Baumeister 03/2020

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BAU ME ISTER

117. J A H R G A N G

März

Das ArchitekturMagazin

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Lichtblicke 4 194673

Junge Architekten Große Aufgaben

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D A,L I CH 16 , 5 0 € 19 € 19,90 € 24 SFR

BDR BUREAU BUREAU MAIO ARCHITECTS ANDREAS PUTZ RICHTE R MUSIKOWSKI S T U D I O W E AV E RAUM


4 Können junge Architekten auch groß? In diesem Heft porträtieren wir außerordentliche Gebäude von frischgebackenen Büros aus Italien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und der Schweiz.

Köpfe

Ideen

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Das französische Büro Raum aus Nantes

Richter Musikowski in ihrem Futurium

10 Raum

20 BDR Bureau

Das Büro Raum aus Nantes macht spannende Architektur in der Provinz.

Zwei junge Italiener sanieren eine Turiner Schule aus den 1960er-Jahren.

14 Andreas Putz

34 Richter Musikowski

Der Architekt mit Begeisterung für die Denkmalpflege baut dafür eigens einen Lehrstuhl auf.

Großer Wurf: Die beiden Berliner haben das Futurium gebaut.

44 Studio Weave

BAU MEISTER. DE

Wir gehen unter die Podcaster. Gemeinsam mit unserer Schwestermarke NXT A begleiten wir in Meinungsbeiträgen und Interviews das aktuelle Geschehen in der Architektur.

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56 Bureau Der Architekt als Filmemacher: Daniel Zamarbide entwirft cineastische Gebäude.

66 Maio Architects Die Spanier füllen ein Baulücke in Barcelona auf überraschende Weise.

FOTOS VON LINKS: THOM AS LOUAPRE; KLE ME NS RE NNE R; FE LIX K ÄSTLE; PANZE RI

Die Londoner entwickeln Ideen für entspanntes Lernen.


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Fragen

Lösungen

Gast-Arbeiter

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AKBW-Präsident Markus Müller gibt Auskunft.

Vielseitige Leuchte von Matteo Thun

76 Wie schwer haben es junge Architekten?

86 Licht

80 Wie kann die Baubranche die BlockchainTechnologie nutzen?

Unser Spanienkorrespondent Rafael Gómez-Moriana hat Architektur in Waterloo, Kanada, und am Berlage-Institut, Amsterdam, studiert und lehrt heute an der Universität Calgary. Zudem leitet er sein Büro in Barcelona und schreibt regelmäßig Architekturkritiken.

92 Referenz Occhios strahlender Büro-Auftritt im Münchner Alten Hof

94 Fenster & Türen RUBRIKEN 6 EIN BILD 32 SONDERFÜHRUNG 54 KLEINE WERKE 64 UNTERWEGS 80 ARCHITE K TUR + M ANAGE ME NT 82 LIVE 92 REFERENZ 10 0 PORTFOLIO: BEST PRODUCTS 105 IMPRE SSUM + VORSCHAU 106 KOLUMNE

Leonardo Lella ist ein italienisch-französischer Architekt, der in Rom und München Architektur studierte, wo er auch für den Baumeister arbeitete. Nach seiner Mitarbeit an der letzten Architekturbiennale in Venedig, ist er mittlerweile „Assistant Curator“ am Architekturzentrum „Arc en rêve“ in Bordeaux.


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Blick in die

Province Text Leonardo Lella

Portraitfoto Thomas Louapre


Köpfe

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Während der Fokus des Architekturgeschehens lange Zeit auf Paris lag, bringt die französische Provinz aktuell zahlreiche Talente hervor. Neben Toulouse, Lille, Bordeaux und Nizza ist nun auch Nantes im Fokus. Dort hat sich das Büro Raum einen Namen gemacht.

Überrascht scheint er nicht zu sein. Im Gegenteil: Julien Perraud hat meine erste Frage erwartet. Immerhin spricht er gerade mit einem Autor, der für ein deutsches Architekturmagazin schreibt. Und tatsächlich ist meine Frage naheliegend: Warum nennt sich ein französisches Architekturbüro „Raum“? Die Antwort, die der französische Architekt und Mitbegründer eben jenes Büros gibt, ist weniger vorhersehbar: Das deutsche Wort hätte zunächst eine viel größere Vielfalt an Deutungsmöglichkeiten als das französische Wort „espace“, da es auch Platz, Zimmer oder Gebiet bedeuten kann. Es verweise aufgrund seiner etymologischen Bedeutung auf ein bestimmtes philosophisches Konzept: das „Nicht-Angefüllte“ oder die „aus der Materie gehauene Leere“. Neben dieser sehr konzeptuellen Lesart gibt es aber auch einen zweiten Grund für den Büronamen: Wie andere junge europäische Büros (B3/2019) startete Raum zunächst als Kollektivs, weshalb es der Gruppe von Anfang an wichtig war, die Nachnamen der drei Partner Julien Perraud, Benjamin Boré und Thomas Durant nicht hervorzuheben. Französische Schule Mittlerweile sind deutsche Namen für europäische Architekturbüros keine Seltenheit mehr – man denke nur an die belgischen Büros Baukunst und Traumnovelle oder an die Italiener Baukuh (B5/2016).

Trotzdem gehören Raum in eine andere Kategorie: die der jungen französischen Architekten, die von einer horizontalen Organisationsstruktur, einer lokalen Tätigkeit und einer Vorliebe für die Praxis gekennzeichnet sind. Wie ihren Kollegen Bast aus Toulouse (B3/2019) ging es Raum von Anfang an um die Realisierung von Projekten und die Auseinandersetzung mit dem Material. Da es zu Beginn an Aufträgen mangelte, betätigten sich die Architekten auch als Möbeldesigner, arbeiteten als Kuratoren und entwarfen temporäre Pavillons. Sie absolvierten Ideenwettbewerbe und setzten sich ganz konkret mit Baumaterialen auseinander, egal ob Holz, Lehm, Stahl – und sogar Müll. Diesen Pragmatismus haben Julien Perraud, Benjamin Boré und Thomas Durant auch heute noch. Kennengelernt haben die drei sich an der Architekturfakultät von Nantes. Allerdings trennten sich ihre Wege nach dem Studium, als Thomas in Nantes, Julien in Paris und Benjamin in Brüssel als angestellte Architekten arbeiteten. 2007 gründete das Trio ein Kollektiv, das aus der Ferne seine ersten Projekte realisierte. Die Auszeichnung durch den AJAP im Jahr 2010, einem prestigeträchtigen nationalen Preis für Nachwuchstalente, gab weiteren Aufwind. Die bislang unstrukturierte Gruppe wurde zu einem richtigen Architekturbüro mit Sitz in Nantes, und die ersten größeren Bauaufträge trudelten langsam ein.

Erste Projekte Mit der Fertigstellung eines Austernschuppens am Golf von Morbihan in der Bretagne im Jahr 2010 zeichnete sich dann die konzeptuelle Positionierung des Büros ab. Die Bauherrin, eine Austernzüchterin, benötigte einen einfachen Arbeitsraum inklusive Lager, der aber auch als Wochenendhaus dienen sollte. Da für diese typisch bretonische Bauaufgabe nur demontierbare Bauwerke gestattet waren, entschieden sich die Architekten für eine leichte Holzstruktur, die mit Polycarbonatund Holzplatten verkleidet wurde. Ein kleiner Hof bricht dort den minimalistischen schwarzen Baukörper auf und trennt so den Wohn- vom Arbeitsbereich. Das Holz dominiert sowohl das Innere als auch die Fassadengestaltung. An ihr erstes Großprojekt, einem 2015 fertiggestellten Hochschulgebäude in Nantes, kam das Büro durch einen offenen Wettbewerb. Gefordert war die Zusammenführung des städtischen Konservatoriums mit den Akademien der Darstellenden Künste der Regionen Bretagne und Pays-de-la-Loire. In der suburbanen Nachbarschaft von Beaulieu, einem von monofunktionalen Bürogebäuden und Einkausfzentren aus den 1970- und 80er-Jahren geprägten Stadtteil, öffneten die Architekten den Neubau zur Stadt. Der monolithische, mit Ziegeln verkleidete Baukörper wird von großformatigen, zweigeWEITER


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Schnitt stellen

schaffen

Text Ute Strimmer

Portraitfoto Franziska Pilz


Köpfe

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FOTOS: © SM AC | L ÁSZLÓ FARK AS; BAUGE SCHICHTLICHE S ARCHIV, ZÜRICH, 1942, WIKIME DIA COM MONS/PAE BI

Der Architekt Andreas Putz hat schon früh das Thema Denkmalpflege für sich entdeckt. Mit der Erfassung und Erhaltung des Bauerbes der jüngeren Vergangenheit baut der Professor an der TU München ein neues Forschungsgebiet auf.

Andreas Putz ist Experte für die Analyse und den Umgang mit der Ressource Bestand. Vor zwei Jahren wurde der heute 38-Jährige an die TU München berufen und hat dort die neu eingerichtete Professur für Neuere Baudenkmalpflege übernommen. Putz, an der ETH Zürich ausgebildeter Architekt, strebt die Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen und praktischen Ansätze baudenkmalpflegerischen Umgangs mit dem jüngeren Bauerbe an. Im Fokus seiner Forschung stehen die Bausubstanz und gebäudetechnische Ausstattung der Bauwerke sowie die Prozesse des Planens, Bauens und Erhaltens. Vor seiner wissenschaftlichen Karriere sammelte er praktische Erfahrungen mit der Instandsetzung der Architektur des 20. Jahrhunderts, unter anderem als verantwortlicher Projektleiter beim Umbau des ehemaligen Kaufhauses Schocken in Chemnitz – das letzte erhaltene Warenhaus, das Erich Mendelsohn (1887–1953) für die Kaufhauskette geplant hat. Mit den Themen Erfassung, Diskurs und Erhaltung hat sich Andreas Putz auch in

seiner Dissertation zu Leitbildern und Praktiken der Erhaltung der Zürcher Altstadt im 20. Jahrhundert befasst. 2015 wurde er am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung (IDB) der ETH Zürich bei Uta Hassler promoviert und ein Jahr später für die Arbeit mit dem Theodor-Fischer-Preis des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München ausgezeichnet. „Viele Objekte in der Zürcher Altstadt, die im Krieg ja keine Schäden erlit ten hat, wurden in den 1950/60er-Jahren zusammengelegt, entkernt, abgestockt oder bekamen eine neue Fassade“, erklärt Andreas Putz. „Das Ganze beruhte auf einem planerischen Leitbild, das in den 1930/40er-Jahren entwickelt worden war. Mir ging es darum, den Planungsprozess zu begreifen. Dabei hatte Altstadtsanierung immer auch etwas mit ,Entschandelung‘ zu tun. Die Altstädte wurden damals als Slums angesehen: Arbeiterviertel, Rotlichtbezirk. Es ging also auch um eine soziale Bereinigung und Neugestaltung eines bestimmten Bilds von Geschichte und Gesellschaft.“ Was bedeutet Denkmalpflege?

Beim Umbau des ehemaligen Kaufhauses Schocken in Chemnitz war Andreas Putz verantwortlicher Projektleiter.

Andreas Putz forscht an diesem Thema weiter: Was heißt eigentlich Denkmalpflege? Und was sind die Kriterien? „Altstadtsanierung fand statt, bevor es eine offizielle, staatliche Denkmalpflege gab. Erst in den 1970er-Jahren wird im Kanton Zürich ein Denkmalschutzgesetz eingeführt, das entspricht ungefähr der Regel im deutschsprachigen Raum. Das heißt aber, was wir seither als Denkmäler in der Altstadt ansehen – und das ist der überwiegende Teil der Objekte –, wurde als solches erst kurz zuvor baulich geschaffen und in dieser speziellen Form unter Schutz gestellt.“ Die-

In seiner Dissertation setzte sich Putz mit Leitbildern und Praktiken der Erhaltung der Zürcher Altstadt im 20. Jahrhundert auseinander.

ser Prozess lässt sich auch in anderen Baubeständen beobachten, die wir heute selbstverständlich als schützenswert ansehen – Schwabing in München, Kreuzberg, Charlottenburg, Prenzlauer Berg in Berlin, Dresden Neustadt –, führt Andreas Putz weiter aus. „Hier sind es die Hausbesetzerszenen und studentischen Proteste der 1960/70er-Jahre – denken wir an den ‚Häuserkampf‘ in Frankfurt, die Fassadenaktion in München –, die sich gegen Totalsanierungen, das heißt Abriss und Ersatz, zur Wehr setzten. Aus dieser Zeit gibt es graue Literatur, wie Bäder eingebaut werden, wie Holzdecken erhalten werden oder wie historische Putze gepflegt werden – diese Impulse kommen von Personen, die nicht unbedingt Denkmalpfleger sind. Interessanterweise wird auch der ‚gründerzeitliche‘ Baubestand der Mietskasernen aus rein pragmatischen Gründen zunächst baulich verändert, repariert, modernisier t, sozusagen ,in Form gebracht‘, bevor die kunsthistorische, denkmalkundliche Wertschätzung des Wohnungsbaus des Historismus einsetzt und die Bauten und Quartiere unter Schutz geWEITER


Zeitlose

VerjĂźngung

Architekten BDR bureau

Fotos Simone Bossi

PORTR AITFOTO: BDR BUREAU

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Ideen Kaum zu glauben: Bei dem Gebäude unten handelt es sich um eine Sanierung.

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Architekten Richter Musikowski

Fotos Dacian Groza

PORTR AITFOTO: KLE ME NS RE NNE R

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Ideen

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35 Architektonischer Solitär: das Futurium in Berlin von Richter Musikowski Architekten


Das Tor

zum Wald

Architekten Studio Weave

Fotos Jim Stephenson

PORTR ÄTFOTO: THE PE NINSULIST

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Ideen Als Grenze zwischen Wald und dem Spielplatz der Schule entstand eine Reihe informeller „Klassenzimmer“ mit Küche, „Wohnzimmer“ und Werkraum.

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Diener

Architekt Bureau

und Herr

Fotos Dylan Perrenoud


Ideen Mr Barrett‘s House von Bureau ist ein umgebautes Chalet in Genf.

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110 Räume, 22 Wohnungen

und eine gute Idee

Architekten Maio Architects

Fotos José Hevia

PORTR ÄTFOTO: M AIO ARCHITEC TS

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Ideen

5

Aus der Ferne kein auffälliger Bau. Viele typische Elemente der benachbarten Wohnhäuser werden übernommen.

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