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BAU ME ISTER
11 3 . J A H R G A N G
Juni
Das ArchitekturMagazin
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„Heimat“ als Baustelle
Architekturbiennale: Ideen für das Einwanderungsland Deutschland
+ JACQUES ANZIUT TI PAT R I C K B E R G E R OSCAR ENGELBERT SOU FUJIMOTO MONADNOCK OTO ARQUITECTOS RAUMLABOR DOUG SAUNDERS
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D A,L I CH
15 € 17 € 19,50 € 23 SFR
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Die Architekturbiennale berichtet von der Front, und auch wir sind ganz vorne dabei, mit einem exklusiven Einblick in das „Making of“ des deutschen Pavillons in Venedig.
Köpfe
Ideen
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Guter Investor? Der Schwede Oscar Engelbert
Work in Progress im deutschen Pavillon in Venedig
10 Doug Saunders
22 Deutscher Pavillon
Der Entdecker der Arrival City ist Ideengeber für den deutschen Pavillon in Venedig.
Dekonstruktion – der deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale wird zum offenen Haus.
12 Oscar Engelbert
30 Siebter BaumeisterStudentenwettbewerb
Ein Investor mit architektonischem Willen, der bezahlbaren Luxus bauen will
16 Monadnock Die Generation nach Superdutch – Job Floris und Sandor Naus hinterfragen die niederländische Architektur.
Die sechs Gewinnerarbeiten zum Thema „Mittendrin“– Flüchtlingsunterkünfte
40 Les Halles in Paris Patrick Berger und Jacques Anziutti breiten ein Riesendach über ein ganzes Quartier.
UM FR AGE
52 Kulturzentrum Fogo Zeugnis der Naturgewalten – ein Gebäude erhält einen Architekturpreis und wird durch einen Vulkanausbruch zerstört.
Das Baumeister Research Panel ist gestartet. Dort befragen wir Architekten nach ihren Interessen und ihrer Arbeitswelt. Machen Sie mit! https://de.surveymonkey.com/r/KZ2HJ5M
62 Sauna in Göteborg Die Bewohner von Göteborg eignen sich einen alten Industriehafen durch Architektur an.
FOTOS V.L .N.R .: OSCAR PROPE RTIE S; FE LIX TORK AR; CRISTOBAL PAL M A; DORNBR ACHT
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Fragen
Lösungen
Gast-Arbeiter
In dieser Ausgabe gibt es drei Gast-Arbeiter: Peter Cachola Schmal, Oliver Elser und Anna Scheuermann. Das Team vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) gewährt uns einen exklusiven Einblick in das „Making of“ des deutschen Pavillons für die Architekturbiennale in Venedig.
Peter Cachola Schmal hat unter anderem bei Behnisch+Partner gearbeitet, bevor er 2006 Direktor des DAM in Frankfurt wurde. 70
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Chile als Vorbild – ein Wohnungsbau von Aravena
Budgetbewusste Designarmatur von Dornbracht
70 Wie macht man Heimat? 8 Thesen zur deutschen Arrival City
86 Schalter und Gebäudeautomation
80 Smart Home – eine Wissenschaft für sich? 84 Werden Innenstadt-Wohnungen immer kleiner?
94 Qualitätsschmiede Besuch bei Simonswerk
96 News Oliver Elser hat als Architekturkritiker und Journalist in
RUBRIKEN
Wien gearbeitet. Er 6
ist seit 2007 am DAM
EIN BILD
und der Kurator des
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deutschen Pavillons.
KLEINE WERKE 50 UNTERWEGS 60 SONDERFÜHRUNG 84 ARCHITE K TUR & M ANAGE ME NT
Anna Scheuermann
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hat ihr Volontariat
PORTFOLIO: BAD
am DAM gemacht.
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Sie arbeitet unter
IMPRE SSUM + VORSCHAU
anderem als
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freie Kuratorin und
MAIL AN...
Autorin.
Doug Saunders mit dem Pavillon-Team:
Kurator Oliver Elser Projektkoordinatorin Anna Scheuermann
Autor Doug Saunders
DAM-Direktor Peter Cachola Schmal
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Köpfe
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Mann der Realität
Workshop
Mit der Frage, wie sich unsere Städte unter dem Einfluss anhaltender Migration verändern müssen, befasst sich in Venedig auch ein Workshop der Hamburger „Academy for Architec-
TITELTHEMA
„Vom Modul zum Stadtquartier – Case Study Houses für Berlin im 21. Jahrhundert“, so der Titel des Sommerworkshops, den die vom Architekturbüro gmp betriebene Akademie vom 25. Mai an durchführt. Es wird am Beispiel Berlin um die Frage gehen, wie die Dynamik einer wachsenden Stadt kombiniert werden kann mit Wohn- und Arbeitsstrukturen, die allen Bevölkerungsschichten offen stehen. „Modulares Bauen ohne den Zwang zur Mono tonie, soziale Integration als Potential, Flexibilität und Nachverdichtung als Voraussetzung für eine urbane Zukunft“, so die Akademie in ihrer Programmankündigung. Mehr Informationen: www.aac-hamburg.de
Mit „Arrival City“ zeigte Saunders, wie vielfältig die sozialen Prozesse sind, die globale Migrationsbewegungen
ARCHITEKTURBIENNALE
erzeugen.
Text: Alexander Gutzmer
FOTO: KIRSTE N BUCHE R
Der Journalist Doug Saunders hat die Vorlage für den Deutschen Pavillon in Venedig ge liefert. Der Autor von „Arrival Cities“ sieht Migration nicht als rosaroten Kuschelprozess. Aber er hält die globale Integrationsgesellschaft für möglich.
tural Culture“ (AAC).
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Aufbruch ins Ungewisse Wie „Making Heimat“ entstand, der deutsche Beitrag zur Architekturbiennale TITELTHEMA ARCHITEKTURBIENNALE
Fotos: Felix Torkar
Die Idee für den deutschen Beitrag zur diesjährigen Architekturbiennale in Venedig wurde in den turbulenten Wochen und Monaten im Herbst 2015 entwickelt, als täglich tausende Flüchtlinge an den Bahnhöfen ankamen und die Bundeskanzlerin eisern daran festhielt, dass es keine Obergrenze für ihre Aufnahme geben dürfe. „Wir schaffen das.“ Diese unerwartete Offenheit wurde zum Leitmotiv für den Deutschen Pavillon auf der Biennale, diesmal gestaltet vom Deutschen Architekturmuseum und dem jungen Architekturbüro Something Fantastic. Monate später sind die Grenzen wieder dicht. Der Deutsche Pavillon dagegen ist offen. Vier große neue Öffnungen wurden in die denkmalgeschützte Fassade geschnitten. Es ist der radikalste Eingriff, der je an diesem Gebäude vorgenommen wurde. Hier berichten die Kuratoren, wie sie ihn durchsetzen konnten und warum das offene Haus trotz geschlossener Grenzen immer noch die richtige Geste ist. Text: Oliver Elser
Peter Cachola Schmal
Anna Scheuermann
Ideen
1
Der deutsche Pavillon als Baustelle: Die Kuratoren wollen das Gebäude in ein offenes Haus verwandeln, das von Mai bis November frei zugänglich ist.
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26
W
ie gelingt es, vier garagen- bis scheunentorgroße Öffnungen in den Deutschen Pavillon zu schneiden? Antwort: Man gehe in die Sprechstunde des städtischen Denkmalamts von Venedig, das sich natürlich nicht irgendwo, sondern im Dogenpalast am Markusplatz befindet. Man erscheine dort an einem Mittwoch um zehn Uhr, denn da beginnt wie jeden Mittwoch der Publikumsverkehr, ziehe eine Nummer und warte. Warte, wa r te, wa r te ande r t halb Stunden, um schließlich vor dem für das Biennalegelände zuständigen Sachbearbeiter zu sitzen, Herrn Francesco Trovò. Er empfängt in einem Gruppenbüro, das er sich mit drei anderen Kollegen teilt. Die Fenster weisen hinaus auf die Lagune. In einer deutschen Amtsstube hätte man nach wenigen Minuten eine Abfuhr bekommen, jede Wette. Aber das Gespräch findet am 4. November 2015 statt. Im Herbst der Flüchtlinge. Der Architekt Trovò findet den Gedanken konzeptionell richtig, den Pavillon zu öffnen, so weit zu öffnen wie die Grenzübergänge in Passau, am Brenner, in Griechenland. Zuhause, in Deutschland, wird von der Bundeskanzlerin gerade Geschichte geschrieben. „Die Menschen sollen einmal sagen können, das haben die damals gut gemacht“, wird sie an diesem Tag von der FAZ auf der Titelseite zitiert. Die Auftraggeber für den deutschen Biennalebeitrag, die im Bundesbauministerium in Berlin sitzen, wissen zu diesem Zeitpunkt nichts davon, dass eine Delegation des DAM gemeinsam mit dem Architek ten Clemens Kusch und Julian Schubert, einem Vertreter von Something Fantastic, beim venezianischen Denkmalschutz vorstellig geworden ist, um zu klären, ob der in Deutschland undenkbare, massive Eingriff in die Substanz des Baudenkmals unter gewissen Umständen und in Anbetracht der hochemotionalen Flüchtlingssituation nicht vielleicht doch möglich wäre. Das DAM und Some-thing Fantastic hatten zwar zuvor von einer Jury den Auftrag erhalten, den deutschen Beitrag für die Architekturbiennale zu entwickeln. Doch als die Entscheidung für das Team von „Making Heimat“ von der Jury gefällt wurde, Anfang Oktober 2015, war von einer Öffnung des Pavillons noch nicht die Rede. Zu gut um wahr zu sein? Herr Trovò wechselt schnell von der Prinzipien- auf die Machbarkeitsebene und skizziert die Anforderungen an den Eingriff: Temporär und reversibel müsse die Maßnahme sein. Außerdem erdbebensicher,
weswegen ein dreiseitiger Stahlrahmen an jeder Öffnung vorzusehen sei. Die Delegation reist wieder ab, enthusiastisch. Die Maschine läuft an. Der Architekt Clemens Kusch, dessen Büro in Venedig bereits seit Jahren alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen am Deutschen Pavillon begleitet, beginnt nach den Vorgaben von Something Fantastic zur Lage und Größe der Öffnungen mit der Detailplanung und bereitet die Ausschreibung vor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kann überzeugt werden, dem Umbau zuzustimmen. Die Amtswege laufen wie geschmiert. Der Bauantrag wird vom zuständigen Konsulat in Mailand an die deutsche Botschaft in Rom und von dort ans Auswärtige Amt weitergereicht, das im Bauministerium nachfragt, was denn da los sei. Dann dauert es nur wenige Tage, bis zwei Bundesministerien sich abgestimmt haben und gemeinsam eine Unterschrift leisten: Der Deutsche Pavillon soll geöffnet werden. Wenige Monate später aber kommt ein Anruf aus Venedig. Die Idee des offenen Hauses droht zu scheitern. Der Denkmalschutz. Doch der Reihe nach. Offenheit oder Baustelle? Was genau ist die Botschaft, die durch den offenen Pavillon formuliert werden soll? Das Bundesbauministerium, zumeist vertreten durch den Staatssekretär Gunther Adler, und das DAM entwickeln in gemeinsamen Sitzungen, bisweilen um 22 Uhr mit Bierflaschen vor einem 1:20-Modell, zwei unterschiedliche Interpretationen: Deutschland ist seit dem Herbst 2015 eine gigantische Baustelle, so deutet das Ministerium die Geste. DAM und Something Fantastic dagegen sehen den Pavillon als Ausdruck einer freundlichen, offenen Haltung gegenüber denen, die nach Deutschland gekommen sind.
D
ie Grenzen sind of fen, die Wände sind durchlässig, das Land und der Pavillon sind nicht mehr dieselben wie zuvor. Gleichzeitig sollen die Öffnungen nicht bloß eine Illustration der politischen Zustände sein, keine gebaute Regierungserklärung zur Bekräftigung des Merkel-Kurses. Der offene Pavillon soll zum Treffpunkt werden. Er soll nicht länger nur Ausstellungraum, sondern öffentlicher Raum sein, ein lichtdurchfluteter Sehnsuchtsort, der den Blick in die Lagune durch riesengroße neue Öffnungen in den weltabgewandten Ausstellungsbetrieb der Giardini hineinholt.
Architektur oder Kunst? Wäre diese Idee auf einer Kunstbiennale entstanden, hät te man sagen können: Okay, das war’s, Mission erfüllt. Wenn es wirklich gelingt, die Wände des Denkmals aufzuschneiden, das seine Nazivergangenheit ebenso wie alle Versuche zu deren Bewältigung mit sich herumträgt, dann genügt das eigentlich. Man kann den geöffneten Pavillon als große Skulptur betrachten und einfach leer lassen. Wäre das konsequent gewesen? Oder bloß schrecklich deutsch in einer Haltung der unerbittlich-idealistischen Gedankenstrenge?
A
uf einer Kunstbiennale hätte ein Künstler seine Autorität für die radikale Geste in die Waagschale wer fen müssen. Im Projekt Making Heimat nimmt das Büro Something Fantastic die Rolle des Künstlers ein. Elena Schütz, Julian Schubert und Leonard Streich sind junge Architekten, die in Berlin leben und mit dem Lehrstuhl an der ETH Zürich, an dem sie unterrichten, unablässig um die Welt reisen. In den wenigen Monaten, in denen Making Heimat entwickelt wurde, waren sie in Detroit, Shenzhen, Hongkong, Tokio, Rio de Janeiro und Kairo. Innerhalb von, wohlgemerkt, nur sieben Monaten. Some-thing Fantastic sind der ideale Partner, weil sie viele Arrival Cities, von denen Doug Saunders, der Autor des gleichnamigen Sachbuchbestsellers (Porträt ab Seite 10), spricht, aus eigener Anschauung kennen. Daraus entwickelten sie für Making Heimat ein Gestaltungskonzept, das die Prinzipien einer Arrival City aufnimmt. „Im Arrival-City-Kontext wird direkt, praktisch, hands-on, effizient vorgegangen“, so Elena Schütz. „Lösungen sind also ganz oft die naheliegenden, die einfachen, die verständlichen. Wirklich viel wird es im Pavillon nicht geben, denn auch in der Arrival City gibt es zwar alles, was man braucht – aber nichts, was man nicht braucht.” Keine Angst vor Ghettos! Das Konzept der Arrival City stand ganz am Beginn des Biennaleprojekts. Da war die Öffnung des Pavillons noch weit entfernt. Und auch die Flüchtlingssituation hatte sich noch keineswegs drastisch zugespitzt, als das DAM gemeinsam mit Doug Saunders im Juni 2015 ins Bewerbungsverfahren für den Deutschen Pavillon einstieg. Bis Oktober 2015 hatte sich die Welt verändert. Der ursprüngliche Gedanke, anhand von Doug Saunders’ Buch über Konzepte einer gelunWEITER
Ideen
1
Auch der Hauptraum am säulengefassten Portikus wird fßr die Architekturbiennale aufgebrochen.
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70
Fragen
1
Wie macht man Heimat?
TITELTHEMA ARCHITEKTURBIENNALE
Hamburg: 13,1 % Wilhelmsburg: 32,7 %
Berlin: 12,6 % Neukölln: 21,1 %
Ausländeranteil der Gesamtbevölkerung einer Großstadt Köln: 16,8 %
und des passenden
Kalk: 37,1 %
Ankunftsviertels
Offenbach: 30,2 %
Frankfurt am Main: 25,7 %
Ludwigshafen am
Mannheim: 19,7 %
Rhein: 20,6 %
Neckarstadt-West: 47,9 %
Hemshof: 43,8 %
München: 22,3 % Schwanthalerhöhe: 33,4 %
Pforzheim: 19,1 % Au: 40,8 %
Stuttgart: 21,6 % Wangen: 31,5 %
QUE LLE N: ILLUSTR ATION S.70: STÄDTISCHE STATISTIK-Ä MTE R, ZITATE S.72 –79: M AKINGHE IM AT.DE
Nordend: 48,0 %
Bahnhofsviertel: 52,5 %
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„Making Heimat. Germany, Arrival Country“, so der Titel des diesjährigen Konzepts für den Deutschen Pavillon in Venedig. Mit der Ausstellung reagieren die Macher vom Deutschen Architekturmuseum darauf, dass im Jahr 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Kurzfristige und temporäre Unterkünfte werden dringend benötigt, aber genauso notwendig sind neue Ideen und sinnvolle Konzepte zur Integration. „Heimat“ ist ein deutscher Begriff, der sich schlecht in andere Sprachen übersetzen lässt. Weder „home“ oder „home country“ im Englischen, noch „casa“ oder „patria“ im Italienischen und Spanischen umfassen die Vielfalt der Deutungen im Deutschen. Der Titel „Making Heimat“ bringt eine neue, aktive Ebene in die Diskussion: Wie kann Heimat „geschaffen“ werden? In enger Zusammenarbeit mit „Arrival City“-Autor Doug Saunders hat das Kuratorenteam acht Thesen zur Arrival City erarbeitet – und zwar mit speziellem Bezug auf Deutschland. Denn auch deutsche Städte sind Arrival Cities. Die Thesen, die einen wichtigen Teil der Ausstellung in Venedig bilden, ergründen, welche architektonischen und städtebaulichen Bedingungen gegeben sein müssen, damit sich Einwanderer in Deutschland erfolgreich integrieren können. Saunders hat weltweit Arrival Cities besucht. Seine Beobachtungen stützen sich auf Besuche in Slums und Favelas. Diese Viertel sind und bleiben arm, aber sie haben eine hohe Fluktuation. Sie bieten günstige Mieten, Zugang zu Arbeitsplätzen und ein kulturelles, ethnisches Netzwerk, das die Ankommenden aufnimmt und, so zumindest die Hoffnung, ihnen einen sozialen Aufstieg ermöglicht. Die aktuelle deutsche wie europäische Flüchtlingssituation und die Anforderungen an eine Arrival City berühren sich an einem entscheidenden Punkt: Es gibt in Deutschland eine Wohnungskrise. Schon lange wird über kostengünstiges Wohnen diskutiert. Nun ist die Situation da, in der konkrete Lösungen umgesetzt werden müssten.
WEITER
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Fragen
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1 Die Arrival City ist eine Stadt in der Stadt
Innenstädte ziehen Migranten an. Ein Beispiel dafür ist das Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Zusammen mit dem Neubau des Frankfurter Hauptbahnhofs im Jahr 1888, damals weit vor den Toren der Stadt, entstand das Bahnhofsviertel mit dem zentralen Boulevard der Kaiserstraße, seinen gründerzeitlich überfrachteten Fassaden und großbürgerlichen Wohnungsgrundris-
sen. Später kamen das Rotlichtmilieu und die seit den 1980er Jahren notorisch offene Drogenszene. Aber es kamen eben auch sehr viele Migranten. Mit seinem hohen Migrantenanteil ist die Frankfurter Bahnhofsgegend eine der wichtigsten Arrival Cities von Frankfurt selbst, aber auch von Deutschland. Seit einigen Jahren ist das Viertel darüber hinaus auch noch Schauplatz massiver Gentrifizierungskonflikte. Oliver Elser
Oben: Frankfurt am
licht milieu, offener
Main, Bahnhofsviertel.
Drogen szene und
Zusammen mit dem
hohem Migranten-
Neubau des Frank-
anteil geprägte
furter Hauptbahnhofs
Gegend eine Arrival
entstand das Viertel
City.
mit dem zentralen Boulevard der Kaiserstraße. Seit Jahrzehnten ist die von Rot -
FOTO: FE LIX TORK AR
Einwanderer suchen ihre Chancen in städtischer Dichte.
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2 Die Arrival City ist bezahlbar
FOTO: GE RRIT SCHWALBACH/BBSR
Günstige Mieten sind eine Voraussetzung für die Attraktivität einer Stadt. Migranten ziehen in der Regel aus zwei Gründen in Großstädte: weil sie dort größere Chancen vermuten. Und weil dort mehr Landsleute – also Angehörige der eigenen Minorität – wohnen, von denen sie sich Unterstützung erwarten. Es sind „Übergangsgebiete“ („transitional spaces“), in denen die Migranten eine Zeit lang bleiben, ab-
hängig von ihren ökonomischen Erfolgen. Dort finden sie preiswerten Wohnraum, ethnische Einzelhandelsgeschäfte, religiöse Einrichtungen, die Chance auf einen Arbeitsplatz und die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen.
Oben: Remscheid-
Häuser nach ihren
Rosenhügel. 25 Mehr-
Bedürfnissen aus. Die
familienhäuser in der
Fenster wurden durch
ehemaligen Thyssen-
Auf brechen der
Siedlung wurden
Wände vergrößert.
2003 im unsanierten Zustand an Familien
Jürgen Friedrichs, Soziologe
mit Mi grationshintergrund verkauft. Die Käufer bauten die