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Baumeister Zeitschrift f체r Architektur 108. Jahrgang Februar 2011

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D 15 EUR A, L 17 EUR CH 23 SFR

Bauherr Industrie Architektur als Standortbestimmung in Beitr채gen von Volker Staab, Weber W체rschinger, Barkow Leibinger, Schneider Hillebrandt


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Die Seite eins

Es war nicht alles schlecht Falls Ihnen das hier rechts abgebildete Porträt allmählich auf den Keks ging oder vielmehr, was darunter zu lesen stand, dann habe ich eine gute Nachricht: Jetzt ist es genug. Mit diesem Heft übergebe ich nach 20 Jahren die Chefredaktion an Alexander Gutzmer. Das ist gut so. Chefredakteure sollten nicht eisern bis zu den dritten Zähnen ihr Blatt bestimmen. Wenn man Jahrzehnte lang die aktuelle Architektur verfolgt hat, läuft man leicht Gefahr, in allem Neuen etwas wieder zu erkennen („Aha, die 60er Jahre!“), oder man beschließt zur eigenen Stabilisierung, dass man sich dafür nicht mehr interessieren muss. Sofern man nicht zu den unverwüstlichen Naturen gehört, die für jede Grille jugendliche Aufgeschlossenheit demonstrieren. Die Chefredakteure vor mir, Ulrich Conrads bei der Bauwelt und Paulhans Peters beim Baumeister, haben ihre Architekturauffassung geradlinig verteidigt. Und als sie in den Ruhestand gingen, hat man ihnen mit Respekt den Titel eines Urgesteins mitgegeben. Mir war diese humorlose Aura der Unfehlbarkeit immer etwas suspekt. Seriöse Haltungsnoten werde ich nicht ernten. Was mich mehr interessiert hat als die gebaute Architektur, waren die damit verbundenen Geschichten, die man hätte erzählen oder erfinden können: die Bauherrin, die sich beschwerte, dass der Architekt es nicht für nötig hielt, mit ihr die Fliesen auszusuchen, der Fachplaner, der mit einem amerikanischen Geländewagen zum Termin kam, um das alternative Energiekonzept zu erläutern, der Architekt, der erklärte, Nachhaltigkeit sei in erster Linie eine ästhetische Frage, da schöne Häuser seltener abgerissen würden. Erst durch Geschichten erklärt sich die Welt. Manchmal gelangten solche Abschweifungen ins Heft, und dann kam der wachhabende Geschäftsführer in die Redaktion und fragte, was das denn mit Architektur zu tun habe und wo der Nutzen für den Leser sei. Aber heißt es nicht bei Dostojewski (Der Spieler) „...ein Vergnügen hat immer einen Nutzen“? Egal, dem Ordnungsruf war Folge zu leisten. Längst hatte sich ja herausgestellt, dass ein Chefredakteur nicht berufen wird, weil er in Baugeschichte und Architekturtheorie sattelfest ist, alle wichtigen Bauten selbst gesehen hat und ihre Architekten persönlich kennt. Statt eines Bohemiens braucht man an diesem Platz jemanden, der für den Umsatz verantwortlich ist (bei einigen Verlagen obliegt ihm auch die Pflege der Anzeigenkunden). Es gibt Kollegen, die damit erfolgreich eine Zeitschrift und ein ganzes Paket an Zusatzprodukten auf den Markt bringen, ohne selbst jemals eine Zeile als Autor beizutragen. Deshalb schien mir das letzte Heft der Arch+ auch so wirklichkeitsfremd (siehe www.goo.gl/fXwX0). Architekturkritik ist eine freiwillige Zusatzleistung, sie ist kein Rezept, um ein Blatt in die Gewinnzone zu fahren.

Inhalt und Umsatz konstruktiv miteinander zu verbinden, ist mir in 20 Baumeister-Jahren nicht immer zu meiner Zufriedenheit gelungen. Der Journalist wurde regelmäßig von der Wirklichkeit enttäuscht. Herrgott, was hätte man alles ansehen, lesen, schreiben wollen! Aber blättere ich mich durch die Hefte, die ich zu verantworten hatte, entdecke ich immer wieder in Vergessenheit geratene gute Beiträge und ganze Ausgaben, die man ohne rote Ohren vorzeigen kann. Es haben ja auch in und außerhalb der Redaktion großartige Leute daran mitgewirkt und bestimmt nicht immer zu attraktiven Bedingungen. Dafür bedanke ich mich sehr. Hätten wir uns mehr nach den Lesern richten sollen? Viele junge vermissen Avantgardistisches, eine neue Ästhetik, frisch ausgepackt, „intelligente“ Materialien und Techniken, sie suchen visionäre Exkursionen im Heft. Die älteren beschweren sich zur gleichen Zeit, dass der Baumeister nur internationale Sensationsarchitektur bringe, die weit entfernt von ihren täglichen Bauaufgaben stattfindet. Sollten wir deshalb herausfinden, welche Zielgruppe größer ist? Oder auf einer unverbindlichen Mittellinie balancieren, positiver ausgedrückt, die diskontinuierliche Vielfalt und Ungereimtheit des Baugeschehens verfolgen? Marshall McLuhans Erkenntnis, dass die Bildungsgesellschaft sich bei ihrer Lektüre bestätigt sehen möchte und „einen festen Standpunkt auf nur einer Ebene oder in einer einzigen Perspektive“ erwartet, „zeigt das Unvermögen, die Form der Presse überhaupt zu verstehen“. Aber diese Kritik trifft viele Redaktionen in gleichem Maß. Beim Baumeister werden wir deshalb nicht resignieren, und ich verschwinde auch keineswegs frustriert in den Vorruhestand. Unsere neue redaktionelle Aufgabenteilung soll träge Strukturen verändern, Talente fördern und vor allem der medialen Implosion mit intelligenter Chuzpe begegnen. Alexander Gutzmer wird den Kurs bestimmen, ich sorge für Treibstoff, Verpflegung und Unterhaltung. Und werde als (unverantwortlicher!) Herausgeber Zeit haben, mehr zu schreiben, zu raten, zu moderieren und jurieren. Bücher, Blog oder Zeitung – alles interessiert, verbindlich und altersgerecht: too old to rock’n’ roll – too young to die. ● Wolfgang Bachmann


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Schlussakkord Büro und Lehrwerkstätten* in Hettingen Barkow Leibinger Architekten Schwaben steht für Mittelstand und Wertbeständigkeit. Unaufgeregt und leise baut man dort Hightech für den Weltmarkt. Für Überraschungen sind die Macher aus Deutschlands Südwesten weniger bekannt. Und doch gibt es Unerwartetes. Zum Beispiel in Hettingen, gleich am Ortseingang. von Ulrich Frieß

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Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG Die Stanzmaschine „TruPunch 5000“ wird im Werk in Hettingen auf der Schwäbischen Alb hergestellt. Sie fertigt Teile und bearbeitet Konturen besonders rasant und gilt damit vor allem bei Dünnblechteilen als echte Alternative zum Laserschneiden.


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B체ro und Lehrwerkst채tten in Hettingen

Arbeitsplatz an der idyllischen Flussschleife der Lauchert. Will man gut ausgebildete Mitarbeiter halten, muss man ihnen eine ansprechende Umgebung bieten.

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ettingen ist ein ziemlich kleiner Ort. Die Topografie der Schwäbischen Alb hat ihm nicht viel Platz gelassen. Die Stadt wurde in einem engen Taleinschnitt des Flüsschens Lauchert angelegt. Auf beiden Uferseiten ist nur wenig Raum, östlich davon liegt die Durchgangsstraße, dann steigen die albtypischen Hügel wieder an. Im Norden des Orts beschreibt der Fluss eine Schleife, dort befindet sich der Unternehmensstandort des Maschinenbauers Trumpf. Er ist der größte Arbeitgeber der mit knapp 2000 Einwohnern zweitkleinsten Stadt Baden-Württembergs. 1955 hatte Trumpf in Hettingen eine ehemalige Färberei erworben, um hier, zirka 90 Kilometer entfernt vom Stammgelände in Ditzingen, mit 18 Mitarbeitern einen weiteren Unternehmensstandort zu gründen. Seit den 1960er Jahren wurde das Werk kontinuierlich erweitert. Heute fertigen hier 450 Mitarbeiter Hightech-Maschinen zur Blechbearbeitung mit Lasertechnik. Allein durch seine Größe haben die Werksgebäude inzwischen hohe städtebauliche Relevanz, daher kommt Neubauten auch einige Bedeutung zu wie im Fall der Ergänzung auf der Nordseite: Auf der Bundesstraße von Norden kommend, öffnet sich in einer lang gezogenen Rechtskurve allmählich der Blick auf ein weißes Band, mit dem Barkow Leibinger Architekten die bebaubare Werksfläche zum Fluss hin ausgereizt und dem Ort eine neue Eingangssituation verliehen haben. Der Anbau an eine bestehende Fertigungshalle wirkt mit seiner differenzierten Fassade wie ein filigraner Talschlussriegel. Form follows function – Ordnung und Ästhetik Früher war die Ausbildungswerkstatt in einer der Fertigungshallen untergebracht, jetzt sollte sie aus dem Produktionsbereich rücken, außerdem benötigte man Platz für die Fertigungsorganisation der Montage und den technischen Service. Die beengte Situation nahe der Flussschleife führte zu einer für einen Industriebau nicht alltäglichen Grundrissgestaltung: Das Obergeschoss kragt nach Norden zwei Meter und nach Osten und Westen jeweils 20 Meter über das Erdgeschoss aus. Dafür gab es funktionale Gründe. Die LkwAnlieferung auf der Westseite des Bestandsbaus sollte erhalten bleiben, und für die Feuerwehr musste eine Umfahrmöglichkeit gewährleistet sein – beides kann unterhalb der Auskragung stattfinden. Im Obergeschoss konnte die Fläche optimiert werden, im Osten ragt das äußerste Büro bis über den Fluss. Der neue Anbau bildet einen ansprechenden Auftakt, wenn man von Norden in das Laucherttal hineinfährt. Das Werk grenzt an dieser Stelle an ein Naturschutzgebiet.

Dass Corporate Architecture heute mehr denn je nach innen und außen gerichtet sein muss, weiß man bei Trumpf, das Unternehmen ist ein beliebter Arbeitgeber. Wer sich Hettingen von Norden nähert, ahnt warum.

Wegen der Bodenbeschaffenheit nahe am Grundwasser steht das Gebäude auf 40 bewehrten, zwölf Meter tiefen Betonpfählen. Der Baukörper wurde in Stahl-Glasbauweise ausgeführt, nur die beiden Treppenhauskerne bestehen aus Sichtbeton. Die Stahlkonstruktion ist an den Ecken zusätzlich ausgesteift, wodurch die weiten Auskragungen möglich wurden. Wie bei den anderen Gebäuden, die Barkow Leibinger für Trumpf realisiert haben, wurde in erster Linie auf Funktionalität und Materialität geachtet. Die Vorhangfassade, eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Aluminium, nimmt die Isolierverglasung flächenbündig auf. Die Geschosstrenndecke über der Lehrwerkstatt im Erdgeschoss wurde als Sichtbetondecke ausgeführt, im Obergeschoss wirken die Akustikpaneele unter der Decke wie selbstverständlich als Stilelement. Die für die Auskragungen nötigen, präsenten Stahlstützen im Obergeschoss, verweisen selbstbewusst auf die Konstruktion des Gebäudes und die Branche des Eigentümers. Im Erdgeschoss ist der Anbau über eine Glaswand und zwei Türen mit der benachbarten Halle verbunden, im Obergeschoss sorgen zwei Fensterbänder für die Blickbeziehungen ins Nachbargebäude. Der Hauptzugang liegt an der nordöstlichen Ecke, nahe des Werkparkplatzes. Die Nordausrichtung des Gebäudes machte Verschattungssysteme und Klimatisierung überflüssig, ein Blendschutz ist ausreichend. Energetisch ist das Gebäude an den Bestand angeschlossen. Ein flexibler Riegel schließt das Werksgelände ab Während das Erdgeschoss den zirka 45 Auszubildenden und ihren drei Ausbildern vorbehalten ist, teilen sich derzeit 60 Leute aus Fertigungsorganisation und dem technischen Service das Obergeschoss. Insgesamt erlaubt die Stahlbaukonstruktion eine sehr flexible Grundrissgestaltung. Der östliche Bereich ist komplett offen gehalten, nur der Besprechungsraum in der Mitte und die beiden vollverglasten Abteilungsleiterbüros am östlichen und westlichen Ende sind abgetrennt. Da im technischen Service viel Telefonarbeit anfällt, wurden dort als zusätzliche Schalldämmung halbhohe Stellwände hinzugefügt. Weil auch Trumpf von der Wirtschaftskrise betroffen war – auch dort wurde Kurzarbeit verordnet –, stammt die Möblierung teilweise noch aus Altbeständen. Das Unternehmen will hier jedoch schnell nachrüsten. Die Integration des Neubaus in den Bestand und die landschaftliche Konstellation ist gelungen. Gleichzeitig haben Barkow Leibinger Architekten eine schlüssige Verbindung von alt und neu zu Wege gebracht. Dass Corporate Architecture heute mehr denn je nach innen und außen gerichtet sein muss, weiß man bei Trumpf, das Unternehmen ist ein beliebter Arbeitgeber. Wer sich Hettingen von Norden nähert, ahnt warum. ●


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Büro und Lehrwerkstätten in Hettingen

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Seit der Gründung ihres Büros 1993 haben Barkow Leibinger mit zahlreichen, architektonisch anspruchsvollen Neu- und Erweiterungsbauten für Trumpf zur Unternehmenskultur beigetragen.


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Ganz oben die B端ros im Obergeschoss, darunter die Lehrwerkstatt zu ebener Erde. Die Ausrichtung nach Norden macht Sonnenschutz vor der Dreifachverglasung 端berfl端ssig.


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Senkrecht abgehängte Akustikelemente geben an der Decke den Takt vor und erzeugen eine dynamische Raumwirkung. Das Stahlfachwerk für die Auskragung ist auch im Inneren präsent.

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Nachgefragt

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Bauherr: Trumpf GmbH & Co. KG Architekten: Barkow Leibinger Architekten, Berlin Frank Barkow, Regine Leibinger www.barkowleibinger.com Projektleiter (Entwurf): Klaus Reintjes Team (Ausführung): Wiebke Lemme (Projektleiterin), Michael Johl, Ruwen Rimpau Bauleitung: Kerler Projekt + Konstruktion, Sigmaringen Tragwerksplanung: IB Breinlinger, Tuttlingen Haustechnik: Rentschler & Riedesser Ingenieurschaft mbH, Filderstadt Fertigstellung: 2009 Standort: Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG, Berthold-Leibinger-Straße 11, Hettingen Fotos: Zooey Braun, Stuttgart Wilfried Dechau, Stuttgart

Herr Hoffmann, welchen Stellenwert hat gute Architektur für Trumpf ? Gute Architektur bedeutet uns viel. Mit unseren Bauten wollen wir unseren Mitarbeitern beste Arbeitsbedingungen bieten und die Unternehmensphilosophie nach außen tragen. Die Gebäude sollen für Qualität und Beständigkeit stehen, so wie die Produkte, die wir herstellen. Dabei steht nicht die Wiedererkennbarkeit im Vordergrund, sondern die Funktionalität. Haben Barkow Leibinger Architekten durch die Zugehörigkeit von Frau Leibinger zur Unternehmerfamilie einen Sonderstatus? Barkow Leibinger haben bereits viele Projekte für Trumpf realisiert – zu unserer großen Zufriedenheit. Das bedeutet aber nicht, dass sie einen Blankoscheck für Aufträge haben. Was Architektur, Honorare und planerische Aufgaben angeht, unterliegen sie dem Wettbewerb. Die Zusammenarbeit gründet auf den klaren Regeln, wie sie im Verhältnis von Auftraggeber und Architekt immer gelten sollen. ● Markus Hoffmann ist Projektleiter in der Bauabteilung der Trumpf Immobilien GmbH + Co. KG. Mit ihm sprach Ulrich Frieß.

Vertikalschnitt M 1 : 20 Anschluss Dach alt-neu


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Lageplan M 1 : 10 000 Querschnitt M 1 : 300 L채ngsschnitt und Grundrisse M 1 : 600 Obergeschoss Erdgeschoss


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Vorschau

Foto: Erik-Jan Ouwerkerk, Berlin

Baumeister B3 Verdämmt und zugeputzt Das Wärmedämmverbundsystem ist zur Gretchenfrage in der aktuellen Architektur geworden. Bauphysikalisch, konstruktiv, ökologisch und langfristig auch ökonomisch ist es vielen Architekten ein Graus – sofern sie bei Sanierungen überhaupt noch beteiligt werden. Einige akzeptieren die Thermohaut als Notlösung – andere nehmen sie als Herausforderung und entwickeln damit neue Fassaden.

Die nächste Ausgabe des Baumeister erscheint am 1. März 2011, ab 8. März ist sie am Kiosk erhältlich.


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