Baumeister Leseprobe 8/2014

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Bau me ister

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August

Das ArchitekturMagazin

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Pure Poesie Lehm und Ziegel kรถnnen mehr als erdig Internet visited

Postmoderne Revisited


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Portr ätfoto

Maike Burk

Frank Stolle

Synonym für Nach­haltigkeit Mit dem Namen Martin Rauch assoziiert man unweigerlich Lehmbau. Der Pionier plant und realisiert seit 1984 Projekte in Stampflehmtechnik – und schafft in enger Zusammenarbeit mit Architekten ästhetische Bauten. Somit rückt das in Vergessenheit geratene Baumaterial ins Licht einer modernen Archi­tektur-Öffentlichkeit.


Köpfe

1 Wohnhaus in Flims Der Bau stammt von 2011 und liegt im Dorfkern von Flims. Es handelt sich um einen Holzbau, dessen Stampflehmkern im Inneren den Schwerpunkt des Hauses bildet. Architekten: Fehlmann Brunner Architekten, kurz FeBruAr Agrarschule Mezzana Die Landwirtschaftsschule im Südtessin stammt von Conte Pianetti Zanetta Architetti. Das Programm des Baus von 2012 wurde in drei Gebäudeteile übersetzt. Die Propor­ tionen sollen ein Gleichgewicht zwischen vollen und

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ls kleinen und überschaubaren Kreislauf von Gewinnung, Nutzung und Rückführung beschreibt Martin Rauch das, was den Baustoff Lehm für ihn so ökologisch macht: „Lehm ist ein erodiertes Material, das es überall gibt. Man kann es nehmen, mit Wasser mischen und formen. Am Ende kann man es zurück in die Natur führen.“ Nachvollziehbar also, dass Rauch sein Arbeitsleben diesem Baustoff widmet. Obwohl wir in einer Zeit leben, in der die Öffentlichkeit vom Bauen verlangt, dass es nachhaltig ist, kam die Anerkennung für den Baustoff Lehm als „modernem“ ökologischen Baustoff erst spät – wohl mit dem Haus Rauch, das Martin Rauch zusammen mit Roger Boltshauser 2005 bis 2008 für sich und seine Familie baute. Das Gebäude gab dem Lehmbau ein architektonisches Gesicht. Man erkannte: Bauen mit Lehm ist ästhetisch.

leeren Räumen schaffen, was zu einem

Eine Frage der Definition

System aus Plätzen, Durchgängen und Treppen führt.

Agrarschule Mezzana

Fotos: bruno klomfar

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Dass Bauen mit Lehm auch ökologisch ist, mag zunächst nicht einmal nennenswert klingen. Als Martin Rauch und sein Team von „Lehm Ton Erde“ das Haus Rauch konzipierten, lag die Sache mit der Nachhaltigkeit aber noch nicht so auf der Hand. Für Rauch schon, für die Wohnbauförderung in Vorarlberg aber nicht. Als der Energieausweis für das Haus Rauch erstellt wurde, kamen seine eingesetzten Materialien wie Lehmputz oder Schilfplatten nicht besonders gut weg. 2009 wurde das Haus dann aber neu berechnet – und schnitt besser ab als ein vergleichbares Haus aus lokalem Holz. Eine Frage der Definition also – und genau darum ist die Meinung der architektonischen Öffentlichkeit zum Baustoff Lehm für die Arbeit von Martin Rauch sehr wichtig. Im Prinzip ist es die einzige Möglichkeit, sie voranzutreiben – technisch gesehen und was den Nachwuchs angeht. Schließlich sind Rauch und sein Team von Lehm Ton Erde ein Unikat in der Lehm-Baubranche. Für die Zukunft sollte sich das ändern. Dass es keine vergleichbaren Arbeiten gibt, liegt daran, dass Lehm mit der Industriealisierung von Stahl und Beton abgelöst wurde. Die Entwicklung ist stehen geblieben – Martin Rauch möchte sie jetzt wieder vorantreiben. Dadurch, dass er zum Beispiel mit uns über seine Arbeit spricht und mit seiner Lehrtätigkeit an der ETH Zürich. Und – nicht zuletzt – mit architektonischer Qualität: „Mit meinen Arbeiten ist es sicher gelungen, den Lehmbau von dem Knusperhäuschen-Charakter zu befreien.“

15 Für das Einfache Zum Bauen mit Lehm kam Martin Rauch durch seine handwerklichen Tätigkeiten als Keramiker und Ofenbauer sowie durch seine Arbeit als Entwicklungshelfer in Afrika. Dort ist die Arbeit mit dem Baustoff noch einfacher; im deutschsprachigen Raum gibt es dagegen sehr viele Normen, die die kreative Freiheit des Bauens einschränken: „Durch die Vernormung ist das einfache Bauen hier kaum noch möglich.“ Einen Weg, trotzdem simpel und damit im Sinne von Martin Rauch architektonisch qualitativ zu bauen, gibt es aber trotzdem. Das erklärt er am Beispiel des Neubaus für das Ricola-Kräuterzentrum mit Herzog & de Meuron (siehe Seite 56): „Zuerst war ich als Subplaner engagiert, dann als Fachplaner und dann als Unternehmer. Das ist meine Stärke. Weil ich in dieser Dreierkonstellation arbeite, liegt die Verantwortung immer bei mir – nur so ist es möglich, solche Projekte zu verwirklichen.“ Rauch betont immer wieder, dass für das Fortbestehen des Lehmbaus neue Konzepte gefragt sind. Dabei spricht er von einem „kalkulierten Risiko“, das heißt aus der Erfahrung zu schöpfen und in kleinen Schritten Neues zu wagen. Ausprobiert haben er und sein Team das auch bei dem Neubau für Ricola: Hier sind die Lehmwände vorgefertigt worden – ein Konzept, an dem das Team um Rauch schon seit etwa zehn Jahre arbeitete. Urbaner Lehmbau? Wenn Lehmbau ein Baustoff für die Zukunft sein soll, muss der Weg auch in die Städte führen. Ob man irgendwann wohl von „urbanem Lehmbau“ sprechen kann? Rauch hält es für möglich – wenn die richtigen Techniken gefunden werden. „Bis zu vier Geschosse kann man mit Lehm jetzt schon bauen.“ Fakt ist, dass hinter vielen Fassaden in Barcelona und Madrid Konstruktionen aus Lehm stehen. Somit spricht für Rauch auch konstruktiv nichts gegen seinen Baustoff: „Lehm ist gut auf Druck belastbar. Zugbelastungen sind ein Problem – aber das ist ja auch bei Beton so. Ohne Armierung ist der auch nichts wert.“ Mit Öko-Gerede wird die Architektenschaft weiterhin wahrscheinlich nicht zu erreichen sein; dafür klingen Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ zu abgenutzt. Wenn dann aber ein Lehmbau wie das Haus Rauch mit guter Architektur überzeugt, blickt der Architekt positiv auf den Lehmbau. Vielleicht sollten wir einfach ein Synonym für ökologisch wertvolles Bauen einführen. Wie wäre es mit Lehmbau?


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Schattenspiel mit Sinn und Sinnlichkeit Das Kantana Film and Animation Institute in Thailand ist ein Hybridwesen aus Skulptur und cleverer, unscheinbarer Haus­ technik. Vor Kurzem wurde der außergewöhnliche Bau aus handgemachten Ziegeln mit dem Brick Award 2014 ausge­ zeichnet.

T it e l th e m a

A r c hit e kt e n

Bangkok Project Studio k r itik Das Institut liegt mitten

Wojciech Czaja

im Grünen. Skulpturale Backsteinwände formen das Tor zu der kleinen Filmstadt.

Fotos

Pirak Anurakyawachon


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Ein kreuzförmiges Wegesystem aus engen Gassen führt zu den teilweise offenen Unterrichts­r äumen, in Bibliothek und Mensa. Auch hier ist Baumschatten gegen die Hitze unentbehrlich.


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Ein großes Vordach, reichlich Grün und eine hohe Ziegelmauer versorgen den Kinosaal mit Schatten und kühler Luft, damit die Studenten in der Hitze nicht einschlafen.

engende Hitze, sommerlich-flimmernde Luft, ein Blick aus tropisch-müden Augen. Fast scheint es, als wäre der Ziegelbau Opfer jenes thermisch-physikalischen Phänomens, das alle Gegenstände wie in einer Fata Morgana in sanfte, leicht verschwommene Schwingungen versetzt. Doch nicht die heiße Luft erzeugt das Zitterbild, sondern die Architektur selbst. Das Kantana Film and Animation Institute in der Provinz Nakorn Prathom, rund 45 Kilometer von Bangkok entfernt, ist ein Ausbildungszentrum für Filmschaffende und Animationskünstler. An den bauchigen Wänden, die bis zu acht Meter hoch in den Himmel ragen, t ref fen Licht und Schat ten aufeinander: Die mal hellen, mal dunklen, sich rhythmisch abwechselnden Raumgrenzen scheinen das Gebäude in Bewegung zu setzen. „Licht und Schatten sind elementare Bausteine in der Architektur“, sagt der thailändische Architekt Boonserm Premthada. „Sie sind genauso wichtig wie Umgebung, Haptik, Farbe, Geruch und Geschmack.“ Die Konzentration auf die Sinne kommt nicht von ungefähr, denn Premthadas Hörvermögen ist stark eingeschränkt. „Architektur hat mehr als nur mit Optik zu tun. Und nachdem ich selbst Spaß an meinem Job haben will, bin ich auf Baustoffe angewiesen, die mehr bieten als nur schön zu sein. Ich denke, von diesem multiperzeptiven Ansatz profitieren auch die anderen.“ Durch die partielle Eigenverschattung der wellenförmigen Ziegeloberfläche wird die Temperatur im Gebäude ohne technische Hilfsmittel reduziert. Denn anders, als man annehmen würde, sind die teils freistehenden Wände keineswegs massiv gemauert, sondern verbergen ein bauphysikalisch nützliches, hohles Innenleben. Die Luft darin kühlt ab, sinkt nach unten und wird Teil eines verzweigten Luftkammersystems in der Fundamentplatte. Dieses versorgt den rund 2.000 Quadratmeter großen Campus mit kühler Frischluft, der aus Unterrichtsräumen, Bibliothek, Kantine und Verwaltung besteht. Einfacher und billiger kann man eine Klimaanlage nicht bauen. Für die nötige Stabilität der Ziegelwände sorgt eine innenliegende Stahlkonstruktion, die das konvex-konkave Mauerwerk alle 60 Zentimeter stützt. „Ich muss zugeben, dass wir viele unterschiedliche Bauweisen ausprobiert haben, bis wir auf diese Lösung gestoßen sind“, erzählt Premthada. „Nicht wenige Proben sind nach ein paar Metern in sich zusammengestürzt. So ist das eben in der Architektur. Es ist ein ständiges Vor und

29 Zurück. Ohne Leidenschaft ist man in diesem Beruf verloren.“ Rund 600.000 gebrannte Ziegel wurden bei diesem Bau vermauert, der unlängst mit dem Wienerberger Brick Award (Grand Prize) ausgezeichnet wurde. An der Oberfläche der handgefertigten Backsteine sind deutlich noch Hand- und Fußabdrücke der Arbeitskräfte zu sehen. „Meist kommen bei öffentlichen Projekten nur die großen, überregionalen, wenn nicht sogar globalen Baustoffproduzenten und Baufirmen zum Zug“, erklärt Premthada. „Doch für mich war wichtig, dass die Dorfbewohner mitarbeiten können und dass die Wertschöpfungskette so weit wie möglich in der Region bleibt. Nur wenn diese Kriterien gesichert sind, darf die Architektur von sich behaupten, nachhaltig zu sein.“

I

n den Fensteröffnungen und Mauernischen entlang der Wege trifft man immer wieder auf Studenten, die lernen, zeichnen, Musik hören oder einfach nur ein kurzes Nickerchen machen. Bäume, die erst noch ihre volle Höhe erreichen müssen, werden eines Tages als Schattenspender und Pausendach dienen. „Das Kantana Film and Animation Institute ist das, was ich unter atmosphärischer Architektur verstehe“, sagt Boonserm Premthada. „Die Welt dreht sich ohnehin schon viel zu schnell. Doch hier findet man genügend Zeit und Raum für Stille, Meditation und einfach nur sich selbst.“ Pläne auf den folgenden Seiten


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