Baumeister 06 2012

Page 1

12

Bau me ister Juni

14

Paul van Dyk: Berlin-Tegel und ich

Juni

24

24

24

Kiew

Warschau

London Warschau

drei (Sport-)

Die Stadtrandvilla als Balanceakt

Metropolen

Seite

14

im Umbruch

Paul van Dyk: Berlin-Tegel und ich

Kiew London

drei (Sport-)

Die Stadtrandvilla als Balanceakt

Metropolen

Seite

14

im Umbruch

Paul van Dyk: Berlin-Tegel und ich 18

Seite

Seite

im Umbruch

06

06

4 194673 015006

4 194673 015006

60

Metropolen

06

60

„In die Ecke“ der BaumeisterStudentenwettbewerb

drei (Sport-)

4 194673 015006

D A,L C H

60

„In die Ecke“ der BaumeisterStudentenwettbewerb

15 E u r o 17 E u r o 23 SFR

Seite

18

15 E u r o 17 E u r o 23 SFR

Seite

18

Seite

12

Ab S e i t e

Seite

„In die Ecke“ der BaumeisterStudentenwettbewerb

Das ArchitekturMagazin

Ab S e i t e

Kiew Warschau

Seite

12

Bau me ister

Ab S e i t e

London Die Stadtrandvilla als Balanceakt

Das ArchitekturMagazin

10 9 . J a h r g a n g

15 E u r o 17 E u r o 23 SFR

Juni

Das ArchitekturMagazin

B6

10 9 . J a h r g a n g

D A,L C H

Bau me ister

B6

10 9 . J a h r g a n g

D A,L C H

B6


Köpfe

Kuppeln, leicht wie Zelte Ausgerechnet mit Pier Luigi Nervi startet der Filmemacher Heinz Emigholz im Juni seine auf drei Filme angelegte Architekturserie „Aufbruch der Moderne“. Die Begeisterung für den italie­ nischen Baumeister und seine beeindruckenden Betonbauten wurde bei Emigholz schon als Kind geweckt.

Text

Claas Gefroi

Links oben: Im Sport­ Fotos: F ilmgale rie4 51 und He inz Emigholz

komplex in Rom (1960) spürt man Nervis Beschäftigung mit der Antike: Es herrscht schnörkellose Eleganz. Links: Den Palast der Arbeit mit seinen strah­ lenförmig angeordneten Pilzköpfen aus Stahl­

11

1 bis 2

G eschichte verläuft manchmal in sonderbaren Bahnen. Hätte der junge Heinz Emigholz nicht in den 1950er Jahren so eifrig Micky-Maus-Hefte gelesen, wäre unser filmischer Blick auf die ar­ chitektonische Moderne heute wohl ein ande­ rer. Denn um den Vorwurf der „Volksverdum­ mung“ zu entkräften, wurde den Entenhausener Abenteuern in den spießigen Wirtschaftswun­ derjahren, ein redaktioneller Teil als bildungs­ bürgerliche Ergänzung eingeheftet, in dem auch über aktuelle Architektur berichtet wurde. Und so stieß der spätere Künstler, Fotograf, Au­ tor, Produzent, Schauspieler und Filmemacher Emigholz als Kind auf einen Artikel über die neuartigen und atemberaubenden Betonbau­ ten von Pier Luigi Nervi, die sein Interesse weck­ ten für die Bauwerke der Moderne. Dieses Inte­ resse ließ ihn sein Leben lang nicht mehr los. Aufrichtiges Material Der eigentliche Auslöser für die filmische Erkun­ dung der Moderne war jedoch die spätere Be­ schäftigung mit Louis Sullivan und der funda­ mentalen Neuerung der Stahlskelettbauweise. Heinz Emigholz interessiert die Frage, wie die Architekten und Ingenieure mit den völlig neu­ en Möglichkeiten des Stahlbaus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umgingen, welche gestalterischen Qualitäten sie der neuen Tech­ nologie abrangen. Ab 1992 entstanden im Rah­ men der Dokumentarfilmreihe „Architektur als Autobiographie“/„Architektur und Jenseits“ über 60 Kurzfilme zu einzelnen Gebäuden und aufwendige monografische Filme über das Werk von Louis Sullivan, Adolf Loos, Robert Maillart, Rudolph Schindler, Auguste Perret und Bruce Goff. Die Liste der Ausgewählten zeigt: Emigholz interessieren nicht die hinlänglich be­ kannten Heroen von Bauhaus und International Style, ihn beschäftigen vielmehr „Visionäre und Meister des Raums“, die mit den neu entwickel­ ten Baustoffen zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine „neue poetische Syntax des Raumes“ er­ fanden. Sie bilden einen Insidern bekannten, in der Öffentlichkeit aber wenig präsenten Strang der architektonischen Moderne. „Maillart, Per­ ret und Nervi kamen sehr konsequent auf gera­ dezu klassische Formen durch Ausprobieren, durch den Modellbau, denn vieles ließ sich da­ mals noch nicht berechnen. Die Tragfähigkeit wurde experimentell bestimmt. Diese Bauten und Konstruktionen hatten eine Aufrichtigkeit gegenüber dem verwendeten Material, die ich bei heutigen Architekten wie Gehry, Foster oder Hadid nicht erkennen kann. Deren Gebäude interessieren mich nicht“, berichtet mir Emig­ holz bei meinem Besuch.

trägern errichtete Nervi im Jahr 1961.

W e it e r


Ideen

Links: Das Dach des Aquatics Centre (Zaha Hadid Architects) hat die Form einer Welle – von außen erinnert es an einen Rochen (Ansicht Seite 25, links im Bild). Unten: Hier finden im Sommer die Wettkämpfe zum Schwimmen, Synchronschwimmen und Turmspringen statt.

Querschnitt

M 1:75 0

1

31


34

Ideen

1

Rechts oben: Neben dem Velodrom (Hopkins Architects) gehรถrt auch die BMX-Anlage zum Velopark.

Grundriss Velodrom

M 1:15 0 0

Unten: in der Mitte links das Velodrom, links dahinter die BasketballHalle und das olympische Dorf im Anschluss


Ideen

Schwieriger Standort: Das Stadion wurde auf

47

2

dem hier abgelagerten Schutt des von der

Nutzungskonzept: Vielfalt

deutschen Wehrmacht zerstörten Warschauer Ghettos errichtet. Der Bau in den strahlenden Nationalfarben Weiß

Emblematisch von außen und

und Rot zieht von überall

überwölbt mit einer delikaten

die Blicke auf sich und

Dachkonstruktion – rasch ist das

bildet ein Pendant zum

Stadion zum Ort nationaler Identi-

wieder aufgebauten Kö-

fikation geworden. Es erstand auf

nigsschloss, dem Stolz

über 20 0 0 Betonpfeilern über ei-

der Polen.

nem flachen Erdstadion, das sich früher zwischen den Baumreihen in die Weichselauen duckte. Als eine Komposition aus roten und silbergrauen Flächen zeigt

Längsschnitt

M 1:3 0 0 0

sich die vielfach gefaltete Außenhaut, ein Wind- und Wetterschutz aus Streckmetall, der an einen Korb erinnert. Die Metallpaneele sind an den schlanken, in den Himmel stoßenden Zugstäben des Dachtragwerks montiert, das vom Stadiongebäude konstruktiv vollkommen getrennt ist. Den Himmel bildet eine jener feinnervigen Dachkonstruktionen aus Tragseilen und einer Mem­ branbespannung, wie sie derzeit Schlaich, Bergermann und Partner realisieren: High-End-Konstruktionen, die Material und Masse

Grundriss

durch Ingenieurskunst und M 1:3 0 0 0

Design­q ualität ersetzen. Sie wendeten ihr „Speichenradprinzip“ an, bei dem zwischen einem inneren Zugring und dem äußeren Druckring radiale Stahlseile gespannt sind und die transluzente Dachhaut tragen. Deren einzelne Bahnen sind zu zweiachsig gekrümmten Flächen angeordnet, was ihnen Stabilität verleiht. Zusätzlich kann in Warschau auch das Spielfeld komplett überdacht werden. Zwischen der licht- und luftdurchlässigen äußeren Fassade und dem Massivbau verbinden skulpturale Kaskadentreppen drei Geschosse und erschließen unabhängig vom Spielbetrieb sämtliche Bereiche. Da jährlich nur zwölf Spiele stattfinden, sind ungewöhnlich viele Sekundärnutzungen vorgesehen: Fußballmuseum, Büros sowie Veranstaltungsräume aller Art. Keine geringe Herausforderung an ein

Foto oben: M arcus Bredt

komplexes Erschließungssystem für Dauernutzer, Kongress- und Eventbesucher sowie Versorger. Kritik: Falk Jaeger


54

Ideen

3

55

Unten: Der Stadionumbau von GMP liegt im Zentrum der Stadt und besticht durch eine luftige Membran-Dachkonstruktion.

Als Sieger des internationalen Wettbewerbs für das Mystetskyj Arsenal wurde die Arbeit von Arata Isozaki ausgewählt, der für das Kulturzentrum einen kompakten Grundriss vorschlägt. Zum historischen Höhlenkloster von Kiew hin entsteht dadurch ein großzügiger Platz. Obwohl alles also einigermaßen erfolgreich begann, ist die Umsetzung dieser Entwürfe jedoch wegen politischer Instabilität und bürokratischer Unstimmigkeiten ungewiss. Heutige Spaltungen

Längsschnitt

M 1:175 0

Die Architektur- und Baubranche sollte als wichtiger Spieler in der heutigen ukrainischen Kultur und Gesellschaft angesehen werden. Deren Entwicklung ist noch immer von widersprüchlichen und oft radikalen Umwälzungen geprägt – wie nicht zuletzt die Diskussionen der letzten Monate zeigen. Sicher, die Euro 2012 hat öffentliche Bauprozesse in der Stadt angestoßen. Zugleich aber wird Kiew immer mehr der Austragungsort für Immobilien- bzw. Kulturkonflikte, die eine nachhaltige Modernisierung der Stadtentwicklung behindern. Beispielhaft ist hier ein Projekt des Internationalen Jugendarchitekturfests Canactions, das nicht nur als Ausbildungsplattform für junge ukrainische Architekten dient, sondern auch die Modernisierung der Stadt selbst bzw. des Wettbewerbs- und Vergabeverfahrens fördern soll. Unter anderem hat die Stadtverwaltung in Kooperation mit der Initiativgruppe von Canactions einen umfangreichen Wettbewerb zur baulichen Umgestaltung der Kiewer Hügel – der Landschaft mit zahlreichen Denkmälern im Zentrum Kiews – durchgeführt. Gewonnen haben ihn die kolumbianischen Architekten Taller 301. Bis jetzt wurde ihr Entwurf jedoch nicht einmal ansatzweise realisiert. „Der Rückstand der Architekturszene des heutigen Kiew wurzelt in einer alten postsowjetischen Furcht: Furcht vor Neuem, vor Arbeitslosigkeit und so weiter“, erklärt Viktor Zotov, Leiter des Kiewer Architekturbüros Zotov & Co und einer der Organisatoren eben dieses Wettbewerbs. Das ist aber offensichtlich nur die eine Seite der Medaille. Die andere verweist auf reale gesellschaftliche Probleme: eine eher desinteressierte Öffentlichkeit sowie ein veraltetes Ausbildungssystem – und die daraus folgende mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Architekten in internationalen Wettbewerben. Trotzdem versuchen die jungen kreativen und unabhängigen Architekturbüros, diese Barriere zu überwinden. Und manchmal werden ihre Bemühungen belohnt: Im vorigen Jahr wurde das Kiewer Architekturbüro Forma mit dem Projekt „Opera House in Making“ beim Ideenwettbewerb für das Operngebäude in Busan, Südkorea, lobend erwähnt. Immerhin. Zu tun gäbe es genug. Neue Aufgaben für Architekten und Künstler bestehen zum Beispiel in der weiteren Entwicklung der öffentlichen Räume sowie dem Fashionpark auf der Peizazhna Allee. Lokale Aktivisten bewahrten diesen Ort an der Grenze zwischen Altstadt und den Hügeln Kiews vor

Der Neozarismus hat ausgedient Als eines von wenigen deutschen Architekturbüros sind Eller + Eller in Kiew präsent. Erasmus Eller über das Bauen in einem schwierigen Umfeld

Baumeister: Herr Eller, was emp-

internationale Projektentwickler

finden Sie beim Anflug auf Kiew?

in Kiew unterwegs. Die haben sich

Erasmus Eller: Zunächst einmal

aber in den letzten Jahren kom-

Vorfreude. Kiew ist eigentlich

plett zurückgezogen. Allmählich

eine freundliche Stadt mit klein-

werden jedoch vor allem russi-

teiligen Strukturen und einer süd-

sche und österreichische Firmen

ländischen Atmosphäre.

wieder aktiv.

B: In der Architektur schlägt sich

B: Und um deren Aufträge balgen

das aber nicht nieder...

sich alle großen Architektur­

E E: Bisher war man stark auf neo-

firmen?

zaristische Formen fixiert.

E E: Keineswegs. Wer nach Ost­

Das ändert sich aber gerade.

europa will, versucht es bisher

Der Mut zu modernen Gebäuden

scheinbar eher in Moskau oder

nimmt zu.

St. Petersburg. Nur wenige deutsche Büros sind in Kiew präsent,

B: Unsere Autorin schreibt, das

daneben recht viele Briten,

Wettbewerbswesen stecke noch

vereinzelt auch Franzosen – das

in den Kinderschuhen.

war’s aber auch schon.

E E: Stimmt, der klassische, offene Wettbewerb stellt die Ausnahme

B: Und wie läuft Ihr Kiew-Ge-

dar. Allerdings gibt es eine inter-

schäft?

essante Institution – den so ge-

E E: Wir arbeiten momentan an

nannten Architekturrat, eine

zwei großen Projekten: ein großes

öffentliche Institution, die alle

Bürogebäude schräg gegenüber

größeren Bauvorhaben begut-

dem Präsidentenpalast und ein

achtet. Darüber hinaus hat Kiew

Entwicklungsprojekt am Flussufer.

seit Kurzem einen „Stadtarchi­ tekten“, der das Wettbewerbs­

B: Und Ihr größter Prestigebau,

wesen forcieren will. Er scheint

der Mirax-Plaza?

jedoch demnächst wieder abge-

E E: Leider ist der Bauherr insol-

setzt zu werden.

vent. Das Projekt ruht.

B: Wer sind denn die Bauherren?

Das Interview führte

E E: Bis zur Finanzkrise waren viele

Alexander Gutzmer.

wenigen Jahren vor der Bebauung. Das Projekt, das als Kooperation von Bildhauern, Investoren und der Stadtverwaltung entwickelt wurde, fördert den Aufbau des ersten Skulpturenparks in Kiew. Bis jetzt wurden 17 Objekte im Rahmen des Projekts installiert. Die weitere Entwicklung ist jedoch auch hier unsicher. „Es sind meistens die ‚Hofarchitekten’ und Staatsbeamten mit ihrer Profitgier, die die weitere Entwicklung des Architekturberufs hier in Kiew verhindern. Dem kann nur eine Generation von reflexiven und produktiven Menschen entgegenwirken. Zudem müssen Korruption und Geschmacklosigkeit in der Stadt überwunden werden“, beschreibt Oleksiy Petrov, Projektleiter des Büros Forma, die Situation. Solange aber dies nicht geschehen ist, sollte man eher von zwei getrennten Architekturszenen in Kiew sprechen. Es gibt die offene und globali-

sierte, jedoch dünne Kulturschicht, die attraktive Räume im städtischen Zentrum geschaffen hat. Doch es gibt auch jene zweite und quantitativ überwältigende Schicht – die lokalen Unternehmen. Sie herrschen bis jetzt ungehindert und straflos über weite Teile der Stadt.

Die ehemalige Chefredakteurin des ukrainischen Architekturmagazins „ACC“, Kseniya Dmytrenko, arbeitet heute als Übersetzerin, Autorin und Organisatorin von Kulturveranstaltungen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.