Baumeister 01/2020

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BAU ME ISTER

117. J A H R G A N G

Januar

Das ArchitekturMagazin

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Umnutzung als Gewinn

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16 , 5 0 € 19 € 19,90 € 24 SFR

STA AB ARCHITE K TE N

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ALEAOLEA ARCHITEC TURE & L ANDSCAPE

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GOTTFRIED BÖHM

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Vom Wert des Alten

BRUNO FIORETTI MARQUEZ ARCHITEKTEN

B1

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INGE NHOVE N ARCHITEC TS

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CHARLES JENCKS

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O & O BAUKUNST

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WW

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Köpfe

Ideen

Die Erhaltung und Umnutzung von wertvollem Bestand ist mühsam, aber lohnt, wie die Beispiele im Heft zeigen. Die unterstrichenen Beiträge rechts befassen sich mit dem Titelthema.

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Charles Jencks stand für die Postmoderne.

Repräsentatives Bürohaus wird hippes Hotel.

10 Charles Jencks

20 Schloss Wittenberg

Zum Tod des Architekten und Theoretikers

Der Umbau des Schlosses erhält den Deutschen Architekturpreis.

14 Gottfried Böhm wird 100 Jahre alt.

34 Kirche in Vilanova de la Barca Aus einer Ruine wird ein Ort der Begegnung für die Gemeinde.

44 Designfakultät in München Ein Zeughaus bleibt außen, wie es ist, und wird innen neu und nützlich.

BAU MEISTER. DE

Auf New-Monday.de, unserer Job-Plattform für Architekten, Bauingenieure und Freiraumplaner, führen wir Büros und Talente zusammen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein wollen.

58 Hotel in Köln Eine Konzernzentrale verwandelt sich in eine hippe Herberge.

72 Büro- und Wohngebäude in Singapur Ein Hochhaus will grün werden.


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Fragen

Lösungen

FOTOS VON LINKS: TE SSA TR AEGE R/NATIONAL PORTR AIT GALLE RY; STEVE HE RUD; NIKOL A R ASPUDIC ; HE BROK

Gast-Arbeiter

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Ein Bürokomplex in Düsseldorf wird Wohnraum.

Hebrok-Ziegel „Lana“ in zartem Beige-Braun

84 Bauen im Bestand – ein ungleicher Dreiklang

92 Wandbaustoffe „Monolithische Bauweise im Geschosswohnungsbau“

Jürgen Tietz arbeitet in Berlin als Publizist und Moderator zu den Themen Architektur und Denkmalpflege. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Hochhausbeirats Düsseldorf, sitzt im Gestaltungsbeirat der Stadt Fulda, in der AG Öffentlichkeitsarbeit des DNK und im Konvent der Baukultur. Für uns besuchte er Schloss Wittenberg.

104 Referenz Belgische Villa im HagemeisterKlinkerkleid

108 News

RUBRIKEN 6 EIN BILD 32 SONDERFÜHRUNG 56 KLEINE WERKE 70 UNTERWEGS 104 REFERENZ 11 3 IMPRE SSUM + VORSCHAU 11 4 KOLUMNE

Als Kurator am Deutschen Architekturmuseum betreute Oliver Elser Ausstellungen zum Brutalismus und zur Postmoderne. Außerdem war er 2016 Kurator von „Making Heimat“, dem Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale von Venedig. Seine Erinnerung an Charles Jencks finden Sie auf Seite 10.


Kรถpfe

FOTO LINKS: M AURICE COX; RECHTS: KL AUS E NGLE RT

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UMNUTZUNG TITELTHEMA


Architektur für den Menschen

15 Gottfried Böhms Sohn Peter steht vor der Wallfahrtskirche in Neviges und sinniert, was wohl seinen Vater zu dem expressiven Sakralbau geführt haben mag. Immerhin hat der Mariendom am Rand des Bergischen Landes den Kölner Architekten auf einen Schlag weltberühmt gemacht. Die Kirche in dem Vorort des rheinischen Velbert gilt seither als die bekannteste moderne Sakralarchitektur Deutschlands. Prozess der Heilung „Mein Vater“, erzählt Peter Böhm, „hatte schon früh den Willen, den Glauben in Form auszudrücken.“ Das zeigte sich unmittelbar nach dem Krieg, als er die „Madonna in den Trümmern“ in der durch Bomben zerstörten Kölner Kolumbakirche barg und um sie herum eine kleine Kapelle errichtete. Das Überleben der „Trümmermadonna“ grenzte für die Kölner an ein Wunder. Die Kirche in der Nähe des Doms wurde zwar schwer beschädigt, doch die spätgotische Madonna blieb unversehrt. Diese Situation brachte Gottfried Böhm mit dem Entwurf für eine schützenden Kapelle zum Ausdruck. „Er spannte ein Dach über der erhalten gebliebenen Mauerecke der Kapelle, so als wollte er ein Zelttuch über die Madonna spannen. Dieses Bild steht für das Überleben in der Not“, sagt Peter Böhm über den Entwurf seines Vaters. Die Kapelle war schlechthin revolutionär und bestätigt die These des Architekturhistorikers Manfred Speidel, dass „der Kirchenbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein einzigartiges architektonisches Experimentierfeld war“. Gottfried Böhm gehörte damals zur jungen Architektengeneration, die nach den Erfahrungen einer megalomanen NS-Architektur, einer ideologisch verbrämten Architektur fürs Dritte Reich und schließlich den Bombenorgien der Alliierten nach einer Architektur suchte, die für einen Prozess der Heilung einstand. Mit seinen zelthaften Konstruktionsformen setzte er sich auch in Gegensatz zu seinem Vater Dominikus, der erdenschwere, steinerne Gebäude bevorzugte. Väter und Söhne

Text: Klaus Englert Gottfried Böhm wird im Januar 100 Jahre alt. Höchste Zeit, den großen Kirchenbaumeister und ersten deutschen Pritzker-Preisträger noch einmal zu würdigen.

Dominikus Böhm, mit dem Gottfried bis zu seinem Tod 1955 zusammenarbeitete, gehörte noch in eine andere Zeit: Als Architekt war er für Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich tätig und galt nach dem Zweiten Weltkrieg als letzter Nationalarchitekt Deutschlands. Seine Vorliebe für den sakralen Monumentalbau aus Stein zeigt sich an der Leverkusener Christus-König-Kirche, die Gottfried Böhm 1956 um einen Vierkant-Campanile aus Klinker erweiterte. Der mächtige GloWEITER


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Wittenberger Wandlungen Die Liste der Preise und Auszeichnungen ist lang. Zuletzt war es der Deutsche Architekturpreis 2019, den der Umbau des Wittenberger Schlosses durch das Berliner Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez einheimsen konnte. Höchstverdient, findet unser Autor. Architekten: Bruno Fioretti Marquez

Kritik: Jürgen Tietz

Fotos: Stefan Müller

Viele Zeitschichten: Die Wendelsteine mit dem Wappenrelief verweisen auf die Epoche der Renaissance.


Ideen

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TITELTHEMA UMNUTZUNG


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Ideen

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23 Links: die einstige „Angriffsseite“ des Schlosses, das in eine Kaserne umgebaut wurde, nachdem es 1815 während der Befreiungskriege stark beschädigt worden war

Die Dachlandschaft des Schlosses nach dem Umbau mit den eingestellten Volumen


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Neue Mitte im Zeughaus König Maximilian II. ließ zwischen 1862 und 1866 im Münchner Stadtteil Neuhausen ein Zeughaus als Repräsentationsbau errichten. Immer noch referiert dessen historische Fassade auf seine Geschichte, doch heute beherbergt es die Fakultät für Design der Hochschule München, nachdem Staab Architekten aus Berlin das Baudenkmal umgestaltet haben. Es ist ein neuer Ort kreativen Schaffens entstanden, der seine gestalterische Kraft aus der Vernetzung von Historie und Modernität schöpft. Architekten: Staab Architekten

Der Empfang in der Designfakultät fällt nüchtern aus: weiße Wände und zwei Treppenläufe in silbermattem Alu.

Kritik: Vanessa Kanz

Fotos: Marcus Ebener


46 Das Zeughaus der ehemaligen bayerischen Armee ist das besterhaltene Militärgebäude des Maximilianstils. Hier wurden ursprünglich Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände gelagert, instandgesetzt und verwaltet.

Oben: Während der Umbauphase musste die Eingangshalle komplett entkernt werden. Dieser Gebäudeteil wurde komplett neu aufgebaut. Heute herrscht hier weiße Einfachheit vor. Blick in Richtung Hof


Ideen

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Ideen

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DschungelMaschine Manchmal sind Architektur und Stadtentwicklung Gegens채tze, manchmal auch sehr nah beieinander. Beim Geb채udekomplex Marina One in Singapur ist Letzteres der Fall. Der B체ro- und Wohn-Gigant ist der Auftakt zu einer Stadterweiterung in einem k체rzlich dem Meer abgerungenen Gebiet.

Architekten: Ingenhoven Architects

Kritik: Alexander Gutzmer

Fotos: HG Esch


Ideen

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Ein wesentliches Gestaltungselement sind die bis zu zwei Meter auskragenden Sonnenschutz-Lamellen.

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Fragen

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TITELTHEMA UMNUTZUNG

Bauen im Bestand

ein ungleicher Dreiklang

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Potenzial, Risiken, Rendite – die Treiber der Immobilienwirtschaft schlagen bei Bestandsbauten umso härter zu. Hier der aufgeblähte Kapitalmarkt, dort die politische Agenda. Die Entwicklung von Bestandsimmobilien könnte den knappen Wohnungsmarkt entlasten, das Potenzial ist vorhanden. Doch wachsende Risiken schmälern die Rendite und schrecken Investoren ab.


85 Wir brauchen 400.000 Wohnungen pro Jahr. 400.000 Wohnungen, um den Wohnungsmangel in Deutschland aufzuheben. Neu gebaut wurden zuletzt 285.000 Wohneinheiten, nicht ganz die Hälfte davon sind Einund Zweifamilienhäuser. Der laute Ruf der Immobilienwirtschaft und aus weiten Teilen der Politik „Neubau! Neubau!“ reicht nicht aus als einziger Lösungsansatz. Es braucht zusätzliche Maßnahmen, um mehr und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bauen im Bestand, konkret Sanierung, Modernisierung, Umbau, Umnutzung oder Aufstockung bestehender Gebäude, wären weitere Möglichkeiten. Doch so spontan wie der Ruf nach Neubau, erklingt der Ruf „Zu teuer! Nicht kalkulierbar! Zu viele Vorschriften!“ von Investoren und Immobilienentwicklern über Bauen im Bestand. Hohes Risiko, geringe Rendite Und tatsächlich: Argumente dagegen gibt es mehr als genug. Beim Neubau seien sowohl die Baumaterialien, technische Anlagen und Energieeffizienz als auch Ausstattung auf dem neuesten Stand, heißt es auf Anfrage bei einem der großen deutschen Immobilienentwickler, Project Immobilien. Das Unternehmen hat zwar in seiner Geschichte vereinzelt Bestandsimmobilien realisiert, fokussiert sich jedoch aus den oben genannten Gründen hauptsächlich auf Neubau. Weitere Argumente gegen Bestandsimmobilien sind für Project denkmalschutzrechtliche Auflagen, weshalb Bauen im Bestand nur unwesentlich günstiger als ein Neubau sei. Und letztlich treiben die Maßnahmen die Baukosten hoch, die notwendig sind, um den Zustand der Bausubstanz aufzubessern, mögliche Schadstoffe zu entfernen oder energetische Sanierungen auf den aktuellen Standard zu bringen. Diese Summe an Unwägbarkeiten führe dazu, dass derartige Projekte nur schwer planbar seien.

Immobilienentwickler streben nach einem attraktiven Risiko-Rendite-Verhältnis: geringe Risiken in der Entwicklung und höchstmögliche Rendite bei Verkauf oder Vermietung. Bei Bestandsgebäuden ist das nur bedingt möglich – wenn nicht gar unmöglich, ist der Großteil der Immobilienentwickler überzeugt. Mietendeckel schreckt Investoren ab Tatsächlich steigen die Baukosten weiter und weiter. Kostentreiber sind immer strengere Vorschriften und die Auslastung der Bauwirtschaft. „Doch wer denkt, dass ein Umbau von ehemaligen Büroobjekten zu Wohnungen wesentlich günstiger ist als ein Neubau, der irrt sich“, sagt Henning Hausmann, Prokurist und Leiter Investment bei der Bauwert AG. „Vor allem Entkernungen und komplette Umbauten sind teuer. Eine ausführliche ,Due Diligence‘ vor dem Kauf eines Bestandsgebäudes ist immer vonnöten, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen.“ Die Bauwert AG hat sich – wie viele andere auch – zumindest zeitweise von der Entwicklung von Bestandsimmobilien verabschiedet. Das Unternehmen ist in Berlin tätig, wo eine weitere Hürde aufgetaucht ist: die Mietpreisbremse. „Damit Bauen im Bestand dem Wohnungsmangel entgegenwirken kann, muss es auch wirtschaftlich sein. Das ist der Fall, wenn Investoren unter Berücksichtigung sozialverträglicher Lösungen frei agieren können“, sagt Hausmann. „Doch der Mietendeckel verhindert, dass Wohnungsumbau ausreichend Rendite verspricht, also bleiben die Investitionen aus“, fasst Hausmann die Sicht der Immobilienwirtschaft zusammen. Dabei hat Bauwert in der Vergangenheit durch Umnutzung bestehender Gebäude durchaus rentablen Wohnraum geschaffen. Ein prominentes Beispiel ist das ehemalige Bürogebäude „Thyssen Trade Center“ in WEITER


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