Zu Gast in Bayern

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Karin Lochner Fotos Peter von Felbert

BAYERN

ZU GAST IN

Traditionell anders



ZU GAST IN

B AY E R N



I N H A LT

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TR ADITION & B R AUCHTUM

Alphorn für Anfänger Interview mit Kilian Trenkle, Schellenschmied und Yogalehrer Teuflisch gut, Maskenschnitzer Timm Buckley Erlebnis in der Heckenwirtschaft

KULINARIK

Heiße Knolle Auf da Alm, da gibt’s koa Fleisch Sonnige Aussichten Interview mit Arnd Erbel, Freibäcker mit Laib und Seele Schneewittchen und die vier Freunde Zauber des Zoigl Interview mit Jockl Kaiser, Sternekoch aus Nördlingen Der wilde Winzer

N AT U R

Der Mensch ist nur Zuschauer Kufen aus dem Kessel Interview mit Renate Schweiger, Kapitänin auf der Donau Von der Alp auf die Bühne Die Waldbademeisterin

S TA D T & K U LT U R

Interview mit Christian Loferer, Hornist der Bayerischen Staatsoper Die Puppen tanzen lassen Das Wunder von Waldsassen Keine Schnapsidee: das Bieramt Der Gipfel für die eigenen Ziele im Leben

FESTE

Interview mit Katharina Mayer, Tanzmeisterin Moderne Blasmusik ohne Grenzen Der Wolf ist los Mit Pech zum Glück Tanze mit dir in die Linde hinein


Zeitgemäße Blasmusik ist voll im Trend. Hippe Jungs zaubern innovative Gerichte auf dem altehrwürdigen Münchner Viktualienmarkt. Maskenschnitzerei ist heute so gefragt wie vor Jahrhunderten – und bestechend modern. Frankens Winzer mischen die Szene mit innovativen Ideen auf. Alte Tradition und dennoch keine Spur verstaubt: bayerische Volksmusik.


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Wenn die traditionelle Tracht angelegt wird, gibt es auch einen aufwendigen Haarschmuck. Hier bei der Tรถlzer Leonhardifahrt.


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TRADITION & B R AU C H T U M Bayern vereint viele Facetten: Tief verwurzeltes Brauchtum und moderne Lebensart stehen gleichberechtigt nebeneinander. Junge Wilde interpretieren Traditionen neu, altes Handwerk trifft auf frische Ideen. Trotzdem verliert der Freistaat nie seine authentischen Seiten und bleibt „traditionell anders“.


Hut auf, Alphorn schultern und auf geht’s!


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A LPH O R N F Ü R A N FÄ N G E R ELISABETH HEILMANN-REIMCHE

Dichter Nebel liegt über dem Talgrund. Noch ist die Sonne hinter den Bergen verborgen. Ein schmaler Pfad führt über eine Buckelwiese, wo ein feines Pilzbodenaroma die Nase kitzelt. Es kommt aus dem schattigen Bergwald dahinter. Die Luft ist würzig und weht den Frauen ins Gesicht. Scheckige Kälbchen liegen an den Hang geschmiegt. Ihre Glocken bimmeln leise. Sie schauen die ungewöhnliche Prozession schläfrig an. Wären da nicht die langen Alphörner über ihren Schultern, man könnte die fröhlichen Gestalten für Wanderinnen im Dirndl halten. Aber ihre Mission ist nicht die schöne Aussicht, sondern der perfekte alpenländische Klang.

E L I S A BETH HEILMANN-REIMCHE — T R A D I T I O N & B R AU C H T U M


Bis zu vier Meter lang sind die Alphรถrner.


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Dass sich das Alphorn auch in ganz Süddeutschland großer Beliebtheit erfreut, ist auch Elisabeth Heilmann-Reimche aus Garmisch-Partenkirchen zu verdanken. Sie gründete vor mehr als 20 Jahren die Werdenfelser Alphornbläserinnen. Auf der Elmauer Alm treten Elisabeth Heilmann-Reimche und ihre Schülerinnen auf. Heutiger Anlass ist ein Geburtstag. Die fast 100 Jahre alte Elmauer Alm ist ein beliebtes Ausflugsziel zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald. Gipfel wie die Soiernspitze, die Wettersteinspitze und die Brunnsteinspitze ragen ringsum in den Himmel. Die Postkarten-Fernsicht ist eine der meistfotografierten Landschaften der bayerischen Alpen. Trotzdem wenden sich alle Ausflügler NED vom Alpenpanorama ab, als Elisabeth HeilSPUCKEN, mann-Reimche mit ihren Spielerinnen aufH IRN AUStaucht. Mit ihren geschulterten Alphörnern, S C H A LT E N fast vier Meter lang, sind die Damen ein echter UND SANFT Hingucker. Sie sind in fröhlich-bunte Tracht MIT DEN gekleidet, auf dem Hut tragen sie wippende, LIPPEN weiße Gockelfedern. Alle Handykameras richPUPSEN ten sich fast automatisch auf die Musikerinnen: So etwas sieht man nicht alle Tage. Die Liebe zu Blasinstrumenten wurde Elisabeth Heilmann-Reimche in die Wiege gelegt: Sie wuchs in Garmisch-Partenkirchen in einer musikalischen Familie auf, ihr Vater war Musikdirektor und leitete zwei Orchester. Wie ihr Bruder studierte sie Trompete an der Hochschule für Musik in München, bekam danach die Stelle als zweite Trompeterin bei der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz. Nach einem Jahr heiratete sie und verließ das Orchester – der Familie zuliebe. Bald tauschte Heilmann-Reimche Trompete gegen Alphorn, das Spielen brachte sie sich selbst bei. Schon bei ihren ersten Auftritten wollten immer wieder Neugierige in das imposante Horn blasen. Also fing sie mit dem Unterrichten an. Bereits ein eintägiges Seminar bei ihr reicht, um eine einfache Alphornbegleitung für die erste Stimme zu lernen. Und um eine Ahnung zu bekommen, wie die vibrierenden Töne auf Mensch und Umwelt wirken. Ob es – wie bei Heilmann-Reimche – Liebe auf den ersten Ton ist, entscheidet sich meist sehr schnell.

E L I S A BETH HEILMANN-REIMCHE — T R A D I T I O N & B R AU C H T U M

Die Damen in ihren farbenfrohen Trachten sind nicht nur akustisch bemerkenswert, sondern auch optisch ein Hingucker.


Ü B E R G I P F E L U N D TÄ L E R H I N W E G WA R E N A L P H Ö R N E R D A S F R Ü H E H A N DY DER HIRTEN

Die Geschichte des Alphorns geht bis in die Steinzeit zurück, damals diente der hohle Knochen als Blasinstrument. Überall, wo es Hirten und Berge gab, gab es auch tönende Hörner. Sie waren ein Kommunikationsmittel wie das Jodeln. Das alte Informationssystem funktioniert bis heute – gerade auf Almen, dem natürlichen Habitat für Alphörner. Besser als manches Smartphone, bestätigen Sennerinnen. Denn die meisten Berggipfel liegen in Funklöchern. Aber sobald die Botschaft mit einem Alphorn übertragen wird, ist die Verständigung von Alm zu Alm oder hinunter ins Tal kein Problem. Bläst eine Sennerin oder ein Hirte seine sonoren Töne, klingt seine Meldung meilenweit. W E N N D E R B A S S F E H LT, S P R I N G E N MANCHMAL MÄNNLICHE MUSIKER EIN. ABG E S E H E N VO N DIE S E N AUS N AHME N B E S T E H T D I E F R A U E N C O M B O A U S 14 B I S 20 WECHSE LNDE N MUSIKE RINNE N

S E M I N A R E : Auch ohne Vorkenntnisse kann jeder am Ende eines zweitägigen Kurses mit dem Alphorn Töne erzeugen, die bis zu 15 Kilometer weit zu hören sind. Nach Abschluss des Kurses erhalten alle Teilnehmer ein Zertifikat und die „Heilmann Alphornschule“, ein Buch zum Selbststudium, das weitere Tipps, Infos und Notenmaterial umfasst.

24 Jahre ist es her, dass die Grande Dame des Alphorns die Werdenfelser Alphornbläserinnen gegründet hat. Ihre ersten Mitstreiterinnen waren Töchter von Freundinnen. Noch heute unterrichtet Heilmann-Reimche fast täglich junge Frauen und Mädchen – und hofft, sie für das Spielen vor Publikum zu begeistern. Jeden Tag kommen junge Mädchen eine Viertelstunde zum Unterricht. Gratis. Das Alphorn wird gestellt, die Tracht für die Auftritte spendiert Heilmann-Reimche: um das Alphorn und seinen Klang in die Welt zu tragen. Sie streicht über eines ihrer zehn Alphörner und sagt: „Das Alphorn ist mein Leben.“


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MEIN TIPP

D I E S E N AU S F LU G LEG E I CH A LLE N M E I N E N A LPH O R N SCH Ü LE R N A N S H E R Z

Auf der Suche nach einem Ort für ein Schloss in den Bergen entdeckte König Ludwig II. 1869 eines der schönsten Hochtäler Bayerns und ließ Schloss Schachen errichten. Im Elmauer Tal wurden die Elemente gefertigt und dann am Gipfel des Schachen zusammengesetzt. Am beeindruckendsten ist das orientalische Obergeschoss. Dort feierte der König etliche Geburtstage. Im ursprünglichen Versorgungshaus für das Königsschloss betreibt Familie Leitenbauer heute eine Berggaststätte. Vom Wanderparkplatz bei Schloss Elmau geht es auf dem ausgeschilderten Königsweg über die Wettersteinalm hinauf zum Schachen. Die Gehzeit beträgt etwa 3,5 Stunden.

E L I S A BETH HEILMANN-REIMCHE — T R A D I T I O N & B R AU C H T U M


Yoga in der Schmiede: Kilian Trenkle ändert gerne mal die Perspektive.


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DURCHSCHL AGENDER ERFOLG INTERVIEW MIT KILIAN TRENKLE , S C H E L L E N S C H M I E D U N D YO G A L E H R E R

Der 32-jährige Kilian Trenkle ist tief mit seiner Heimat verbunden. Eigentlich ist Trenkle Produktdesigner und hat eine eigene Firma in Pfronten-Ried. Als Yogalehrer und Erfinder des FeetUp®, eines Kopfstandstuhls, hat er national und international Furore gemacht. In der Familienschmiede „Beim Hummelbaur“ in seinem Elternhaus in Pfronten, wo schon seit 1839 seine Vorfahren gewerkelt haben, stellt er aber auch Kuhschellen her.

KILIAN TRENKLE — TRADITION & BRAUCHTUM


Auf dem Kopfstandstuhl kann man verschiedene Yogapositionen trainieren. Hier der „Skorpion“. Kilian stellt sein Leben auf den Kopf. Im Hintergrund: Schloss Neuschwanstein.

KILIAN , DE IN LE BE N BE WEGT SICH Z WISCHE N TRE ND UND TR ADITION?

Das kann man so sagen. Als Yogalehrer bringe ich Körper in Form. Und als Kuhschellenschmied Metall. EXOTISCHE MISCHUNG!

Stimmt. Nach dem Abitur war ich eine Weile unschlüssig, wohin mein beruflicher Weg führen sollte. Ich wusste nicht, ob ich wie die meisten meiner Freunde BWL studieren soll oder doch etwas Eigenes machen möchte. Dann bin ich in München in eine Yogastunde gestolpert. Und seitdem beim Yoga geblieben.


18 – 19 KILIAN TRENKLE — TRADITION & BRAUCHTUM

W O H E R K A M D I R D I E I D E E F Ü R F E E T U P ®?

Die Lehrerin in der Yogastunde hat immer wieder betont, dass Kopfstand das Beste ist, was man machen kann. Von den Schülern haben aber nur drei oder vier den Kopfstand hinbekommen. Als ich nach Hause gegangen bin, habe ich mir überlegt, ob ich etwas erfinden kann, womit der Kopfstand leichter wird. So kam eins zum anderen. Ich habe in der Werkstatt meines Vaters mit dem Bau von Prototypen losgelegt. Stück für Stück hat sich das Produkt dann über die Jahre entwickelt. WA N N K A M S T D U V O M YO G A Z U M S C H M I E D E N ?

Als Kind war die Schmiede für mich schon immer ein magischer Ort. Das Schmiedehandwerk assoziiere ich mit großen, starken Männern. Das Schellenschmieden hat für mich etwas Kraftvolles, Archaisches. Damit bildet es auch einen gewissen Gegensatz zu meinem Yogahocker, der für meine empfindsame Seite steht. Mit dem Schellenschmieden habe ich erst mit 20 begonnen. D E I N E FA M I L I E S C H M I E D E T S C H O N S E I T V I E R G E N E R AT I O N E N ?

Genau. Mein Vater führt bis heute den Familienbetrieb. Vor allem durch seine meisterhaften Grabkreuze und die Türschlösser auf Schloss Neuschwanstein hat er sich einen Namen gemacht. WIE SCHAUT E S IN DE R SCHMIE DE AUS? WIE IST D I E ATM O S P H Ä R E V O R O R T ?

Heiß glüht das Schmiedefeuer in der Esse. Ich liebe die Wärme, die herüberpulst und den rußgeschwärzten Raum mit Behaglichkeit füllt. Überall hängen die Werkzeuge an der Wand, die meine Vorfahren auch schon benutzt haben. WIE WIRD EINE SCHELLE GESCHMIEDET?

Wir benutzen die Blätter einer Kreissäge, denn die Sägeblätter sind aus hochwertigem Stahl. Die Idee dazu hatte ursprünglich mein Großvater. Er hat damals alte Sägeblätter in zwei Hälften geschnitten und daraus die ersten Schellen gemacht. Der Klang wird durch das hochwertige Material unvergleichlich schön.

Mit geschickten Hammerschlägen formt Trenkle Metall zu traditionellen Schellen. Rohmaterial der Schellen: Stahl von Kreissägeblättern.


B R AUCH ST DU DA ZU V I E L KR A F T?

Nicht nur. Auch viel Gespür, das ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Ich platziere erst das halbrundes Stück Stahlblech in der Glut und prüfe die Farbe des Metalls. Weiß glühend muss es sein. Dann schiebe ich das Werkstück auf den Amboss. Wenn alles passt, setze ich konzentriert Schläge aufs Eisen. Wie die Funken vom Metall springen, zeigt mir, ob ich den richtigen Zeitpunkt erwischt habe. Es gibt nur ein kurzes Zeitfenster, um das Material in die gewünschte Form zu bringen. Anfangs braucht es zwar einen kräftigen Schlag. Aber das ist nicht nur Draufdreschen. Als mein Vater mir das Schmieden beibrachte, habe ich zu Beginn zugehauen wie ein Wilder. Später habe ich gelernt, dass es die kleinen, schnellen Schläge sind, mit denen ich die perfekte Schellenform erziele. Z U M V E R S TÄ N D N I S : M A C H S T D U A U C H G L O C K E N ?

Das Glockengießen ist ein komplett anderes Handwerk. Zu mir kommen Gäste, weil sie wissen, dass die Schelle einfach den schöneren Klang hat. WIE WERDEN SCHELLE UND GLOCKE UNTERSCHIE DE N?

Die Glocke ist gegossen, die Schelle geschmiedet. Die Schelle macht im Gegensatz zur höher klingenden Glocke eher tiefe Töne und hat einen erdigen Sound. WIE VIE LE SCHE LLEN SCHMIE DET IHR PRO JAHR?

Das ist unterschiedlich und hängt von der Größe der Schelle ab. Geschätzt fertigen wir zwischen 50 und 100 Schellen pro Jahr. U N D W E R K A U F T S I E ? N U R B A U E R N ?

Unsere Intention ist natürlich, dass eine Kuh die Schelle trägt. Trotzdem machen wir Ausnahmen: für ein besonderes Jubiläum bei Nachbarn oder als Hochzeitsgeschenk für Bekannte. Oder wenn Gäste sie als Erinnerung an ihren Urlaub mitnehmen wollen. Zwischen 50 und 100 Schellen verlassen jährlich Trenkles Werkstatt.

K ANN EIN ALMHIRTE WIRKLICH JEDE SCHELLE U N D DA MIT J E DE KU H VO N DE R A N DE RE N U N T E R S C H E I D E N ?

Ja, im Normalfall kann er das. Wenn ein Bauer zu uns kommt und eine Schelle kauft, wird er verschiedene


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Schellen ausprobieren und sich für die entscheiden, die am besten in seine Herde passt. Er weiß genau, ob eine Schelle höher oder tiefer klingen muss. Schließlich sollen möglichst viele Klangtypen in seiner Herde vertreten sein. AKUSTIK G E HT VOR OP TIK?

Ein Almhirte wählt die Schelle aufgrund ihrer Akustik aus. Erst in zweiter Linie achtet er auf die Optik. Die akustische Auswahl kann allerdings erst im Nachhinein stattfinden, denn als Schmied kann ich den Klang einer Schelle nicht genau planen – der entwickelt sich erst im Schmiedeprozess. G IBT ES VE RSCHIE DE NE SCHE LLE NARTE N?

Es gibt die kleinen Almschellen für den Sommer auf der Alp und die Zugschellen, die ausschließlich für den Almabtrieb, oder wie es bei uns heißt: Viehscheid, bestimmt sind. Die Zugschellen sind der Augapfel der Bauern. Metall war früher sehr teuer und man hat seinen Wohlstand mit einer großen, schönen Zugschelle gezeigt. Sie werden ja nur an einem Tag im Jahr genutzt. WA S I S T D E R V I E H S C H E I D?

Der Tag, an dem die Tiere von den Bergen zurück in die heimatlichen Höfe ins Tal gebracht werden. Der ist Ende September, meist an Michaeli (29.9.), oder Anfang Oktober. Feierlich geschmückt zieht das Vieh ins Dorf, samt der festlich klingenden Zugschellen. Wer bei uns Urlaub macht, lässt sich diesen Höhepunkt nicht entgehen und steht als Zaungast am Wegesrand. Obwohl es für die Tiere heimwärts geht und die Bauern ihnen die Freude an der Rückkehr ansehen, geben sie an diesem Tag abends beim Melken nur die Hälfte der gewohnten Milchmenge. Der Tag ist nicht nur aufregend für die Menschen, sondern auch für die Kühe. UND WOHIN GEHT ES FÜR DICH IN DEN NÄCH STE N JAH RE N?

Ich möchte weitere Produkte auf den Markt bringen und habe schon Ideen – es bleibt spannend! Außerdem freue ich mich – trotz der vielen Projekte –, mehr Zeit in meiner Heimat Pfronten verbringen zu dürfen. Die Zeit mit meiner Familie ist wertvoll für mich.

MEIN TIPP HIER BIN ICH BESONDERS GERN MIT MEINEN FREUNDEN

Ich liebe es, mit Freunden am Lagerfeuer zu sitzen und bei einem guten Bier zu ratschen. Es gibt so viele schöne Plätze bei uns. Abends sind die Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau sogar angestrahlt, das ist besonders romantisch. Aber auch das Innenleben beider Königsschlösser ist atemberaubend. Da werden vergangene Jahrhunderte lebendig. Mein liebster Berg-Ausflug geht auf die Ostlerhütte, die wunderschön thronend auf dem Pfrontener Hausberg – dem Breitenberg – liegt. Eine Radtour ins Vilstal zur Kalbelehof Alpe steht bei mir ebenfalls immer hoch im Kurs.

MEINE LIEBSTE S P OT I F Y- P L AY L I S T F Ü R B AY E R I S C H E S L E B E N S G E F Ü H L

„Stubenmusik Tirol + Bayern“ und „Brudala Mix“

KILIAN TRENKLE — TRADITION & BRAUCHTUM


Timm Buckley ist gelernter Schreiner. Seit 2005 schnitzt er gruselige Walpurgismasken selbst.


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TE U F LI SCH G UT TIMM BUCKLEY

Wenn die Nächte länger werden, ziehen Teufelsknechte und Weibsdeifl durch die Region um Neunburg vorm Wald. Sie rasseln mit Ketten und klackern mit Hufschuhen. Kaum ein Landstrich, der nicht seine gefährlichen Wesen hat: dunkle Geschöpfe und finstere Burschen, die Unvorsichtigen Furcht einjagen. Schaurige Masken bedecken ihre Gesichter. Ob böser Krampus oder bluadige Luazier – den gruseligen Geschichten, von Generation zu Generation überliefert, schenkt man auch heute noch Beachtung.

TIMM BUCKLE Y — TRADITION & BRAUCHTUM


Timm fasziniert die „Anderswelt“. Gemeinsam mit der Schwarzachtal Pass studiert er fantasievolle Bühnenprogramme ein.


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Auf der Thansteiner Burg tummeln sich zottelige Monster mit verzerrten und verzogenen Mienen. Manche haben Ohren wie Mister Spock. Fackeln knistern, Kohle glüht in geschmiedeten Feuerkörben. Es ist der 30. April, Walpurgisnacht, die Nacht der Hexen und Teufel. Für Timm Buckley ist Walpurgis einer der wichtigsten Tage des Jahres. Auf der Burg Thanstein zelebriert er das alte heidnische Fest mit seinen Mitstreitern. Er stellt klar: „Mit HalloWIR WOLLEN ween hat das nichts zu tun!“ Das Brauchtum um die Teufel mit ihren Masken ist so alt, auDIE LEUTE thentisch und lebendig, dass keine RückendeZUM N ACH ckung aus den USA nötig ist. DENKEN Dramatische Musik. Das Publikum steht ANREGEN im Kreis und schaut gebannt auf das Schauspiel: Zwei junge Burschen sind auf dem Weg zur Maibaumwache. Die Jungspunde zerstören aber mutwillig den Schutz vor der „Anderswelt“, den die Dorfbewohner angebracht haben: einen Salzkreis, aufgehängte Heilpflanzen und Räucherwerk. Einer der beiden macht sich sogar über den Aberglauben der alten Dorfweiber lustig. Genau dadurch werden finsteren Gestalten Tür und Tor geöffnet, die sich beim Tanz in den Mai mit Satan vergnügen und den Dörflern schaden wollen. Bevor die naiven Burschen ihr Vergehen bemerken, wirbelt ein Dutzend Hexen und Teufel um sie herum und feiert ausgelassen den Hexensabbat zu Walpurgis. FRÜ H E R G L AU BTE N DIE ME N SCH E N: T E U F E L K Ö N N T E N I H R E V O R R ÄT E VERGIF TEN UND IHR VIEH TÖTEN

Die Teufel rasseln mit Ketten, schnalzen mit ihren Schweifen und klackern mit Hufschuhen. Maskenschnitzer Timm Buckley ist durch sein Schuhwerk mehr als zwei Meter groß und damit einer der eindrucksvollsten Teufel. Aus Boxen stöhnt, kreischt und lacht es, gemischt mit Fanfarenklängen. Buckley hat die Tonspur seit Monaten zusammengestellt und wie Filmmusik passend zur Handlung geschnitten. Gut eine halbe Stunde dauert das Bühnenprogramm. Die zwei frechen Burschen kommen am Ende mit dem

Rund 40 Arbeitsstunden dauert es, bis eine Maske fertig ist. Die richtige Bemalung und Glasaugen erwecken hölzerne Krampusse und Teufel zum Leben.


Schrecken davon und haben ihre Lektion gelernt: Vorsicht vor Hexen und Teufeln! Sie werden sich nie wieder über den Aberglauben ihrer Heimat lustig machen. „Wir wollen die Leute zum Nachdenken anregen“, sagt Buckley, der seinen englischen Namen einem britischen Auswanderer verdankt, der vor vier Generationen in die Oberpfalz kam. „Unsere Vorfahren glaubten, dass Unholde in bestimmten Nächten Jagd auf Menschen machten, ihre Vorräte vergiften und ihr Vieh töten könnten.“ Sich diesen Teufeln entgegenzustellen erforderte Mut. Nur der konnte sie vertreiben, der sich selbst in Fell hüllte und sein Gesicht hinter einer grausigen Maske verbarg. Und mit viel Getöse – Schellen und Goaßlschnalzen – die Geisterwelt bekämpfte. DIE M A S KE N WE RDE N AUCH „L ARVEN“ GENANNT

„Mit Halloween hat das nichts zu tun“, sagt Timm Buckley – der in seinem eigenen Kostüm über zwei Meter groß ist.

Buckley ist schon zum 14. Mal an Walpurgis unterwegs, mal als gehörnter Teufel, mal als furchteinflößender Krampus. Den gebürtigen Regensburger hat es beruflich vor zehn Jahren nach Neunburg verschlagen; das Maskenherstellen begeistert ihn schon seit Langem. Ständig verfeinert er seine Kenntnisse. Über die Jahre hinweg hat er einen eigenen Stil entwickelt: „Das sind eher DIE L ARVEN wilde Masken“, erklärt er. Ob Lackschäden, abSIND MASSgebrochene Hörner oder ausgerupfte Haare – die GEFERTIGT Oberpfälzer Maskenträger sind früher viel herFÜR IHRE umgefahren, um ihre sogenannten Larven repaJEWEILIGEN rieren zu lassen. „Irgendwann dachte ich mir: Ich TR ÄG E R übernehme das Aufhübschen und Umarbeiten einfach selbst – schließlich kenne ich mich als gelernter Schreiner mit Holz sehr gut aus.“ 2005 schnitzte Buckley sich seine erste eigene Maske. Seither hat ihn die Faszination für das alte Handwerk und der Brauch, der dahintersteht, nicht mehr losgelassen. Wenn Buckley hobelt, schleift und schnitzt, riecht es in seiner Werkstatt nach Almhütte. Der Duft kommt vom Zirbenholz, das er für seine Masken verwendet: Das Holz ist sehr leicht und damit optimal geeignet. Jeder Bearbeitungsschritt setzt ätherisches Öl frei.


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Späne haben sich in Buckleys Haaren verfangen, bedecken den Boden der Werkstatt wie frisch geschnittene Locken beim Friseur. Maskenbau ist ein traditionelles Handwerk. An den Wänden hängen Schleifpapiere, Schnitzmesser, Stemmeisen, Hobel, Sägen, Hämmer und Feilen. So sah es schon vor Jahrhunderten in einer Maskenwerkstatt aus. MASSARBEIT FÜR DEN M A S KE NTR ÄG E R

Erst kommt die Bandsäge zum Einsatz, um dem Holzklotz eine gerundete Form zu geben. Konzentriert reibt Buckley über den geschwungenen Stamm, dem er neues Leben einhauchen wird. Für ihn sind Holzarbeiten so befriedigend, weil sie die perfekte Kombination aus körperlicher Arbeit und Kreativität darstellen. Er kann gestalten, sein Gespür für Proportionen schärfen und im Idealfall eine neue, nie da gewesene Maske designen. Die Larven sind maßgefertigt für ihre jeweiligen Träger. Bärte, Hakennasen, wulstige Augenbrauen: Alles wird ins Zirbenholz geschnitzt, gehobelt, gefeilt oder aufgemalt. Trotz aller Betriebsamkeit ist seine Werkstatt für Buckley ein Ort der Besinnlichkeit. Ganz anders als das wilde Treiben, bei dem die Masken zum Einsatz kommen. 2012 gründet Buckley mit Gleichgesinnten die Schwarzachtal Pass. „Pass“ kommt von „zusammenpassen“ und bezeichnet eine Gemeinschaft – deswegen heißt es auch „die Pass“ und nicht „der Pass“. 40 Vereinsmitglieder verbringen ihre Freizeit mit dem Einstudieren der Shows, die die Mythenwelt der Oberpfalz wieder aufleben lassen. Vom Teenager bis zum Rentner sind alle dabei. Jedes Mitglied hat seine eigene Maske, manche sogar mehrere für verschiedene Rollen: Hexen, Perchten, Teufel und Krampusse. Rund 40 Stunden Arbeit stecken in einer einzigen von Buckleys Masken, bevor er sie zum Abschluss mit Ölfarben bemalt, lackiert und mit Hörnern ausstattet. Glasaugen machen seine Werke endgültig lebendig. Timm Buckley empfiehlt: „Man sollte es sich nicht entgehen lassen, wenn in der Oberpfalz die Hexen und Teufel feiern.“

MEIN TIPP H I E R S E H T I H R U N S E R E AU F T R IT T E

Meine Empfehlung an Gäste ist, in der Walpurgisnacht am 30. April auf die Burg Thanstein zu kommen, um unsere Show zu erleben! Zwei Monate später, um die Sommersonnwende, gibt es im Oberpfälzer Wald vielerorts die Johannisfeuer. In Neunburg vorm Wald feiert man dieses Ereignis mit Musik und einer spektakulären Feuershow. Ende Juli, wird im Neunburger Stadtpark das Mittelalter lebendig: Am Fuße des Wittelsbacher Schlosses gibt es ein Wochenende lang das Hussitenlager mit Markttreiben. Auch im Winter kann man in die örtliche Geschichte eintauchen: Unser Heimatmuseum zählt zu den ältesten und größten der Oberpfalz. Es ist in zwei Stockwerken des Alten Schlosses und im spätgotischen Wartturm beheimatet und zeigt die Kultur der Stadt und des Schwarzachtales.

TIMM BUCKLE Y — TRADITION & BRAUCH


UNSERE REISE

… geht nach Bayern. In diesem großen Buch erfahren wir alles über Bayern, seine Landschaft, sein Brauchtum, seine kulinarischen Spezialitäten und kulturellen Highlights. Unter dem Motto „traditionell anders“ lernen wir, erzählt von 30 Persönlichkeiten, die Region ganz neu kennen. Von der abenteuerlustigen Rangerin, über den wilden Winzer und die enthusiastische Tanzmeisterin, bis hin zum yogalehrenden Schellenschmied. Wir erhalten einen Einblick in die Ideen und Beweggründe interessanter Personen, wie sie bayerische Traditionen und Brauchtümer leben und modern ausgestalten. Sie teilen mit uns nicht nur ihre Geschichten, sondern auch ihre geheimen Tipps für Lokalitäten und Ausflüge. Auf geht’s, pack ma’s!

Eine Rundreise durch Bayern Mit persönlichen Geschichten und eindrucksvollen Aufnahmen Traditionelle und moderne Rezepte und exklusive Reisetipps


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