-Württemberg Otto Arnold GmbH

170

Die Rückkehr der Pflanzen Thalwil, Kanton Zürich, Schweiz Lustenberger Schelling Landschaftsarchitektur

228

Im Felsengarten Schärding, Oberösterreich tomhimmelgrün

174

Die Kunst der Raumaufteilung Stuttgart, Baden-Württemberg Otto Arnold GmbH

234

178

Flower-Power Dortmund, Nordrhein-Westfalen Jochen Gempp Gartendesign

Der „geborgte“ Blick in die Natur Region Stuttgart, Baden-Württemberg Birke Hörner Freie Landschaftsarchitekten BDLA Ludwigsburg + KEPOS Carola Dittrich (Staudenpflanzung)

182

238

Ein Tribut an die Romantik Bremen Leucht Garten- und Landschaftsbau, Gärtner von Eden

Die Farben des Sommers Münsterland, Nordrhein-Westfalen Daldrup Gärtner von Eden

242

Wie Ferien am Bodensee am Bodensee, Baden-Württemberg Grimm garten gestalten

246 272 286 296

Lösungen des Jahres 2020 Unsere Unterstützer Adressen und Pflanzenregister Impressum/Bildnachweis

186

190

Gegensätze sind anziehend Baldham, Bayern Fuchs baut Gärten, Gärtner von Eden Ars vivendi im Grünen Allmendingen, Kanton Bern, Schweiz Gartenkultur AG



EINLEITUNG

von Meike Winnemuth

Ein Garten, wie er im Buche steht – Warum Traum und Wirklichkeit beim Gärtnern so wenig miteinander zu tun haben (Gott sei Dank). Wenn man eine komplette Anfängerin ist wie ich, beginnt man seine Gärtnerkarriere in der Regel mit Büchern wie diesen. Als ich mir 2018 vornahm, ein ganzes Jahr in meinem neuen Garten an der Ostsee zu verbringen und das Gärtnern zu lernen – es war der erste Garten meines Lebens, zuvor hatte ich nur schmale Großstadtbalkons mit verhungertem Supermarkt-Basilikum –, habe ich den Januar überwiegend in stabiler

Gartenbücher sind legale Drogen

Rückenlage auf dem Sofa verbracht, umgeben von gan-

06 07

zen Stapeln grabplattenschwerer, schön gedruckter

Mit äußerster Vorsicht zu genießen, wenn man eine

Prachtbände. Darin: Verheißungen. Versprechungen.

gewisse Empfänglichkeit dafür mitbringt. Besonders im

Aussichten auf das, was in solchen Büchern in der Regel

Winter sind sie brandgefährlich, denn im Winter scheint

„Paradies“ heißt oder „Oase“ oder „Refugium“, also auf

im Garten alles möglich, das ist eine Zeit fern jeder Reali-

üppige Staudenrabatten und sanft wogende Gräser hin-

tät, eine Zeit voll dummer Ideen und Größenwahn. Man

ter akkurat abgestochenen Rasenkanten, über allem ein

blättert versonnen durch großformatige Seiten und denkt

ewig blauer Himmel mit höchstens vereinzelten Schäf-

bei sich: „Ach, wie schön! Genau so soll das bei mir auch

chenwolken. In Gartenbüchern ist immer Juni und im-

mal aussehen. Und wenn das ein norditalienischer Mar-

mer Sonntagnachmittag und immer Hängematte oder

chese mit fünf festangestellten Gärtnern in seinem Schloss-

(wenigstens in den letzten Jahren) immer Lounge-Land-

park hinkriegt, dann schaffe ich das doch auch. Dauert

schaft, die niemals nass geregnet ist. Hat man je eine

höchstens ein bisschen länger.“ Man ist als Gartenanfän-

Schnecke in einem Gartenbuch gesehen oder gar das,

gerin eben auch Gartenbuchanfängerin und tappt folglich

was sie anrichtet? Natürlich nicht, sie kommt höchstens

beim Lesen in alle möglichen Fallen. Die fatalste: das zu

als niedliche kleine Strichzeichnung vor und selbstver-

glauben, was man da sieht. Man denkt, dass es nur ein

ständlich nur in ihrer freundlichsten Form, lächelnd

bisschen Mühe braucht und ein bisschen Zeit und ein biss-

und mit Gehäuse.

chen Geld – und dann wird das genauso schön wie auf den Fotos. Wenn nicht noch schöner. Dabei sagt einem schon ein Rest von gesundem Menschenverstand, dass kein Garten der Welt immer so aussieht wie auf seinen Fotos. Ich würde sogar behaupten: nie. Es wird so sein, denke ich, wie bei einem Fotoshooting für eine Modezeitschrift: Da wird gezupft und gerafft, da werden welke Blätter entfernt und Löwenzahn, da wird im schmeichelhaften Morgen- oder Spätnachmittagslicht fotografiert und vorher jede Spur menschlichen Lebens getilgt. Schlauchwagen, Trampolin, Kugelgrill? Undenkbar. Wie Topmodel Cindy Crawford mal so weise sagte: „Nicht mal ich sehe aus wie Cindy Crawford, wenn ich morgens aufstehe“, und das gilt für Gärten gleich mehrfach.


EINLEITUNG

Kein Traumgarten sieht aus wie ein Traumgarten

Allzu oft gibt es dann XXL-Natursteinplatten aus Muschelkalk oder Grauwacke, darauf nahezu überall dieselbe Grundmöblierung: Sitzlandschaft, Outdoorkü-

08 09

Im Februar oder bei Nieselwetter oder kurz vorm

che, Pool oder wenigstens ein Wasserbecken mit

Rasenmähen. Ohnehin wird er ja nur in der für ihn vor-

Schwallblech. Die Pflanzen werden meist nach Fernwir-

teilhaftesten Jahreszeit abgelichtet. Ein Gräsergarten

kung ausgesucht: Allium, gern die ostentativen 'Globe-

natürlich im September (im April wäre er jämmerlich)

master'. Gräser, natürlich die architektonischen Miscant-

und ein Rhododendrongarten bestimmt nicht in den

hus sinensis, Pennisetum oder Calamagrostis 'Karl Foers-

50 Wochen des Jahres, in denen er nur ein ödes grünes

ter'. Monokulturen von Lavendel, Rhododendron, Hy-

Gebirgsmassiv ist. Sollte man die Lektüre von Garten-

drangea 'Annabelle'. Catalpa, Amberbaum, die fast schon

büchern also unterlassen? Natürlich nicht, ganz im Ge-

ubiquitäre mehrstämmig aufgeastete Felsenbirne vor

genteil, sie spielen in der Erziehung eines Gärtners eine

Edelrostwand – fast immer sind es Pflanzen, die mit

unschätzbar wichtige Rolle: Sie fachen in ihm ein Flämm-

einem Blick zu erfassen sind, so grafisch klar wie auf der

chen an, eine Lust und ein „Au ja“. Ein Fünkchen Sehn-

Entwurfszeichnung. All das ist ganz gewiss tadellos gu-

sucht wird zu flammender Leidenschaft, und Gartenbü-

ter Gartengeschmack, aber ist es nicht auch entsetzlich

cher sind die Brandbeschleuniger. Vor allem aber sind

langweilig? Nach dem Telefonat mit meinem Gartenpro-

sie Entscheidungshilfen. An jedem Foto eines fremden

fi habe ich mich jedenfalls hingesetzt und aufgeschrieben,

Gartens schärft sich der eigene Geschmack. Man lernt,

was ich von meinem Garten will. Am Anfang standen

was einem gefällt und was gar nicht. Weiß man ja vorher

auf dem Blatt lächerlich große Wörter: Schönheit, Nah-

nicht, weiß man doch erst, wenn man es sieht. Bei jedem

rung (physische und psychische), körperliche Arbeit als

Betrachter löst ein und dasselbe Gartenbild eine andere

Ausgleich zum Schreibtischjob, Ruhe, Freiheit, Wildheit,

Reaktion aus: Herrlich, diese geometrische Strenge! Nein,

Nähe zur Natur, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Dann

furchtbar, diese vergewaltigte Natur! Herrlich, diese

wurde es genauer: Hochbeete für Gemüse, denn ich habe

Intimität! Nein, furchtbar, diese Enge! Ganz klar: Den

schweren lehmigen Boden. Insektenfreundliche Wild-

ultimativen Traumgarten kann es gar nicht geben.

stauden. Pflanzen, die sich im Ostseewind bewegen. Transparenz, Leichtigkeit. So wenig Rasen wie möglich. Ein Gewächshaus, um Jungpflanzen aus Samen selbst zu

Der Traum des einen ist der Alptraum des anderen

ziehen. Ich will einen Ort, den ich einerseits selbst geschaffen habe, der sich aber andererseits mir nicht unterwirft, sondern sein eigenes Ding macht. Ich will keinen

Ich habe zu Beginn meines selbstverordneten Gärtnerlehrjahres mit einem befreundeten Gartengestalter

Barockgarten, der meinen Herrschaftsanspruch über dieses Stück Land demonstriert.

telefoniert, der beklagte, dass die wenigsten Auftraggeber wirklich wüssten, was sie wollen. Soll halt schön werden. Und pflegeleicht natürlich, das vor allem. Aber sonst? Keine Ahnung. Ich stelle mir das unglaublich

Mein Garten soll ein lebendiger Ort sein, der sich ständig verändert und entwickelt

schwer vor: jemandem einen Garten auf den Leib zu schneidern, der keinerlei Vorstellung davon hat, in welche

Der nie fertig ist. Der mich immer wieder überrascht.

Umgebung er sich gern hüllen würde. Wie soll das gehen?

Ein Ort, den es nur hier nur so geben kann. Eine der

Die Gefahr besteht in solchen Fällen darin, dass die

wichtigsten Lektionen, die ich gottlob gleich am Anfang

Gartengestaltung das Vokabular des kleinsten gemein-

gelernt habe, ist die Einsicht, dass es erst mal völlig egal

samen Nenners wählt und dass das Ergebnis bei aller

ist, was man selbst gern im Garten hätte. Entscheidend

Großartigkeit recht gleichförmig ausfällt.

ist, was der Garten gern im Garten hätte. Auf was für einem Boden man da steht, in welcher Klimazone man sich befindet, wie die Lichtverhältnisse sind (und zwar gefälligst zu allen Jahreszeiten), wie windig es ist. Dass jeder Garten seine ganz eigenen Gesetze hat, ist mir in dem Moment klargeworden, als ich ein paar geschenkte Stauden meiner 90-jährigen Nachbarin Frau Schröder bei mir einpflanzte: Fransenmohn, Lenzrosen, Herbstanemonen. Frau Schröder wohnt knapp 100 Meter von mir entfernt, und dieselben Pflanzen blühen bei mir zwei Wochen später als bei ihr. Wenn überhaupt.


EINLEITUNG

Die Erkenntnis: Ein Garten lässt sich nicht replizieren, nicht mal, wenn er direkt nebenan liegt. Bloß nicht

Jede Saison wurde ich per Versuch und Irrtum ein bisschen schlauer.

über den Zaun schielen, das bringt überhaupt nichts: Der Boden ist ein anderer, das Mikroklima und damit auch

Ein bisschen sicherer in dem, was ich machen wollte,

der Garten. Zwei Sonnenstunden mehr oder weniger

was der Garten zulassen würde und wie ich ihm helfen

machen schon einen gewaltigen Unterschied.

könnte. Einige Einsichten waren zunächst kontraintuitiv,

In jedem Gartenbuch sollte deshalb eigentlich Pflicht

das beherzte Herunterschneiden spätblühender Stauden

sein, was meine Lieblingszeitschrift, die britische „Gar-

Ende Mai etwa, der legendäre „Chelsea Chop“, weil die

dens Illustrated“, ganz selbstverständlich erledigt: Zu

schon im Normalfall mannshohen Eupatorium fistulosum

jeder Gartenreportage die genaue Benennung der Bo-

und Cephalaria gigantea bei mir dank des fetten Lehm-

denqualität und der Klimazone packen – so kann man

bodens knapp drei Meter erreichen und dann unzere-

sich schon mal einige seiner Blütenträume per Realitäts-

moniell umkippen. Der scheinbar brutale Eingriff ver-

prinzip abschminken. Ich habe, wie gesagt, fiesesten

hindert das Schlimmste und sorgt für das Schönste,

tonigen Lehm, nach längeren Regenfällen steht oft ta-

ebenso bei Aconitum carmichaelii 'Arendsii' und meiner

gelang das Wasser in Pfützen. Hier mediterrane Tro-

Salvia uliginosa, die sich gerade in einen zweiten Killer

ckenheitsliebhaber oder Steppenstauden hinzusetzen,

ähnlich der Aster verwandelt. Denn wo sind eigentlich

wäre vergebene Liebes- und Arbeitsmüh – was nicht

die schönen Lythrum salicaria abgeblieben?

heißt, das ich es nicht probiert hätte. Man glaubt ja immer,

Es macht nicht immer Spaß am Anfang. Mit zusam-

die Gesetze der Natur gelten ausgerechnet im eigenen

mengebissenen Zähnen habe ich inzwischen eingesehen,

Garten magischerweise nicht.

die Stauden tatsächlich so weit auseinander zu setzen, wie es empfohlen wird – mit deprimierend großen Lücken

Beim Anlegen eines Gartens hilft, schon älter zu sein und folglich geduldiger

dazwischen. Klar kann man die Lücken mit Einjährigen füllen, was dann aber leicht mal dazu führt, dass die Lückenbüßer (in meinem Fall Kornblumen) so üppig wuchern, dass die kostbaren Stauden keinen Lichtstrahl

Nachdem ich meine Hütte 2016 gekauft hatte, habe ich ein Jahr lang erst mal geguckt, was mir überhaupt

mehr sehen. Also wieder raus mit den Kornblumen, ein weiteres Mal fluchend.

aus dem Boden entgegenkam. Ich würde das gern nachträglich als äußerst klug hinstellen, aber eigentlich war es ein Ergebnis meiner Unentschlossenheit und Überforderung. Ich habe entfernt, was ich wirklich nicht

Gärtnern heißt, sich von Ideen immer wieder zu verabschieden und neue zuzulassen

mochte – die unmotiviert mitten im Rasen platzierten drei Berberitzen, ein optisches und haptisches Ärgernis

Ständig muss man umdenken, andere Lösungen er-

– ansonsten einfach nur beobachtet und notiert. Dass

wägen. Oft weiß man erst nach zwei Jahren, ob man

zum Beispiel die tief stehende Sonne ab Herbst für ein

richtig lag, und das ist eine verdammt lange Zeit in un-

halbes Jahr Schatten sorgt, obwohl ich Stein und Bein

serem Tastendruckzeitalter, das an schnelle Ergebnisse

geschworen hätte, einen sonnigen Garten zu haben.

gewöhnt ist. Manchmal genügt es, einen neuen Platz zu

Als Feldversuch habe ich ein kleines Beet angelegt,

finden für Pflanzen, die einfach nicht am vorgesehenen

Teststrecke für einige Lieblingspflanzen: Delphinium,

Ort gedeihen wollen. Die haben dann schon Recht, die

Chasmanthium, Echinacea, Gaura, Perovskia – das meis-

wissen, was sie tun – im Gegensatz zu mir. Die ersten

te davon wurde Schneckenfraß, scheiterte am Boden oder

drei Jahre sollte man unbedingt als Lehrjahre betrachten,

wurde von meiner monströsen Wildaster ageratoides

in denen man geduldig lernt, was dieser spezielle Ort

'Asran' gemeuchelt, die alles um sich herum per Aus-

einem beizubringen hat. Man wird nicht gleich ein Meis-

läufer platt macht. Die Erkenntnisse des ersten Jahres

terstück abliefern.

flossen in das zweite, die des zweiten Jahres ins dritte.

Was viele auf den naheliegenden Gedanken bringt: Warum dann nicht gleich einen Meister anheuern, einen der tollen Garten- und Landschaftsarchitekten, wie sie hier im Buche stehen, und sich den Traumgarten einfach hinstellen lassen? Man würde ja auch nicht sein eigenes Haus hochmauern, elektrifizieren und Abflussrohre hinein verlegen, sondern überlässt das klugerweise Menschen, die etwas davon verstehen. Warum sollte man sich also ausgerechnet beim Garten durchpfuschen, mithin etwas zutiefst Undeutsches tun?


EINLEITUNG

Weil… Oh, wo fange ich an?

Einen von einem Profi fertig angelegten Garten zu beziehen, das wäre für mich so, wie ganzjährig in einem

Weil man dabei Erfahrungen sammelt und Gefühle

Hotel zu wohnen. Es ist ganz sicher wunderbar, wenn

entwickelt, die man nirgendwo sonst auf der Welt in sol-

einem täglich das Bettchen aufgeschüttelt und das

cher Dichte und solcher Widersprüchlichkeit erleben

Waschbecken geschrubbt wird und man sich nur ent-

wird. Um beim Haus-Beispiel zu bleiben: Richtig, eine

spannt zurücklehnen muss, aber wird man dort je zu

Villa wird man sich nicht mal eben mit eigenen Händen

Hause sein? Gehört dazu nicht der eigene Fingerabdruck,

bauen können, aber ein klappriges Baumhaus aus groben

die eigene Beteiligung?

Brettern zusammennageln, das kriegt man schon hin.

Damit ich mir etwas aneignen und wirklich zu meinem

Und jetzt mal schnell überlegen: Wo ist mehr platzender

eigenen machen kann, muss ich mich mit jeder Faser da-

Stolz, mehr Leidenschaft, mehr kindisches Glück, mehr

rauf einlassen, in guten wie in schlechten Tagen. Nie wird

glucksende Freude im Spiel? Ich würde also gern für den

ein Mensch die Schufterei auf einem Foto sehen können,

Garten als den vielleicht letzten Bereich in unserem Le-

die es bedeutet, jedes Frühjahr viele, viele Kubikmeter

ben plädieren, in dem nicht alles perfekt funktionieren

Kompost vom Rasen vor meinem Haus (dorthin kippt ihn

muss. Es darf auch einfach ein wilder Ort sein, unbe-

mein örtliches Kompostierwerk) nach hinten auf die Bee-

herrschbar, fröhlich wuchernd, ein Ort der tausend Über-

te zu schaffen. Schaufel um Schaufel, Karre um Karre,

raschungen. Ein Ort, an dem man wieder wie eine Fünf-

endlos, monoton – und unverzichtbar. Ich füttere den

jährige im Matsch spielen darf, selbstvergessen, und die

Garten, ich mache Boden gut. Über die Jahre wird sich so

Zeit einfach aus den Augen verliert.

mein blöder Matsch in fluffigen Humus verwandeln, von

Vor allem aber ein Ort, an dem man nichts richtig

dem vielleicht erst meine Nachfolger profitieren.

machen muss, weil es ein „richtig“ eben nicht gibt. Der Garten entlässt einen aus dem ewigen Perfektionswahn,

10 11

Man pflanzt das Morgen.

der sich ansonsten in jeden Lebensbereich gefressen hat. Im Garten muss man nichts, man darf. Man darf auch

Gärtnern ist eine Tätigkeit voll Zuversicht und Ver-

auf 500 Quadratmetern eine Löwenzahnplantage anle-

trauen, dass es weitergeht und dass man dafür sorgen

gen, wenn man lustig ist – wer sollte es einem verbieten?

kann. Belohnungen kommen oft spät und unerwartet, wenn man schon gar nicht mehr mit ihnen gerechnet hat.

Und man darf, das ist das Tollste, ungestraft Dilettant sein.

Nach vielen Jahren blüht endlich, was man vor gefühlten Urzeiten in den Boden gepackt hat, die Amsonia tabernaemontana im Beet, der Jasmin an der Pergola vor der

Das schöne Wort Dilettant hat leider ein trauriges Schicksal erlitten. Abgeleitet vom lateinischen delectare

Haustür. Während man darauf wartet, blüht einem etwas viel Wichtigeres: Gelassenheit.

(= sich ergötzen, sich erfreuen) bezeichnete es ursprüng-

Nach all meiner Rastlosigkeit, nach den Jahren des

lich jemanden, der etwas aus reinem Vergnügen macht,

„Heute hier, morgen dort“, das die Berufskrankheit der

aus Liebhaberei oder Leidenschaft. Das Wort war kei-

Journalistin ist, suchte ich einen Ort, an dem ich noch

neswegs abwertend gemeint, im Gegenteil. Es wurde

nie wirklich war: ein Zuhause. Ich wollte einen Ort, an

meist im Zusammenhang mit Menschen angewendet,

dem ich mich erden und verwurzeln konnte. Ich wollte

die es sich leisten konnten, etwas aus Lust zu tun und

ein Gefühl der Zugehörigkeit, ich wollte Boden unter den

nicht zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts. Lange war

Füßen finden. Stellt sich heraus: Den findet man am ein-

es den oberen Ständen vorbehalten zu dilettieren, es galt

fachsten, indem man ihn persönlich dorthin schaufelt.

als etwas äußerst Erstrebenswertes. Wer Dilettant war, hatte es echt geschafft. Spätestens in der Leistungsgesellschaft wurde der Dilettant vom Liebhaber zum Stümper. Die Wortbedeutung wandelte sich von jemandem, der etwas genießt, zu einem, der es nicht richtig kann. Dilettantisch heißt unfachmännisch, und der Fachmann ist das Maß aller Dinge, dem wir uns sogar in der arbeitsfreien Zeit zu beugen haben. Das Berauschende am Gärtnern ist nun aber die Tatsache, dass es wirklich jeder tun kann und jeder auf seine Weise. Es gibt keine Eingangsprüfungen, keine Mindestanforderungen (bis auf ein bisschen Erde, Wasser und Geduld). Ob es das Kräutertöpfchen auf der Küchenfensterbank ist oder ein mehrere Hektar großer Landschaftspark. Ich bin deshalb Dilettantin aus Überzeugung. Liebhaberin. Stümperin. Vor allem aber: Selbermacherin.


EINLEITUNG

Ich verstehe jeden, der Ehrfurcht vor der Aufgabe

Der Garten wächst und ich mit ihm.

hat, einen Garten zu gestalten. Es ist, wie dieser Band zeigt, ein großes Talent, das viele Fähigkeiten mitein-

Er ist ein Spiel aus Lust und Mut, und dieses Spiel hat

ander vereint. Wenn man es gut machen und ein preis-

nur eine Regel: Einfach machen – und wenn’s nicht passt,

würdiges Werk abliefern will, dann muss man so viel

macht man’s halt anders. Ein Fehlkauf wie jüngst der

mehr können, als ich es je können werde. Und doch:

einer Silphium perfoliatum (zu grob, zu gelb) kostet mich

Wäre es mein Garten, wenn ich ihn nicht selber angelegt

fünf Euro, mein Kompost ist jetzt um eine entsorgte

und gebaut hätte?

Pflanze reicher, und mein Garten hat Platz für Neues.

„Mein Garten“ – selbst das stimmt natürlich nicht

Fertig bin ich noch lange nicht, und das ist fantastisch.

wirklich. Es ist ein Stück Land, das vor mir schon ande-

Ich wollte keinen Garten, um etwas fertig zu haben. Ich

re begärtnert haben, Walter zum Beispiel, der vor bald

wollte einen Garten, um etwas zu beginnen, etwas mit

50 Jahren die Eiben vor dem Haus und die Rhododend-

eigenen Händen zu schaffen. Sollte es also irgendwann

ren gepflanzt hat, die ich niemals anrühren werde, auch

versehentlich fertig wirken, grabe ich einfach alles wie-

wenn ich Rhododendron eigentlich nicht mag. Auch sonst

der um. Gärtnern ist eine hochelastische Tätigkeit, un-

hat er einiges hinterlassen: Beim Anlegen der Terrasse

endlich dehnbar, was die Anpassung an Kenntnissen und

am Gartenhaus fanden wir einen gewaltigen Betonqua-

Ehrgeiz der Besitzer angeht.

der im Boden, der uns zunächst rätseln ließ. Ein Nachbar

Ich muss immer an das Zitat von Anais Nin denken, das

half weiter: Walter hat seine Angelfische immer selbst

sich problemlos auf den Garten übertragen lässt:

geräuchert, dies könnte das Fundament seines Räucher-

„Life shrinks or expands in proportion to one’s courage.” *

ofens gewesen sein. Mit dem Minibagger wurde er in

„And in proportion to one’s dreams.” **

eine Ecke bugsiert, ich wollte ihn unbedingt behalten.

Es beginnt mit dem Traum von einem Garten, gespeist

Denn er erinnert mich in seiner kantigen Schlichtheit an

aus Büchern wie diesem, Reisen, Kindheitserinnerungen.

ein abstraktes Monument in Goethes Weimarer Garten,

Ja, genauso, denkt man am Anfang, so soll es mal ausse-

vor dem ich oft bewundernd stand, den „Stein des guten

hen. Das ist auch völlig okay, so darf es gern beginnen:

Glücks“. Und so steht jetzt in meinem Garten ein Beton-

Würde man nicht vom Himmelreich träumen, würde

klotz, den ich „Walters Räucherofenfundament des guten

man sich kaum bemühen, dorthin zu gelangen.

Glücks“ nenne und der die Geschichte des Gartens mit meiner eigenen verbindet. Auch sonst ist mir sehr be-

Meike Winnemuth

wusst, dass dieser Garten mir nur auf Zeit gehört. Lange nach mir wird jemand die Plattpfirsiche vom Baum pflücken, der derzeit noch ein brusthohes Bäumchen ist, mit einer Ernte von gerade mal zwei Früchten im letzten Jahr. Jemand wird sich über die Aster ärgern so wie ich oder sie ausreißen, wie ich die Berberitzen. Ich mag, dass dieser Ort sich weiter verwandeln wird, das tut er ja jetzt schon von Jahr zu Jahr dank der vielen lustig durchwandernden Selbstaussäern, die ich angesiedelt habe, der Aquilegia, Verbena bonariensis, Dipsacus fullonum, Digitalis und Calendula. Ich wohne hier in einer riesigen WG aus lauter unberechenbaren Mitbewohnern, die einziehen, ausziehen, umziehen. Der Garten, den ich mir ausgemalt hatte, existiert in dieser Form schon nach nur vier Jahren nicht mehr, aus dem Traum ist eine Wirklichkeit geworden, wie ich sie mir nicht schöner hätte ausdenken können.

* Das Leben schrumpft oder erweitert sich im Verhältnis zum eigenen Mut. ** Und im Verhältnis zum eigenen Traum. Aber dann sieht es plötzlich ganz anders aus. Und das ist das Beste, was einem in einem Garten passieren kann.



GÄRTEN DES JAHRES

1. Preis Anerkennungen

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GÄRTEN DES JAHRES

gartenplus – die gartenarchitekten

1. PREIS

Atmosphäre ist alles

14 15

Dieser kleine Stadtgarten beweist, dass Größe allein nicht alles ist. Er misst gerade einmal 170 m² und bietet so viel Atmosphäre, so viel Geborgenheit und Wohnlichkeit, dass man am liebsten selbst auf einem der Holzstühle unter dem Blätterdach der Weidenblättrigen Birnen Platz nehmen würde. Oder im Schatten eines mehrstämmigen Apfeldorns auf einem der Sitzwürfel aus Holzlamellen. Dieser kleine grüne Rückzugsraum ist eine gelungene Ergänzung zum denkmalgeschützten Altbau mit Backsteinfassade, ja bildet mit ihm eine perfekte Einheit.

oben: Geborgenheit im Schutz der alten Backsteinmauer

rechts: Schöner Kontrast zwischen Geometrie und Landschaftlichkeit




GÄRTEN DES JAHRES

gartenplus – die gartenarchitekten

1. PREIS

links: Räumliche Einheit: Das Haus mit Backsteinfassade und der kleine Garten

Laudatio

16 17

In der Landschaftsarchitektur ist es eine große Kunst, auf begrenzter Fläche unterschiedliche Räume zu schaffen. Dieses ist in dem schmalen, 170 m² engen Stadtgarten hinter einem mehrgeschossigen denkmalgeschützten Altbau herausragend gelöst worden. Zum einen verliert man die Grenze zwischen Haus und Garten, ziehen sich die charakteristischen Backsteinmauern der Gebäudefassade wie selbstverständlich durch und um den gesamten Gartenraum. Die Tiefe des langen Raumes wird durch niedrige Sitzmauern, leichte Niveau-Unterschiede und ein Wasserbecken, das die Helligkeit des Himmels spiegelt, geschickt gegliedert. Sitzplätze und Grundstrukturen sind geradlinig und ordnen sich den Achsen von Gebäude und Grundstück unter. Der verbindende Weg hingegen schwingt sich landschaftlich durch die Beete. Zum anderen findet man hier eine herausragende Material- und Pflanzenverwendung, die den engen Raum weitet. Der heimische Naturstein der Bergischen Grauwacke kontrastiert angenehm mit dem Klinker und gibt dem Garten Authentizität. Großzügige Thymianteppiche weiten die schmalen Natursteinpfade auf, hochgeastete Kleinbäume wie die silbrige Weidenblättrige Birne in Dachform oder ein Hain aus mehrstämmigen Apfeldornen schaffen gute Maßstäbe für Sitzbereiche und Wegräume. Die Höhe der Mauern wird durch Eichenblättrige Hortensien und Elfenblumenteppiche abgestuft – eine Rasenfläche wird überhaupt nicht vermisst. In diesem Privatgarten in Düsseldorf wird auf ganz individuelle Weise ein räumlich schwieriger, in der Enge der Stadt aber charakteristischer Grundstücksstreifen zu einer hochwertigen Gartenoase und gut nutzbaren Wohnraumerweiterung. Planer und Bauherren beweisen hier eine hohe Sensibilität für Raum, Materialien und Atmosphäre. Swantje Duthweiler


GÄRTEN DES JAHRES

gartenplus – die gartenarchitekten

1. PREIS

Das Grundstück in Rheinnähe ist ganz

geschickt lösten. Der Garten bekam eine

typisch für die dicht besiedelte Wohnge-

zweite Terrasse, die, abgerückt vom Haus,

gend in der Stadt: lang und schmal, mit

im Grünen liegt. Ein Weg verbindet die

Grenzmauern aus Backstein. Genutzt

Sitzbereiche miteinander, der durch die

wurde der kleine Stadtgarten vor der Um-

flächig grüne Bepflanzung mäandriert.

gestaltung kaum, eigentlich wurde er nur

Seine Kanten verlaufen unregelmäßig und

zum Rasenmähen betreten. Nun sollte die

werden vom duftenden sonnenhungrigen

verwilderte Rasenfläche endlich ein Frei-

Thymian 'Bressingham' (Thymus doerfle-

luft-Gartenzimmer werden. „Die Garten-

ri) weich überwachsen. Das wirkt ange-

größe braucht keine Rasenfläche. Und die

nehm lässig in all der architektonischen

Bauherren, die sich eine ‚grüne Oase in

Strenge der Raumaufteilung.

LAGE DES GARTENS

Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen GRÖSSE DES GARTENS

170 m 2 PLANUNGSBÜRO

gartenplus die gartenarchitekten

der Stadt‘ vorstellten, ließen sich darauf

18 19

AUSFÜHRUNG

ein“, sagt Simon Leuffen, Landschaftsar-

Weg und Mauerverblendungen am

chitekt vom Team gartenplus. Die Ent-

Terrassensitzplatz bestehen aus Bergi-

scheidung, auf Rasen zu verzichten, er-

scher Grauwacke, die mit ihren gedeckten

leichtert nicht nur die Pflege, sondern

Farbtönen zur Sensibilität des Ortes und

erzeugt auch den wohltuenden Oa-

der Authentizität des Altbaus passt. Da-

FOTOGRAFIE

sen-Charakter mitten in der Großstadt.

von heben sich die hellen Sichtbetonplat-

Ferdinand Graf Luckner – Fotopreis 2020

Dafür wurde nahezu alles verändert,

ten an den etwas erhöhten Terrassen ab.

lediglich die Backsteinmauern an der

Durch die großformatigen Betonplatten

Grundstücksgrenze sowie ein Ahorn blie-

schieben sich zwei Weidenblättrige Bir-

ben erhalten. Bei einem so kleinen Grund-

nen (Pyrus salicifolia), die mit ihrem Kro-

stück ist die räumliche Aufteilung ent-

nendach den Sitzplatz als lebendige Son-

scheidend, welche die Landschaftsarchi-

nenschirme beschatten. Es herrscht Ab-

mit

wechslung, ohne dass der kleine Stadt-

verschiedenen Ebenen und Nischen sehr

garten überfrachtet wirkt. Mehrstämmi-

tekten

vom

Team

gartenplus

Fonken Gartenund Landschaftsbau

ge Apfeldorn-Bäume 'Carrierei' (Crataegus x lavallei) in Schirmform fungieren als Raumbildner. Den Boden bedecken Lilientrauben 'Ingwersen' (Liriope muscari) mit violetten Blüten und Elfenblumen 'Orangekönigin' (Epimedium x warleyense) mit zierendem Blattwerk und filigranen

5

hell-orangen Blüten. Letztere kommt ebenso wie der Thymian mit Trockenheit gut zurecht, die in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und immer mehr zum Problem wird.

4

Die Auswahl an Stauden und Gräsern bildet mit ihren weichen Formen einen feinen Kontrast zur strengen Geometrie 5

des Gebauten. „Feingefühl und ein hohes Maß an Sensibilität sind die Attitüden, die Garten und Bauherrn verbinden.

3 2

Ebenso der Sinn für das hochwertige Detail im Umfeld der denkmalgeschützten

5

Immobilie. Die Terrasse mitten im Garten garantiert einen atmosphärischen Aufenthalt und die Backsteinmauern ringsherum 1

versprühen den Charme des Altbestandes“, so fasst Simon Leuffen das Ergebnis

PLAN

der Umgestaltung zusammen. Eine durch-

1 2 3 4

dachte Gestaltung, die für viele kleine

Terrasse am Haus Formales Wasserbecken Mäandrierender Weg Sitzplatz unter Weidenblättrigen Birnen 5 Mehrstämmiger Apfeldorn

Stadtgärten könnte.

Vorbildcharakter

haben

„Die Terrasse mitten im Garten garantiert einen atmosphärischen Aufenthalt, und die Backsteinmauern ringsherum versprühen den Charme des Altbestandes.“ ( V. L . N . R .) BERND FRANZEN, SIMON LEUFFEN UND SEBASTIAN SPITTKA

rechts: In bester Gesellschaft: Sitzplatz am mehrstämmigen Apfeldorn, im Rücken die alte Backsteinmauer




Kleiner Raum mit viel Flair: Die Sitzplätze und das Wasserbecken sind geradlinig und ordnen sich den Achsen von Gebäude und Grundstück unter.


Die Bäume der Nachbargärten bilden einen idealen grünen Rahmen.


Fotografenpreis

1. PREIS

Laudatio

16 17

Der Preis und das Buch „Gärten des Jahres“ leben von den Fotos der eingereichten und ausgezeichneten Gärten. Sie erlauben einen Blick durchs Schlüsselloch, auf ganz private Orte, die sonst hinter hohen Pforten verborgen bleiben. Gute Bilder sind ebenso essenziell für die Akquise und Öffentlichkeitsarbeit von Garten- und Landschaftsarchitekten, sie sind die Visitenkarte eines jeden Projekts. Um die Bedeutung professioneller Fotos hervorzuheben und die Arbeit der Fotografen zu würdigen, wurde in diesem Jahr erstmalig ein „Fotografenpreis“ vergeben. Erster Preisträger in dieser Kategorie: Ferdinand Graf Luckner. Fotografie ist eine Kunst. Gärten zu fotografieren ist eine spezielle Kunst, denn jeder Garten hat seinen eigenen Charakter, und er verändert sich – von Jahr zu Jahr, von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde – abhängig von Licht, Wetter, Tages- oder Jahreszeit. Die Kunst des Gartenfotografen liegt darin, diesen individuellen Charakter zum richtigen Zeitpunkt mit seinen Bildern zum Ausdruck zu bringen. Ferdinand Graf Luckner gelingt genau das mit seinen Fotos des kleinen Düsseldorfer Stadtgartens von gartenplus. Aus unterschiedlichen Perspektiven, mit dem richtigen Blick für Details fängt er die geborgene und wohnliche Atmosphäre des Ortes ein. Der Betrachter bekommt den Garten so zu sehen, wie er ist, die Fotos sind natürlich und authentisch. Die Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln ermöglichen, den gesamten Raum zu verstehen. Bevor er zu fotografieren beginnt, nimmt Luckner sich Zeit, einen Garten kennenzulernen: Durch intensive Gespräche mit den Besitzern und eigenes Erkunden kommt er dem Ort nahe – eine für ihn wesentliche Voraussetzung für gute Fotos und um die Geschichte eines Gartens richtig erzählen zu können. Tanja Gallenmüller



GÄRTEN DES JAHRES

Brigitte Röde – Planungsbüro Garten und Freiraum

ANERKENNUNGEN

Der Garten der zehn Jahreszeiten

24 25

Die vier Jahreszeiten kennt jeder – aber wer kennt noch den phänologischen Kalender mit seinen zehn Jahreszeiten? Dieser teilt Frühling, Sommer und Herbst jeweils in drei Phasen ein, inklusive einer Phase für den Winter als Zeit der Vegetationsruhe. Und wer könnte wohl erst recht all diese Phasen im eigenen Garten beobachten?

links: Der Rosen- und Duftgarten ist geometrisch gestaltet und wird von einem Netz aus Kieswegen durchzogen. Im Bild vorne: Verbena bonariensis

oben: Doppelborder: Auf dem Grundstück ist genug Platz für eine lange, nach hinten verengte Rasenachse mit doppelseitigen Staudenbeeten.


GÄRTEN DES JAHRES

Brigitte Röde – Planungsbüro Garten und Freiraum

ANERKENNUNGEN

links: Staudenreiches Doppelborder. Hainbuchenhecken unterteilen die Räume. rechts: Doppelborder im Wandel der Jahreszeiten: immer wieder anders, immer wieder schön.

26 27 Laudatio

Das sehr an englische Gärten angelehnte Staudenparadies besticht durch eine ambitionierte Pflanzung, die dem Garten das ganze Jahr und über alle Jahreszeiten hinweg Farbe und Struktur beschert. Die Liebe zum Detail und die Betonung des Gärtnerischen und nicht des Baulichen zeichnen den Garten dabei besonders aus. Hecken gliedern die Gartenräume, Kiesund Rasenflächen erschließen die Räume. Der Garten fügt sich in seine Umgebung ein, dabei glänzt er und stört nicht. Es ist gut erkennbar, dass die verschiedenen Ansprüche der Familie in Sitzplätzen, Wasserflächen, aber nicht zuletzt auch einem Obst- und Gemüsegarten Berücksichtigung finden. In Zeiten gelegentlich sehr architektonischer Pflanzenverwendung hebt sich der Garten mit seiner offen gezeigten Liebe zu Stauden mit ihren lebhaften und unterschiedlichen Texturen und Blüten wohltuend ab. Dabei verwöhnt er nicht nur das Auge, sondern bietet vielfältigen Lebensraum für Mensch und Tier bei höchster Qualität. Lutze von Wurmb




Brigitte Röde – Planungsbüro Garten und Freiraum

GÄRTEN DES JAHRES

links: Sitzplatz für heiße Sommertage am Wasserbecken im Wohn- und Ruhegarten

28 29 PLAN

1 Wohnhaus 2 Doppelseitige Staudenbeete 3 Wohn- und Ruhegarten 4 Gräsergarten 5 Rosengarten 6 Bauerngarten 7 Hecken aus Hainbuche

Auf diesem Grundstück am Nieder-

Bedürfnissen. Im Staudengarten lässt sich

rhein ist das tatsächlich möglich – hier

z. B. der Wandel der Natur besonders gut

kann man den Wandel der Jahreszeiten

beobachten. Entlang einer sich verjüngen-

hautnah erleben. Dabei existierte dort vor

den Rasenachse warten doppelseitige

einigen Jahren nichts als ein landwirt-

Staudenbeete mit all ihrer Schönheit und

schaftliches Feld. Als die Familie den

Vielfalt auf – nach dem Vorbild der eng-

alten Aussiedlerhof erwarb, stand das

lischen double borders. Staudenklassiker

Haus noch auf freier Fläche und war von

wie die Flammenblume 'Dorffreude'

der Straße aus komplett einsehbar. Bri-

(Phlox paniculata), Sonnenhut 'Gold-

gitte Röde gestaltete daraus einen vielfäl-

sturm' (Rudbeckia fulgida var. sullivantii)

tigen Familiengarten, der Vorbildcharak-

und Sonnenbraut (Helenium) beleben die

ter in Sachen Pflanzenverwendung hat.

langgestreckten Beete zusammen mit

ANERKENNUNGEN

LAGE DES GARTENS

Viersen, Niederrhein, Nordrhein-Westfalen GRÖSSE DES GARTENS

2.400 m 2 PLANUNGSBÜRO

Brigitte Röde – Planungsbüro Garten und Freiraum

Doch zunächst ging es der Land-

Strukturgebern wie Chinaschilf und

schaftsarchitektin darum, eine Gliede-

Rispenhortensien – eine Kombination,

rung für die schwierige Grundstücksform

die zu jeder Jahreszeit ein attraktives

zu finden: und zwar, indem sie die große

Gartenbild bietet. Vielleicht ist der

Fläche in unterschiedliche Gartenzimmer

Spätherbst aber am reizvollsten, wenn der

aufteilte und gestaltete. Dafür lieferte der

Raureif die feinen Strukturen der Halme,

jeweilige Sichtbezug zu den Raumnutzun-

Blätter und Blütenstände auf das Genau-

FOTOGRAFIE

gen des Hauses einen ersten Anhalts-

este herausarbeitet. Vom Fenster im

punkt. Eine Rolle spielte auch der Himmel

Wohnzimmer blickt man dann auf diese

Gary Rogers

mit seiner großen Bandbreite an zykli-

wunderbare Impression der Vergänglich-

schen Veränderung. „Weiße Schäfchen-

keit bis zu einem Podest mit Sitzplatz, das

wolken, Gewitterwolken, schnell treiben-

den Endpunkt der Blickachse bildet.

de Wolkenberge, Cirruswolken in großer

Ausgehend vom Staudengarten, schlie-

Höhe, Sonnenauf- und -untergänge – all

ßen sich weitere Gartenräume an, welche

das beeinflusst die Atmosphäre eines Gar-

von Hainbuchenhecken unterteilt wer-

tens“, sagt Brigitte Röde. Ein Garten ver-

den. Sogar an einen Küchengarten wurde

ändert sich eben nicht nur mit den Jah-

gedacht – eine einstmals zentrale Ein-

reszeiten, sondern auch mit dem Wetter.

richtung, die in unserer Zeit immer mehr

Gleichzeitig konnte die Landschafts-

in Vergessenheit gerät. Im Nussgarten

architektin mit den Gartenzimmern je-

findet man rot- und grünlaubige Haseln

dem Familienmitglied Raum zur Entfal-

auf einer blühenden Wiese, zwischen de-

tung der Hobbys, zum Entspannen oder

nen Hängematten zum Entspannen ein-

zum Beobachten der Natur bieten – je

laden. Im Wohn- und Ruhegarten auf der

nach Stimmung und unterschiedlichen

Nordseite des Hauses befindet sich die Hauptterrasse. Der Gräsergarten macht seinem Namen alle Ehre mit einer Auswahl dieser luftig-leichten Geschöpfe, mit denen der Wind so gerne spielt. All die grünen Räume sind durch Platten- und Kieswege miteinander verbunden, in denen auch Stauden wachsen dürfen. Eine umlaufende Hainbuchenhecke behütet

7 5

die Gartenzimmer, bietet Schutz vor

2

Staub, Wind und neugierigen Blicken,

6

während Heckentore immer wieder Aus-

4

3

blicke in die freie Landschaft erlauben. Aus einem einfachen Feld ist ein nie-

1

derrheinischer Landhausgarten mit reichhaltiger Bepflanzung geworden. Und was Brigitte Röde besonders freut: Die ganze Familie inklusive der Kinder leben und lieben diesen Garten und – vielleicht sogar noch erfreulicher – empfinden dessen Pflege nicht als lästige Pflicht, sondern als echte Bereicherung.

AUSFÜHRUNG

Uwe Hoffmann Garten- und Landschaftsbau

„Die zehn Jahreszeiten des phänologischen Kalenders sind an der Bepflanzung ablesbar und prägen den Garten immer wieder aufs Neue.“ BRIGITTE RÖDE



Impression der Verg채nglichkeit: Solche Winterbilder haben ihren ganz eigenen Charme, wenn Frost und Rauhreif die Strukturen der Halme, Bl채tter und Bl체tenst채nde fein herausarbeiten.


D

Die Dokumentation zum Wettbewerb Gärten des Jahres 2020 bietet einen einzigartigen Einblick in die 50 schönsten Privatgärten der ausgezeichneten Landschaftsarchitekten, Gartengestalter sowie Garten- und Landschaftsbauer im deutschsprachigen Raum. Das Buch zeigt eine abwechslungsreiche Gartenvielfalt anhand inspirierender Fotos und aussagekräftiger Gartenpläne. Detaillierte Angaben zu Besonderheiten des Grundstücks, des Konzepts, der verwendeten Materialien und Produkte und der Auswahl der Pflanzen runden die 50 Gartenporträts ab. • Ein unverzichtbares Werk für alle Gartenplaner und Gartenbesitzer! • Die schönsten Privatgärten der besten Gartenplaner im deutschsprachigen Raum • Angaben zu Produkten und ausgezeichneten Lösungen des Jahres, ausgewählt von einer renommierten Fachjury


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