Bau me ister
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August
Das ArchitekturMagazin
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Erhabene R채ume Architektur zwischen Kunst und Religion
Emre Arol at
Barozzi Ve iga Schulz und Schulz
Brandlhuber + Emde, Schneider Se lgas Cano
Riegler Riewe
H a n s va n d e r L a a n
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KĂśpfe
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International unterwegs: Alberto Veiga (links) und Fabrizio Barozzi sehen sich als europäische Architekten.
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Europäische Zusammenarbeit Die jungen Architekten Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga haben den diesjährigen Mies-van-der-Rohe-Award gewonnen. Zu Besuch in einem spanischen Büro, das nationale Grenzen hinter sich lässt te x t
Klaus Englert
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er die genaue Adresse von Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga nicht kennt, wird ihr Büro wohl auch niemals finden. Kein Schild auf der Calle Bailén in Barcelonas Eixample gibt irgendeinen Hinweis. Anders als drittklassige deutsche Architek turbüros, die mit monströsen Schrifttafeln werben, üben sich die Gewinner des diesjährigen Mies-vander-Rohe-Awards betont in Zurückhaltung. Die Auskunft des Concièrge, den es hier tatsächlich noch gibt, hilft weiter: Erste Etage, zweite Tür links. Die Information ist wichtig, denn auf besagtem Stockwerk findet sich ebenfalls kein Büroschild. Zum Glück stimmt der Hinweis, und an der Tür wird der hitzegeplagte Gast – völlig unüblich für spanische Verhältnisse – sofort nach seinen Getränkewünschen gefragt. Tatsächlich gibt man sich im jungen Büro Barozzi Veiga betont unspanisch, oder besser: unkatalanisch. Denn beide, der 1976 geborene Italiener Fabrizio Barozzi und der 1973 geborene Galizier Alberto Veiga fühlen sich zwar in der Metropole Barcelona heimisch, aber mit der katalanischen Kultur fremdeln sie noch immer. Barozzi gibt unumwunden zu, dass sie nach elfjährigem Aufenthalt in Barcelona noch immer nicht des Katalanischen mächtig sind, obwohl in der Regel kein Fremder ohne Beherrschung der Sprache beruflich auf einen grünen Zweig kommt. Doch die beiden Bürochefs konnten ihre eigenen Regeln aufstellen, mit denen sie bislang gut gefahren sind. Dem Arbeitsklima im Büro – mit den auffallend hohen Geschossen der alten Eixample-Ge-
bäude – scheint das keinen Abbruch zu tun, denn der kleinen Gemeinschaft von rund zwanzig Mitarbeitern sind Sprachbarrieren fremd. In den übersichtlichen Arbeitsräumen, die eine wohltuende Atmosphäre ausstrahlen, vertiefen sie sich in die derzeit anliegenden Projekte. „Vielleicht werden wir irgendwann Katalanisch lernen, aber momentan sehen wir dazu keine Veranlassung. Immerhin kommen die Lebenspartner von Alberto und mir auch nicht aus Katalonien“, gibt sich Fabrizio Barozzi selbstbewusst. Der Italiener weiß, dass die „Global City“ Barcelona auch Toleranzspielräume besitzt, die leider nicht für Gerona gelten, wo Barozzi seit 2009 eine Professur für Entwerfen innehat. Dort würden die Studenten fast ausnahmslos katalanisch reden, beklagt er. Allerdings halte ihn das nicht davon ab, seine Vorlesungen bis heute auf Spanisch zu halten. Es sei nun einmal so, dass die sprachlichen Hürden in der katalanischen Provinz für Fremde besonders hoch sind, aber er habe es verstanden, in Gerona den katalanischen Dogmatikern und Nationalisten aus dem Weg zu gehen. Der 39-jährige Architekt betont, dass sich vieles in dem jungen Büro völlig ungewöhnlich entwickelt hat: „Unsere Karriere verlief entgegengesetzt zu der unserer Kollegen. Am Anfang gewannen wir in Spanien bedeutende Wettbewerbe. Heute sind wir froh, angesichts der Krise kleinere Aufträge in Katalonien zu bekommen. Beispielsweise errichten wir momentan ein Einfamilienhaus bei Tarragona.“
Vom Suchen und Finden Und wie kam es zu der ungewöhnlichen Partnerschaft eines jungen Architekten aus der Sehnsuchtsstadt Venedig und eines nur wenig älteren Architekten aus der mittelalterlichen Pilgerstadt Santiago de Compostela? Fabrizio Barozzi erzählt, dass er vor 14 Jahren der traditionsverhafteten akademischen Architekturausbildung in Venedig entfloh, um das architektonische Handwerk in Spanien zu erlernen. Der Zufall wollte es, dass sich beide im andalusischen Sevilla trafen, wo sie im renommierten Büro von Guillermo Vázquez Consuegra die Chance erhielten, an Projekten in Spanien mitzuwirken. Alberto Veiga brachte allerdings gänzlich andere Voraussetzungen mit, weil seine Ausbildung an der Universität Navarra deutlich praxisorientierter war und er anschließend eine Mitarbeiterstelle bei Patxi Mangado in Pamplona erhielt. Von Beginn an arbeiteten die beiden Architekten an großen, bedeutsamen Projekten – am neuen Kongress-Palast für Sevilla, an der Umwandlung des ehrwürdigen Palacio San Telmo in den Andalusischen Regierungssitz, schließlich an der Umgestaltung der Hafenfront im galizischen Vigo. Nach dem relativ kurzen Intermezzo im Büro von Vázquez Consuegra, in dem Barozzi und Veiga das Knowhow für eigenständiges Arbeiten lernten, kamen die „bedeutenden Wettbewerbe in Spanien“. Zunächst gewannen sie 2004 einen Wettbewerb für Sozialen Wohnungsbau im andalusischen Úbeda, W eiter
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Sakraler Städtebau in Leipzig Leipzig hat ein neues Gotteshaus bekommen. Mit dem Bau der Propsteikirche St. Trinitatis am MartinLuther-Ring ist ein markanter Stadtbau stein entstanden, der sich zur Stadt öffnet und der katholischen Gemeinde ein neues Zuhause bietet. A r c h it e k t e n
Schulz und Schulz k riti k
Falk Jaeger Fotos
Stefan Müller
T it e lt h e ma K u n st u n d r e ligi o n
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Oben: Der Pfarrhof ist ein Ort der Begegnung. Das erste Geschoss legt sich als umlaufendes Band 端ber den Eingangsbereich und bildet so eine gesch端tzte Zone aus. Links: Der Altar sowie die anderen liturgischen Orte wurden von dem kubanischen K端nstler Jorge Pardo gestaltet.
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45 Vor der Umnutzung: Die Kirche wurde unter anderem an eine amerikanische Freikirche vermietet.
Berliner Verschleierungstaktik Brandlhuber+ Emde, Schneider und Riegler Riewe haben die brutalistische Kirche St. Agnes in Berlin von Werner Düttmann in eine Kunstgalerie umgewandelt. Dabei wurde von den Architekten jede Autorenschaft vermieden: Die neue Galerie könnte von Düttmann selbst sein. Ein Gespräch mit Arno Brandl huber über leerstehende Kirchen, Sanierungskonzepte und den Zusammenhang zwischen Architektur, Kunst und Religion Ar c h it e ktEN
Brandlhuber+ Emde, Schneider Riegler Riewe Architekten I n t e rvi e w
Alexander Russ
Foto: Ludge r Paffr ath/KÖNIG GALE RIE
T it e l t h e m a Kunst und Religion
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ls Lucía Cano und José Selgas Ende Juni ihren temporären Pavillon in den Londoner Kensington Gardens vor einer internationalen Medienschar vorstellten, machten sie daraus eine kleine Lifestyle-Show. Während ihre deutschen Kollegen sich wohl eher in dezentes Schwarz gekleidet hätten, übte sich das Architektenpaar aus Madrid in farblicher Extravaganz und trotzte damit demonstrativ dem Londoner Regenwetter: Sie im leuchtend weißen Kostüm, dazu ein gelbes Halsband, orangefarbene Sandalen und als unübersehbares Accessoire eine transparente Plastiktasche. Er, Büropartner und Ehemann, in grüner Hose mit blauem Jacket, dazu knöchelhohe, rotblaue Turnschuhe. Unter dem wolkenverhangenen Londoner Himmel und vor dem irisierenden Farbrausch des diesjährigen Pavillons war das ein klares Bekenntnis zur sinnesfrohen Pop-Architektur – als hätten die Architekten plötzlich ein Revival der „Swinging Sixties“ eingeläutet, die London damals zur Lifestyle-Hauptstadt machten. Das Klicken der Kameras verstummt, als der Regen einsetzt, aber die Botschaft ist angekommen. Julia Peyton-Jones, Direktorin der Serpentine Gallery, und Kurator Hans-Ulrich Obrist wünschten sich anlässlich des 15. Jahrestags des Serpentine-Pavillons für dieses Jahr einen „Party-Pavillon“. Dass die beiden Spanier dafür die richtigen Kandidaten sind, dürfte schnell klar gewesen sein. Ihr Entwurf sollte sich deutlich von den Vorgängern unterscheiden, sei es die massiv wirkende Architektur des Chilenen Smiljan Radic (2014), die filigranen Konstruktionen des Japaners Sou Fujimoto (2013) oder der allzu konzeptlastige Beitrag des Teams Herzog & de Meuron/Ai Weiwei (2012). Auch eine Architektur im Stil von Zaha Hadids gefaltetem Festzelt, das 2000 die Pavillon-Tradition zum 30-jährigen Bestehen der Serpentine Gallery begründete, kam den Organisatoren nicht lebendig genug vor. Gefragt war mediterrane Ausgelassenheit. Und deswegen fiel die Wahl auf die beiden spanischen Newcomer, die eine architektonische Larve vor das klassizistische GalerieGebäude setzten, die nachts wie ein phosphoreszierendes Glühwürmchen strahlt. Plastik made in Spain Bekannt wurde das spanische Duo durch den Entwurf ihres eigenen Büros am westlichen Stadtrand von Madrid, eine lang gestreckte, teilweise verglaste Betonröhre, halb im Erdreich vergraben und verdeckt durch ein dichtes Blätterdach. W eiter
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Vier Eing채nge f체hren in den Pavillon, den die Architekten als ein Spiel aus Licht, Schatten, Transparenz und Farbe inszenierten.
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