Baumeister 08/16

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BAU ME ISTER

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11 3 . J A H R G A N G

August

+ FLORIS ALKEMADE GRABER UND STEIGER

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Das ArchitekturMagazin

...trotz allem europäisch

ZAHA HADID ANNE HOLTROP HENNING LARSEN HERZOG & DE MEURON FRIEDRICH NIETZSCHE SOMETHING

4 194673 015006

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D 15 € A , L 17 € I 19,50 € C H 2 3 S F R

FANTASTIC

Europas beliebtestes Kunstmuseum baut an


cero ist die Evolution des Fensters. Raumhohe Verglasungen mit dezenten Profilen und Elementgrößen bis zu 15 m2 definieren Transparenz gänzlich neu. cero vereint puren Minimalismus und technische Perfektion mit flexiblem Systemdesign – und ist so einzigartig wie Ihr Architekturkonzept. Wir nennen es das Innenaußen. www.cero.de


Editorial

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Übrigens munkelt man auch, Ernö Goldfingers Trellick Tower sei die Inspiration für Ben Wheatleys sehenswerten Film „High-Rise“ gewesen. Neben der Buchvor­ lage des fantastischen JG Ballard natürlich...

COVE RFOTO: IWAN BA AN

www.highrisefilm.com

o ganz allmählich haben wir alle uns von dem Brexit-Schock erholt. Und ein Schock war es. Noch als meine Kollegin Sabine Schneider zur Eröffnung der Tate Modern-Erweiterung nach London flog, waren wir beim Baumeister sicher, dass Britannien „drinnen“ bleiben würde. Doch es kam anders. Umso richtiger war unsere Entscheidung – die wir freilich vor der Volksabstimmung auf der Insel treffen mussten –, London und die Tate-Modern-Erweiterung von HdM in dieser Ausgabe auf den Titel zu heben. Natürlich sind das politische Votum eines Landes dafür, die EU zu verlassen, und die Eröffnung eines Museumsbaus zwei verschiedene Dinge. Aber beides hängt eben auch zusammen. Die Tate Modern ist nicht nur für London eine Ikone. Sie ist auch ein europäisches Gebäude. Kein europäisches Museum zieht mehr Besucher an. Und keines hat eine solche Anziehungskraft speziell auf junge Menschen aus ganz Europa, für Schüler aus der deutschen Provinz etwa, die auf Klassenreise oder Billigflieger-Trip in London erstmals Weltstadtluft atmen. London ist für Europa wichtig. Das Selbstverständnis dieser Stadt als europäische Metropole hat das Projekt der Grenzöffnung in Europa immer mit ausgemacht. Wenn sich London nun aus dem Gefüge der europäischen Metropolen verabschiedet – zumindest ein Stück weit –, dann verändert das eben auch das gesamte europäische Projekt. Wobei man natürlich die Kirche im Dorf lassen muss und St. Paul‘s in Europa. Denn europäisch bleibt London ja. Der Dialog über die europäische Stadt und das, was wir von ihr erwarten, wird sich weiterhin auch an der Themse abspielen. Und ich kann allen Architekturfreunden raten, London nicht aus dem Reisekalender zu streichen. Denn nicht nur ist die Tate Modern sehenswert. In London lässt sich auch beobachten, wie sich die Kombination aus architektonischem Geltungswillen, sehr viel Kapital und gewachsener Bausubstanz sich in einem nicht immer schönen, aber doch vitalen Geflecht niederschlägt. Und dann ist da noch der Brutalismus: Barbican Centre, The Brunswick, Trellick Tower... Kurzum, wir sollten uns nicht von enervierenden Populisten wie Nigel Farage verschrecken lassen. London is still calling.

Alexander Gutzmer Chefredakteur a.gutzmer@baumeister.de


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Köpfe

Ideen

Auch nach der Erweiterung immer noch das populärste Museum der Gegenwartskunst? Anbauen an die Tate Modern in London 16

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Nachdenklich: Rijksbouwmeester Floris Alkemade

Thun-Panorama: Anbau in weichen Schwüngen

10 Anne Holtrop

20 Bizarrer Backsteinberg

14 Something fantastic Das junge Berliner Büro kommt durch ihr Biennaleprojekt zu schnellem Ruhm.

16 Floris Alkemade Der niederländische Reichsbaumeister macht sich Gedanken über die Rolle der Architekten heute.

Erst von Herzog & de Meuron umgebaut und nun von ihnen erweitert: die Tate Modern

36 Eispalast Same procedure as every year: der Serpentine-Pavillon in London

48 Anlehnung und Differenz Der Museumsanbau von Graber und Steiger am Thuner See soll Besucherzahlen mehren.

BAU MEISTER. DE

Die EM ist gerade vorbei. Die Bilder der Kathedralen des Fußballs haben wir aber noch im Kopf. Auf www.baumeister.de finden Sie die französischen EM-Stadien zum Nachlesen.

58 Hof halten Siemens eröffnet die neue Zentrale von Henning Larsen Architects in München.

66 Urbanes Wohnzimmer Zaha Hadid verwandelt einen Hamburger Hochwasserschutz in Architektur.

FOTOS V.L .N.R .: M A ARTE N KOOL S; DOM INIQUE M ARC WE HRLI; IWAN BA AN; BRUNNE R

Zwischen Bau und Kunst: Der niederländische Architekt findet einen Weg.


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Fragen

Lösungen

Gast-Arbeiter

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Die Zukunft der britischen Hauptstadt liegt im Dunst.

Loungemöbel aus der Qualitätsschmiede Brunner

74 London – Ende einer europäischen Metropole?

86 Fenster, Türen, Tore

78 Warum Turin, Herr Nietzsche?

Besuch beim Objektmöbelhersteller Brunner

82 Wie sehen die Handelsflächen der Zukunft aus?

94 Qualitätsschmiede

Olaf Bartels studierte Archi­ tektur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Während des Studiums fokussierte er sich vor allem auf Geschichte und Theorie. Er lebt zeitweise in Istanbul, kommt aber gerne an seinen Studienort zurück, um für uns über Neues aus der Stadt zu berichten.

96 Dach

RUBRIKEN 6 EIN BILD 34 SONDERFÜHRUNG 46 KLEINE WERKE 56 UNTERWEGS 82 ARCHITE K TUR + M ANAGE ME NT 94 QUALITÄTSSCHMIE DE 103 IMPRE SSUM + VORSCHAU 104 PORTFOLIO: BEST PRODUCT 11 4 KOLUMNE

Ursprünglich hat Jane Szita in Oxford Englisch studiert, bevor sie sich dort Kunst und Architektur zuwandte. Dann zog es sie in die Niederlande, wo sie seither für zahlreiche Design- und Architekturzeitschriften gearbeitet und Bücher verfasst hat – immer mit Schwerpunkt Mode, Design und Architektur.


FOTO: ANTONY CAIRNS

Millennium Bridge, London

6 Ein Bild


7 Dichte Nebelschwaden verschleiern die Sicht auf das Objekt im Zentrum unseres Bilds. Wir nähern uns auf dem vorgege­ benen Pfad unserem Titelthema – der Tate Modern in London. Die hellen Streifen am Horizont? Das ist der gläserne Dachaufbau von Herzog & de Meuron auf dem weltweit größten Museum für moderne Kunst. Im Vordergrund zeichnet sich das abgerundete Geländer der „Millennium Bridge“ von Foster and Partners ab. Bei den Werken des Fotografen Antony Cairns könnte man meinen, es handele sich um Röntgenaufnahmen oder um Aufzeichnungen einer Wärmebild­ kamera. Cairns, geboren in Londons East End, hält das „Zentrum seines Universums“ in unwirklichen Bildern fest: Schlieren und Makel überziehen die Porträts seiner Heimatstadt, und genau diese Unvollkommenheit und Kuriosität seiner Kunst zeichnet ihn aus. Er versucht, die rasende Entwicklung seiner sonst immer farbenfroh und glitzernd dargestellten Metropole in schlichten, düsteren Bildern festzuhalten und uns ihre andere Seite dadurch ein wenig näher zu bringen. Sein neuer Bildband LA-LV, erschienen im Mai und herausgegeben von Kominek Books, Berlin, zeigt seine experimentellen Arbeiten aus den Jahren 2014 und 2015 in den Städten Los Angeles und Las Vegas.

Text

Sophie Charlotte Hoffmann


Auf der Suche nach dem Unerwarteten: der niederländische Architekt Anne Holtrop in Bahrain


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5 Kรถpfe: Anne Holtrop Something fantastic Floris Alkemade

ELENA SCHร TZ, JULIAN SCHUBERT UND LEONARD STREICH

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FOTO: FABIAN FRINZE L

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Kรถpfe

FOTO: FABIAN FRINZE L

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„ Für mich ist Architektur eine künstlerische Tätigkeit. “

11 Linke Seite: Anne Holtrop in Bahrain. Unten: Glatter, weißer Beton umschließt üppig grüne Höfe: der Expo-Pavillon für Bahrain in Mailand. Viele Besucher waren dankbar für diesen Rück zugsort im Getümmel.

Kritik: Jane Szita

Für Anne Holtrop ist das ist kein hohler Satz. Kaum ein Architekt versteht diese Haltung so wörtlich wie der Niederländer. Architektur bedeutet für ihn Kunst – er nimmt sich alle Freiheiten in Form, Material und Ausführung. Seine poetischen Installationen gleichen daher eher begehbaren Skulpturen. Geschätzt wird seine Arbeit vor allem im Nahen Osten.


Köpfe

Biennale-Pavillon für Bahrain

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er Kronprinz von Bahrain hat natürlich Vorrang. Wegen ihm muss das Treffen mit dem niederländischen Architekten Anne Holtrop verschoben werden. „Es ging um ein neues Projekt, über das ich noch nicht reden darf“, sagt Holtrop entschuldigend. Es ist nur eine von mehreren Aufgaben, hätte er hinzu­ fügen können, die er gegenwärtig in dem Land am Arabischen Golf übernommen hat – darunter die Renovierung eines historischen Markts, eines „Souks“, mit Gebäuden aus handgemeißeltem Stein. Sein Bahrainer Büro umfasst bisher vier Mitarbeiter, das Stammbüro in Amsterdam drei Mitarbeiter. Weißer Beton für Mailand

Ausgangspunkt für den Entwurf ist nur ein einziges Material: Aluminium. Oben: Guss der Platten. Unten: Anne Holtrops Gestaltung des BahrainPavillons ist in Venedig noch bis Ende November auf dem Arsenale-Gelände zu sehen.

2015 rückte Holtrop ein wenig mehr ins Rampenlicht, als er zur Expo in Mailand den Bahrain-Pavillon beisteuerte: Der Entwurf lehnt sich typologisch an das Motiv des geschlossenen Gartens an und trägt den Namen „Archaeologies of Green“. Die schlüssige Anordnung von weißen, geschwungenen Betonwänden, Beeten und Höfen mit Obstbäumen wurde vielfach gelobt: Dreihundertfünfzig Wandelemente fügen sich wie Teile eines Puzzles zusammen und lassen im Innern eine Abfolge von intimen Ausstellungs- und Gartenräumen entstehen, die den Besucher zum Entspannen und Ausruhen motivieren und zu vielfachen Interpretationen inspirieren – eine Qualität, die für Holtrops Arbeiten charakteristisch ist. „Architekten aus Nordeuropa spazierten herum und sagten ‚Oh, das ist ja sehr barock’“, erzählt Holtrop, „während die Bahrainis sagten, ‚Wie minimalistisch!’“ „Poetisch“ ist die Bezeichnung, die sich aufdrängt, wenn man die Arbeiten Holtrops beschreiben möchte – das Wort „Gebäude“ wäre hier zu prosaisch. 1977 im niederländischen Tiel geboren, machte er seinen Abschluss an der Architekturakademie Amsterdam. Es dürfte kein Zufall sein, dass er danach fünf Jahre für den Künstler Krijn de Koning arbeitete, der für seine architekturähnlichen Skulpturen bekannt ist. „Von ihm habe ich gelernt, dass man alles, was man schaffen möchte, auch schaffen kann“, sagt Holtrop. „Ich verstehe mich nicht als Teil einer bestimmten Generation holländischer Architekten, denn meine Arbeiten haben keine rationale Basis – auch wenn sie in ihrer Wirkung sehr direkt sind, was eine holländische Eigenschaft ist. Meine Inspirationsquellen sind etwa ein Tintenklecks oder die Linien einer Landschaft, ein abstraktes Bild oder Beton, der in die Landschaf t gesetzt wurde.“

Für all diese Beispiele finden sich unter den Projekten Holtrops entsprechende Exemplare: Das „Trail House“, eine temporäre Installation, entwarf er 2009 für die Ausstellung „Unknown Territory“ im niederländischen Almere; er platzierte es entlang ausgetre­ tener Pfade, die bereits auf dem Gelände existierten. Die Wege bestimmten die sich windende Gestalt des Gebäudes. Einen ähnlich labyrinthhaften Grundriss wies sein „Temporary Museum“ (Lake) von 2011 auf. Hier waren zufällig entstandene Zeichnungen der Ausgangspunkt der Konstruktion: „Mit Hilfe des Zufalls konnte ich eine freie Arbeit entwickeln, die nicht auf etwas Spezifisches Bezug nimmt“, sagt Holtrop. Von der Skulptur zum Gebäude Holtrops erstes dauerhaftes Gebäude, das „Fort Vechten“-Museum, ist kein bisschen weniger experimentell. Das überwiegend unter der Erde gelegene Bauwerk widmet sich der neuen holländischen Wasserlinie, einer Kette von gigantischen Verteidigungsanlagen, die zwischen 1815 und 1870 errichtet wurde. Holtrop zeichnete die topografischen Linien des hügeligen Festungsge­ ländes nach und umgrenzte diese dann mit einem Rechteck. Die Landschaftslinien wurden als Ortbetonwände wiederge­geben und verleihen dem Bau so seine Form. „Bei jedem Gebäude erfinde ich einen Entwurfsprozess auf der Grundlage meiner Ausgangsidee“, sagt Holtrop. „Jeder Schritt basiert auf dem vorhergehenden. Für mich ist Architektur eine künstlerische Tätigkeit. Jeder neue Auftrag ist eine Gelegenheit, in diese Richtung voranzuschreiten. Wir betreiben keine aktive Akquisition und lehnen viele Projekte ab.“ Holtrops jüngste Installation, der Bahrain-Pavillon für die Biennale in Venedig, verwendet nur ein einziges Material: Aluminium, denn es ist ein industrieller Schwerpunkt des Landes. Die Herstellung im Sandgussverfahren in einer offenen (für den Boden) und einer geschlossenen Variante (für Wände und Decke) hat das eher prosaische Material bis zur Unkenntlichkeit verändert und ihm neue, assoziationsreiche Eigenschaften verliehen. „Derartig unregelmäßige Muster habe ich noch nie vorher gesehen“, sagt Holtrop. Die Entscheidung, die Platten „unbearbeitet und rau“ zu belassen, fiel leicht. Vor allem die archaischen Techniken und Materialien sind es, die das Arbeiten in Bahrain für Holtrop besonders attraktiv machen. „Es ist aufregend, außerhalb von Europa beschäftigt zu sein“, sagt er, „man ist hier in Zusammenhängen, in denen alles sehr anders ist, und mir gefällt diese Unvorhersehbarkeit. Ich mag das, worüber man keine Kontrolle hat.“ Aus dem Englischen von Michael Wachholz

FOTO OBE N: STUDIO ANNE HOLRTOP; UNTE N: AR M IN LINKE & GIULIA BRUNO (2)

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LEAD AWARDS 2015

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Die Aneignung der Welt Text: Nadin Heinich Portr채tfoto: Zara Pfeifer

Viel ist 체ber den Deutschen Pavillon auf der diesj채hrigen Architekturbiennale in Venedig geschrieben worden. Der gestrenge Entwurf, 1938 umgebaut von Ernst Haiger, war durchl채ssig geworden. Die Idee dazu stammt von den jungen Berlinern Architekten Something Fantastic.


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in Dachgeschoss haben sie bisher keines ausgebaut und auch kein Einfamilienhaus entworfen. Doch das erste Buch, das sie 2009 herausgegeben haben, ist gleich aufgefallen: „Something Fantastic – A Mani­ festo by Three Young Architects on Worlds, People, Cities, and Houses“. Spätestens seit der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig, wo sie für die Ausstellungsarchitektur und die grafische Gestaltung des Ausstellungskatalogs des deutschen Beitrags verantwortlich waren, sind sie über den Status „Berliner Insider-Tipp“ hinaus und einem breiteren Publikum bekannt. Ihre Offenheit und uneitle Neugier, die Lust am Experiment und die Konsequenz, mit der sie ihren eigenen Weg gehen, statt die Sicherheit des üblichen Werdegangs zu wählen, ist wohltuend erfrischend und lässt auf noch viel mehr hoffen.

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und Räume entworfen, einige davon auch realisiert: Bei „The Wood“ wurde in einer Aktion am frühen Morgen eines der üblichen Bauschilder für Luxuswohnungen in Berlin Mitte mit dem Bild eines Waldes verhüllt. Mit dem „Dumpling Express“, einem gebrauchten Dreirad mit darauf montiertem Parabolspiegel, kann ohne Strom oder den Verbrauch sonstiger Rohstoffe Essen zubereitet werden. Einfach, kostengünstig, mobil, Hightech und Lowtech zugleich – eine unmittelbare Manifestation ihrer Vorstellung von Architektur.

werden im einjährigen Rhythmus gemeinsam mit den Studenten in Büchern publiziert. Nach den informellen Siedlungen in Ägypten ist das nächste Buch über die Expansion Kairos, der größten Stadt Afrikas, bereits in Planung. Von Kairo zur Berliner Fashion Week – denn „immer, wenn etwas überhandnimmt, versuchen wir es einzudämmen“. Seit Something Fantastic für die Modenschauen des Berliner Avantgarde-­ Minimal-Labels Perret Schaad verantwortlich sind, zeigen diese nicht mehr klassisch im Zelt, sondern an wechselnden Orten „off-site“. Im Deutschen Pavillon in Venedig waren Something Fantastic dieses Jahr für die grafische wie auch die räumliche Gestaltung der Ausstellung verantwortlich. Für die vier großen Öffnungen wurden mehr als 48 Tonnen Ziegelsteine aus den denkmalgeschützten Wänden des Pavillons gebrochen (Baumeister 6/2016). Die Ziegelsteine, die später dazu genutzt werden, die Löcher wieder zuzumauern, sind jetzt als Tresen im Pavillon aufeinander gestapelt. Mit einem Flaschenzug werden abends alle Wert­ sachen nach oben gefahren, wie auf der Baustelle. Auf den Punkt, einfach und konsequent. Wir sind gespannt, was als nächstes kommt.

Modeschau für das Berliner Modelabel Perret Schaad

Durchlässiger als sonst: der Deutsche

FOTO LINKS: Z AR A PFE IFE R; M IT TE: LEA NIE L SE N; RECHTS: ARCHIV ARCHITE K TE N

Pavillon in Venedig

Something Fantastic sind Elena Schütz (1983 geboren), Julian Schubert (1982 geboren) und Leonard Streich (1981 geboren). Sie kennen sich vom Architekturstudium an der Universität der Künste in Berlin, haben gleich am ersten Tag nebeneinander gesessen, seitdem immer wieder zusammen gear­ beitet und schließlich zusammen Diplom gemacht. Ihre Diplomarbeit war Abschluss und Neustart zugleich: eine Auseinandersetzung darüber, was ein Architekt heute ist, sein kann und sein sollte – und wie sie dazu stehen. Sie haben Texte gelesen zu allem, was sie dafür für relevant hielten, von Karl Marx, Robert Venturi bis Richard Sennett und Rem Koolhaas, Interviews geführt, neun prägnante, subversive Installationen, Objekte

Ihre Diplomarbeit veröffentlichten sie als Buch bei Ruby Press, ursprünglich unter dem Titel „Ways of Worldmaking – Ansichten, Anregungen and Something Fantastic für eine schöne Zukunft“. Daraus wurde „Something Fantastic“ und der Start des eigenen Büros direkt nach der Uni. Den Druckkostenzu­ schuss der Universität der Künste investierten sie – angeregt von der Lektüre von Marx und dessen Überlegungen zu Produktionsmitteln – in einen Drucker, mit dem sie das Buch selbst druckten und der bis heute im Büro zum Einsatz kommt. Eine spezielle Arbeitsteilung innerhalb des Trios gibt es nicht. Ihre Arbeiten bewegen sich inzwischen innerhalb eines breiten Spektrums zwischen Theorie und Praxis. Dabei verausgaben sie sich nicht in formalen Entwürfen, sondern „wollen Dinge machen, die Menschen Ideen davon geben, wie sie besser zusammenleben können“. Eine Vielzahl von Büchern ist hinzugekommen, dazu Ausstellungen, Modenschauen, Studien, Bühnen, Objekte etc. An der ETH Zürich, am Lehrstuhl von Marc Angélil, lehren sie einen postgraduier ten „Master for Advanced Studies in Urban Design“ und forschen zu urbanen Regionen, die sich im schnellen Transformationsprozess befinden. Die Forschungsergebnisse, etwa zu den Slums und Neubaugebieten in Brasilien oder in Kairo,

„The Wood“: Vermummung des Investoren-Bauschilds


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Köpfe

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Der Rijks-Sozialarbeiter „The Next Economy“ war Thema der Rotter­damer Archi­ tektur-Biennale IABR zwischen dem 16. April und dem 10. Juli. Ein Beitrag kam vom derzeitigen holländischen „Rijksbouwmeester“ Floris Alkemade: zu „schnellem und smartem Wohnungsbau“. Wir sprachen mit ihm über sein soziales Engagement.

Floris Alkemade, Sie beteiligen sich als neuer holländischer Reichsbaumeister an der diesjährigen Rotterdamer Architektur-Biennale mit einem Beit rag (Foto rechte Seite), der einen Anstoß in der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte geben will. Entdecken Sie die soziale Rolle des Reichsbaumeisters? F L O R I S A L K E M A D E : Mit meinem Beitrag möchte ich neue Wege des Wohnungsbaus einschlagen, die möglichst schnell und smart sind. Ich bin dabei, neue Pläne zu entBAUMEISTER:

wickeln, nicht allein für Flüchtlingsheime, sondern für gut gestaltete Wohnungen, die sich jeder leisten kann. Wir haben den vorhandenen Wohnraum untersucht und festgestellt, dass es in Holland nicht nur im Office-Sektor sehr viel Leerstand gibt. In Zahlen ausgedrückt sind das 50 Millionen Quadratmeter leer stehende Räume. Dieser gravierende Leerstand hat uns dazu veranlasst, nach neuen Wohnformen zu suchen. Das ist nicht immer einfach – besonders bei Bürogebäuden. Dennoch ist es möglich.

Neue Technologien und Entwürfe können dabei helfen. Aus diesem Grund haben wir Architekturwettbewerbe veranstaltet und kürzlich ein Gebäude in Den Haag für einen Umbau ausgewählt: Herman Hertzbergers „Ministerium für Arbeit und Soziale Angelegenheiten“, das seit einigen Jahren leer steht. Als Strukturalist schuf Hertzberger flexible Gebäude, die Veränderungen vertragen. Doch von Beginn an gab es Pro­ bleme, weil es sich kaum in die Umgebung integrierte. Später kam hinzu, dass sich das

FOTO LINKS: M A ARTE N KOOL S; RECHTS: KL AUS E NGLE RT

Interview: Klaus Englert


17 Ministerium im Verlauf zunehmender Privatisierungen überflüssig machte, sein soziales Programm aufgab und dann auszog. Wir haben nun ausgehandelt, dass der neue Eigentümer Flüchtlinge für mindestens fünf Jahre aufnehmen muss. Das sind selbstverständlich außergewöhnliche Bedingungen für einen Käufer. Weil wir Fakten schaffen mussten, begannen wir bereits mit dem Umbau und organisierten mit einem Architekturstudenten bereits ein Probe-Wohnen. Mittlerweile haben sich auch einige Kaufinteressenten gefunden.

Veränderungen braucht es? Die Quartiere wurden oft in der Nachkriegszeit errichtet, als viele junge Leute dorthin zogen. Aber d i e w i r t scha f t l ichen Vo rausset zungen haben sich heute verkehrt. Kurz : Wir wollen halbjährlich neue Leitthemen lancieren, die sowohl für die Gesellschaft als auch für Architekten zentral sind. Meinen Sie, die traditionellen Forder­u ngen nach gut gestalteten Innen- und Außenräumen sind nicht mehr so dringend? B:

Erklären Sie doch einmal das Modell, das Sie auf der Biennale ausstellen. F A : Es handelt sich um ein Modell, das wir ausgehend von Hertzbergers Ministeriumsgebäude entwickelten. Es stellte sich dann heraus, dass es im Verlauf unverkennbar Ähnlichkeiten mit Constants utopischem Wohnmodel l „New Babylon“ annahm. Mit dem Biennale-Beitrag verbinde ich noch ein anderes Ziel: Das Studio des Reichsbaumeisters untersucht außerdem, welche neuen Wohnformen gerade in den Niederlanden entstehen. Wir kontaktieren die Leute, sprechen mit ihnen und unterstützen sie. Unser ziemlich utopisches BiennaleModell ist aus der kreativen Zusammen­ arbeit mit diesen Leuten entstanden. B :

Architektur und Politik

Floris Alkemade arbeitete ab 1989 fürs Office for Metropolitan Architecture (OMA)

Ihre neue Aufgabe beschränkt sich ja nicht nur darauf, Modelle für Biennalen in Auftrag zu geben. Skizzieren Sie doch einmal das Spektrum Ihrer Tätigkeiten. F A : Der holländische Reichsbaumeister muss verschiedene Aufgaben er füllen. Zunächst ist er für sämtliche Regierungsgebäude verantwortlich – von Gefängnissen bis zum Königspalast. Das allein füllt normalerweise mehr als einen Fulltime-Job aus. Daneben kann er seine eigenen Schwerpunk te in Archi tek tu r, Landscha f tsge­ staltung oder Städtebau setzen. In meiner Agenda stehen derzeit die Flüchtlingsunterkünfte ganz oben. Mir geht es um eine verbesserte soziale Integration dieser Menschen – keine leichte Aufgabe. Wir ver­ suchen herauszufinden, wie Architektur weiterhelfen kann. In diesem Fall sehen wir uns mit einem Immobilienmarkt konfrontiert, der uns bei der Suche nach geeigneten Lösungen nur wenig behilflich ist. Deswegen arbeiten wir mit Architekten und anderen Kreativen zusammen, um neue Ideen zu entwickeln. Soziale Innovation steht im ersten Halbjahr meiner Tätigkeit als Reichsbaumeister im Vordergrund. Im folgenden Halbjahr werde ich mich der Gesundheitsvorsorge widmen, weil in Holland einerseits die öffentliche Hand mehr und mehr abbaut und andererseits die Menschen immer älter werden. Für uns Architekten stellt sich dabei die Frage: Wie lässt sich Gesundheitsfür­ sorge besser in Wohnviertel, nicht unbedingt in Wohnhäuser, integrieren? Welche B:

und war etwa für den Euralille-Masterplan verantwortlich. Als er 2001 zum Partner aufstieg, entwarf er den Masterplan für das Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen. 2008 gründete er sein eigenes Büro – Floris Alkemade Architect

Es ist sicherlich nicht zufällig, dass Sie an einer Architektur-Biennale teilnehmen, die nicht in einem traditionellen Kulturzentrum, sondern in einer alten Lagerhalle des Rotterdamer Hafens gezeigt wird. Als Reichsbaumeister haben Sie doch bestimmt das Experimentierlabor „Katendrecht“ und die vielen Start-ups im Rotterdamer Hafen im Visier? F A : Es ist wirklich faszinierend, was derzeit hier passiert. Die Leute kommen hierhin und probieren alles Mögliche aus. Katendrecht ist der geeignete Ort für neue Ideen, ein Labor für unbekannte Dinge. Rotterdams Süden galt immer als die falsche Seite, weil ja alles auf der anderen Seite des Flusses vor sich ging. Doch dann kamen die neuen Brücken. Und mit den neuen Stadtentwicklungsprogrammen stellten sich die Veränderungen ein. Die Leute kommen zwar nicht mit viel Geld, aber mit großartigen Ideen. Auf diese Weise kann man viel bewegen. Diese Situation findet sich nicht häufig. Zumeist stellt sich ihnen die Gentrifizierung von Stadtvierteln entgegen, wodurch sich das Leben verteuert. In Katendrecht gibt es dagegen eine Mischung: Einerseits haben sich Start-ups angesiedelt, andererseits begann eine Gentrifizierung, die sich das vorherrschende Klima zunutze macht. Ich glaube aber nicht, dass die Gentrifizierung die neuen Initiativen blockier t. Die Stadt braucht solche Flächen, wo Leute etwas Neues ausprobieren können, etwas, das glücken oder auch misslingen kann. All das ereignet sich gerade in Katendrecht, wovon Rotterdam ungemein profitiert. Ich freue mich, diesen Wandel miterleben zu können. Denn es handelt sich nicht um einen Masterplan, der von oben herab dirigiert, wie die Stadt auszu­ sehen hat. Vielmehr erlebt man hier ein Spiel von Kräften, deren überraschende Elemente die Stadt bereichern. B:

(FAA). Er unterrichtet auch und ist seit dem 1. September 2015 Reichsbaumeister.

Design für sich genommen ist bedeutungslos. In der heutigen Zeit drängen andere Themen in den Vordergrund. Gute E nt wü r fe reichen n icht aus, denn wi r müssen uns die Frage stellen, wie sich die Gesellschaft und die Städte entwickeln sollen. Architekten müssen sich auch mit sozialer Integration und Segregation auseinandersetzen. Holland zeichnet sich durch so viele gute Architekten aus, deren Entwürfe nicht nur preiswert und funktionell sein sollten. Diese Entwurfshaltung war lange Zeit losgelöst von der sozialen Rolle des Architekten. Das können wir uns immer weniger leisten. F A:

Erfindet sich Rotterdam derzeit neu, seitdem das riesige Hafenareal von einem Umbau erfasst wird und seitdem sich hier landwirtschaftliche Kooperativen, ÖkoInstitute und Forschungslabore eingerichtet haben? F A : Es ist faszinierend, Arbeit, Leben und Produktion wieder in die Stadt zu bringen. Nachdem der Hafen verlagert worden war, wurde keine neue Monokultur installiert. Stattdessen gibt es hier städtisches Leben – dank neuer Technologien und nachhaltiger Prozesse. Vielleicht ist das aber gar nicht einmal so neu, denn die Verbindung von Leben und Arbeit ist ja etwas, was die mittelalterlichen Städte auszeichnete. B:


Die Erweiterung der Tate Modern steht auf Teilen des Bestands, das ihr als Fundament dient.


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FOTO: IWAN BA AN

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5 Ideen: Erweiterung der Tate Modern Serpentine-Pavillon und vier Sommerhäuser in London Thun-Panorama Siemens-Hauptverwaltung München Hochwasserschutzanlage in Hamburg

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Ideen

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Bizarrer Backsteinberg

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TITELTHEMA

L O N D O N , E U R O PA U N D DIE TATE

Architekten: Herzog & de Meuron Kritik: Sabine Schneider Fotos: Iwan Baan

Die Londoner Tate Modern ist das populärste Museum für die Kunst der Gegenwart – fünf Millionen Besucher kommen im Jahr in die von Herzog & de Meuron umgebaute, im Jahr 2000 eröffnete „Bankside Power Station“ direkt an der Themse. Denselben Architekten fiel nun die Aufgabe zu, sie auf ihrer Südseite um ein weiteres Monument zu ergänzen.


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Ideen

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Der ärmere Teil Londons liegt sßdlich der Themse, aber mit Projekten wie der Tate beginnt auch hier die Gentrifizierung.

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Ideen

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Direkter Nachbar der Tate sind die Luxusapartments von Rogers Stirk Harbour links im Bild.


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Ein Gewinn fĂźr Touristen und Einheimische: die Aussichtsterrasse ganz oben in der gekappten Pyramide mit grandiosem Rundumblick


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Ideen

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Wie in einem Schneckenhaus windet sich eine breite Betontreppe hinauf zu den Galerieräumen.


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Unten: Das Untergeschoss des Tate-Anbaus gehรถrt zum Bestand und bildet sein Fundament. Oben: Sichtbeton ist das Erkennungsmerkmal des Kerns.


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Einer von vielen Seminar-, Club- und Veranstaltungsräumen direkt an der Fassade. Die durchlässige Ziegelhaut sorgt fßr eine angenehme Lichtstimmung.


Ideen

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Nicht nur ein Treppenhaus: Die Erschließung hält dramatische Blickbeziehungen bereit. Die Orientierung fällt leicht.

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Ideen

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Die Werke der Künstlerin Louise Bourgeois haben einen eigenen Raum mit Tageslicht bekommen.

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„ie Form ist etwas zwischen einer sehr rationalen und einer sehr irrationalen Form, eine pyramidenartige Gestalt“, meint Jacques Herzog, offenbar selbst etwas ratlos, wie man das neueste Bauwerk aus seinem Büro beschreiben soll. Die Aufgabe bestand darin, an der Südwestecke des mächtigen, symmet risch aufgebauten ehemaligen Kraftwerks¹ anzudocken – nicht etwa mit einem unauffälligen Annex, denn der Bauherr forderte nichts weniger als ein Museum für das 21. Jahrhundert. Die Industrie-Kathedrale von 1963 beherrscht mit ihrem markanten Turm unbestritten das Themse-Ufer an dieser Stelle – daneben sollte jetzt also eine zweite Kathedrale platziert werden. Kann das gut gehen? Etwas ungläubig steht man zunächst vor dem gewaltigen, schroffen Ziegelmassiv, das dort in den letzten Jahren emporgewachsen ist: eine widersprüchliche Erscheinung. Da ragt eine verformte, kantige und zudem oben gekappte Pyramide in den grauen Himmel, wird aber horizontal getaktet durch lange Fensterbänder, die neun Stockwerke ablesen lassen, dem fremd­ artigen Massiv einen Maßstab, ihm den

Anschein von Normalität geben. Gleichzeitig verwächst die singuläre geometrische Figur mit dem alten Ziegelkoloss, will nicht eigenständig sein, sondern dazu gehören. Auch die Wahl eines Klinkers als Fassadenmaterial legt dies nahe: dort der alte, inzwischen schwarz gewordene Backstein, hier eine Vorhangfassade mit Lochmuster, das die Pyramide umhüllt. Die solide Ausführung mit den hell definierten, strukturierten Fensterstürzen erinnert ein wenig an Bauten der britischen Nachkriegsmoderne, Werke aus der Zeit des Brutalismus – das Hallfield Housing Estate von Denys Lasdun etwa. Jedenfalls handelt es sich nicht um einen modischen Bau. Der für das Projekt zuständige Seniorpartner Ascan Mergenthaler erklärt die Entwicklung so: Man habe den westlichen Teil des bestehenden Umspannwerks (englisch: Switch House) abgerissen und neu ergänzt, es sollte ein einziger „Organismus“ entstehen. Was Jacques Herzog anfangs mit rationalen Vorgaben meint, sind die städtebaulichen Bedingungen, die die Bauform bestimmen: Das Kraftwerk sollte durchlässig werden und auf der Themse-abgewandten Rückfront eine Schauseite mit neuem Eingang erhalten – wie schon im Wettbewerb um die Tate Modern 1995 angedacht. Statt hier also mit der Erweiterung im rechten Winkel auf den Altbau zu treffen, wählten sie einen stumpfen Winkel, so dass sich das Gebäude am Eingang einladend öffnet, „die Arme aus-

breitet“, wie Mergenthaler meint. In der Höhe dreht sich die Pyramide dann wieder parallel zum Altbau. Die Neigung ist außerdem den geforderten Sichtlinien auf die Kathedrale am gegenüberliegenden Ufer geschuldet – in London spielt der freie Blick auf St Paul’s eine große Rolle. Außerdem musste der ikonische Kraftwerksturm seine Bedeutung behalten, trotzdem „das Dahinter vorne sichtbar“ werden. Innere Windungen Erlebt man die Pyramidenform auch im Inneren? Nicht unmittelbar, um es vorwegzunehmen. Dennoch sind hier auf jegliche Zweifel an der Bauform verflogen. Eine Vielzahl an Räumen entfaltet sich für die Kunst und ihre Besucher: intime Kabinette, große Hallen, schmale und weite, hohe und niedrige Bereiche wechseln sich ab – schlicht weiß gestrichene Wände und sägerauer Eichenboden lenken nicht vom Wesentlichen ab. Wie in einem überdimensionalen Schneckenhaus winden sich breite Treppen immer weiter hinauf – es gibt aber keine Ähnlichkeit etwa zum Guggenheim-Museum; der Erschließungskern aus Sichtbeton bildet angenehme Aufenthaltsräume aus, mit hölzernen Sitzbänken und Information zur Kunst. Die Orientierung fällt leicht, denn zahlreiche Öffnungen nach oben, unten und nach draußen lassen erkennen, wo man sich im Gebäude befindet. Neben den klimati-


31

Verschiedene Künstler sind in dieser Halle mit industriebau-Charme zu sehen.

sierten Ausstellungssälen gibt es auffallend viele Seminar- und Veranstaltungsräume, ein Café, Restaurants und Büros, nur mit Glasscheiben abgetrennt, so dass man sich auch weiter oben im Haus, wo es in der Pyramidenspitze enger zugeht, nicht eingesperrt fühlt. Das umfangreiche zusätzliche Raumangebot wurde an die Fassaden gelegt, wo sich die Fenster einfach öffnen lassen. Hier direkt an der Außenhaut dominiert das Lochmuster aus Ziegeln als grob gewebte Sonnenschutzschicht; es herrscht eine angenehme Lichtstimmung. Die Backsteine sind an Edelstahlstiften aufgefädelt, in der Präzision eine Hightech-Fassade und der Beweis, dass sich im 21. Jahrhundert zeitgemäß mit Ziegeln bauen lässt. Trotz der E r weiterung bleibt die Haupt­ attraktion der Tate Modern nach wie vor die spektakuläre Turbinenhalle im Bestand – eine grandiose Platzverschwendung und ein seltenes Beispiel für einen wahrhaft öffentlichen (Straßen-)Raum im Inneren eines Gebäudes. Der Anbau ist mit dieser Halle über das durchgehende Untergeschoss und zwei Brücken im ersten und vierten Obergeschoss verbunden. Wie sehr die Tate-E r weiterung mit dem Bestand verwurzelt ist, lässt sich vor allem in diesem Untergeschoss feststellen: Sie steht auf einem Fundament aus zwei gewaltigen Öltanks, die in eindrucksvolle runde Säle für Tanz-, Musik- und Videoperformance verwandelt wurden. Man fühlt sich hier unten

Frühere Variante

Als Idee für das Auswahlverfahren 2005 lieferten die Schweizer gestapelte Kuben aus Glasbausteinen ab – eine „radikale Vereinfachung“ des Konzepts. Zusammen mit

wie im Bauch eines riesigen Tankers; das Rund schafft dennoch eine konzentrierte Stimmung. Mit großem Aufwand haben die Architekten den ruppigen Industrie-Charme der vorhandenen Betonstruktur erhalten. Was vielen Besuchern entgeht: Der Anbau wird nicht nur aus Nostalgie heute „Switch House“, Umspannstation, genannt, sondern es wurde tatsächlich noch ein Rest des Kraftwerks in einem kleinen Teil integriert und ist in Betrieb. Die Rundungen der beiden Tanks zeichnen sich übrigens auch oberirdisch als geschwungene Umfassungsmauern des TateGeländes in Sitzhöhe ab. Innen wie außen wird der Übergang von Alt zu Neu kaum spürbar, beides geht nahtlos ineinander über; es wächst tatsächlich zusammen, obwohl der Altbau aus einem mit Ziegeln ausgefachten Stahlskelett besteht und der Neubau ein Stahlbetontragwerk aufweist. Das Material Beton war im bestehenden Tankfundament schon angelegt.

dem Bauherrn, der sehr stark involviert werden

Der Raum draußen

wollte, haben sie dann später herausgefunden, dass Backstein die rich­ tige Lösung ist.

Trotzdem: Die zur Themse gerichtete Nordseite ist und bleibt die Postkartenansicht der Institution. Denn leider wächst der neue Backsteinberg nicht jäh aus dem Asphalt, wie es wünschenswert wäre, damit die Bauform ihre Eigenständigkeit unterstreicht, sondern an der Westseite des Neu- und der Südseite des Altbaus wird der Sockel WEITER


Ideen umzäunt, der Zaun mit dürren Büschen fast schamhaft getarnt. Was sich dort verbirgt, sind unter anderem die Anlieferung der Kunst, Abstellflächen für Müllcontainer und Parkplätze. Da hilft weder das neue Café auf dem so geschaffenen Platz, noch die Geste „der ausgebreiteten Arme“ – der Eindruck des armen Hinterhofs Londons bleibt. Ganz im Gegenteil als großer Gewinn für Londoner und Besucher kann dagegen die stumpfe Spitze der Pyramide gewertet werden, der Höhepunkt des Museumsbesuchs: Eine Aussichtsterrasse gewährt einen Rundumblick und lässt die Tate Modern zur wahren Mitte der britischen Hauptstadt werden – zwischen Renzo Pianos Shard-Wolken­ kratzer, der Tower Bridge, der Finanzwelt mit ihren im Dunst verblassten Hochhäusern im Osten und dem (von Gebäuden verdeckten) Westminster im Westen, der St Pauls Cathedral im Norden und dem – noch – armen Süden der Stadt, der auf seine Gentri­ fizierung wartet. Um die Tate herum hat sie natürlich schon begonnen; ganz nah rücken die schmalen, gläsernen Hightech-Luxuswohntürme von Richard Rogers: Von der Terrasse aus blickt man den offenbar nicht vorhandenen Bewohnern in die DesignerKaffeetassen. Alle Apartments sind verdächtig ähnlich wie Schaufenster in einem Möbelhaus eingerichtet, und man kommt darüber ins Grübeln, wie transparent sich der private Luxus zur Schau stellt, während sich das öffentliche Gebäude hinter einem Ziegelvorhang verbirgt. Der Londoner Stadtforscher Richard Burdett behauptet, „Städte sind sensible Ökosys­ teme, die dahingehend beeinflussbar sind, nachhaltig zu sein oder eben nicht…“ Im Idealfall sei es „die Rolle des Architekten und seines Bauherrn – sei es der Bürgermeister oder Minister, Projektentwickler oder Investor – Architektur als räumliche und ethische Kunst aufzufassen.“2 In dieser Hinsicht erscheint die Tate Modern als Glücksfall, vor allem wenn man das Schicksal des älteren Schwestergebäudes mit den vier berühmten Kaminen, die Battersea Power Station, betrachtet: Dort hat sich die Stadt London selbst verscherbelt, wie es Saskia Sassen neulich in einem Vortrag ausdrückte³. Das seit 1983 leerstehende Industriedenkmal liegt ebenfalls am Südufer der Themse und wird inzwischen mit gelockerten Bauvorschriften von malayischen Investoren zu Luxusapartments umgebaut. Das Projekt mit dem poetischen Namen „Nine Elms“, neun Ulmen wie das Viertel, sieht 20.000 Wohnungen als Anlageobjekt für Betuchte aus Malaysia, Singapur und Hongkong vor. Im Gegensatz zum Publikumsmagneten für Millionen weiter östlich wird da wohl kein lebendiges Stadtquartier entstehen. Siehe auch Essay Seite 74

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8. OG

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4. OG Tate-AustauschProgramm 3. OG Galerie 2. OG Galerie 1. OG Galerie EG Bar, Laden UG „The Tanks“ Querschnitt

„Switch House“

„Turbine Hall“ „Boiler House“

Lageplan

BAUHERR: Tate Kerstin Mogull (Direktorin) ARCHITEKTEN: Herzog & de Meuron, London Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Ascan Mergenthaler (Projektpartner), Harry Gugger (bis 2009) 16

14

MITARBE ITE R: John O‘Mara (Associate, Project Director),

Südansicht und Schnitt Anbau

Kwamina Monney (Project Manager), Ben Duckworth (Associate), Christoph Zeller LANDSCHAFTSARCHITEKTEN: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich MÖBLIERUNG: Jasper Morrison, London

M 1: 2 0 0 0

FASSADE NPL ANUNG: Billings Design Associates, Dublin; Ramboll UK, London LICHTPLANUNG: Arup Lighting, London HLS: Max Fordham Consulting Engineers, London; Arup, London TR AGWERKSPL ANUNG: Arup, London AU S WA H LV E R FA H R E N :

EG

2005 ERÖFFNUNG: Juni 2016

1

Die Bankside Power Station wurde von Giles Gilbert Scott in den 1950er-Jahren entworfen, 1963 fertig gestellt und 1981 wieder geschlossen.

STANDORT:

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Richard Burdett in „Richard Rogers“, Royal Academy of Arts, London 2013

Tate Modern, Southwark, London

3

Saskia Sassen in einem Vortrag im Oskar-von-Miller-Forum, München, am 9. Juni 2016


Sonderführung mit ...

FOTO: W W W.FR ANKVINKE N.COM

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Das Gespräch führte

Maike Burk


35 ... John Jaspers Direktor des Zentrums für Internationale Lichtkunst Unna

Man betritt das Museum durch das Untergeschoss – dient die Erschließung bereits als Einleitung zur Lichtkunst im Keller­ geschoss? J O H N J A S P E R S : Genau. Schon auf den ersten Treppenstufen in die Kellergewölbe erahnen die Besucher: hier ist etwas anders, als in anderen Museen. Lichtkunst braucht Dunkelheit, und dafür sind die alten Gärund Eiskeller der ehemaligen Lindenbrauerei einfach perfekt! BAUMEISTER:

Links: Joseph Kosuth – Die Signatur des Wortes (Licht und Finsternis), 2001 Oben: Mischa Kuball – Space-Speech-Speed, 1998 / 2001

Wie kam die Stadt Unna zu solch einem Museum mit internationalem Format? J J : Der Anstoß kam durch die Internationale Bauausstellung Emscher Park Ende der 1990er Jahre – die vorhandenen Keller nutzen, ohne ihren besonderen Charakter zu zerstören. Uwe Rüth entwickelte dann die Idee eines Kompetenzzentrums für Lichtkunst und stieß damit nicht nur bei den Lich t künsten au f g roße Begei ste rung. So wurde das Haus 2001 eröffnet und ist seitdem weltweit einmalig. B:

Was wird in der Dauerausstellung im Zentrum für Internationale Lichtkunst gezeigt? J J : Tatsächlich vereinen wir auf 2.400 Quad ratmete rn die wicht igsten Posi t ionen zeitgenössischer Lichtkunst. Mario Merz, Joseph Kosuth, Mischa Kuball, Rebecca Horn, Christina Kubisch, Keith Sonnier, Jan van Munster, François Morellet, Christian Boltanski, Brigitte Kowanz und Olafur Eliasson haben Rauminstallationen nur für Unna erschaffen. Das Highlight unserer Dauerausstellung bilden aber die beiden Werke von James Turrell. B:

B : Wie

wird der Besucher durch die Ausstellung geführt? J J : Unser Haus ist im Rahmen von Führungen zu besuchen, da man mit dem Museum auch ein Labyrinth aus Kellergewölben betritt. Ein Besuch im Zentrum für Internationale Lichtkunst ist ein Erlebnis für alle Sinne: Sie sehen einen Tunnel voller Tränen, hören sphärischen Walgesang, fühlen die Tropfen eines unterirdischen Wasserfalls… und er­ leben natürlich Lichtkunst in all seinen faszinierenden Ausprägungen.

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Der Palast der Eiskönigin Seit dem Jahr 2000 wird jeden Sommer ein neuer Pavillon vor der Serpentine Gallery in den Londoner Kensington Gardens aufgebaut. Wie immer wird er in nur sechs Monaten von einer anderen Architekturgröße geplant – dieses Jahr vom dänischen Büro BIG.

Architekten: BIG Die Fiberglaskisten, die BIG zum Pavillon

Kritik: Anna Schabel

aufstapelt, wirken kühl und erfrischend wie Eiswürfel. Fehlt nur noch ein heißer Londoner Sommer.

Fotos: Iwan Baan


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Ideen

Der Raum, der so entsteht, hat fast sakrale Wirkung. Die Nutzung ist allerdings profan: Drinnen findet man eine CafÊbar und Holzbänke zum Ausruhen.

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FOTO: IAIN AITCHISON

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Ideen

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Die beiden, weich geformten Wände scheinen sich an­ einander zu lehnen und in einem fra­g ilen Gleichgewicht aus­z uharren.

Begonnen hat der Pavillon-Reigen mit Zaha Hadid. Ohne ihre Imagination und Kraft wäre das Programm nicht fortgesetzt worden. Diesmal läuft es das letzte Mal unter Direktorin Julia Peyton-Jones, die zusammen m i t Hans U l rich Ob rist d ie Serpentine Gallery seit 26 Jahren leitet. Als Abschluss dieser Zeit hier wurden nun nicht nur einer, sondern vier zusätzliche Pavillons errichtet – die „Summer Houses“. Hauptattraktion ist natürlich trotzdem BIGs Skulptur vor der Galerie. Von außen ein riesiger Stapel länglicher Fiberglaskisten – was erwartet uns im In­ neren? Durch einen Spalt in der schmalen Seite tritt man ein, graugrünes Licht umfängt einen selbst an einem sonnigen Morgen, und anstelle von Wänden sieht man sich von kantig gebrochenen Eisflächen umgeben. Sie streben mit vierzehn Metern Höhe nach oben. Durch seine perspektivisch wirksame Verjüngung scheint der Innenraum viel größer als von außen erwartet. In der Eingangsachse liegt das Türmchen der Serpentine

Galler y, visuell eingerahmt. Der Boden innen besteht aus rötlichem Zedernholz, an den Seiten sind Bänke im selben Holz montiert, die in eine Theke übergehen. Hier finden abends Lesungen, Vort räge und Performances statt, tagsüber gibt es Kaffee von Harrods.

Tempietto von William Kent, der Königin Caroline von Ansbach gewidmet

Der Architekt Bjarke Ingels bezeichnet sein Werk als „eine Wand, die wie mit einem Reißverschluss geöffnet wird“. Von man-

chen Blickwinkeln aus kann man durch die Struktur ganz hindurchsehen, von anderen wirkt sie massiv und solide. Ingels zählt diese Gegensätze auf: die geschlossene Wand und die Öffnung, Transparenz und Trans­ luzenz – es sei ein Thema, mit dem sein Büro viel experimentiere. Die Architekten stellten sich als erste Frage vor Ort: Was ist das größte Problem, und was hat das größte Potenzial? Ganz offensichtlich hat der diesjährige Pavillon das Poten­ zial der Höhenentwicklung bis zur Dramatik ausgeschöpft und folglich das Problem der Statik mit den geringsten Mitteln gelöst. Und das innerhalb von sechs Monaten. Die Idee der Fiberglaskisten stammt aus einem Regalsystementwurf: Sie sind versetzt gestapelt, tragen sich selbst und sind mit Aluminiumelementen verschraubt. Für die Quer-Stabilität sorgen diskrete Plexiglasscheiben. Regenwasser fließt nach außen ab. Durch das Versetzen der Kästen entstehen geometrische Muster, konturierende Schatten, Blickverbindungen ins Grüne.


41 RE STAUR ANT SERPE NTINE SACKLER GALLERY

„THE M AGA ZINE“ VON ZAHA HADID „THE ARCH“

SERPENTINE-BRÜCKE

VON HE NRY MOORE

SOMMERHAUS

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YO NA F R I E D M AN SOMMERHAUS

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ASIF KHAN

SERPENTINE-SEE

SOMMERHAUS

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KUNLÉ ADEYEMI (NLÉ) 4

SOMMERHAUS BARKOW LE IBINGE R

KÖNIGIN CAROLINE S TEMPEL S E R P E N T I N E - PAV I L L O N 2 0 16 BJARKE I NGE L S GROU P (B I G)

SERPE NTINE GALLERY

Die Stapelkisten sind stark genug, um auch die Handwerker zu tragen, die sie montierten. Übrigens haben die Architekten die Idee der Stapelung schon einmal getestet – bei BIGs frühem Projekt „Bjerget“ in Kopenhagen, den „Berg-Wohnungen“, die sich über einem Parkhaus auftürmen. Über den einundvierzigjährigen Architekten Bjarke Ingels hat sein ehemaliger Chef Rem Koolhaas einmal gesagt, er wäre der erste Architekt ohne Angst und ohne Ballast: „Er wirft sich ohne Rückhalt in internationale Riesenprojekte.“ Der Serpentine-Pavillon ist das erste gebaute Projekt von BIG in England. Die Eröffnung des Pavillons wird auch gleichzeitig eine Feier zur Büroeröffnung in London sein – neben den Standorten der Architekten in Kopenhagen und New York, denn BIG plant zur Zeit zwei neue Hauptquartiere für Google, sowohl in London Kings Cross als auch in Kalifornien. Dieses Jahr hat der Hauptpavillon nun auch noch Junge bekommen: Vier weitere Lustbauten entstanden in der Auseinander­

setzung mit einem nahen Tempietto, der im 18. Jahrhundert von William Kent für Königin Caroline von Ansbach gebaut wurde. Sie scharen sich locker um diesen Steinbau. Jedes würde alleine auf weiter Flur mehr Wirkung entfalten, aber die Wiesen des Pa rks si nd unte r Na tu rschut z gestel l t. Peyton-Jones spricht von einer Gruppenausstellung. Architektur soll man nicht im Modell, sondern als gebauten Raum besichtigen. So kann man nun vier verschiedene Interpretationen des Originals gleichzeitig sehen. Die Sommerhäuser finden Sie auf den folgenden Seiten.


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Architekt: Kunlé Adeyemi

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Gekippt

Der erste Pavillon reagiert ganz offensichtlich auf die historische Vorlage: Es ist der Entwurf von Kunlé Adeyemi aus Nigeria. Adeyemi und sein Studio NLÉ haben dieses Jahr auf der Biennale in Venedig für den Nachbau seiner schwimmenden Schule in Lagos den Silbernen Löwen gewonnen. Das Original ist leider vor Kurzem durch einen Sturm zerstört worden. Hier in den Londoner Kensington Gardens baut er ein typisches Folly auf, einen Zierbau der engli-

schen Gartenkunst. Als Antwort auf die Bauaufgabe hat Adeyemi den Innenraum des Pavillons kopier t, aus einem Block geschnitten und auf die Seite gekippt. Als Teile einer künstlichen Ruine liegen weitere Stücke im Gras. Adeyemi sagt: „Klassische Architektur ist eigentlich nicht unser Ding, wir sind moderne Architekten, aber bei längerer Beschäftigung waren wir immer mehr von dem bestehenden Pavillon fasziniert.“ Das Sommerhaus wirkt, als habe man

es in eine luxuriöse Gartenlandschaft gesetzt. Seine Außenseiten sind mit Sandsteinplatten verkleidet, das Innere ist mit weißem Kunstleder ausgeschlagen. Besucher sind eingeladen, den neu geschaffenen Raum zur Entspannung und Rast zu genießen.


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Architekt: Yona Friedman

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Das Gestänge Der französische Architekt Yona Friedman ist gerade 93 Jahre alt geworden, und in seinem Sommerhaus geht es um dieselben Themen, die ihn schon sein ganzes Architektenleben, seit den 1950er-Jahren beschäftigen: Freiheit, Kunst, Architektur. Bei der Präsentation seines Werks zieht er aus einer kleinen Pappschachtel das Modell heraus: aus Papier gefaltete Stangen, die man in verschiedenen Anordnungen stapeln kann. Er meint dazu, wie immer

hatte er keinen Plan, er habe improvisiert: „Ein Kind könnte dieses Objekt bauen.“ Sein Sommerhaus ist als mobiler Wechselausstellungsraum gedacht. Im unteren Bereich hängen Drucke von Friedmans „La Ville Spaciale“ (Raumstadt) auf Plexiglas aufgedruckt. Diese Stadt baut sich vertikal auf, um Fläche zu sparen; die Bewohner sollen ganz flexibel ihre Wohnungen gestalten können. Die Stahlringe, die sich im Sommerhaus zu Kuben formen, ermöglichen je nach

Blickpunkt immer neue Kurven und Bögen vor dem blauen Himmel, den Bäumen und den Wiesen. Man wünscht nur, die Konstruktion würde eigenständig im Park stehen, so dass man sie ohne die Konkurrenz der anderen Skulpturen im Blickfeld von allen Seiten erkunden könnte.


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Architekt: Asif Khan

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Der Sonnenpfad Der einzige Londoner der Runde ist der 36-jährige Asif Khan. Er erinnert sich, wie er jeden Sonntag mit seinem Großvater durch den Hyde Park spazieren ging. Sein Pavillon ist minimalistisch in Weiß gehalten – selbst der Kies darunter ist weiß. Unter den vier Sommerhäusern lädt es am ehesten zur Einkehr und Ruhe ein. Wenn man sich auf dem runden Freisitz mit Dach in seiner Mitte niederlässt, geht der Blick durch die gefächerten, weiß lackierten Holzstangen ins Grüne.

Die Klarheit und verspielte Einfachheit dieser Struktur erinnert an den vorherigen Serpentine-Pavillon von Sanaa aus Japan. Durch Analyse des Sonnenstands und der Positionierung von Carolines Pavillon fand Khan heraus, dass er genau an ih rem Geburtstag, am 1. März 1683, auf der Achse der aufgehenden Sonne liegt. Die Spiegelung des neu geschaf fenen Sees hatte an jenem Tag damals die Strahlen der aufgehenden Sonne noch verstärkt. Aus diesen

Überlegungen entstand eine reflektierende runde Aluminiumscheibe im Zentrum des nach allen Seiten offenen Raums, der den Blick in verschiedene Richtungen lenkt. Der Moment des Sonnenaufgangs, der ursprünglich in Stein gefasst wurde, wird hier vervielfältigt.


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Architekten: Barkow Leibinger

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Holzspäne

Frank Barkow vom Berliner Büro Barkow Leibinger beschreibt den Ablauf von Auftrag zu Entwur f, Bau und Nachnutzung. Er erzählt, wie er sofort mit Koffern voller Modelle am Flughafen Heathrow ankam, sobald er den Auftrag hatte. Die Bauphase war kurz, und er hofft, dass der Pavillon ein Nachleben an anderen Orten haben wird. Gleichzeitig kann er aber für die Architekten auch als Prototyp dienen, als Basis für ein Möbelstück oder für ein kleines Gebäude.

Der Entwurf basiert auf historischen Bildern von einem künstlichen Hügel im Park, auf dem William Kent einen rotierenden Pavillon gebaut hatte, der sich um 360 Grad drehte. Der Grundriss des Pavillons entstand aus einer Konturenzeichnung: Man zeichnet ohne den Stift abzusetzen. Das Material ist durchgehend unbehandeltes Schichtholz, das sich in Kurven und Schlangen windet, innen von Stahl ausgesteift. Ganz ohne Zweifel – zur entspannten Rast in einem Park

funktioniert dieses kleine Objekt am besten. Das Dach spendet Schatten wie eine Baumkrone, um den Stamm herum sind Sitze angeordet, die sich wie Holzspäne ringeln und die zum Ausruhen einladen.


kleine Werke ( 75 )

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Städtische Baustelle Unter dem Titel „Rennes 2030“ plant die Hauptstadt der Bretagne, ihr städtebauliches Konzept innerhalb der nächsten 15 Jahre stark zu wandeln. Bevor der neue Masterplan umgesetzt und die neuen Großprojekte gebaut werden können, finanziert die Stadt kleinmaßstäbliche Interventionen. Und Aktionen, um den Einwohnern die Planungen häppchenweise zu präsentieren und die Aufenthaltsqualität der öffentlichen Räume schon mal mit geringen Kosten zu verbessern. Vor der Kirche Sainte Jeanne d’Arc befindet sich zum Beispiel schon so eine Intervention. Hier hat das spanische Büro Enorme Studio

Text

eine Bürgersteigspitze vor der Kirche mit neun Sitzmöglichkeiten revitalisiert. Die bunten Bänke verfügen auf einer Seite über ein Schubkarrenrad. Somit können die Sitze gruppiert, getrennt oder bewegt werden, um sich unterschiedlichen Sitz-Angelegenheiten anzupassen. Mit den Bänken drehen sich auch gelbe Buchstaben, die wie Fahnen daran montiert sind. Zusammen bilden sie den Begriff „Rennes 2030“ – sichtbar für vorbeikommende Autofahrer und Passanten. Die neun roten „Sitzschubkarren“ inszenieren außerdem eine kleine Baustelle. Ein Vorgeschmack auf das, was die Einwohner von Rennes zu erwarten haben.

Leonardo Lella

FOTO: E NOR ME STUDIO

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Der transparente Anbau heißt Besucher willkommen und beherbergt zudem nützliche Räume wie temporäre Ausstellungsräume und den Museumsladen.


Anlehnung und Differenz

Architekten: Graber und Steiger Kritik: Hubertus Adam Fotos: Dominique Marc Wehrli

Ein Besuch des „Thun-Panoramas“ ist ein Ausflug in die Vergangenheit. Das Rundbild gilt als das älteste erhaltene – doch trotz dieser Attraktion blieben die Besucherzahlen lange weit hinter den Erwartungen zurück. Erst ein neuer, eleganter Anbau von Graber und Steiger stattete den Rundbau mit allen Annehmlichkeiten – wie einem Café – aus, die auch der schönen Lage am Thuner See gerecht werden.

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Das Gewölbe der Rotunde wird durch radiale Betonpfeiler getragen, im Anbau bilden Stützen des Kerns und astförmige Unterzüge das statische System.


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AuĂ&#x;erdem ist der offene Anbau ein Gegenpol zum introvertierteren Nachkriegsbau, wo die Konzentration auf dem Kunstwerk liegt.


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Der Pavillon wächst subtil aus der Rotunde heraus und entwickelt sich zu einem Rechteck.


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Museumsshop, Garderobe, WCs und ein CafĂŠ bieten nun mehr Annehmlichkeiten fĂźr die Besucher.


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m Jahre 1814 eröffnete am Sternengässlein in Basel eine neue Attraktion: In einem eigens erstellten Rundbau präsentierte der zuvor vornehmlich durch Veduten bekannte Maler Marquard Wocher ein 280 Quadratmeter messendes Riesenwandbild der Stadt Thun – nur gut 20 Jahre, nachdem Robert Barker die Gattung des Panoramas in London gleichsam erfunden hatte. Das gewaltige Gemälde hatte Abmessungen von 7,5 mal 38 Metern; Wocher hatte es, basierend auf in der Altstadt von Thun angefer tigten Skizzen, in den vergangenen sechs Jahren angefertigt.

Das Rundbild von Marquard Wacher...

Es passte mit seiner Mischung aus Stadtansicht, Gebirgspanorama und Genredarstellung gut in die Zeit des frühen 19. Jahrhunderts: Die Schweiz hatte sich seit Albrecht von Hallers Alpen-Dichtungen, Goethes Reiseberichten und Schillers „Tell“ als Sehnsuchtsland etabliert, auch wenn die mühsamen Reisen privilegierten Personen vorbehalten blieben. So zeugte das Thun-Panorama in Basel von der fernen Welt des Berner Oberlands. Wochers Kalkül ging allerdings nicht auf, sein Unternehmen geriet zum Misserfolg, und er selbst starb 1830 in Armut. Testamentarisch der Stadt Thun vermacht, gelangte das Rundbild lange Zeit nach Wochers Tod dorthin, allerdings zu einer Zeit, da Panoramen als Illusionsmaschinerien der Vergangenheit angehörten. Eingelagert geriet es in Vergessenheit und wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt. Die Entscheidung, für das Wandbild Wochers einen dauerhaften Bau zu errichten, erklärt sich nicht nur aus lokalhistorischen Motiven; sie ist auch ein Indikator für die sukzessive Rehabilitierung für die zuvor geschmähte Kunst des 19. Jahrhunderts und

Ideen

3

die Gattung des Panoramas, als dessen ältestes erhaltenes Beispiel das Rundbild in Thun gilt. Der Thuner Stadtbaumeister Karl Keller erbaute im Park der Villa Schadau eine mit einer Oberlichtkuppel versehene Rotunde von 12 Metern Höhe und 14 Metern Durchmesser, deren Betonskelett mit Backstein ausgefacht ist. 1961 öffnete das „WocherPanorama“, und heute kann Kellers schlichter Bau für eine nach dem Zweiten Weltkrieg wahrlich unzeitgemäße Bauaufgabe als bedeutendes Zeugnis der Nachk riegs­ moderne gelten. Die Besucherzahlen blieben indes auch hier hinter den Erwartungen zurück, wofür unter anderem die zwar landschaftlich attraktive, aber etwas abseitige Lage südlich der Altstadt und nahe der Nordspitze des Thunersees verantwortlich ist. Daran ließ sich nichts ändern, wohl aber an anderen Faktoren. Im Vorfeld des 20 0-jährigen Jubiläums entschied man sich, den offiziellen Namen von „WocherPanorama“ in „Thun Panorama“ zu ändern – und führte 2008 einen Studienauftrag für ein neues Eingangsbauwerk durch. Denn der schuppenähnliche Zugang zu Kellers Zylinderbau war einerseits ästhetisch unbefriedigend und bot andererseits nicht genügend Platz für Funktionen, ohne die heutzutage kein noch so kleines Museum auszukommen vermag: Sonderausstellungsfläche, Café, Garderobe, Empfang, Toiletten. Das Projekt von Graber und Steiger aus Luzern, das 2014 eingeweiht wurde, bezieht sich auf Kellers Panoramarotunde und nimmt doch eine komplementäre Haltung ein. Ohne Fuge schließt das Dach des neuen eingeschossigen Flachbaus an das Betonband an, welches das Eingangsgeschoss der Rotunde von dem sich darüber erhebenden Ziegelmantel trennt. Auf die Vertikalität des Bestandsbaus antworten Graber und Steiger mit der Horizontalität des An­ nexes, auf den Kreis des Grundrisses mit zwei konkaven Fronten, die zu einem Rechteck überleiten, auf die Massivität von Backstein und Beton mit gläsernen Fassaden. Und während Keller die Tragstruktur seiner Rotunde zur Rhythmisierung der Fassade nutzte, konzentrierten die Luzerner Architek ten die ebenfalls mit Betonpfeilern bewerkstelligte Lastabtragung auf ein in­ neres Geviert. Bis zu acht Meter auskragend, tragen Unterzüge die Dachplatte – eine Lösung, welche die Eliminierung von Stützen aus der Fassadenebene ermöglichte und im Inneren trotz beschränkter Räumlichkeiten eine flexible Bespielung garantiert. Funktional gliedert sich das neue Eingangsbauwerk in drei Teile: das Stützengeviert, das mit Einbauten aus weiß beschichtetem Holzwerkstoff versehen ist und mit Empfang, Bist rotheke, Ga rderoben und Toilet ten ausgestaltet wurde; den anschließenden Ausstellungs- oder Vortragsbereich, der leicht abgesenkt ist, um eine Raumhöhe von

drei Metern zu erzielen; und schließlich das von den beiden konkaven Glasflächen begrenzte Vestibül, die eigentliche Verbindung zum Altbau der Panoramarotunde. Diese wurde saniert und erdbebensicher ertüchtigt.

... ist das älteste existierende der Welt.

Im Erdgeschoss informiert eine von dem in Zürich und Chur ansässigen Team Gasser Derungs gestaltete Ausstellung über die Geschichte des Wocherschen Rundbilds. Von hier aus gelangt man über eine halbkreisförmige Treppe auf die aus vier konzentrischen Ebenen bestehende Besucherplattform in der Mitte des Panoramas. Durch eine erneuer te Lichtkuppel und einen Baldachin mit integrierter Beleuchtung ist dieses nun perfekt ins Licht gerückt. Auf eine Klimatisierung wurde aus konser vatorischen Gründen verzichtet, lediglich die Luftfeuchtigkeit wird reguliert. Demgegenüber folgt der Anbau mit seiner Dreifach­ verglasung dem Minergie-Standard. Graber und Steiger beweisen mit ihrem Projekt, wie Gegensätze auf höherer Ebene zu einer Einheit werden können. Die Analyse des Bestands hat zu einer intelligenten und atmosphärisch stimmigen Lösung geführt, die eigenen Charakter besitzt, aber doch dem bestehenden Gebäude den Vortritt lässt. Seine klare Form tritt weder in Konkurrenz mit dem Bestand, noch wird er durch eine ausufernde Umbauung relativiert. Wie seinerzeit Keller arbeiten die heutigen Architekten mit klaren und präzisen Setz­u ngen und nur wenigen Materialien. Ein gelungener Dialog.


M 1:4 0 0 0

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Lageplan

Schnitt

BAUHERR: Amt für Stadtliegenschaften M 1: 2 5 0

Thun ARCHITEKTEN: Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten ETH/BSA/SIA, Luzern MITARBE ITE R: Urs Schmid (Projektleitung), Karin Ohashi ÖRTLICHE BAUAUFSICHT: Gassner & Leuenberger AG, Thun Obergeschoss BAUINGENIEUR: Dr. Schwarz Consulting AG, Zug HAUSTECHNIKPLANER: Peter Hanimann, Zweisimmen BAUPHYSIK: Ragonesi, Strobel & Partner, Luzern FASSADE NPL ANUNG: Metallprojekt GmbH, Kerns RE STAUR ATOR: Michael Fischer, H.A. Fischer AG, Bern WETTBEWERB: 2009 FERTIGSTELLUNG: September 2014 STANDORT: Seestrasse 45F, Schadaupark, Thun, Schweiz

Erdgeschoss


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Oben: Das Restaurant ist für Hostel-Gäste und die Öffentlichkeit zugänglich. Jede Woche finden hier auch Konzerte statt. Rechts: An der „Drinx“-Bar fragt man am besten nach dem Bier des Tages – und zahlt stolze acht Euro. Unten: Den Schlafsaal teilt man sich mit drei, fünf, sieben, neun oder auch 15 anderen Reisenden. Duschen darf

FOTO: KEX HOSTE L

man gegenüber der Schlafsäle ohne Zuschauer.


Unterwegs im

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Kex

Reykjavík Günstige Unterkünfte gibt es in Island nicht. Sogar in der Hostelliga spielt das Kex im PreisLeistungsverhältnis des Landes in einer der oberen Ligen.

ADRESSE Skúlagata 28 101 Reykjavík Island +354 561 6060 www.kexhostel.is

Hermann Bahlsen haben wir es zu verdanken, dass das Wort Keks im Duden steht. 1891 bringt er den „Leibniz Cakes“ auf den Markt – nur eines von vielen süßen Rezepten, die im 19. Jahrhundert aus England nach Europa kommen. Irgendwann geht der Begriff den Deutschen auf den Cakes, und Bahlsen transformiert ihn 1911 in das deutscher klingende Wort Keks (Plural: „die Keks“). Bei den Isländern heißt das „Kex“. Im Zentrum von Reykjavík ist der Begriff Namensgeber einer Unterkunft – benannt nach der Fabrik, die dort zuvor Kekse produzierte. Lage: schräg gegenüber des Konzerthauses von Ólafur Elíasson. Für Backpacker-Maßstäbe ist das Hostel riesig: drei Stockwerke, 215 Betten, Lounge, öffentliche Bar plus Restaurant, Fitnessraum, Gästeküchen, Tagungsräume. Alles auf sehr großzügigem Raum. Das heißt aber auch, dass die Backpacker-Kuscheligkeit fehlt: Die meisten Gesichter sieht man nur einmal – dann verschwinden sie in der 215-Betten-Masse. Dafürbegegnet man aber Einheimischen, die das öffentliche Restaurant oder die Bar besuchen. Außerdem findet einmal pro Woche ein Konzert statt – Reykjavíks Bevölkerung lässt sich diesen Happen vom Kex nicht entgehen. Von Außen wirkt das Gebäude recht unspektakulär. Spektakulär ist im Winter nur der kurze, aber extrem glatte Weg vom Shuttlebus zur Haustür, der selbst mit dicken Winterstiefeln eine Herausforderung ist. Innen kann man dann wieder normalen Schrittes voranschreiten – und die Aufmerksamkeit wandert von der Rutschgefahr zum Interieur. Trotz wiederverwertetem Material und Möbeln wirkt das Hostel nicht ramschig, sondern – wie viele zeitgenössische Interieure – vintage-industriell. Wenn keine Band spielt, läuft das Album von The Growlers. Wer Gesichtern wieder begegnen will, ist im Schlafsaal gut aufgehoben. Es gibt gemischte, aber auch reine „Male“- oder „Female-Dorms“ mit vier, sechs, zehn oder 16 Betten. Dass man sich für eine dieser Varianten entscheidet, ist bei den isländischen Preisen recht wahrscheinlich. Ein Sechsbettzimmer kostet mit Badezimmer am Gang schon 47 Euro. Ohne Frühstück. Luxuriöser ist die Variante Einzelzimmer mit eigenem Bad für 215 Euro. An solche Summen muss man sich in Island gewöhnen. Ablenken lassen kann man sich durch die vierstelligen Beträge der Landeswährung: 1.000 isländische Kronen sind sieben Euro wert. Wer den Wechselkurs nicht verdrängen kann, spült den Kummer mit einem acht Euro teuren Bier runter. Die Drinx-Bar des Hostels schafft mit täglich wechselndem Lager, Craft und Ale Abhilfe. Da freut sich auch der deutsche Gaumen. Und auch die Isländer haben in Sachen Bier einiges aufzuholen, denn bis 1989 war das Getränk im Land verboten. Bei Ankunft in der Nacht bekommt man vom Ausblick des Hostels nichts mit. Spätestens auf dem Weg zum Frühstück am Morgen erblickt man dann Reykjavíks Tafelberge, die direkt gegenüber liegen. Ein Vorgeschmack auf die bizarre Landschaft, die einem bei der Erkundung des Landes noch begegnen wird.

Text

Maike Burk

PREISE

215 Betten ab 47 Euro


Ideen

ALLE FOTOS: SIE ME NS AG

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59 Architekten: Henning Larsen Architects

Guck mal da links: Eher dezent rückt sich der Neubau am Wittelsbacher Platz ins Bild.

Kritik: Alexander Gutzmer

Komm in den Hof, spielen!

Siemens eröffnet in München seinen neuen Firmensitz. Ein leichtes En­semble aus Innenhöfen und Atrien lädt die Münchner ins Firmeninnere ein – wenigstens ein bisschen. Eine große architektonische Geste sieht zwar anders aus. Aber die Stadt wird von der neuen Offenheit nördlich der Innenstadt profitieren.


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Ideen

Horizontale Bänder konturieren die Fassaden.

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45.000 Quadrat­meter oberirdische Geschossfläche hat das Gebäude geschaffen.


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Ideen

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Insgesamt 1.200 Mit­ arbeitern bietet der Neubau Arbeitsplätze. Sie verteilen sich auf drei Untergeschosse, Erd- sowie vier Büro­ geschosse und zwei Dachgeschosse.


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E

iner der abgenutztesten Begriffe im Architekturjournalismus ist der des „Tempels“. Wann immer Journalisten nicht recht etwas einfällt, nennen sie ein Gebäude einen Tempel. Tempel der Macht, Tempel der Kunst, offener, grader, nüchterner, grüner Tempel. Oder aber, wie vom Tagesspiegel gerade bezogen auf die neue Siemens-Zentrale in München getitelt – „lichter Tempel“. Das ist, bei aller Wertschätzung den Berliner Kol legen gegenübe r, Qua tsch. D ieses Gebäude ist alles Mögliche, aber ganz sicher kein Tempel. Es bildet keine extrovertierte Strahlkulisse nach außen, entfaltet keine bedeutungsgeschwängerte Symbolkraft und stellt auch keinen selbstbewussten Ausdruck unternehmerischen Machtbewusstseins dar. Nein, dieses Gebäude ist zu allererst introvertiert. München duckt sich mal wieder Das ist einerseits der Lage in der Stadt geschuldet. München hält sich, wie wir alle wissen, viel zugute auf die eigene Tradi­ tionsbewusstheit und auch das eigene gewachsene Stadtbild. Stichwort Frauen­ kirche. Exaltiertes Ausreißertum ist nicht erwünscht, zu viel Modernes ebenso wenig. Die in der Stadt anwesenden Weltkonzerne halten sich an die verordnete Zurückhaltung, vielleicht mit Ausnahme von BMW. In München sitzt die Macht, aber man sieht sie nicht. Für Siemens hieß diese Zurückhaltung, dass die Sichtachsen am Wittels­ bacher Platz nicht durch einen allzu markanten Neubau gestört werden sollen. Letztlich hält die Stadt eben das dortige historische Palais Ludwig Ferdinand fü r den Inbegriff ästhetisch wertvoller Baukunst. Und so eröffnet sich denn auch eher verschämt ein Blick auf das dahinter liegende Gebäudeensemble, das Henning Larsen jetzt zwischen Innenstadt und Kunstareal in die Stadtlandschaft pflanzten. Schöne begrünte Innenhöfe Kerngedanke der an vielerlei Stellen mit der gegebenen Gebäudesubstanz verschmolzenen Architektur sind keine expressiven Außenfassaden, sondern die Ideen des Innenhofes und der räumlichen Durchlässigkeit. Diese werden mit einer Mischung aus Glas-Stahl-Architektur und hier mildernd wirkenden Beton- und Steinakzenten umgesetzt. Drei begrünte Innenhöfe und ein offen einseh- und besuchbares Atrium formulieren eine einladende Geste. Siemens will, dass sich die Stadtbevölkerung in die-

sen Innenhöfen aufhält; Restaurants und Cafés sollen dies nochmals unterstreichen. Die in der Tat neue Erfahrung, dass am Wittelsbacher Platz Stadttouren nicht enden, sondern dass diese in Richtung des Kunstareals weiter geführt werden können, sind definitiv eine topografische Bereicherung für München. Die visuellen oder atmosphärischen Impulse, die die Architektur des Gebäudes unterwegs setzt, untermauern dies allerdings nur bedingt. Es scheint, als hätten die Architekten in ihrer skandina­ vischen Tendenz zum Maßhalten ein wenig zaghaft agiert. Jedenfalls lässt sich nicht an jeder Stelle ein durchgehendes gestalterisches Konzept erkennen. Was etwa ist die ästhetische, was die architektonische Funktion der oft ins Beige tendierenden, seltsam diffusen Farbigkeit? Warum genau wird an Stellen, an denen die Architektur keine Bezüge zu vorhandener Bausubstanz herstellen muss, plötzlich auf metallenes Graublau gesetzt?

U

nd weshalb, vor allem, knicken die nach innen gerichteten Fassaden an den Innen­ höfen immer wieder quasi leicht nach hinten weg? Eine Geste, die durch die demonstrative Betonung der die gesamte Gebäudehöhe bespielenden Stützen, die ebenfalls zwischen Etage zwei und drei zu kippen beginnen, noch augenfälliger wird. Klar, hier sollte ein gemäßigt expressiver Akzent gesetzt werden. Nur leider wirkt er ein wenig halbherzig – und kommt auch an unpassender Stelle. Die Idee der Innenhöfe ist es doch gerade, dass sie bei einem Gebäude, das zumindest nach Norden und Westen von viel befahrenen Straßen umgeben wird, Schutz bieten. Diese Funktion wird durch den bewussten Verzicht auf gestalterische Gradlinigkeit an dieser Stelle zurück genommen. Es hätte doch völlig gereicht, mit den meist abgerundeten Ecken zu signalisieren, dass hier die Welt der harten Globalwirtschaft sich freundlich der Stadt und ihrer Bevölkerung zuwendet. Entsteht hier etwa der hierarchiefreie Kapitalismus? Und das tut sie. Es ist bemerkenswert, wie weit sich hier der Konzern öffnet. Es ist von daher gar nicht nur wohlfeile PR-Rhetorik, wenn Vorstandschef Joe Kaeser auf der Eröffnung verkündete, das Gebäude sei ein Schritt hin zum „hierarchiefreien Dialog“. Zwar dürfte die komplette Hierarchielosigkeit für global agierende Konzerne wie Siemens auch künftig eine Illusion bleiben.

Doch Zeichen der suk zessiven Öf fnung formuliert die Architektur hier definitiv. Das Atrium, in herkömmlichen Firmenzentralen der Or t, an dem sich geltungssüchtige Sicherheutsleute austoben können, wird zu einem Ort der Begegnung zwischen Kommerz, Kunde und dem Rest von uns. Sicher, die Security-Kräfte müssen sich noch ein wenig an das neue Freundlichkeitsdogma gewöhnen. Aber: Man kann von hier aus in der Tat den Siemensianern beim Arbeiten zuschauen. Das hat seinen Reiz – zumal die zentralen Verbindungswege zwischen den Abteilungen in den oberen Geschossen allesamt am Atrium entlang geführt werden. „Baut keine Atomkraftwerke mehr“, könnten Kapitalismuskritiker den Anzugträgern an den Brüstungen zurufen. (Von Schlips­ trägern darf in diesem Zusammenhang übrigens nicht mehr gesprochen werden. Denn CEO Kaeser verkündete auf der Eröffnung auch die künftige Krawattenfreiheit seiner Angestellten – selber allerdings noch elegant beschlipst.) Wenn die Krawatte das Prinzip vertikaler Strenge im Bereich der Mode formuliert, dann tun außen liegende Fahrstühle dies häufig in der kapitalistischen Büroarchi­ tektur. Da im Siemens-Gebäude das Außen innen liegt, sind diese Fahrstühle logischerweise innen, vier technoide Striemen, die der farblichen Lieblichkeit und auch dem schönen Licht in dem angenehmen Atrium einen Kontrapunkt entgegen setzen. Ein wenig fragend steht man vor ihnen. Denn in ihrer Massivität nehmen sie dieser Geste der Offenheit, die das Atrium ja formulieren möchte, doch einiges von ihrer nonchalanten Freundlichkeit. Zumal die Schächte in ihrer bruchfreien Linearität eben mit dem er wähnten Abknicken der Rest fassade kollidieren. Das passt einfach nicht, so der Eindruck. So bleibt alles in allem eine schöne städtebauliche Geste, die in der Fassadengestaltung zwar nicht überall ihre Entsprechung findet, in der Architektur in großen Linien aber von dieser unterstützt wird. Dieses Gebäude wird unter Freunden der architektonisch großen Geste vielleicht nicht zu Tränen der Rührung führen. Aber es wird die Bewegungsmuster der Flaneure in Münchens Innenstadt verändern. Und das ist schon mal etwas für einen Konzern, der sich ja nicht zuletzt der Gestaltung globaler Logistikprozesse verschrieben hat.


Ideen

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BAUHERR:

PROJE K TL AUFZE IT:

Siemens Real Estate

2010 bis 2016

ARCHITEKTEN:

OBERIRDISCHE

Henning Larsen Architects,

GESCHOSSFL ÄCHE:

Kopenhagen

Rund 45.000 Quadratmeter

INNE NARCHITE K T:

STANDORT:

Landau + Kindelbacher

Siemens-Konzernzentrale,

Architekten – Innenarchitekten

Wittelsbacherplatz 2,

GmbH, München

München


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Urbanes Wohnzimmer Architekten: Zaha Hadid Architects Kritik: Olaf Bartels Fotos: Martin Zitzlaff, Klaus Frahm

Die neue Hamburger Hafenpromenade verbindet Stadt und Hafen miteinander. Die mäandernde Uferkante spielt mit wiederkehrenden Buchten und passt sich so den Gegebenheiten an.


Ideen Für die neue von Zaha Hadid Architekten entworfene Hochwasserschutzanlage am Hamburger Hafen spielt Lichtdesign eine entscheidende Rolle, um den Hafen an die Stadt anzubinden. Der Entwurf inszeniert die Großstadt- und Hafen­lichter als Schau­spiel und zeigt gleich­zeitig neue Möglichkeiten der Licht­gestaltung für die Stadt auf.

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Ideen

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Felsformation Nr. 1

Einer der zwei geplanten

begehbaren Struktur her-

der Promenade setzen sich

Pavillons von Zaha Hadid

auszuwachsen und fügt

auch in der Gestaltung des

Architects wurde vor

sich so in die mäandernde

Pavillons fort und ver-

Kurzem fertiggestellt und

Flusspromenade ein.

schmelzen so zu einer ge-

beherbergt ein Café. Das

Auch hier wurde das Motiv

bauten Einheit. Dunkle

Gehäuse erinnert an einen

Wasser verfolgt: Alle For-

Ziegel lassen den eigent-

Felsbrocken, scheint

men fließen parallel zum

lich filigranen Pavillon

aus der lang gezogenen,

Elb­u fer. Die Oberflächen

massiv wirken.


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Oben: Das Café Balzac sorgt für das leibliche Wohl der Besucher und ermöglicht durch bodentiefe Fenster Ausblicke über die Hafenlandschaft.

Rechts: Wechsel zwischen dunklen und hellen Oberflächen. Letztere werden auch genutzt, damit man sich eine kleine Sitzpause gönnen kann.


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Rückseite der Anlage. Die Straßenseite wirkt eher geschlossen – parzielle Einblicke in das Café bleiben Passanten und Autos durch Klebefolien verschlossen. BAUHERR: LSBG Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer ARCHITEKTEN: Zaha Hadid Architects, London Zaha Hadid mit Patrik Schumacher TEAM: Jan Hübener (Projektleiter), Niels Kespohl, Cornelius Schlotthauer, Rassul Wassa, Walentina Tradowski, Gonzalo Carbajo, Eren Ciraci BAUZE IT: 2006 bis 2014 STANDORT: Uferpromenade Hamburg


71 Oben: Luftaufnahme mit Lageplan der Promenade. Hamburg erneuert schrittweise seine Hochwasserschutz­ anlagen am Hafen. Unten: Die „Amphi­ theater" dienen natürlich auch der Erschließung.


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E

s sieht leer aus im Hamburger Hafen. Noch vor wenigen Jahrzehnten tummelten sich hier auf der Norderelbe Boote, Schlepper, Frachter und Passagierschiffe – jetzt liegen hier vor allem Museums- und Ausflugsschiffe. Das Leben am Nordufer der Elbe hat sich verändert. Noch in den frühen 1930er-Jahren diente das Elbufer an den Straßen „Vorsetzen“ und „Baumwall“ dem Hafenbetrieb und dem Güterumschlag. Hier in der Nähe der Alstermündung lag der Maschinenraum der Hansestadt – der Hafen hatte hier seinen Ursprung. Trennung und Vereinigung Mit der Stadtbefestigung zur Zeit der Renaissance wurde der Binnenhafen vom Niederhafen getrennt und nachts durch einen Wall aus Baumstämmen, dem sogenannten „Baumwall“, gegen mögliche Angreifer verschlossen. Mit dem Zollanschluss 18 8 8 verlagerte sich der Hauptumschlag der Waren in den Freihafen und in die neue Speicherstadt, dem Niederhafen blieb aber trotzdem noch genügend Umschlag von Waren aus innerdeutschem Verkehr. Spätestens mit dem Bau der Hochbahn 1911 verschwanden die Spuren des Baumwalls und der Bastionen in der Stadtbefestigung. Nur St raßennamen wie „Johannisbollwerk“ ode r de r Name de r Hochbahnsta t ion „Baumwall“ erinnern heute noch daran. Hafen und Stadt bildeten seitdem eine Einheit. Hamburg hatte hier seinen Motor – mit allen Nachteilen einer exponierten Lage. Nach zwei verheerenden Sturmfluten 1961 und 1976 trennte eine erste Hochwasserschutzanlage die Stadt wiederum vom Hafen und vom Wasser ab. Sie hatte den Charakter einer modernen Stadtmauer, unter der geparkt und auf der promeniert wurde. Vom Hinterhof zum Salon Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden die Container des Hafens verstärkt außerhalb des Stadtzent rums umgeschlagen, der Stückgutverkehr spielt fast keine Rolle mehr. Die Einfahrt der großen Kreuzfahrt- und Frachtschiffe ist zur Attraktion geworden und längst kein Tagesgeschäft mehr. Auch die Sportboote, Restaurant- und Museumsschiffe sowie die Musical-Theater am Süd­ ufer der Norderelbe gehören mittlerweile mehr zur Stadt als zum Hafenbetrieb, der südlich der Norderelbe immer mehr in den Hintergrund tritt. Die Freihafengrenze wurde verlegt, und die HafenCity wächst mit großen Schritten. Seitdem gehören die alten

Ideen

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Hafengebiete am Nordufer der Elbe wieder zur Stadt. Sie haben sich vom Hinterhof zum Salon gewandelt – und Hamburg denkt darüber nach, wie sich die Stadtentwicklung ausgehend von der HafenCity über die Norderelbe weiter nach Süden orientieren kann. Die Internationale Bauausstellung in den Stadtvierteln Veddel, Wilhelmsburg und Harburg, aber auch die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 waren Bausteine für einen „Sprung über die Elbe“ und sind es noch immer. Das Hochwasserschutzbauwerk hat dadurch den Charakter einer Grenzlinie zwischen Stadt und Hafen eingebüßt, auch wenn es weiter seine Funktion erfüllen muss. Ein neues Stadtmöbel 20 06 wurde der Hochwasserschutz am Niederhafen im Rahmen einer „ArchitekturOlympiade“ zum Thema der Stadterneuerung. Geplant war ein signifikanter Wandel, um das Wasser stärker in den öffentlichen Raum der Stadt zu integrieren, dabei aber gleichzeitig auch die hohen Sturmfluten von der Stadt fernzuhalten. Zaha Hadid Architekten aus London stellten sich dieser Aufgabe. Mit den für das Büro typischen organischen Formen entwarfen die Architekten eine neue Promenade, deren erster Bauabschnitt, der sich in unmittelbarer Nähe der Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron befindet, fertig gestellt worden ist. Konzep­ tionell folgt der Entwurf wieder dem Prinzip einer breiten hohen Schutzwand, in die aber wechselseitig zur Hafen- und Stadtseite t ribünena r tige Treppenbuchten eingeschnitten sind. Farbe und Materialität heben die geometrische Struktur der Buchten zusätzlich hervor. Die Schutzwand ist dadurch zu einer Art Deich geworden und lässt sich im Unterschied zu früher nicht nur flussaufund -abwärts beschreiten, sondern auch überqueren. Die Stadt hat dadurch ein neues Möbelstück bekommen. Stadtflaneure können hier wie auf einem überdimensionalen Sofa verweilen und das Stadtleben oder das Hafengeschehen wie auf einer Bühne verfolgen – mit dem Unterschied, dass dieses Schauspiel nicht inszeniert wird. Jedenfalls nicht im Regelfall. Spätestens bei einer Sturmflut dürften sich besonders die Plätze in der ersten Reihe als ungemütlich erweisen. Die Assoziation vom Wasser ausgespülter Buchten, die dem Entwurfsgedanken der Treppenanlagen zugrunde liegt, spielt mit der gestalterischen Kraft des Wassers, aber gleichzeitig auch mit der Angst vor der Flut, die hinter dem funktionalen Zweck der Anlage steht. Form und Funktion In diese erste Teilstrecke ist auch ein Café integriert worden, das für das leibliche Wohl der Besucher sorgt, die nicht nur aus Ham-

burg selbst kommen. Wohnquartiere sind nur wenige in der Nähe, und die angrenzende HafenCity verfügt selbst über eine Vielzahl öffentlicher Orte. An der Norderelbe werden in Zukunft also vor allem Touristen zu finden sein, weshalb ein zusätzliches gastronomisches Angebot sinnvoll und in den folgenden Bauabschnitten auch vorge­ sehen ist. Insgesamt verspricht die Anlage zu einem vielfältig kommunikativen Raum zu werden, der die Stadt und ihre Wasser­ flächen miteinander verbindet und der als Promenade gut funktioniert. Der Hafen als Schauspiel Das Lichtdesign von Tom Schlotfeldt ergänzt den Architekturentwurf – und das nicht nur durch die Lichtsetzung, sondern auch durch das Design der Leuchten selbst: Die vom Lichtplaner entworfenen, schief aufragenden Lichtmasten nehmen die vertikalen St ruk turen der Kräne, Ladebäume und Schiffsmasten in der Umgebung auf und generieren differenzierte Lichträume, die wiederum mit den Treppenbuchten und dem Weg auf der Promenade korrespon­ dieren. Es ist also nicht nur ein großes Stadtmöbel entstanden, es hat auch noch die angemessene Wohnzimmerbeleuchtung bekommen – im Zweifel eher zu viel als zu wenig. Damit bietet es aber auch eine wunderbare, romantische Kulisse. Davon profitiert auch die Kultgaststätte Strandperle in Övelgönne, dem alten Lotsen- und Kapitänsquartier weiter westlich direkt am Strand der Elbe. Mit diesem neuen Kulturraum verschiebt sich die Grenze zwischen Stadt und Hafen einmal mehr. Die schiefen Masten der Hochwasserschutzanalage sind deshalb nicht nur eine Reminiszenz an eine alte Seefahrerstadt, sondern auch eine Tribüne für eine moderne Hafenstadt.


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3 Fragen: London – Ende einer europä­i schen Metropole? Warum Turin, Herr Nietzsche? Wie sehen die Handelsflächen der Zukunft aus?

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Fragen

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TITELTHEMA L O N D O N , E U R O PA UND DIE TATE

London – Ende einer europäischen Metropole ?

Der Schock der Brexit-Entscheidung sitzt tief. Auch das Gefüge europäischer Weltstädte wird sich verändern. Frankfurt könnte das neue London werden, frohlocken EU-phoriker. Die Realität sieht anders aus. Mit dem Brexit verliert die Europäische Union ihre vielleicht faszinierendste und vielfältigste Metropole.


75 Text: Alexander Gutzmer

„Don’t mention the war!“ Dieser Satz stellt einen Höhepunkt britischer Fernsehgeschichte dar. Um ihn kreist eine ganze Folge der legendären BBC-Comedyserie „Fawlty Towers“. John Cleese spielt darin den neurotischen, immer leicht hysterischen Hotelbesitzer Basil Fawlty, der mit Wonne die klassisch britischen Lieblings­ themen durchdekliniert. Eines dieser Themen: England und sein Verhältnis zu den Deutschen. Und dazu gehört eben der War – den Basil seinen arglosen germanischen Gästen wieder und wieder auf den Buttertoast schmiert. Die Serie Fawlty Towers hatte ihre beste Zeit in den späten 1970er Jahren. Ein wenig fühlt man sich dieser Tage in diese Zeit zurückversetzt. Auch wenn es beim Brexit nicht um den War ging. Doch das Thema waren sicher alte Ressentiments – und die Ressentiments alter Menschen. Denn vor allem die haben sich ja, wie wir wissen, gegen die EU ausgesprochen. Ähnlich ressentimentgeladen fielen übrigens auch viele Reaktionen auf den Brexit in Deutschland aus. Vergleichbar mit dem immer etwas zu arroganten Gezeter über die vermeintlich bildungsfernen Amerikaner, fielen dieses Mal ziemlich selbstverliebt die Kommentatoren über die ach so provinziellen Briten her. Doch was sollte provinzieller sein als solches Denken? Des Zeters Kern: Die Behauptung, der Brexit schade den Briten, nütze im Zweifel dem Rest des Kontinents. Das ist aber ein

Irrtum. Das hämische Anti-UK-Klima, das sich seit der Brexit-Entscheidung in den sozialen Medien verbreitet, stellt nicht mehr dar als das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Oder sollte man sagen, ein Pfeifen auf dem Friedhof der EU? Mit „whistling on the graveyard“ würden nämlich Engländer die Redewendung übersetzen. Nun, vom Friedhof zu sprechen wäre natür­ lich zu dramatisch. Der Brexit zerstört nicht die EU. Aber er wird nicht nur Großbritannien treffen, sondern auch Europa – und dort nicht zuletzt Deutschland. Die beiden Volkswirtschaften sind eng verflochten. Und mit den Briten geht eines jener Länder, die – wie mittlerweile auch Deutschland – einen Kurs der Liberalisierung vertreten. Von diesem dürfte Europa jetzt mehr denn je abrücken, denn in enger Gemeinschaft der Strukturkonservativen lassen sich unangenehme Reformen natürlich leichter verhindern. Auch deutsche Politiker dürften der Ausrede, man habe ja reformieren wollen, aber leider wollten die anderen nicht mitmachen, anheim fallen. Das Resultat: Europa igelt sich in seiner Reformschwäche ein – und merkt es noch nicht mal. Think Tanks an der Themse – nicht nur Zufall Übrigens hat das Ganze auch einiges mit Architektur zu tun. Auch hier sind reale Effekte zu befürchten. Schließlich war und ist London ein zentraler Standort für den architektonischen Diskurs. Die Architec­ tural Association ist immer noch einer der bedeutendsten architektonischen Impulsgeber der Welt. Think Tanks wie das „Forensic Architecture“-Laboratorium, das am Goldsmiths College im Süden Londons das Verhältnis von Architektur und globalen Konflikten erforscht, sind eben auch für ganz Europa wichtige diskursive Treiber. Auf der Architekturbiennale in Venedig


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Fragen konnte man sich davon gerade überzeugen. Natürlich wird Eyal Weizman, Chef von Forensic Architecture, seine Forschung fortan weiter im europäischen Rahmen stattfinden lassen. Aber der Austausch könnte weniger eng werden. Und das wäre, für Großbritannien wie für ganz Europa, bitter. Systemkritische Forschungen wie jene Weizmans sind immer auch das Resultat von gesellschaftlichen oder kulturellen Konfrontationen. Und die gibt es in London zuhauf. Das macht die Stadt nicht kuscheliger – aber interessanter. Wer sich mit den vielen Gesichtern des globalen Kapitalismus befassen will, sollte eher in London nachschauen als in Berlin. Denn an der Spree bekommt er diese Gesichter gar nicht erst zu sehen. Das macht die Ver­ suche zur ganz großen Systemkritik, wie sie etwa die Berliner Volksbühne immer wieder unternommen hat, letztlich ein wenig aseptisch – inklusive dem momentanen Aufbegehren der Volksbühnen­ -­ Mitarbeiter gegen den neuen (Ex-Londoner) Intendanten Chris Dercon. Welchen Part des Kapitalismus wollte das ach so wilde Volksbühnen-Theater denn kritisieren? Der globale Finanzkapitalismus findet in Berlin Mitte schließlich gar nicht statt. Und das gilt auch architektonisch. Die Türme der Finanzwirtschaft stehen nun einmal in London. Die Stadt ist ein Sammelbecken an teils gelungenen, häufig natürlich auch komplett missratenen Versuchen, globalen Finanzkonzernen qua Archi­tektur ein wie auch immer geartetes Gesicht zu verleihen. Das macht diese Stadt für die architekturdiskursive Anschauung inter­ essant. Wenn man der Architektur ein kritisches Potenzial zuschreibt, dann wird sie dieses nur dort entfalten können, wo sie von den zu kritisierenden Mächten auch zur Kenntnis genommen wird. Das sicher anerkennenswerte Feilen an immer sen-

1 sibleren kontextuellen Lösungen für Kleinstädte, wie wir es etwa in Mekkas traditioneller Architekturkritik wie Vor­ arlberg immer wieder sehen, ist gut – aber es stellt eben keine Auseinandersetzung mit den globalen Kräften der möglicherweise ja wirklich wild gewor­ denen Ökonomie dar. Zeilen wie „Rem Koolhaas bändigt eine Bank“, wie wir sie im Baumeister vor einigen Jahren publizierten, lassen sich eben nur in Bezug auf London formulieren. ...und Frankfurt? Und was ist mit Frankfurt? Die Stadt dürfte vom Brexit profitieren, glauben viele Regionalökonomen. Wie stark, weiß bisher niemand. Fest steht der Umzug der Europäischen Bankaufsichtsbehörde EBA „in eine europäische Metropole“, wie es heißt. Frankfurt dürfte hier zumindest Favorit sein – wenngleich sich auch andere Städte wie Paris oder Dublin momentan für den Wettbewerb um heimatlose Firmenzen­ tralen positionieren. Am Main boomt die Baubranche unter­ dessen ohnehin schon. Längst nicht immer aber hat man den Eindruck, dass die Stadt mit den neuen Investmentgeldern architektonisch klug umzugehen wüsste. Gleich­wohl – ein Innehalten dürfte es in den kommenden Jahren sicher nicht geben. Frankfurt wird sein Gesicht weiter rasant verändern. Und im Nachhinein könnte man fast vermuten, Wolf Prix hätte mit seinem noch einmal aus vollem Hals dekonstruktivierenden Neubau für die EZB auch diese Veränderung und die Irritationen, die sie auslöst, mit reflektieren wollen. Turm gleich Turm? London baut Türme, Frankfurt baut Türme. Gibt es da überhaupt einen Unterschied?


77 Ich denke schon. Frankfurt ist eben letztlich eine verhältnismäßig kleine Stadt. Dadurch haftet den Turmbauten am Main immer etwas Surreales an. Das gilt für die bisherigen Hochhäuser, in ganz massiver Weise etwa für die Doppeltürme der Deutschen Bank, gebaut nach Entwürfen von Walter Hanig, Heinz Scheid und Johannes Schmidt. Und es wird auch für die vielen momentan laufenden Neuprojekte gelten. UN Studio aus Amsterdam etwa planen gerade vier neue Hochhäuser, eines davon 228 Meter hoch. Zur Weltmetropole wird Frankfurt dadurch nicht. Schon heute jammern die Hessen ja über die vielen Veränderungen. Doch vielleicht kommt es ja gar nicht so wild. Wie dramatisch die Verschiebungen von der Themse an den Main letztlich werden, ist nämlich noch keinesfalls ausgemacht. Denn London bietet Investoren eben auch einfach ein sehr freundliches Wirtschaftsklima – und den Reiz einer Weltmetropole, inklusive spektakulären Museumsbauten wie der erweiterten Tate Modern, die wir ab Seite 18 diskutieren. Der Brexit dürfte Londons Anstrengungen um ein attraktives Profil noch verstärken. Ich bin daher noch gar nicht sicher, dass London überhaupt die ganz große Abwanderung von Unternehmen erleiden wird. Anders sieht es womöglich mit Arbeits­ kräften aus Kontinentaleuropa aus. Denen dürfte das Leben in London schwerer gemacht werden als bisher. Könnte also sein, dass künftig weniger Architekten aus Spanien, Griechenland oder auch Deutschland in den großen Büros Londons, bei Foster, Rogers, Hadid und Co. arbeiten werden. Was schon bei der Anerkennung als Architekt beginnt, erklärt mir BDA-Geschäftsführer Thomas Welter. „Bisher galt die Berufsanerkennungsrichtlinie. Die entfällt nun.“ Es braucht also eine neu verhandelte vertragliche Basis.

Überhaupt wird die Verflechtung zwischen London und deutschen Architektenmetropolen an Intensität verlieren. Zum einen könnte es natürlich sein, dass der Bauboom in London abebbt und damit ein paar Aufträge weniger an deutsche Büros gehen. Für wichtiger hält Welter aber eine mögliche Krise britischer Immobilienfinanzierer und Investoren. Diese würde alle großen Büros schädigen, die um derlei Aufträge buhlen – und damit auch die deutschen. Doch das sind konjunkturelle Verschiebungen. Eine globale Immobilienkrise dürften sie nicht auslösen. Insofern ist der primäre Verlust durch den Brexit doch darin zu sehen, dass die europäische Metropole London nun eben ein bisschen weniger europäisch wird. Basil Fawlty hätte das wohl nicht gestört. Aber der lebte ja auch nicht in London. Wobei – sein Darsteller John Cleese dürfte schon eher als Londoner bezeichnet werden. Und als Brexiter gilt auch er.


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Warum Turin, Herr Nietzsche ?

Wenig bekannt ist Friedrich Nietzsches Begeisterung fĂźr Turin. Dort erĂśffnete sich ihm ein ganz neuer Kosmos: die Architektur. Seine Euphorie steckt an und macht Lust, die Stadt wieder einmal zu besuchen.


Fragen Text: Jörg H. Gleiter

Im April 1888, kurz nach seiner Ankunft in Turin, berichtete Friedrich Nietzsche in einem Brief, dass dies die erste Stadt sei, die mehr „ein Paradies für die Füße“ als für die Augen sei. In Turin könne man „halbe Stunden in Einem Athem durch hohe Bogengänge gehen“. Von sich selbst nicht wenig überrascht, schrieb er am Ende des Jahres: „Neulich sagte ich mir: einen Ort zu haben, wo man nicht heraus will, nicht einmal in die Landschaft, wo man sich freut, in den Straßen zu gehn! – früher hätte ich’s für unmöglich gehalten.” Nietzsches Beschreibungen von Turin widersprechen dem bis heute geltenden Klischee vom Philosophen, der die Städte gemieden und nur „auf einsamen Bergen, am Meer“ seine Gedanken ergangen haben soll. Von der Nietzscheforschung bisher übersehen, wandelte sich Nietzsche in seinen letzten Monaten vor dem geistigen Zusammenbruch vom Spaziergänger der Oberengadiner Bergwelt in jenen „philosophischen Flaneur” der modernen Metropole, als den er sich schon gut zwanzig Jahre zuvor vorgestellt hatte. Damals, Anfang 1869, hatte er mit seinem Freund Erwin Rohde nach dem Ende des Studiums in Leipzig einen längeren Aufenthalt in Paris geplant. Wie „ein paar philosophische Flaneurs“ hatten sie „mit ernstem Auge und lächelnder Lippe, mitten durch den Pariser Strom hindurch schreiten“ wollen, wie Nietzsche in seinem Brief schrieb, in dem er die Reise absagte. Die Berufung als Professor nach Basel war dazwischengekommen. Umso mehr war jetzt 1888 Turin „eine capitale Entdeckung“, also die Stadt, die mit ihren Boule-

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vards, mit dem rechtwinkligen Straßenraster, den Passagen, Arkaden und dem Klassizismus der Gebäude so etwas wie ein Paris en miniature war. „Das ist wirklich die Stadt, die ich jetzt brauchen kann.“ Die Turiner Zeit wäre falsch verstanden, wollte man sie als einen Endpunkt des intellektuellen Lebens Nietzsches bezeichnen. Die Zeit in Turin ist alles andere als das. Im Gegenteil, es scheint sich in den Monaten vor dem Zusammenbruch etwas zu vollziehen, das die Turiner Zeit als Wendepunkt erkennen lässt. Es ist Nietzsches Abwendung von der Musik als „Sonderkunst” des 19. Jahrhunderts und der Hinwendung zur Architektur als „Leitkunst” der Moderne. Von der Musik zur Architektur 1888 stellte sich für Nietzsche die Frage der Kunst in neuer Dringlichkeit. Es sind die Zweifel an der Musik Richard Wagners. Schon ein Jahr zuvor hatte er formuliert, dass er von der Musik eine „Erleichterung des Lebens“ fordere, er wollte eine Musik, „bei der man das Leiden vergißt; bei der das animalische Leben sich vergöttlicht fühlt und triumphirt“. Wagners Musik sei ihm dagegen zu intellektuell und Wagner selbst „unmöglich geworden, weil er nicht gehen kann, geschweige denn tanzen“, während er, Nietzsche, nach einer Musik verlange, „bei der man tanzen möchte; bei der man vielleicht, cynisch gefragt, gut verdaut?“ Seine „Einwände gegen die Musik Wagner’s” führen Nietzsche dann zur Erkenntnis: „Ästhetik ist ja nichts als eine angewandte Physiologie.“ In „Der Wille zur Macht” hatte er sogar ein Kapitel „Zur Physiologie der Kunst” geplant. In diesem wollte er die Architektur und nicht die Musik behandeln. „Wohin die Architektur gehört?”, fragte sich Nietzsche in diesem Zusammenhang. Kritisch wollte er dort Stellung nehmen gegen die intellektuelle „Auszehrung, Verarmung, Ausleerung“ der Musik Wagners und forderte die „Mitarbeit der künstlerischen WEITER


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Fragen Vermögen am normalen Leben“. Rückführung der Kunst ins Leben, das wird später eines der Motive der Avantgarde der Moderne sein. Vor diesem Hintergrund muss man Nietzsches Äußerungen über Turin lesen. In den folgenden Monaten riss das Lob an der Stadt nicht ab. Unter den „herrlichen hochräumigen Portici, Säulen- und Hallengänge[n]“ Turins, deren Ausdehnung „10020 Meter (d. h. zwei Stunden gut zu marschiren)“ betrage, könne man „halbe Stunden in Einem Athem“ gehen. Er sei auch „nirgendswo mit so viel Vergnügen spazieren gegangen als in diesen vornehmen unbeschreiblich würdigen Straßen“. In Turin rückte die Architektur in leibphänomenologischer Perspektive in den Fokus von Nietzsches philo­ sophischem Interesse.

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sein autobiografisches Buch Ecce homo, das er in jenem Herbst beendet hatte, und den Architekten des beeindruckenden Gebäudes in eine Beziehung. Eine ähnliche Verknüpfung zwischen dem Tod eines Künstlers und einem seiner Bücher hatte Nietzsche einige Jahre zuvor schon gemacht. Im Februar 1883 wollte er die Arbeit an seinem Buch „Zarathustra“ in jenem Moment beendet

Die Mole Antonelliana In diesem Wandel spielte die Turiner Mole Antonelliana (der Turm links im Bild) eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Mole Antonelliana ist bis heute das höchste Bauwerk Turins. Sie war 1863 als Synagoge begonnen worden und ursprünglich 47 Meter hoch geplant. Aufgrund des „absoluten Höhentriebs“ ihres Architekten Alessandro Antonelli wurde sie dann im Jahr 1900 in 168 Metern Höhe beendet. In Ermangelung einer eindeutigen Funktion und Typologie hat man für die Mole keinen Namen gefunden, bis heute heißt sie nach ihrem Architekten, also Großer Bau des Antonelli. „Vorhin gieng ich an der mole Antonelliana vorbei, dem genialsten Bauwerk, das vielleicht gebaut worden […] Ich habe es ‚Ecce homo‘ getauft“, schrieb Nietzsche am 30. Dezember 1888. Dann, kurz vor dem Zusammenbruch am 6. Januar 1889, erwähnte er das Gebäude noch einmal. Er sei „beim Begräbniß des ur­ alten Antonelli zugegen [gewesen], diesen November. – Er lebte genau so lange, bis Ecce homo, das Buch fertig war. – Das Buch und der Mensch dazu…“ Nietzsche stellte demnach

haben, als ihn die Nachricht vom Tod Wagners erreicht habe. Zarathustra wurde „genau in der heiligen Stunde fertig gemacht, in der Richard Wagner in Venedig starb“, so Nietzsche. Indem er Zarathustra und den Tod Wagners, Ecce homo und den Tod Antonellis in einen Zusammenhang brachte, spannte Nietzsche seine eigene Existenz in einen Zyklus von Geburt und


81 knüpfen, indem er sich zu dem wandelte, was er gut zwanzig Jahre zuvor in Paris schon als „philosophischen Flaneur“ bezeichnet hatte. Tatsächlich besaß Turin, wie Paris, nur kleiner, die ganze Ausstattung einer modernen Metropole: einen gerasterten Stadtgrundriss, Arkaden, Passagen und Boulevards mit weiten Blicken, „nicht zu reden von den Omnibus und Trams, deren Einrichtung hier bis ins Wunderbare gesteigert ist!“ Mit der Mole, die von Antonelli als steinernes Pendant zum stählernen Eiffelturm geplant war, stand Turin in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Paris. Dennoch war, wie Nietzsche feststellte, in den Straßen von Turin die „Stille […] noch die Regel“. Es scheint sich mit den Arkaden seine frühe Vision erfüllt zu haben, als er „stille und weite, weitgedehnte Orte zum Nachdenken, Orte mit hochräumigen langen Hallengängen” gefordert hatte. Ganz im Sinne Niet­zsches hatte in den Arkaden Turins die vita contemplativa, die bisher eine vita religiosa war, ihre Deklination ins Säkulare erfahren. Damit lassen sich auch einige Notizen Nietzsches vom Herbst 1888 deuten: „Nicht Brille in der Straße aufsetzen! Keine Bücher kaufen! Nicht in die Menge gehen!“ Anschließend dann die Beschreibung eines der Spazier­ gänge; „Abends durch Garten V<alentino> bis Schloß, dann wieder hinein bis Ende piazza Vitt<orio Emanuele I> und ins Café Livorno.“ Dann wieder: „keine Briefe schreiben! keine Bücher lesen! ins Café etwas mitnehmen zum Lesen! Notizbuch“. Nietzsche beschreibt hier die Technik des Flanierens! Nur der Bezug auf die eigene Körperlichkeit, ohne Bücher und in Distanz zur Menge, eröffnet dem Flaneur einen schon in „Die fröhliche Wissenschaft“ hatte er Zugang zum Unbewussten. Dazu muss der „Bauwerke und Anlagen [gefordert], welche Flaneur allein bleiben, in „aristokratischer als Ganzes die Erhabenheit des Sich-Besin- Absonderung von der Menge“. nens und Bei-Seitegehens ausdrücken […] Wir Alle Quellen in: wollen uns in Stein und Pflanze übersetzt „Der philosophische Flaneur – Nietzsche und die Architektur“ von Jörg H. Gleiter haben, wir wollen in uns spazieren gehen, ISBN 978-3-8260-3758-0 wenn wir in diesen Hallen und Gärten wanVerlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2009 deln.“ Daran schien Nietzsche in Turin anzu-

FOTO: BOLOGNA/ TURISMO TORINO

Wiedergeburt ein. Beide Male sah Nietzsche eines seiner Bücher als Vermächtnis eines Künstlers – erst der Philosoph und der Musiker, jetzt, mit der Erfahrung Turins und der Mole Antonelliana, der Philosoph und der Architekt. Als Flaneur in Turin vollzog sich das, was man Nietzsches leibphänomenologische Wende in der Verschränkung von Architektur und menschlichem Körper bezeichnen kann. Aber


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Architektur und Management

Wie sehen die Handelsflächen der Zukunft aus ?

Einkaufszentren und Einkaufsstraßen werden bald überflüssig, weil der Kunde dank Online-Handel ohnehin alles im Internet bestellt. So lautete eine These vieler Marktbeobachter, doch mittlerweile zeigt sich: Das stimmt nicht. Denn die stationären Einzelhändler haben längst Maßnahmen ergriffen, um der Konkurrenz aus dem Internet zu begegnen. Sie entwickeln neue Retail-Konzepte und Formate, die eines gemeinsam haben: Geschäfte, wie wir sie bisher kannten, sind das eigentlich nicht mehr.

Der Trend zu neuen oder abgewandelten Standort­ konzepten bewegte das Research-Team der Immobiliengesellschaft Catella dazu, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der zunehmende digitale Handel die eu ropäischen E inzelhandelsflächen mit tel f ristig obsolet macht. „Fakt ist: Digitalisierung und demografischer Wandel werden Nachfragemuster verändern und zu einer Reduktion der Einzelhandelsflächen führen“, fasst Thomas Beyerle, Leiter Research der Immobiliengesellschaft, die Ergebnisse zusammen.


Aktuell verfügen die 28 EU-Staaten insgesamt über circa 590 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche, davon werden nach der Prognose von Catella im Jahr 2030 noch 510 bis 550 Millionen Quadratmeter er­ halten sein. Nach einem gewaltigen Ladensterben klingt das also nicht. Denn der Einzelhandel findet auch neue Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb mit den E-Commerce-Anbietern – beispielsweise das, was Beyerle die „Festivalisierung“ des Einkaufens nennt: Immer mehr Anbieter, insbesondere von hochwer tigen Produkten, setzen auf den Erlebnischarakter des Einkaufens. Viele Händler beginnen deshalb damit, neben dem eigentlichen Produkt auch das Kauf-Event und die Marke zu zelebrieren. Konsequent auf derartige Überlegungen ausgerichtet ist ein derzeit in Bau befindliches Großprojekt in der Schweiz, „The Circle at Zurich Airport“: Riken Yamamoto hat für den Flughafen einen Gebäudekomplex entworfen, der nicht nur das derzeit größte Hochbau­ projekt des Landes ist, sondern auch neue Maßstäbe setzen will, was die Nutzung betrifft. „The Circle“ ist keine gewöhnliche Flughafen-Mall, sondern soll wie eine Innenstadt funktionieren, mit schmalen Gassen, kleinen Plätzen und hoher Aufenthaltsqualität. Ein erheblicher Unterschied zur typischen Innenstadt wird allerdings der Bereich sein, in dem die Einzelhändler sich ansiedeln sollen. Konsequenterweise heißt er bei The Circle nicht etwa „Shopping Mall“, sondern „Brands & Dialogue“ – denn es geht hier gar nicht um das Einkaufen, vielmehr sollen neue Formate zur Kundenbindung erprobt werden. Beispielsweise wird hier die Luxusuhrenmarke Omega ein „Brand House“ eröffnen. Der Verkauf von Uhren steht dabei nicht im Vordergrund, es ist nur ein ganz kleiner Laden geplant. Einen großen Teil der 800 Quadratmeter soll indes eine Schauwerkstatt belegen. Bis zu 40 Angestellte werden dort den Besuchern die Schweizer Uhrmacherkunst nahe bringen und zeigen, wie ein Keramikwerk funktioniert oder wie Zifferblätter hergestellt werden. Ein weiteres Trend-Thema und Alleinstellungsmerkmal des stationären Einzelhandels, über das ImmobilienProfis derzeit häufig sprechen, ist die Verbindung von Handel und Gastronomie. Als Paradebeispiel hierfür gilt vielen Branchenbeobachtern das italienische Konzept Eataly, das im vergangenen November in der umgebauten Münchner Schrannenhalle den ersten europäischen Standort außerhalb Italiens eröffnete. Auf 4.600 Quadratmetern sind 16 Restaurants und Essensstände untergebracht, eine Einkaufsfläche mit 10.000 Feinkostprodukten sowie eine Kochschule – und sogar ein kleiner Shop der Traditions-Radmarke Bianchi. Eataly wurde 2007 gegründet, und es gilt als eines der am schnellsten wachsenden und erfolgreichsten Gastronomie- und Handelsunternehmen mit einem Umsatz von zuletzt rund 400 Millionen Euro. Das Konzept vereint Märkte, Restaurants, Lehreinrichtungen und Schau-Produktionen italienischer Lebensmittel unter einem Dach – und mietet sich bevorzugt

Text

an markanten Standorten ein. So liegt die weltweit größte Niederlassung, das Eataly Alti Cibi, an der Fifth Avenue in New York, direkt gegenüber dem Flatiron Building. Ob Uhrenwerkstatt, Restaurant oder Kochschule – das gemeinsame Ziel dieser Retail-Konzepte ist es, einen sinnlichen Gegenpol zum nüchternen Online-Shopping zu schaffen. Und die Formate sind dabei durchaus flächenintensiv, sie umfassen meist an die tausend Quadratmeter oder wie im Fall von Eataly in München sogar ein Vielfaches davon. Die Zukunft des Handels zeigt sich jedoch auch auf Kleinflächen, auf denen bevorzugt die Verbindung zwischen Offline- und Online-Handel geprobt wird. Der Sportartikelhändler Decathlon beispielsweise, bekannt durch seine riesigen Filialen in Autobahnnähe, hat im Februar 2016 mit einem ersten City-Store am Münchner Stachus sein neues Konzept namens „Decathlon Connect“ lanciert. In den Geschäften dieses Formats steht die Vernetzung mit dem OnlineShop und anderen digitalen Dienstleistungen im Vordergrund: Kunden können sich die über den Webshop gekauften Sportartikel in die Connect-Filiale liefern lassen. Dort kann die Ware direkt bei der Abholung getestet, anprobiert und bei Nichtgefallen umgetauscht werden. Über Tablets vor Ort lässt sich nach weiteren Kollektionen, Farben oder Modellen suchen, die auch gleich im Laden bestellt werden können. Dafür reichen Decathlon vergleichsweise winzige Flächen: Die Filiale am Stachus ist 220 Quadratmeter groß; inzwischen eröffnete auf der Stuttgarter König­ straße ein weiterer Decathlon Connect mit nur 50 Quadratmetern Fläche. Vergleichbare Formate haben unter anderem auch der Elektronikhändler Saturn und die Spielwarenkette Toys’R’Us eingeführt. Mit Blick auf diese neuen Handelskonzepte liegt die Vermutung nahe, dass Malls, Shopping Center oder innerstädtische Einkaufsstraßen in den nächsten Jahren ihr Gesicht verändern werden; davon gehen auch die Catella-Researcher aus. Doch eine ihrer wichtigsten Funktionen werden die Zentren des stationären Handels behalten, ist Beyerle überzeugt: „Zunehmende Digitalisierung und stetige Vernetzung werden das Bedürfnis nach physischem, sozialem Kontakt nicht ersetzen, sondern ergänzen und mehr denn je einfordern.“ Auf den Handelsflächen der Zukunft wird der Aspekt des Einkaufens also nur noch ein Teilelement darstellen. Sie werden im besten Falle Orte sein, an denen das städtische Leben pulsiert.

Anja Hall

Die Kolumne wird unterstützt vom Ifo-Institut.

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Modulares Oberlicht-System von Velux


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16 Lösungen: Fenster, Türen, Tore Dach + Qualitätsschmiede: Besuch beim Objektmöbelhersteller Brunner

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Lösungen Fenster, Türen, Tore Fenster sind mehr als geschlossene Lichtdurchlässe in der Fassade. Mittlerweile können sie Strom erzeugen und Schatten, sie halten schädliche UV-Strahlung draußen und Wind und Kälte sowieso. Und: Sie werden immer größer – ein Symbol für Freiheit und damit ein modernes Lebensgefühl.

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flügel verschwindet.

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Flüssigkristalle waren bislang in Displays zu finden. Neuerdings gibt es die Liquid Crystals (LC) auch in Fenstern. Mit ihrer Schaltfunktion von transparent auf getönt ersetzen sie klassische Sonnenschutzsysteme. Die Fensterelemente lassen sich von dunkel auf durchlässig schalten, sodass auch in Teilen des Raums Temperatur und Helligkeit reguliert werden können. Die Fassade

lässt sich zudem in eine Medienfassade verwandeln. „Licrivision“ von Merck ermöglicht Sonnenschutzlösungen, die man weder sieht noch hört, sie fügen sich nahtlos in jede konventionelle Doppelverglasung ein und sind praktisch unsichtbar in die Scheibe integriert. Merck arbeitet derzeit auch an opak-transparenten Lösungen mit Licrivision – für mehr Privatsphäre.

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Mehr Glas, mehr Licht, mehr Gewicht

5 Modulares Oberlicht-System für flache Dächer Das von Velux für den Einsatz in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden entwickelte modulare Oberlicht-System gibt es in der Variante Lichtband nun auch für den privaten Wohnungsbau. Bis zu fünf aneinander gereihte Fenstermodule versorgen die Räume unter dem Dach mit viel Tageslicht und frischer Luft. Verfügbar sind feststehende und elektrisch öffenbare Fenstermodule in acht Größen – vom Format 80 x 120 cm bis 100 x 240 cm. Mittels Funksteuerung und Touchscreen lassen sich die Fenster stufenlos öffnen und schließen.

sprechende statische Maßnahmen ermöglichen Systemhersteller wie die Sunflex Aluminiumsysteme GmbH auch eine nachträgliche Integration großer Glasfronten. Herausforderungen liegen beim nachträglichen Einbau in der Passgenauigkeit und dem korrekten Anschluss an die bestehende Wand. Denn zu fest eingebaute Rahmen und Systemelemente führen zu verstärkten Spannungen.

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Wer bei der Renovierung kleine Fenster gegen großflächige Glasfassaden austauscht, sollte einen Statiker hinzuziehen. Denn nicht jeder Wandbereich eignet sich für Glaswände. Aber auch in der Wand befindliche Anschlüsse und Rohre müssen geprüft werden. Handelt es sich um eine tragende Wand, bedeutet das nicht zwangsläufig das Aus für den Einbau einer Glasfassade. Durch ent-


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Fenster, Türe, Tore

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Anthrazitgrau für die Türsprechanlage

Die Nachfrage nach Grautönen wächst, auch in der Gebäudeausstattung. Siedle hat nun die Farbpalette seines modularen Systemklassikers „Siedle Vario“ um die Serienfarbe Anthrazitgrau erweitert. Mit der Farbe im RAL-Ton 7016 fügt sich die Türkommunikation in die Gestaltung moderner Gebäude ein. Wie alle Vario-Produkte in Standardfarben sind die pulverbeschichteten und lackierten Türstationen schnell lieferbar und im Vergleich zu individuell lackierten Anlagen deutlich günstiger. Anthrazitgrau ist, neben Weiß und Silber-Metallic, die dritte Standardlackierung. Ergänzt durch Dunkelgrau-Glimmer umfasst die Serienpalette vier Farben. Die bisherigen Standardfarben Weiß-Hochglanz, Schwarz-Hochglanz und Bernstein-Glimmer bleiben als Sonderlackierungen erhältlich.

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das World Trade Center, Hudson Yards, das Museum of Modern Art und der Hardrock Tower. Neben hochselektiven und transparenten Sonnenschutzgläsern wie „ipasol neutral 70/39“ sind in Amerika vor allem die hoch­ reflektierenden Schichten wie „ipasol bright“, „ipasol platin“, „Stopray“ gefragt. Zudem steigt die Nachfrage an Verglasungsprodukten in Maxi-Formaten.

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Glasgeländermodule für französische Fenster

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Die Glasgeländermodule „Windoorail“ von Glasmarte sind für Fensterelemente gedacht, die unter die geforderte Brüstungshöhe reichen. Das Glasgeländer lässt sich als Absturzsicherung für französische Fenster einfach und schnell montieren. Windoorail ist eine fixe Einheit und besteht aus einem unteren und einem oberen Metallprofil sowie einem Glaselement. Die vorgefertigten Module werden am Stockrahmen der Fenstertür und nicht wie üblich an der Fassade montiert. Dadurch bleibt die Wärmedämmung des Gebäudes vollkommen intakt in ihrer Funktion. Die „Bubbles“, jene weißen Blasen auf den Glasgeländern der Fenster sind mehr als Dekoration. Neben der Absturz sichernden Funktion durch das sich aushängende System wurde ermittelt, wie viel Sonnenenergie durch die Fenster in die hoch gedämmten Räume fallen darf, ohne dass sich die Zimmer aufheizen. Im Falle einer starken Belastung gibt das Glasgeländer kontrolliert nach. Der Mechanismus federt die Impulskräfte ab, das Glasgeländer nimmt die Beanspruchung auf und leitet sie in die Unterkonstruktion ein.


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Unilux bietet mit „FineLine“ die Möglichkeit, Fenster, Fassade, Schiebetür und Festverglasung im System zu planen. Dabei kommt außen eine Aluminium-Aufsatzkonstruktion zum Einsatz. Die innen liegende, tragende Pfosten-Riegelkonst ruktion kann in fünf verschiedenen Holzarten und 187 Holzfarbtönen ausgeführt werden. Beim Bau eines eingeschossigen Flachdach-Bungalows im niedersächsischen Varel suchte die Gruppe omp Architektengesellschaft aus Rastede nach einer Lösung, die Holz im Innenbereich, Alu im Außenbereich sowie eine extrem schlanke Form miteinander vereint. Sie entschieden sich für eine FineLine-HolzAlu-Fassade, die sich exakt mit den Eichendielen des Bodens abgleichen ließ. Im Außenbereich schütz t eine wet ter feste Alu-Schale, die auch die Glasscheiben hält, das Gesamtsystem.

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Die in Prozessen denken

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entwickelte Brunner das modulare Loungesystem „banc“.

Die neue Universitätsbibliothek Freiburg (Architekt Heinrich Degelo). Für das Projekt

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94 Lösungen

OBJEKTMÖBELHERSTELLER

BESUCH BEIM BRUNNER


Qualitätsschmiede geplant. Stattdessen gilt: Konzentration aufs Kerngeschäft. Bei dem sprechen Marc Brunner und sein Bruder quasi täglich mit Bau-Investoren – und mit deren Architekten. „Dafür muss man etwas davon verstehen, wie Architekten ticken.“ Und man man muss verstehen, wie die eigenen Kunden als Unternehmen funktionieren. Folgerichtig beschäftigt der promovierte Betriebswirt Brunner sich viel mit Arbeits­ forschung. „Arbeiten und Wohnen werden künftig noch enger zusammenrücken.“ Mit Produkten wie dem bequemen wie nüchternen A-Chair positioniert sich das Unternehmen dafür. Letztlich aber sind vordefinierte Standardprodukte nicht der Kern dessen, was die Rheinauer ausmacht. „Unsere Stärke liegt in der individualisierten Lösung.“ Deshalb ist der Dialog mit Bauherren so wichtig. Das können Hotelmanager genauso sein wie die Verwaltungschefin eines Krankenhauses. „Es gilt, sich auf unterschiedliche Nutzungskonzepte einzulassen.“ Mit dieser Philosophie hat Brunner gerade die erfolgreichsten 12 Monate der Firmengeschichte hingelegt. Den Zuwachs erzielte man dabei gegen den Branchent rend. Die Frage ist aber, ob nicht doch irgendwann der Wachstumsdruck so stark wird, dass Zukäufe anstehen könnten. Für die nähere Zukunft schließt Marc Brunner derlei drastische Schritte aus. Auch die Verlagerung der Produktion ins Ausland hält er nicht für zielführend. Und das, obwohl Möbelproduktion immer noch viel Handarbeit erfordert. „Auslagern bringt uns nichts. Bei unserem Spezialisierungsgrad brauchen wir qualifizierte Leute, die in intensivem Austausch mit der Entwicklung und dem Vertrieb stehen. Diese Bedingungen findet man nicht überall“, sagt Brunner, während wir durch die Fabrikation laufen, in der mehrere Dutzend Mitarbeiter (oder vielmehr meist Mitarbeiterinnen) Polster auf die hölzernen Rohlinge spannen. Wer im Objektbereich Erfolg haben will, muss Design mit Intelligenz in Bezug auf die Kundenprozesse verbinden. Als Firmen­ leitung mag man das noch hinbekommen. Doch bei Kreativzulieferern wie Designern wi rd es schwierig. Momentan a rbeitet Brunner viel mit dem Stuttgarter Büro Jehs und Laub zusammen. Das heißt nicht, dass immer alles sofort passt. Man feilt lange an jedem Produkt. Stühle, so Brunner, gibt es seit 3.000 Jahren. Neue Produkte müssen da schon sehr genau definierte Nutzungsprofile erfüllen. „Wichtig bei Jehs und Laub: Die wissen, was wir brauchen – und sie verstehen unsere Kunden.“ Im Grunde ein ähnliches Argument wie jenes, das den Ausschlag für Henn gab: Gestaltungsbrillanz ist eine Sache. Das Verständnis von Kundenprozessen eine andere. Beides zusammen ergibt exzellentes Design – und gute Architektur.

Brunner und Design

Marc Brunner

Das nennt man wohl Firmenhistorie zum Anfassen. „Hier ist der Ursprungsort von Brunner“ erläutert Marc Brunner bei der Führung durch die Werkshallen. Eine Weile waren wir schon unterwegs, jetzt befin­den wir uns in einem eher alt wirkenden Ge­b äudeteil. „Gleich dahinten war unsere Wohnung. Hier habe ich schon als Kind gespielt.“ Die Möbelfabrikation als Kinderzimmer – wer so aufwächst, dem muss der Möbelbau irgendwann im Blut liegen. So ist es nur konsequent, dass Marc Brunner vor zwölf Jahren in die Leitung des Unternehmens einstieg. Offiziell fungiert er heute als einer von drei Geschäftsführern neben dem Vater und seiner Mutter. Sein Bruder Philip ist ebenfalls in Leitungsfunktion mit dabei, der Onkel verantwortet den Prototypen. Möbelherstellung als Familienbusiness. Brunner, das steht für gut designte, aber immer funktionale Qualitätsstühle, andere Sitzgelegenheiten und Tische. 1977 wurde das Unternehmen von Rolf Brunner gegründet. Seither standen die Zeichen auf Expansion. Im vergangenen Jahr übertrafen die Badener erstmals die 100-Millionen EuroSchwelle im Umsatz. Damit zählt Brunner im Objektmöbelbereich zu den fünf größten Herstellern Europas. Der Exportanteil liegt inzwischen bei 40 Prozent. Der Ausbau schlägt sich momentan auch räumlich nieder. Gerade wird der Firmensitz um ein 8.000 Quadratmeter großes HybridGebäude erweitert, das Herstellung, Produktentwicklung und Vertrieb neu sortiert. Zusätzlich realisiert das Unternehmen ein neues Logistikzentrum. Für den Ausbau ausgewählt: Henn Architekten. Kein Büro für Signature Architecture. Die war aber auch nicht gefragt. Marc Brunner: „Henn haben unsere Anforderungen am besten verstanden. Sie haben sich in uns hineingedacht.“ Momentan liegen noch drei unterschiedliche Gestaltungskonzepte auf dem Tisch. Im Konfi hängen während unseres Interviews noch die Charts vom letzten Architekturmeeting. Bei dem wurde durchaus kontrovers diskutiert. „Das Gebäude muss funktionieren, aber auch unsere Werte transportieren“, so Brunner. So wird es wohl eine Modulbauweise werden, ein Anklang an die oft ebenfalls modularen Systemmöbel der Marke Brunner. Möbel wie das Lounge-System „banc“, das man gerade für die Bibliothek der Universität Freiburg eigens entwickelt und ausgeliefert hat. Die Zusammenarbeit mit bekannten Architekten hat für Brunner Tradition. Das dreieckige Kommunikationszentrum, in dem man wichtige Kunden empfängt, haben Schneider & Schumacher im Jahr 2005 realisiert. „Architektur liegt uns in der DNA“, sagt Marc Brunner. Folglich fühlen sie sich bei B runner im Objek tmöbelbereich wohl. Eine groß angelegte B2C-Expansion ist nicht

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„ Designpreise werden überschätzt “

Wie viele deutsche Qualitätshersteller, heimst auch Brunner immer wieder Preise für die nutzerfreundliche oder ästhetische Gestaltung seiner Produkte ein. Marc Brunner freut das. Aber er warnt zugleich davor, die Bedeutung von derlei Auszeichnungen zu hoch zu bewerten. „Solche Preise werden überschätzt. Außerdem ist hier inzwischen eine richtige Award-Industrie am Werk.“ Mit dieser Einschätzung liegt er auf Linie vieler Designer, die sich momentan für einen unabhängigen Designpreis stark machen. Brunner: „Das kann eine gute Idee sein. Allerdings sollte man die Komplexität neuer Award-Initiativen nicht unterschätzen.“


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Lösungen Dach Bei der Gestaltung von Dacheindeckungen stehen weiterhin dunkle Farben wie Schwarz und Anthrazit im Mittelpunkt. Das gilt umso mehr für schmutzabweisende Materialien, die das Dach lange makellos aus­ sehen lassen. Passend zum Retrotrend werden verstärkt auch klassische Dacheindeckungen neu aufgelegt oder Dachziegel aufwendig rekon­ struiert. Und wie schon am Boden und an der Fassade sind Großformate im Kommen. von Sophie Charlotte Hoffmann

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Dachdesign im Großformat Die Prefa-Dachplatte „R.16“ erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten in der Dachab­ deckung. Durch das große Format mit 70 cm Elementlänge ist es nun möglich, das Dach mit 3,4 Aluminium-Dachplatten pro Quadratmeter zu decken und damit optische Akzente zu setzen. R.16 gibt es in acht Standardfarben. Die Sichtseite ist mit einer farbigen Aluminiumlegierung beschichtet, die Rückseite mit einem Schutzlack.


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Mehr Skulptur denn Treppe Klar, man kann die „Cut it!“-Treppe von Spitzbart Stufe für Stufe nach oben gehen – und auch wieder hinunter. Man kann sich aber genauso in den Wohnzimmersessel fläzen und die Treppe ansehen. Wie ein Bild. Wie eine Skulptur. Cut it ist aus einem einzigen Stück unbehandeltem Stahl geschnitten. Die Treppe besteht aus einer etwa 10 Millimeter dicken Stahlblechtafel, die mit einem Laser­cutter zugeschnitten und anschließend in einem mehrstufigen Prozess zu einer dreidimensionalen Treppe gebogen wird. Das Konstruktionsprinzip erlaubt auch die Fertigung in weiteren VarianText

ten, etwa mit farbiger Beschichtung, Geländern oder Handläufen. Auswahl und Stärke des Materials werden auf die individuelle Nutzung der Treppe abgestimmt, deshalb eignet sie sich auch für schwerere Lasten. Die SchnittgutTreppe wird in der Regel in einem Stück angeliefert und montiert. Ein Nachziehen der Verschraubung, wie man es beispielsweise von Holztreppen kennt, entfällt. Cut-it ist mit dem Stahl-Innovationspreis 2015 in der Kategorie „Stahl im Bauwesen“ ausgezeichnet worden, nun erhielt sie den Iconic Award. Der Entwurf stammt von Max Wehberg.

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Dachaufbau konfigurieren mit dem Flachdach-Navigator Autos, PCs bis hin zu Türsprechanlagen lassen sich auf Websites von Herstellern individuel l zusammenstel len. Die Paul Bauder GmbH & Co. KG hat diese Möglichkeit jetzt für Flachdächer geschaffen: Unter w w w. f l a ch d a ch - n a v i g a t o r.d e kö n n e n Architekten den optimalen Dachaufbau konfigurieren. Mit wenigen Klicks gibt der Navigator die Empfehlung für den opti­ malen Dachaufbau entsprechend Situation und Wünschen sowie mögliche Alterna­ tiven. Zusätzlich lassen sich Produktinformationen und Ausschreibungstexte abrufen.

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4 Vollkeramisches Dach Eine vollkeramische Lösung am First stellte Wienerberger auf der Dach+Holz 2016 mit seinen FirstanschlussLüfterziegel „Plano 11“ besonderen Struktur im Kopfbereich garantiert der Formziegel eine ausreichende Entlüftung am First. Zugleich verhindert die Verfalzung, dass Feuchtigkeit eindringt. Damit kann der First ohne zusätzliche Maßnahmen wie First- oder Gratrolle ausgeführt werden. Passend zu einer vollkeramischen Lösung gibt es ganze und halbe FirstanschlussLüfterziegel sowie entsprechende ganze linke und rechte First­ anschluss-Lüfter-Ort­ gangziegel. Neben Naturrot wird er in den Engoben Rot, Schiefergrau und Schwarz sowie als Edel-Engobe Anthrazit angeboten.

FOTOS: FDT/SVE N-E RIK TORNOW; WIE NE RBE RGE R/STUDIO 3 0 01

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vor. Aufgrund seiner


Dach

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Achteinhalber für ganz oben Mit einem neuen Großziegel haben die Dachziegelwerke Nelskamp ihre Produktpalette erweitert. Der „F 8 ½“ wiegt nur 4,5 Kilogramm, pro m2 Dachfläche sind 8,5 Ziegel notwendig. Mit 36 mm Verschiebespiel in der Höhenüberdeckung ist er sehr flexibel und für nahezu jede Dachsanierung einsetzbar. Die geringe Wasseraufnahme von unter 3% macht den Achteinhalber frostbeständig und aufgrund der Verfalzung kann der Ziegel regen- und sturmsicher bereits ab einer Dachneigung von 10° eingesetzt werden. Der Achteinhalber ist in vier Farbtönen erhältlich: Rot engobiert, Altschwarz engobiert, Anthrazitgrau engobiert und Schwarz edelengobiert.

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102 Macht das Dach grün und dicht Kern des Dachabdichtungssystems „Evalon“ von Alwitra ist die homogene Dichtschicht der Kunststoff-Dachund Dichtungsbahn

6

Lösungen

Evalon. Mit ihrer Hochpolymerlegierung aus Ethylen-Vinyl-AcetatTerpolymer und Polyvinylchlorid kommt sie weltweit in allen Klima­ zonen bei einlagigen Einsatz. Evalon ist durchwurzelungs- und rhizomfest und kann ohne zusätzliche Wurzelschutzbahn im begrünten Dachaufbau verlegt werden.

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Abdichtungen zum

Je nach Dachaufbau oder Nutzung sind die Dach- und Dichtungsbahnen auf der Unterseite mit Polyestervlies, mit Glas-Polyestervlies sowie kaschiert und mit einer unterseitigen Selbstklebeschicht erhältlich. Zusätzliche Sicherheit und erweiterte Funktionalität bietet die selbstkle-

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Hagelschlaghärtetest bestanden

bende „Evalon VGSK“ mit ihrer integrierten

Mit einer Maximal-

Brandschutzlage.

schlagkraft von über 700 kg kann ein Hagelkorn einen Fahrradhelm durchschlagen. Da sich eine hochwertige hagelschlagfeste Dachbedeckung als künftig immer wichtigeres bauliches Qualitätsmerkmal erweist, hat Erlus 2013 die ersten zehn Dachziegelmodelle beim Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) in Linz

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Ergebnis: Alle Modelle der „E 58“-Familie zeichnen sich mit einer zertifizierten Hagelwiderstandsfähigkeit der Klasse (HWK) 4 aus. Die „E 58 Plus“ zertifizierte das BVS als ersten und bisher einzigen Dachziegel in Europa in der HWK 5.

FOTO: ALWITR A/SVE N-E RIK TORNOW

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prüfen lassen. Das


Impressum

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Baumeister. Das Architektur-Magazin 113. Jahrgang REDAKTION Anschrift wie Verlag Tel +49 (0) 89 / 43 60 05 – 0, Fax +49 (0) 89 / 43 60 05 – 14 7 info@baumeister.de, www.baumeister.de CHEFREDAKTION Prof. Dr. Alexander Gutzmer Tel – 11 8 (verantwortlich für den redaktionellen Inhalt)

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REDAKTION Sabine Schneider Tel – 146 Maike Burk Tel – 144 Alexander Russ Tel – 172

Vorschau

GE STALTUNG Stephanie Ising und Tom Ising (Artdirection) Daniel Ober für Herburg Weiland, München ALLE ILLUSTRATIONEN Clemens Habicht, Paris ABONNEMENTSERVICE Leserservice Baumeister, D-65341 Eltville Tel +49 (0) 6123 / 92 38-225, Fax +49 (0) 6123 / 92 38-244 leserservice@baumeister.de KONTO FÜR ABONNE ME NT ZAHLUNGE N Deutsche Bank Offenburg, IBAN DE04 6647 0035 0044 8670 00, BIC DEUTDE6F664 ERSCHEINUNGSWEISE monatlich. Unverbindlich empfohlene Bezugspreise (alle Preise in Euro): Die Inlandspreise enthalten 7% MwSt. Inland: 169,00 Studenten: 90,00 Ausland: 178,00 Studenten: 99,00 Einzelpreis: 15,00 Bestellung: Abonnements können direkt beim Verlag oder bei jeder Buchhandlung bestellt werden. Abonnementgebühren sind im Voraus zu begleichen. Das Abonnemen t g i l t zunächs t fü r e i n Jah r und ka n n da nach jede r ze i t gekünd ig t we rden . Die Belieferung erfolgt auf Gefahr des Bestellers. Ersatz­l ieferungen sind nur möglich, wenn sofort nach Erscheinen reklamiert wird. Widerrufsrecht: Sie können die Bestellung binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen. Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Sie die erste bestellte Ausgabe erhalten, nicht jedoch vor Erhalt einer Widerrufsbelehrung gemäß den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Zur Wahrung der Frist genügt bereits das rechtzeitige Absenden Ihres eindeutig erklärten Entschlusses, die Bestellung zu widerrufen. Sie können hierzu das Widerrufsmuster aus Anlage 2 zu Art. 246 a EGBGB nutzen. D e r W i d e r r u f i s t z u r i c h t e n a n : L e s e r s e r v i c e B a u m e i s t e r, D - 6 5 3 41 E l t v i l l e, Tel +49 (0) 6123 / 92 38-225, Fax +49 (0) 6123 / 92 38-244, leserservice@baumeister.de VERL AG Verlag Georg D.W. Callwey GmbH & Co. KG Streitfeldstraße 35, D 81673 München, Postfach 80 04 09, D 81604 München Tel +49 (0) 89 / 43 60 05 – 0, Fax +49 (0) 89 / 43 60 05 – 113 www.callwey.de PERSÖNLICH HAFTENDE GESELLSCHAFTERIN Georg D.W. Callwey Verwaltungs-GmbH ALLEINIGER GESELLSCHAFTER Helmuth Baur-Callwey, Verleger in München KOM M ANDITISTE N Helmuth Baur-Callwey und Dr. Veronika Baur-Callwey, Verleger in München; Dr. Marcella Prior-Callwey und Dominik Baur-Callwey, Geschäftsführer in München GESCHÄFTSFÜHRER Dr. Marcella Prior-Callwey Tel – 165 Dominik Baur-Callwey Tel – 159 ADVERTISING DIRECTOR Andreas Schneider Tel – 197 (verantwortlich für den Anzeigenteil) DISPOSITION Kirstin Freund-Lippert Tel – 123, Fax 4 36 11 61 DIRECTOR BUSINESS DEVELOPMENT Christian Keck Tel –178 VERTRIEB Marion Bucher Tel – 125, Fax – 317 HERSTELLUNGSLEITER Mark Oliver Stehr Tel – 167 (alle Adressen wie Verlag)

Für die Zukunft gestalten.

DRUCK, BINDUNG OPTIMAL : MEDIA, Glienholzweg 7, D – 17207 Röbel / Müritz

Sonderdrucke einzelner Beiträge dieser Ausgabe können beim Verlag angefragt werden. Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Ab­b ildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlags. Mit der Einsendung von Manus­k ripten und Bildmaterial erklärt sich der/die Autor/in einverstanden, dass diese vollständig oder teilweise in der Zeitschrift Baumeister publiziert werden. Ebenso stimmt er/sie der Verwertung im Wege der digitalen Vervielfältigung und Verbreitung über Offline- oder Online-Produktionen zu (z.B. CD-ROM oder Datenfernübertragung). Falls eine Vergütung vereinbart wird, deckt diese die genannten Verwertungsformen ab.

Der Béton brut erlebt im Dämmbeton sozusagen sein Revival: endlich wieder ein Material, mit dem beidseitig Sichtbetonflächen möglich sind – und die Konstruktion zur Schau gestellt wird. Während der Dämmbeton aber auf dem Vormarsch ist, sind leider viele brutalistische Bauten vom Abriss bedroht.

Erfüllungsort und Gerichtsstand München Ab 1.1.2016 ist die Anzeigenpreisliste Nr. 55 gültig. Anzeigenschluss ist jeweils am 24. des Vormonats. Mitglied der agla a + b, Arbeitsgemeinschaft Leseranalyse Architekten und Bauingenieure. ISSN 0005-674X

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Auszeichnungen


B

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Portfolio 2 016

Best Products

Das Bessere ist des Guten Feind, heißt es. Die Unternehmen tun sogar ihr Bestes, um den Architekten ihre Arbeit zu erleichtern. Neue Produkte verfügen in der Regel entweder über noch mehr Funktionen, sie halten länger und sind widerstandfähiger oder sie lassen sich schneller und damit kostengünstiger einbauen. Auf den folgenden Seiten stellen wir einige dieser Schätze vor.


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Ein kardanisches Gelenk macht es möglich: Die Leuchte „Allround“ von Top Light lässt sich um 360 Grad drehen und kann damit jede Ecke ausleuchten. Allround wurde 2016 mit dem „Plus X Award“ ausgezeichnet.

Hell bis in den letzten Winkel top-light.de

Letztes Jahr gewann die „Puk“-Leuchte von Top Light den „Plus X Award“, den Innovationspreis für Produkte aus den Bereichen Technologie, Sport und Lifestyle, als beste Leuchte und bestes Produkt. Dieses Jahr erhielt die „Allround“-Leuchte den Preis. Die Leuchte, die sowohl für die Montage an der Wand als auch an der Decke konstruiert wurde, erzeugt ein angenehmes, warmweißes Licht und ist zudem dimmbar. So lässt sich die Lichtintensität der gewünschten Stimmung anpassen und dem Anlass entsprechend regulieren. Mit zwei kardanisch aufeinander abgestimmten Gelenken lassen sich die LED-Leuchtenköpfe um über 360 Grad drehen. Dadurch kann jeder Winkel ausgeleuchtet werden, und das Licht gelangt immer dorthin, wo es gebraucht wird. Mit dreierlei Leuchtenkopfdurchmessern (120 mm/8 W/920 lm, 160 mm /12 W/1300 lm und 240 mm/16 W/

1600 lm mit durchgängig 2700 k) lassen sich die Leuchten für viele Anwendungen im Privat- oder Objektbereich einsetzen. Allround ist mit energiesparenden LEDs ausgestattet; es gibt sie in den Farben Chrom, Chrommatt, Nickelmatt, Weiß, Schwarz und Anthrazit. Als Aufbau-, Einbau- und als Schienenvariante (Eutrac) eignen sich die Leuchten sowohl für Büround Gewerbe- als auch Wohnräume. Außerdem kann die gesamte Serie, bis auf die Schienenvariante, auch in IP 44 für den Außenbereich geordert werden.


FOTO: THOM AS M ARTIN

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„Das Capatect System Natur+“ basiert auf einer Dämmplatte, die zu 89 Prozent aus natürlichem Hanfstroh sowie zu 11 Prozent aus synthetischem (Bicofaser-/PE-Bindefaser-) oder pflanzlichem (Maisfaser-) Stützgewebe besteht. Linke Seite: Neubau Weingut Arndt Köbelin des Architekten Thomas Martin mit einer Hanffasergedämmten Fassade.

Hanf dämmt grüner caparol.de

Caparol hat als weltweit erster Anbieter ein Fassadendämmsystem entwickelt, das auf europäischem Nutzhanf basiert: „Capatect System Natur+“ heißt die neue Art, Häuser gegen Wärmeenergieverluste nachhaltig zu dämmen. Die Vorteile von Hanf: Es ist eine genügsame Pflanze, wächst auf dem Feld viermal schneller nach als Nadelholz im Wald und kommt dabei völlig ohne Dünger und Pflanzenschutzmittel aus. Dämmplatten aus Hanffasern verfügen über eine geringe Wärmeleitfähigkeit. Sie dämpfen den hörbaren Schall und gestatten es, Neubauten so zu planen, dass das erhöhte Schallschutzniveau nach DIN 4109 durch das Capatect System Natur+ mindestens erreicht oder sogar übertroffen wird. An der Fassade fachgerecht montiert, verhindert das System, dass die Hitze rasch ins Haus vordringt. Die Phasenverschiebung reicht bis in den späten Abend hinein.

Das Capatect System Natur+ lässt sich an der Fassade nach Wunsch gestalten. Caparol bietet dazu passende Kleber und Armierungsmasse, Putz und Fassadenfarben an. Für das Capatect Hanffaser-WDVS liegt eine Europäisch Technische Zulassung vor – das System lässt sich daher auch in Deutschland anbringen.


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Im Zusammenspiel mit dem Raster des Glasdachs erzeugt die Lamellendecke eine harmonische Optik. Die leichte Bearbeitbarkeit der Lamellendecke von Nagelstutz und Eichler ermöglicht präzise Anpassung bis ins Detail.

Lernlandschaft mit Wohlfühlcharakter ne-paneeldecken.de

Das niederländische Architekturbüro Benthem Crouwel hat mit dem neuen Hörsaalgebäude der Hochschule Osnabrück eine Lernlandschaft geschaffen, die für jeden Lerntyp den passenden Platz bietet. Die Architektur ist spektakulär: ein quaderförmiger, dreigeschossiger Baukörper, an dessen nordöstlicher Seite unten ein Keil herausgeschnitten ist. Vom Foyer aus entwickelt sich das Herzstück des Gebäudes, die sogenannte Lernlandschaft, rund um den Lichthof. Raumfunktionen und Zonierungen lassen sich an den umgebenden Flächen ablesen. Die Deckenlandschaft spiegelt die Zonierung ebenfalls wider: in den Vorlesungsräumen eine glatte Deckenoptik mit Deckensegeln, über der Lernlandschaft Baffeln und in den Durchgangsbereichen weiße Aluminium-Lamellendecken von Nagelstutz und Eichler. Sie dienen als opti-

scher Schutz der dahinter liegenden Installationen und suggerieren Durchlässigkeit und Offenheit nach oben. Die Abstände der Lamellen folgen dem Achssystem des Gebäudes. Dabei erleichterte die eingesetzte „NE-Lamelle“ mit ihren frei wählbaren Abständen und den schmalen Profilen den Architekten die Gestaltung und den Verlegern den Einbau. Die gesamte Bauhöhe ab Unterkante Rohdecke bis Unterkante Lamellendecke durfte eine Einbauhöhe von 100 mm nicht überschreiten. Im Flur lagen die Lüftungsund Installationsschächte so dicht beisammen, dass eine Abhängung nicht möglich war. Stattdessen wurden Weitspannträger aus Stahl unterhalb der Installationen über die knapp zwei Meter breiten Flure gespannt und daran die Tragschiene der Lamellendecke befestigt.


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Links: Der Fasenstein schafft durch seine umlaufenden, abgeschrägten Kanten eine

Räume mit Charakter

FOTOS: THOM AS POPINGE R/KS-ORIGINAL GMBH

ks-original.de

Der Fabrik-Chic ist mittlerweile ein salonfähiger Wohntrend. Markante Wände, kraftvoll und ohne Putz- oder Tapetenschicht, zieren die Hintergründe von Werbemotiven bedeutender Modelabels. Auch in der Architektur spielen authentische und natürliche Materialien eine immer wichtigere Rolle. Fast wie eine Hommage an die Kultiviertheit der Baukunst und das Handwerk, rücken traditionelle Wandbaustoffe wieder in das Bewusstsein der Planer. Denn ein modern interpretiertes Sichtmauerwerk ermöglicht ausdrucks-starke und selbstbewusste Gestaltungsmöglichkeiten. Mit seiner Formen- und Variantenvielfalt bietet das Kalksandstein-Sichtmauerwerk von KS-Original vielfältige Lösungen, Fassaden individuell zu gestalten. Dafür stehen gebrochene, bruchraue und glatte Oberflächenstrukturen zur Verfügung, die speziell auch für Innenräume optisch überzeu-

ebene Wandfläche,

Oben: Im Lobbybe-

die den besonderen

reich bringt das Sicht-

Fugencharakter sicht-

mauerwerk mit glatter

bar in Szene setzt.

Oberflächenstruktur

Durch eine abge-

als Szenenbildner Be-

stimmte Lichtplanung

wegung in den Raum.

wird das Spiel von Licht

Es wirkt wie ein ab-

und Schatten auf der

straktes Kunstwerk und

Wand zusätzlich stilvoll

verleiht ihm Atmo-

inszeniert.

sphäre.

gende, individuelle Gestaltungspotenziale eröffnen. Besondere Akzente können mit dem Fasenstein gesetzt werden. Er verleiht dem Raum durch seine unverwechselbare Fugenoptik eine wohl-tuende Dynamik, die ästhetische Ansprüche mit Wertbeständigkeit und zeitloser Schönheit verbindet.


FOTO LINKS: JOCHE N STÃœBE R; RECHTE SE ITE: THOM AS OT T (2)

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Linke Seite: Das Bürogebäude „Neuer Pferdemarkt“ nutzt „roseus“ als Zitat des Altbaubestands. Oben: Das Baumaterial unterstreicht die freundliche Atmosphäre des „Hauses im Burggarten“.

Unikate für die Wand ziegelei-hebrok.de

Jeder Stein ein Unikat – das ermöglicht das Wasserstrichverfahren, mit dem die Ziegelei Hebrok Natrup-Hagen ihre „Original Wasserstrich Backstein Klinker“ herstellt. „roseus“ heißt einer dieser Klinker, mit dem Architekten deutschland- und europaweit gerne arbeiten – zum Beispiel das Hamburger Architekturbüro Störmer Murphy and Partners beim Bau des Bürogebäudes „Neuer Pferdemarkt“ in Hamburg. Der Neubau nimmt die typische IndustrieArchitektur des frühen 20. Jahrhunderts auf: Große, unterteilte Stahlfenster werden durch eine Backsteinklinkerfassade umfasst. Die Architekten wählten roseus, da er die Altbauten zitiert und zugleich eine hellere, moderne Optik zeigt. Die strukturierte Oberfläche des Klinkers wird durch die teilweise Verwendung von Fußsortierung unterstrichen. Zudem nimmt die feine Reliefierung Bezug auf den Bestand.

Im Wohnpflegeheim „Haus im Burggarten“ in Breitenbach am Herzberg ist die Trans­ parenz zwischen innen und außen ein Schwerpunkt: Waechter + Waechter Architekten aus Darmstadt kombinierten die Klinkerfassade mit hellen Holzelementen und Glas. So werden Innenräume nach außen erweitert, der äußere Naturraum wird Teil des Innenraums. Aufgrund seiner sanften Rottöne und der warmen Optik setzten Waechter + Waechter Architekten roseus auch innen ein. Das Objekt erhielt die Auszeichnung „Iconic Awards 2015 Winner (Kategorie Domestic)“.


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Der Abstandshalter (Spacer) von ZinCo eröffnet Raum für die Wasserspeicherung, während oberhalb davon jede Form von Dachbegrünung und Dachnutzung denkbar ist.

Wasserrückhalt auf dem Gründach zinco.de

Dachbegrünung speichert Regenwasser und lässt es zeitverzögert abfließen beziehungsweise verdunsten. Das neue Retentions-Gründach von ZinCo vervielfacht diesen Rückhalte-Effekt und gleicht da­m it Niederschlagsspitzen aus. Eine gewöhnliche Extensivbegrünung speichert zwischen 20 und 40 l/m² Wasser, eine Intensiv­­be­g rü­ nung zwischen 50 und 100 l/m². Um die Hochwassergefahr zu reduzieren soll möglichst viel Wasser auf dem Dach gespeichert werden; doch dann besteht die Gefahr, dass sich dort die Vegetation ändert, sich der Pflegeaufwand erhöht oder es sogar zu Staunässe und Wurzel­fäulnis kommt. Daher hat ZinCo das neue Retentions-Gründach zweiteilig aufgebaut – Retentions-Volumen und der eigentliche Begrünungsaufbau sind getrennt. Unterhalb des Begrünungsaufbaus wird ein sogenannter Abstandshalter (Spacer)

verwendet, dessen Höhe variabel wählbar ist. Ein 10 cm hoher Spacer kann rund 80 l/m² Wasser speichern. Dieses Wasser fließt dann über ein im Gully verankertes Drossel-Element langsam in einem definierten Zeitraum (zwischen 24 Stunden und mehreren Tagen) in die Kanalisation ab. Der über dem Spacer positionierte Begrünungsaufbau stellt alle für das Funktionieren der Dachbegrünung wichtigen Aspekte sicher, wie Luft-Wasser-Haushalt im Wurzelraum, Dränage und Wasserspeicherung für die Pflanzen. So sind alle Dachbegrünungs- und Nutzungsformen möglich, auch Geh- und Fahrbeläge.


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Verschmutztes Oberflächenwasser ableiten ohne Verluste: Die Übergänge der Rinnenkörper der „Aco Drain Multiline Seal in“ verfügen serienmäßig über eine integrierte zweikomponentige Dichtung aus EPDM.

Kein Tropfen geht verloren aco-tiefbau.de/sealin

Bei herkömmlichen Rinnensystemen geht wegen undichter Rinnenstöße ein Teil des Wassers auf dem Weg zur Regenwasserbehandlung unkontrolliert verloren. Aco hat nun eine Entwässerungsrinne mit serien­ mäßiger Dichtung entwickelt. Mit der „Aco Drain Multiline Seal in“ für die Belastungsklassen A15 bis E600 gemäß DIN EN 1433 lässt sich Wasser kontrolliert und komplett in einem dichten System ableiten. Aco Drain Multiline Seal in nimmt belastetes Oberflächenwasser auf und leitet es ohne Verluste zur Behandlung oder (Wieder-)Verwendung weiter. Die Seal in Technologie besteht aus dem wasserdichten, frostsicheren Polymerbeton-Rinnenkörper und einer serienmäßig integrierten zweikomponentigen Dichtung aus EPDM. Diese Kombination gewährleistet die notwendige Wasserdichtheit der Entwässerungsrinnen über die von der DIN EN 1433 geforderte

Zeitspanne von 30 Minuten hinaus. In einem Langzeittest des IKT in Gelsenkirchen wurde für die serienmäßig mit einer integrierten Dichtung ausgestatteten Entwässerungsrinnen eine Dichtheit von über 72 Stunden nachgewiesen. Durch die glatten Übergänge am Rinnenstoß und die glatte Oberfläche des Aco Polymerbetons erhöht sich die Selbstreinigungsfunktion der Rinne noch einmal deutlich. Die verbesserte Geometrie macht den Rinnenkörper robuster. Ein weiterer Vorteil bei Handling, Transport und Einbau der neuen Rinne: Aco Polymerbetonprodukte sind bei gleicher Belastbarkeit leichter als Betonprodukte.


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Kolumne

MetroPolis

von

Alexander Gutzmer

Was genau ist „Stadt­ architektur“ ? Gerade kommt mir ein Buch in die Hände: „Stadtarchitektur“ von Klaus Theo Brenner. Darin, wenig überraschend: aktuelle Brenner-Bauten, die nach Ansicht des Autors unter dieses Siegel fallen. Fein strukturierte Bürgerbauten, viele aus Berlin, je eines aus Braunschweig oder Konstanz. Ich musste beim Durchblättern über das Siegel der „Stadtarchitektur“ nachdenken. Was besagt es? Gemeint ist für Brenner eine Architektur, die städtisch in dem Sinne daher kommt, dass sie die neuen städtischen Bauten mit ihrem Kontext verknüpft. Brenner denkt die von ihm propagierten urbanen Lösungen von ihrem unmittel­ baren Umfeld her: der Straße, dem Platz. Gute „Stadtarchitektur“ lässt sich also von den sie umgebenden Bewegungen und Affekten beeinflussen. Wie viel Ordnung verträgt „Stadt“? Ein fraglos stimmiger Grundansatz. Allerdings lohnt es sich, den Begriff der Stadtarchitektur noch weiter zu durchdenken. Die Frage ist nämlich, was dieses Attribut „Stadt-“ eigentlich transportiert. Meinem Eindruck nach wird es oft lediglich als Chiffre für eine herkömmliche Splittung baulicher Realität in Straße und Haus gesehen. Den Blockrand möglichst ordentlich an die städtischen Bewegungen heran geschoben, eine schützende und repräsentative Fassade davor – fertig. Doch Urbanität als Einflussfaktor

ist facettenreicher. Stadt ist nicht überall gleich. Weder sind alle Städte identisch, noch alle Stadtteile, noch alle Straßen. Und auch ein und die­ selbe Straße kann je nach Tageszeit komplett unterschiedlich daher kommen. Mit diesen urbanen Vielheiten befasst sich die Architektur meines Erachtens nach noch recht wenig. In der Chiffre „Stadtarchitektur“ wird hingegen meist von einem klar definierten Gesamtbild von Stadt ausgegangen. Und zwar von einem, das, gerade in Bezug auf sich rasant verändernde Metropolen wie Berlin, oft auch einem Wunschbild entspricht. Wünsch Dir Deine Stadt! Ein Ansatz, welcher der Architektur zwar Halt gibt, aber dem, was sich in unseren Metropolen real abspielt, nicht unbedingt gerecht wird. Dies führt uns, zum versprochen letzten Mal, zurück zum deutschen Biennale-Beitrag des Architekturmuseums Frankfurt. Was die Frankfurter nämlich bezogen auf das Konzept „Stadt­ architektur“ geleistet haben, ist, zu zeigen, dass sich „Stadt“ je nach Perspektive komplett unterschiedlich darstellt. Aus der Perspektive von Migranten erhalten auch unsere vermeintlich geordneten deutschen Städte plötzlich einen komplett anderen, häufig auch ungeordneten Charakter – oder einen, der einer subtilen Ordnung gehorcht, die wir „Ur-Städter“ gar nicht sehen. Das heißt: Wahre Stadtarchitektur ist eine, die uns sensibel hält für die Vielschichtigkeit des Urbanen.

An dieser Stelle schreibt Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer im Wechsel mit der Architektin Regine Leibinger und dem Architekturtheoretiker Friedrich von Borries.


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Dachlösungen Feuer und Flamme fürs Bauen mit Ton. Neubau oder Sanierung, Sattel- oder Kegeldach? Die Herausforderungen beim Bau von Dächern sind vielseitig. Das finden wir auch gut so! Denn genau hier beweisen die Systemdächer unserer Qualitätsmarke Koramic ihre Stärken: Größte Individualität, beste Verlegeeigenschaften und – dank Sturmfix 2.0 – höchste Sicherheit. Zusammen mit unseren kostenfreien Berechnungstools bieten sie Komplettlösungen, mit denen Sie jedem Objekt die Krone aufsetzen. Erfahren Sie mehr über Koramic auf www.wienerberger.de


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DIE NEUE GARTEN+L ANDSCHAFT. garten-landschaft.de/orte-anders-denken


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