Baumeister 01 2013

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Bau me ister

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Januar

Das ArchitekturMagazin

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Bau 2013 Die ersten Trends der Messe Ab seite 94

und

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Sanaa

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D A,L C H

das Verschwinden der Architektur

Ab seite 28


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Ideen

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Schönes nebelgraues Nichts Der Direktor des Pariser Louvre, Henri Loyrette, streitet heftig ab, dass er sich für seine Zweigstelle in der Provinz einen BilbaoEffekt gewünscht hat: nur kein spektakuläres Gehäuse, in dem die Kunst selbst zweitrangig wird. So duckt sich der neue Hangar in das Gelände und scheint sich fast aufzulösen. Nichtsdestotrotz will Louvre-Lens auch mit seiner Architektur 500.000 Besucher im Jahr anlocken. Die Reise lohnt sich – trotz trister Umgebung. A r c hi t ek t en

kri t ik

Fotos

Sanaa

Sabine Schneider

Iwan Baan

Zartes Gebilde in einer rauen Gegend: Schimmerndes Alu­ minium lässt die Um­ risse der Gebäude in der Umgebung fast verschwinden.


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Mauerzinnen, Wasserspeier

Ideen

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A r c h i t e kt e n

Lederer Ragnarsdóttir Oei Kritik

Claudia Hildner F otos

Wynrich Zlomke

Grobe Fugen und die Patina des Mauerwerks lassen das neue Kunstmu­ seum Ravensburg zum Teil einer imaginären Stadtmauer werden – und damit zwischen den Häusern der Altstadt fast verschwinden. Die Architek­ ten fügen den Bau in das mittelalterliche Bild ein, ohne wörtlich zu zitieren und ohne in die Trickkiste der Rekonstruktion zu greifen. Lebendiges Mauerwerk, wenige Öffnungen – das Kunstmuseum wird Teil der Altstadt.

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Fragen

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Stirbt der Ringbrandofen aus ? Knapp eine Autostunde nordwestlich von Bremen befeuert Udo Ley den Ringbrandofen der Familie Kaufmann – so wie schon seit Menschengedenken. Viele renommierte Architekten schwören auf diesen Klinker, auf dessen Farbenspiel und verworfene Formen. Heute sind Ringöfen Industriedenkmäler. Doch Geschäftsführer Udo Ley will kein Denkmal verwalten, sondern Klinker brennen – die Konkurrenz der industriellen Fertigungsstraßen schreckt ihn nicht.

In dem WittmunderTorfbrand-Klinkerwerk scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Ringofen wird mit Torf befeuert – so wie seit über 100 Jahren.

R e p o r t ag e

Fotos

Peter Gahr

Stephan Falk


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Fragen

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E

s ist einer dieser nasskalten Dezembertage. Eine dünne Schneeschicht hat die von tiefschwarzem Torf und dunkelbraunem Ton durchsetzte Erde überzogen. Langgestreckte Ziegelbauten mit steilen Krüppelwalmdächern, säuberlich aufgeschichtete Torfstücke und, in Reih und Glied getürmt, tausende in den unterschiedlichsten Farben glänzende Klinkersteine. In der Mitte ein eindrucksvoller Holzständerbau, an dessen Ende ein gewaltiger Schornstein mächtige Rauchwolken in den Himmel stößt. Im Labyrinth der eng gedrängten Wirtschaftsbauten, aufgehäuften Torfstücke und der Klinkerstapel scheint die Luft zu stehen. Süßlich erdiger Geruch von Lehm und Torf steigt mir entgegen, in der Ferne schimmert ein schwach rötlicher Lichtschein durch eine grob gezimmerte Holztür. Ich trete ein: wohlige Wärme, feiner Rauchgeruch. Vor mir türmt sich ein Koloss aus grob gebrannten Ziegeln auf: Ich stehe in Europas letztem mit Torf befeuerten Ringbrandofen. Das hat sich schnell erledigt Ähnliche Empfindungen könnten auch Udo Ley und seine Frau Ende 1994 empfunden haben, als sie Nenndorf durchquerten, in die Ziegeleistraße abbogen und der schemenhaft aus der einbrechenden Abenddämmerung auftauchenden Ziegelei entgegenfuhren. Das Torfbrand-Klinkerwerk
J.B. Kaufmann hatte für seinen Ringofen die Stelle des Geschäftsführers ausgeschrieben. „Du kannst ruhig im Auto sitzen bleiben, das hat sich in ein paar Minuten erledigt“, sagte Ley. Er war skeptisch. „Hast du gesehen, wie krumm und schief die Steine sind?“ Dieses Vorstellungsgespräch wollte Udo Ley schnell abhaken. „Ich war gerade Steine gewöhnt“, versucht er heute, fast entschuldigend, diese Anekdote zu erklären – die damals eine Wendung nahm. Nach einigen Stunden nämlich hatte der gelernte Kaufmann sein Herz an diesen Ort verloren und seine Liebe entdeckt zu einem Stein, so krumm und schief, so unterschiedlich in seinem Farbenspiel, seinem Glanz und seiner Oberflächenstruktur, wie er es bisher noch nicht gekannt hatte. Zwei Unterschriften wurden gesetzt – und die Verantwortung für den Ringbrandofen der J.B. Kaufmann GmbH lag in Leys Händen. Eine 26-köpfige Familie

D Die wattierte Weste

Seit 1994 ist Udo Ley

täuscht: Der Ofen wird

für den Ringofen

bereits der Winter­

der Familie Kaufmann

wartung zugeführt.

verantwortlich.

Normalerweise herr-

Er ist gelernter Kauf-

schen hier 60°C, und

mann, doch auch mit

Akkordarbeit ist an­

Klinker kennt er sich

gesagt.

bestens aus.

eren Geschicke hatten bereits im Jahr 1904 begonnen. Damals wurden die Pläne für „den Ringofen der Ziegelei des Herrn J. B. Kaufmann zu Nenndorf“ eingereicht; bereits knapp zwei Wochen später erfolgte die Baugenehmigung. Seitdem befindet sich das Werk in Familienbesitz und arbeitet auch heute noch so wie vor hundert Jahren. Jeder kann fast alles: von der Tonaufarbeitung, der Strangpressung, dem Einsetzen der Formlinge, dem Auskarren der gebrannten Steine bis hin zu umfassenden Reparaturen am Gebäude oder dem Ofen selbst. Eine Großfamilie sozusagen, die zusammenhält. Bei Terminabsprachen mit Udo Ley kommt die knappe Antwort: „Ja, bin ich daheim.“ Im Schnitt 25 Mitarbeiter hat das Unternehmen heute, jeder kennt jeden. Zusammen mit seiner Frau und den Zwillingstöchtern bewohnt er ein kleines Haus – direkt neben dem Ofen. Die erweiterte Familie der Ziegelei wächst, vor allem um neue Kunden. Immer häufiger geben sich renommierte Architekten in Nenndorf die Klinke in die Hand. So suchte Hans Kollhoff hier die Steine

91 für die Fassade seines Bürohochhauses am Potsdamer Platz in Berlin aus. Raab und Raab Architekten ließen sich in Nenndorf die Fassaden für das Chicago-Projekt in Amsterdam sortieren. Und auch Jan Kleihues, Christoph Mäckler und Walter Noebel wurden auf Materialsuche in Nenndorf fündig. Das Spiel mit dem Feuer

A

m Anfang steht aber immer harte Arbeit – und zwar nicht erst seit heute. Der Arbeitstag eines Ziegelarbeiters begann früher um 4.30 Uhr. Erst nach dem Kartoffelschälen für den nächsten Tag war um 21 Uhr Ruhe angesagt. Dies hat sich heute natürlich geändert. Zwölf Stunden arbeiten sie aber immer noch. Ein Ofenfeuer will eben beaufsichtigt sein – ein Ringfeuer ständig, denn es erlischt nie. Stets im Vorwärtsgang, folgt es einem zu einem Oval zusammengestauchten, nie endenden Ringtunnel und züngelt im Dreiwochenrhythmus über die sorgsam geschichteten Rohlinge. In der Mitte liegt ein langgestreckter Rauchkanal, über den der Schornstein die Abgase des Torfbrands in den Himmel schießt. Wo im Tunnel die Luft abgesaugt wird, wo das Feuer tanzt, wird über Handschieber gesteuert, über die die regelmäßig angeordneten Durchbrüche zwischen Tunnel und Rauchkanal geöffnet oder geschlossen werden. Krumm, nicht krumm oder geschmolzen Die Grundregeln für den Klinkerbrand sind einfach: Vortrocknen der Rohlinge von zwanzig auf ein Prozent Wasserfeuchte; anschließend wird bei Temperaturen um 1.200 Grad gebrannt. So machen es mehr oder weniger alle. Die Steine erhalten je nach Tonmischung und Feuer ihre unverkennbare Farbe. Und wenn alles richtig gemacht wurde, bestätigt ein kleiner Hammerschlag: „Der Klinker klingt“, oder „klinkt“, wie die Niederländer sagen. In Nenndorf gibt man sich hiermit aber nicht zufrieden. Udo Ley und seine Mitarbeiter suchen das Besondere: Erst kurz vor dem Schmelzpunkt, wenn die ersten Steine weich zu werden beginnen und sich unter der Last der oben aufgelegten Rohlinge leicht verformen, entfalten sich die für den „Wittmunder Torfbrand Klinker“ so typischen Farben. Stündlich legt der Brennmeister von oben durch Abwurföffnungen Torf nach – mal mehr, mal weniger. Die Farbe der Glut verrät ihm die Temperatur. Einige Steine werden an der Oberfläche weich, manche verkleben miteinander. Schmilzt die Oberfläche an, entstehen engobenartig glänzende Oberflächen, ähnlich einem Porzellan. Manchmal backen auch mehrere Steine untrennbar zusammen. Im schlimmsten Fall gehen zu weich gewordene Ziegel in die Knie, und die sorgsam geschichteten Rohlinge kippen gegen die Ofenwand. „Wir haben nach zwei Wochen das Elend“, so umschreibt Udo Ley den Moment, wenn der Ofen seitlich geöffnet wird, um die Steine auszukarren, und der Schaden sichtbar wird. Doch das Feuer läuft weiter und das „Elend“ ist überschaubar – und auch kalkuliert, denn anders bekommt man keine Steine, jeder in Form und Farbe ein Unikat. Dieses Brennen, nahe am Schmelzpunkt, wäre in einem modernen Durchlaufofen der kalkulierte GAU. Ein gekippter Stapel würde den gesamten Tunnel blockieren, und die Produktion stände drei Wochen still: abschalten, abkühlen, ausräumen und wieder auf Betriebstemperatur anfeuern. „Krumme Steine trauen die sich nicht zu backen“, erklärt Udo Ley mit einem verschmitzten Lächeln. Die glatten Steine von 1996 hat er heute schon fast vergessen. weiter


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Objekt: Forum Mittelrhein, Koblenz

Fragen

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G

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anz aus dem Kopf verschwunden sind sie aber dann doch noch nicht. Tagtäglich muss Ley Menschen davon überzeugen, dass es sich lohnt, in seinen Klinker zu investieren. „Sucht einer bei mir glatte Steine, dann bin ich der Falsche“, sagt er. Doch der Druck durch die Großziegeleien ist enorm. Sollte also eines Tages die Entscheidung anstehen: Was nun? Eines ist sicher: „Es muss das Besondere sein.“ Gut vorstellen kann er sich Fotografie oder Architektur und beginnt zu schwärmen von den Bauwerken in Amsterdam, der Spandauer Brücke in Berlin und der unvergleichlichen Architektur von Karl Friedrich Schinkel. Den ewigen Materialmix, die ständige Suche nach dem Neuen mag er nicht. „Ist das, was ich schaffe, von Dauer?“ ist seine Kernfrage. Die wichtigste Botschaft lautet: Backstein ist nicht altbacken. Dies haben viele Architekten schon lange erkannt. Zahlreiche Großprojekte sorgen aktuell dafür, dass sein Feuer so schnell nicht erlischt. Das Industriedenkmal in Nenndorf wird bestehen bleiben – nicht als Industrie-Museum, sondern als Pilgerstätte für Architekten und als Industriebetrieb, der sich wirtschaftlich trägt.

Berge von Torf lassen

An der Farbe des

erahnen, welche

Feuers erkennt der

enorme Energie zum

erfahrene Brennmeis-

Brennen des Klinkers

ter die Temperatur

benötigt wird. Dort,

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wo säuberlich gefegt

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ist, kühlt der Ofen

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bereits ab.

Gefühlssache.

Ze ichnung: Braukmülle r; aus: Le hm und Fe ue r, hrsg. von Kultur am e msde lta e .v., e mde n

Es muss das Besondere sein

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