BAU ME ISTER
117. J A H R G A N G
20
HO
LZ (III)
•
RI
E: BAUEN
IT
SE
M
Dezember
Das ArchitekturMagazin
M
SE
RI
E: BAUEN
HO
LZ (III
)
•
Wachstumsphase Kommunales Bauen mit Holz
IT
B12
Der neue AT Mesh – bewegter, gesünder, nachhaltiger.
Netz-Rücken besteht zu 80 % aus recycelten PET-Flaschen
wilkhahn.com
Editorial
COVE RFOTO: PAUL OT T
30
Sabine Schneider Twitter @der_baumeister
info@baumeister.de Instagram @baumeister_architekturmagazin
42
1
2
OF TE RSCHWANG 2 02 0
AB SEITE
AB SEITE
ULRICH SAUTE R, „GE NE R ATIONE NVE RTR AG WALD. VE R ANT WORTUNG UND LE IDE NSCHAF T“,
III / III
n dieser Zeit, in der Holz als Baustoff immer beliebter wird, richtet sich der Blick zwangsläufig auf den Holzlieferanten: den Wald. Allerdings weiß die „Waldzustandserhebung 2019“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wenig Erfreuliches zu berichten. Unter anderem tragen Trockenheit, Hitze, Schädlinge und später Frost zu „deutlichen Kronenverlichtungen“ bei, wie darin konstatiert wird. Soll heißen: Der Zustand der Bäume hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiter verschlechtert. Wie zum Trost findet sich aber auch folgender Satz darin: „Durch die Speicherung von Kohlenstoff in langlebigen Holzprodukten wird die positive Klimawirkung der Wälder weiter verstärkt.“ Die öffentliche Hand geht seit einigen Jahren mit gutem Beispiel voran und schreibt immer mehr Holzbauten aus. Ursprünglich waren schnelle Lösungen gefragt, um den Bedarf an Wohnraum für die Geflüchteten zu decken, dann kam der Anspruch auf einen Kitaplatz dazu, und auch neue Schulbauten wurden gebraucht. Diese eigentliche Zwangslage führte teilweise zu herausragenden Ergebnissen, von denen wir einige in dieser Ausgabe zeigen: etwa einen „wohngesunden“ Kindergarten in Lahr oder eine Schule aus Raummodulen in Leipzig. Warum andere Bauherren diesem guten Beispiel folgen, hatte der Tragwerksplaner Konrad Merz in unserem Interview im letzten Heft so erklärt: „Seit etwa fünf Jahren sind es immer mehr institutionelle Bauherren, Wohnbaugesellschaften, Investmentfonds und dergleichen, die Holzbauten bestellen, weil das die ‚Corporate Social Responsibility‘ verlangt...“1 Zudem wächst die Wertschätzung für den Wald – davon zeugt nicht zuletzt eine Fülle neuer Sachbücher und Bildbände. Ausgerechnet jetzt geht es dem Wald immer schlechter. In einer der fundierteren Neuerscheinungen versucht der Autor und Förster Ulrich Sauter zu erklären, warum wir aus dem Waldsterben der 1980er-Jahre nichts gelernt haben: „Bäume spannen wegen ihrer Langlebigkeit einen epochalen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft“, meint er. „Eine Waldgeneration kann leicht drei Menschengenerationen überdauern.“2 Dem Menschen fällt es jedoch schwer, in längeren Zeiträumen zu denken als dem eigenen. So ist ja auch im Waldzustandsbericht ausdrücklich die Rede von „langlebigen Produkten“. Das sollte übrigens auch ganz selbstverständlich für die Architektur gelten.
SIE HE BAUME ISTE R 11/2 02 0, AB SE ITE 76
I
4
10
Köpfe:
Ideen:
1– 2
1
Berktold Weber
3–4 14
Askesis Studio
20 Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen
2 30 Oberschule in Leipzig
3 IT
H
•
SE
RI
4
M
ER
IE:
E: BAUEN
BAUEN
M
42 Kita in Lahr ( OLZ III)
IT
RUBRIKEN 6 EIN BILD 40 KLEINE WERKE 52 SONDERFÜHRUNG 64 UNTERWEGS 84 N X T A + N E W M O N D AY 10 0 REFERENZ 10 8 PORTFOLIO: BAD II 11 3 IMPRE SSUM + VORSCHAU 11 4 KOLUMNE
54 Besucherzentrum Nationalpark Schwarzwald
5 66 Kindergarten und Kinderkrippe in Lannach
HO
LZ (III)
•
S
5
76
Fragen:
Lösungen:
1
20
Massiv bauen in Holz, Dämmbeton und Mauerwerk – ist monolithisch einfach?
88 Innenausbau „Toiletten für alle“ 100 Referenz 102 News
Gast-Arbeiter
Bauen mit Holz
III / III B12 Kommunales Bauen
Städte und Gemeinden sind die Vorreiter, wenn es um die Ausschreibung von Holzbauten geht. Inzwischen ist eine Reihe bemerkenswerter Kindergärten und Schulen entstanden – wir stellen in dieser Ausgabe unter anderem Projekte nahe St. Gallen, in Leipzig, Lahr und Lannach vor.
2012 hatte Seraina Wirz begonnen, bei dem kürzlich verstorbenen, bekannten Architekturfotografen Heinrich Helfenstein zu assistieren. Ab 2014 übernahm sie die Geschäftsführung seines Züricher Ateliers für Architekturfotografie. Ursprünglich auf Reproduktionen von Kunst und Antiquitäten spezialisiert, lichtet sie heute einfühlsam Architektur ab – zu sehen ab Seite 18.
Der Weg zur Fotografie war für Zooey Braun kein gerader: Er liebäugelte mit Theater, Jura, Film, studierte Politologie und schließlich Visuelle Kommunikation in Dortmund. Als Fotograf porträtierte er anfangs am liebsten Menschen, doch führte ihn seine Leidenschaft für die Baukunst bald zur Architekturfotografie – und das mit Erfolg inzwischen seit 25 Jahren.
Köpfe
HO
LZ (III)
•
S
M
ER
IE:
BAUEN
BAUEN
IE:
I
Langlebig und zeitlos
T
HO
LZ (III)
Vorarlberger Baukunst meets atmosphärischen Minimalismus: Helena Weber und Philipp Berktold gehören zur neuen Generation der dortigen Architekturszene Text Claudia Fuchs
FOTO LINKS: ANNA RITSCH; RECHTS: DARKO TODOROVIC
IT
1– 2
ER
M
10
•
S
11
und verbinden in ihren Entwürfen die Geradlinigkeit und konstruktive Klarheit der regionalen Tradition mit lichten Raumfolgen und den sinnlichen Qualitäten der Materialien.
Die beiden jungen Architekten Helena Weber und Philipp Berktold können sowohl internationale Erfahrung vorweisen und fühlen sich zugleich der regionalen Baukultur verpflichtet. Helena Weber hat in Graz und Finnland studiert und in Berlin und Malaga gearbeitet, Philipp Berktold studierte in Innsbruck, Sevilla und Texas. Ihr erstes gemeinsames Projekt war 2011 die Entwicklung eines Kindergartenstandorts, das Büro Berktold Weber Architekten in Dornbirn wurde 2019 gegründet. In ihren Projekten – öffentliche Gebäude, Bildungsbauten, Wohnbauten und Einfamilienhäuser – setzen sie das Thema der Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen in einer zeitlosen, klaren Architektursprache um und verleihen Holz als dem typischen Baustoff der Region Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Viele ihrer Projekte erhielten Auszeichnungen: Sie sind im Hin-
blick auf Langlebigkeit und Nutzungsflexibilität konzipiert und nicht nur in Vorarlberg zu finden. Aus Wettbewerbsgewinnen realisierten sie vorbildhafte Kindergärten und Schulen, wie aktuell den Kindergarten in Lannach, den wir ab Seite 66 vorstellen. Wie hat sich Ihr gemeinsames Büro denn entwickelt, und was charakterisiert Ihre Zusammenarbeit? H E L E N A W E B E R : Unsere Zusammenarbeit begann mit einer ortsbaulichen Studie zur strategischen Entwicklung von Kindergartenstandorten, für die Philipp eine Anfrage bekam. Da ich mit Prozessen dieser Art bereits Erfahrung hatte, beschlossen wir, es gemeinsam zu machen. Gleich darauf haben wir zusammen an einem Wettbewerb teilgenommen, ein Wohnbau, den wir gewinnen und umsetzen konnten. Aus diesem ersten Bau haben sich viele neue BAUMEISTER:
Projekte entwickelt. Wir sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und schätzen die Diskussion durch die Sichtweise des jeweils anderen sehr. So werden die Entscheidungen auf ihre Tragfähigkeiten hin von mehreren Seiten geprüft. Wir sehen dieses Vier-Augen-Prinzip und unsere unterschiedlichen Blickwinkel auch als eine Art Qualitätssicherung in unserem Büro. P H I L I P P B E R K T O L D : Die Beratung für Gemeinden in ortsbaulichen Fragen sowie städtebauliche Studien haben sich zu weiteren Schwerpunkten unserer Arbeit entwickelt. Wir bringen uns gerne an der Schnittstelle zwischen Architektur und Raumplanung ein, aus der die Grundlagen für Wettbewerbe hervorgehen. Denn so wichtig wie das Gebaute sind auch der bestehende Kontext und der Raum dazwischen, der öffentliche Raum, der durch WEITER
44
Spielhöhle Rundes ist in der Architektur rar, zumal im Holzbau mit seiner Stab- oder allenfalls Plattentektonik. Deshalb überrascht dieses Gebäude mit einer dichten Abfolge hölzerner Segmentbogendächer. Was vom Bautyp her an römische Langhäuser, eine Markthalle oder Gewächshäuser erinnert, dient hier als heimeliglabyrinthische Kita mit angegliedertem Bürgerzentrum.
Kritik Kris Ganzer
Architekten se\arch
Fotos Zooey Braun
Ideen Der neu angelegte Lahrer Bürgerpark nimmt in seiner Gestaltung Spuren einer römischen Siedlung an dieser Stelle auf. Deren Streifenstruktur inspirierte auch Stefanie und Stephan Eberding zu ihrem prämierten Wettbewerbsbeitrag für eine fünfgruppige Kita, in die auch ein Turn- und Versammlungsraum für das angrenzende Viertel integriert werden sollte. Das Ergebnis war ein kleinteilig-serielles Häuserhaus aus Holz. Die Architekten wollten an diesem Ort „keine städtebauliche Dominante schaffen, sondern das Thema des umgebenden Parks stärken“.
Ordnung in hölzernen Bögen Kitas in kleine, überschaubare Einheiten zu gliedern, gilt zudem als kindgerecht. So ein Mini-Land in Holz umzusetzen, ist unter heutigen Kosten- und Energiesparbedingungen jedoch nicht ganz leicht. Den Eberdings gelang es aber, dafür eine innovative und zugleich historisch vertraut wirkende Konstruktion zu entwickeln. Die sieben Streifen, zwischen 3,50 und 7,50 Meter breit, bedecken teppichartig das gesamte, 30 mal 70 Meter messende Baufeld, das nur an zwei Stellen von einem Hof unterbrochen wird. Abgestimmt auf das Raumprogramm gibt es drei Größen von räumlichen Modulen, die jeweils von vier Stützen markiert und von Bogenbindern aus Leimholz überspannt werden. Darauf sitzen teilvorgefertigte Deckenelemente mit sichtbaren, ziemlich mächtigen Sparren. Im Wettbewerb gab es hier noch eine elegantere monolithische Holzoberfläche. Auch die Ortgangbleche sind in der Ausführung leider „un-rund“ geraten. Die Architekten sprechen von enormem Kostendruck, betonen aber auch den robusten Werkstatt-Charakter ihrer Arbeit: „Wir mögen eine ruppige Bauweise.“ Bleibt indes der grundsätzliche Einwand, dass Tonnengewölbe aus dem Massivbau stammen. Holz zu krümmen entspricht nicht seiner linearen Struktur. Trotzdem ergeben Form und Material hier in der Kombination eine angemessene Lösung, auch der kritischen Knotenpunkte: „Uns war wichtig, vom Raum her eine Zentrierung zu schaf fen. Das Spiel unterschiedlicher Spannweiten macht die Räume unverwechselbar“, erläutert Stephan Eberding. In Holz ist die durchweg unbehandelte Struktur komplett recyclebar. Den Kindern gefällt das Höhlenartige der Räume. Unter dem Gewölbe der Gruppenräume ist sogar Platz für eine zweite Ebene. In der Mitte unter dem Bogen wird der Schall zwar verstärkt, das ist aber das Einzige, was die Erzieherinnen stört. Da der sehr tiefe Grundriss fast nur von Süden
3
„Uns war wichtig, vom Raum her eine Zentrierung zu schaffen. Das Spiel unterschiedlicher Spannweiten macht die Räume unverwechselbar.“
45 Tageslicht erhält, bleibt die breite multifunktionale Mittelzone etwas dämmrig. Mehr Oberlichter und die ursprünglich geplante Pfosten-Riegel-Verglasung der Hofseiten hätten dem abgeholfen. Das Atrium am Eingang bildet so indes einen noch stärkeren, fast orientalischen Fokus. Es verbindet die Kita mit dem benachbarten kleinen Bürgerzentrum. Auch der Turnsaal ist von beiden Seiten zugänglich. So eine Mehrfachnutzung, die das Gebäude den ganzen Tag belebt, sollte es häufiger geben. Für das angrenzende Hochhausviertel mit Tendenz zum sozialen Brennpunkt ist dieses Angebot auf jeden Fall ein Gewinn.
Fein abgestufte Übergänge Während viele Kitas heute einem Hochsicherheitstrakt ähneln, wendet sich die „Kita+“ ihrem Umfeld zu: Ein Wandelgang bildet stadtseits das Pendant zur geschützten Spielzone auf der Südseite. Beide überwölbt ein kleines Tonnendach. Hier finden Parkbesucher bei Regen Zuflucht, und die Eltern können auf ihre Kinder warten. Fein abgestufte Übergangsräume wie diese finden sich auch im Inneren. Trotz so viel Innovation blieben die Baukosten im üblichen Rahmen: Sie betrugen rund vier Millionen Euro (KG 3+4 brutto), also rund 560.000 Euro pro Gruppe, einschließlich des Bürgerzentrums. Haustechnisch verfügt das Gebäude über eine kontrollierte Be- und Entlüftung und erfüllt den KfW55-Standard. Die Fußbodenheizung wird mit Fernwärme gespeist. Zwei Jahre nach Bezug hat sich die Konstruktion als robust erwiesen. So interessant die gereihten Rundungen sind – etwas pflegebedürftig ist das extensiv begrünte Dach mit seinen langen Entwässerungsrinnen. Der Architekt hatte hier eine teilweise Solarnutzung für sinnvoller gehalten. Die Aufheizung der Räume war in den Hitzesommern kein übergroßes Problem. Und was die unbehandelten Oberflächen aus Fichtenbrettsperrholz betrifft: Die Kinder haben sie sorgsam behandelt und bunt ausgeschmückt. Außen beginnt die Weißtannen-Lattung inzwischen schon zu vergrauen. So fügt sich das hölzerne Haus aus Häusern gut in sein grünes Umfeld ein. Die am Schwarzwald gelegene Stadt setzt bei ihren öffentlichen Bauten bereits seit Längerem auf den Baustoff Holz. Pläne ab Seite 51
46
In GrĂźn eingebettet: Die Kita liegt im BĂźrgerpark, der zur Lahrer Landesgartenschau 2018 realisiert wurde.
Ideen
3
47
64
Oben: Alle Blicke auf den See. Gästezimmer und öffentliche Bereiche der Casa Fantini orientieren sich zum Wassser. Links: Holzlamellen bilden die rückwärtige Fassade. Eine gebäudehohe Verglasung belichtet das Treppenhaus. Unten: Die beiden Suiten befinden sich in einem alten
FOTOS: FANTINI
Wohnhaus, das in das Hotel einbezogen wurde.
Unterwegs in der
65
Casa Fantini Pella
Am Ortasee, einem der kleinsten der italienischen Voralpenseen, hat Piero Lissoni für die Unternehmerin Daniela Fantini ein familiäres Boutiquehotel errichtet und ihr damit einen langgehegten Traum erfüllt.
Auch die Seeseite des Fantini-Firmengeländes gestaltete Piero Lissoni neu.
ADRESSE Piazza Motta angolo Via Roma 2, 28010 Pella (NO)/I info@ casafantinilaketime. com
„Ich wollte immer ein Gasthaus besitzen“, bekannt Daniela Fantini. Wenig überraschend – schließlich entstammt sie einer Dynastie von Köchen. Nur ihr Vater interessierte sich nicht fürs Kochen. Stattdessen absolvierte Giovanni Fantini eine technische Ausbildung und gleich nach Kriegsende machte er sich mit seinem Bruder im Heimatdorf Pella am Ortasee selbstständig. Die kleine Firma produzierte Badezimmerarmaturen. Weil die Fantini-Brüder ein Talent zum Tüfteln besaßen, blühte das Unternehmen schnell auf. Daniela aber träumte nicht von Ventilen und Mischbatterien, sondern von einem eigenen Restaurant. Eine Schrulle, befand Fantini Senior, und so blieb es für die Tochter zunächst bei der Karriere im Familienbetrieb, den sie mittlerweile seit vielen Jahren leitet. Doch die Idee vom eigenen Gasthaus ließ sie in all der Zeit nicht los. Schließlich gelang es ihr, das Haus eines verstobenen Nachbarn zu erwerben, dessen Grundstück direkt an das Firmengelände und die Familienvilla grenzt. Nun besaß sie endlich die Baufläche, um ihren Traum zu verwirklichen. Dafür wandte sie sich an den Architekten und Designer Piero Lissoni, mit dem ihr Unternehmen bereits zuvor zusammengearbeitet hatte. Lissoni kam nach Pella und besichtigte das Grundstück am Ufer des Ortasees mit dem danebenliegenden Fabrikgelände. Er werde, verkündete er, Daniela Fantini ihr Hotel bauen – aber nur wenn er zugleich auch die unansehnliche Fabrikfassade in der Nachbarschaft neu gestalten dürfe. Kurz entschlossen willigte Daniela Fantini ein, und seit Kurzem sind nun die mehrjährigen Bauarbeiten komplett abgeschlossen. Während Lissonis Fabrikfassade an sechs aneinandergereihte Portiken erinnert, entwarf er die Seeseite des „Casa Fantini“ getauften Hotels in modernen Formen aus Holz, Glas und Bruchstein. Über dem mit Naturstein verkleideten Erdgeschoss, das Restaurant, Bar und Halle aufnimmt, sind zwei Geschosse mit insgesamt elf Gästezimmern und -suiten angeordnet. Deren große Fenstertüren scheinen im obersten Stockwerk regelrecht in die Fassade einzusinken und bilden so trichterförmige Balkone, die einen herrlichen Blick über den See eröffnen. Die Balkonlaibungen sind mit unregelmäßig vorspringenden Holzpaneelen verkleidet, deren Bewegtheit die dunkel gestrichene Verkleidung ein wenig auflockert. Im Innern kombiniert Lissoni Cremetöne mit dunklen Farben, etwa bei der prachtvollen Treppe aus Schwarzstahl. Natürlich besitzen alle Gästezimmer geräumige Bäder mit eigenem kleinen Spa-Bereich – schließlich soll die Casa Fantini auch als Botschafter für die Produkte des Familienunternehmens fungieren. Aus diesem Grund ist auch jedes der Zimmer mit einer anderen Armaturenserie aus dem Fantini-Sortiment ausgestattet. Bei allem Luxus – Intimität und Familiarität sind Daniela Fantinis wichtigste Maximen für ihr Hotel. „Wir sind eine Casa“, erklärte sie ihrem jungen, ambitionierten Chefkoch bei seiner Einstellung. „Koche also so einfach, als wärest du daheim, aber benutze dafür die besten Zutaten.“ Eine Bitte, die Chefkoch Paolo gern befolgt. Und damit den Traum seiner Chefin verwirklicht, die nun nicht nur das Familienunternehmen leitet, sondern endlich auch Gäste in ihrem eigenen „Gasthaus“ bewirten und beherbergen kann.
Text
Fabian Peters
PREISE
DZ ab 430 Euro pro Nacht
68
Spielraum für Holz Die Vorarlberger Holzbaukunst exportierten die in Dornbirn ansässigen Architekten Helena Weber und Philipp Berktold in die Steiermark: Ihre Kindertagesstätte in Lannach verrät viel über die lange Vorarlberger Erfahrung im Umgang mit Holz.
Kritik Karin TschavgovaWondra
Fotos Paul Ott
Architekten Berktold Weber Architekten
Ideen Lannach liegt rund zwanzig Kilometer südwestlich von Graz und ist durch die Ansiedlung von Pharma-Industrie und Gewerbe finanziell gut ausgestattet. Nach dem gelungenen Neubau des Marktgemeindeamts beschließt der 3.500-Einwohner-Ort, den Weg zu Qualitätsarchitektur fortzusetzen. Als zusätzliche Kindergarten- und erstmals Kinderkrippenplätze nachgefragt werden, wird 2017 ein geladener Wettbewerb ausgelobt und das in Vorarlberg ansässige Architekturbüro Berktold Weber mit dem ersten Rang prämiert. Das neue Gebäude liegt am nordwestlichen Rand einer sehr großen, leicht abschüssigen Wiese, die als luftiger Erholungsbereich der Volksschule dient und direkt an den kleinen Kindergarten im Bestand angrenzt. Der räumliche Zusammenhang war erwünscht, wenngleich die Erschließung des neuen Kindergartens mit Kinderkrippe über eine tieferliegende Zufahrt erfolgen sollte.
Hybride Holzkonstruktion Helena Weber und Philipp Berktold konzipierten die Konstruktion „unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten“ (laut Ausschreibungstext) mit Holz als Wunschmaterial der Auslober, die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz einforderten. Alle erdberührenden Teile am Hang einschließlich der Bodenplatte sind massiv und aus Beton. Geländemodulationen wurden vermieden. Die Außenwände der Hauptebene s i nd i n hochwä rmege dämmter Holzrahmenbauweise mit Stahlstützen als Verstärkung ausgeführt, um eine Betondecke tragen zu können. Sie gewährleistet die erwünschte Erweiterbarkeit des zweigruppigen Kindergartens. Zwei Einheiten könnten bei laufendem Betrieb aufgesetzt werden. In der derzeitigen Ausbaustufe sind die Räumlichkeiten von Kindergarten und Krippe L-förmig um einen Spielhof angegliedert. Er erinnert an einen geschützten Innenhof, da die Grenzen zur großen Wiese durch zarte Stützen, eine partiell gesetzte Holzlattenschalung und ein umlaufendes Band in Holz angedeutet werden.
Großzügige Spiellandschaften Unter der Hauptebene befindet sich witterungsgeschützt der Eingangsbereich. Alle Kinder, auch die kleinsten, gelangen begleitet von ihren Eltern über eine breite Treppe ins Hauptgeschoss zu ihrem Gar-
5
derobenplatz. Schon dieser Zugang ist von einer Großzügigkeit, die gleichermaßen verblüfft wie überzeugt. Bereits die Wettbewerbsausschreibung sah vor, dass er als offene Kreativzone für vielfältige Aktivitäten konzipiert werden sollte. Klug gesetzte Fensterelemente betonen platzartige Bereiche, die mit intimer wirkenden abwechseln. Auch in den Gruppenräumen ist Gruppendynamik, Zuschauen vom Rand aus und auch Rückzug individuell möglich. Für die Kleinsten – 16 Kinder können in die Krippe aufgenommen werden – gibt es einen Aufenthaltsraum mit definierten Spielecken und Kletterlandschaft, den Schlafraum sowie den Bereich mit großem Esstisch für alle und kleiner Küche, als offen zugängliche Zone mit Blick in den Garten. Schön, dass die Architekten es geschafft haben, mit ihren Ideen zur Möblierung zu überzeugen. Das große, multifunktionale Einbaumöbel mit Galerie in den Gruppenräumen, die kleinen dreidimensionalen Landschaften zum Klettern und nahezu alle Möbel tragen ihre Handschrift.
Einladende Räume, die sich zum Spielhof öffnen Was dadurch entstehen konnte ist ein atmosphärisches Ganzes, sind freundlichhelle Räume zum Wohlfühlen, eingebettet in Weißtanne an den Wänden, in eine schallabsorbierende Holzakustikdecke und ein dezentes Farbkonzept für Raumteiler und Regalflächen. Die raumhohe Verglasung zum Spielhof lässt Innen- und Außenraum verschmelzen.
Schmale Holzlamellen für reizvolle Lichtstimmungen Als Zwischenzone zum Spielplatz mit weichem Kunstrasen fungiert eine Terrasse, die durch einen weiten Dachüberstand geschützt wird. Im Sommer wird sie für Pleinair-Aktivitäten mit Tischen bestückt. An drei Außenseiten – entlang der Krippe, den Verwaltungs- und Aufenthaltsräumen für die Mitarbeiter und dem Ausgang von der Garderobe ins Grüne – schließt ein Balkon an, der durch ein Geländer aus Glas begrenzt wird. Es bietet wohldurchdachte Blickfreiheit für die Kleinsten. Gezielt gesetzte Holzlamellen bilden eine Art zweite Haut und erzeugen wechselnde, lebendige Lichtstimmungen. Die ab-
69 gestuft gegliederte, feine Holzhülle wirkt wie ein Vorhang vor der Fassade. Die Architekten selbst interpretieren sie als „Neststruktur“, die Geborgenheit vermitteln soll.
Präziser Holzbau, atmosphärisches Ganzes Was der Gesamteindruck enthüllt: Es bedarf hoher Kunstfertigkeit, jedes noch so kleinste Detail mit so großem Können und Wissen um seine Wirkung planen zu können und dabei nicht das Ganze aus dem Blick zu verlieren. Großzügigkeit und spürbare Wertschätzung, nicht nur für das Material Holz, sondern auch für die Arbeit der Pädagoginnen prägen die Atmosphäre in diesem Gebäude. Das ist besonders beachtenswert, weil hier nicht nur Vorarlberger Sorgfalt und Präzision ihren Ausdruck finden, sondern auch die offensichtlich gelungene Zusammenarbeit mit regionalen Gewerbe- und Handwerksbetrieben vom Zimmerer bis zum Fensterund Möbelbauer. Das Holzland Steiermark in Verbindung mit Vorarlberger Knowhow: Den Architekten und der Gemeinde ist zu gratulieren. Ersteren zu ihrer herausragenden Planung, zweiteren zu ihrem Mut. Zum Bekenntnis, Baukultur zu ermöglichen, und zu einem Gebäude, das nachhaltig lange wirksam sein wird. Pläne ab Seite 73
72
Holz prägt die ruhig wirkenden, lichtdurchströmten Gruppenräume. Das multifunktionale Einbaumöbel unten wurde von den Architekten entworfen.
Ideen
5
73
ZUR L A ME LLE NFASSADE:
2
1
4
1
5 6 7 8
1
Holzlamelle Weißtanne
4
2
Abgehängte Akustikdecke:
3
Bodenbelag Gruppenräume:
7
Vorsatzschale/
8
Holztäfelung horizontal
Installationsebene 60 mm
5
Hinterlüftung 40 mm, Konterlattung 30 mm
Weißtanne gehobelt 20 mm
6
Holzständerbauweise 260 mm:
(unterschiedliche Breiten)
Weißtanne Holzparkett Esche
Holzfassade vertikal, grau lasiert 30 mm
grau lasiert 40/170 mm
Holzfaserplatte 60 mm, Holzprofil/Zellulosedämmung 180 mm, OSB-Platte 20 mm
M 1: 2 5
3
100
Lösungen
W W W . B R U N N E R - G R O U P. C O M
Möblierung von Brunner
Die Collectionen von Brunner sind aufeinander abgestimmt und kombinierbar. Der Messinghof wurde unter anderem mit diesen Serien eingerichtet: „banc“ ist ein Baukastensystem, basierend auf dem Archetypus einer Bank – eine nach allen Seiten hin offene gepolsterte Sitzfläche auf einem u-förmigen filigranen AluminiumGestell. Dieses Grundmodul lässt sich beliebig erweitern und mit den vollumpolsterten Rückenlehnen in drei Höhen ergänzen. Jedes Teil kann einzeln ausgetauscht
mit Bestuhlung von Brunner
„first“ bietet eine unsichtbare Gestellverkettung, die ganz ohne zusätzliche feste oder bewegliche Verbindungselemente auskommt. Das Modell „first line“ verfügt über Armlehnen mit Kunststoffauflage. Die Buchensperrholzschale hat eine besondere Ausformung: Eine Faltung am hinteren Rand der Sitzfläche sorgt für platzsparende Stapelung und eine verbesserte Ergonomie. First line ist in drei verschiedenen Polstervarianten erhältlich.
FOTOS: STE FAN M ARQUARDT
Tagung im Industriedenkmal
werden. Die Stuhlserie
Referenz
101
Das ehemalige Messingwerk aus dem 17. Jahrhundert, der „Messinghof“, wurde restauriert und ergänzt und ist heute beliebter Tagungs- und Veranstaltungsort.
Der Messinghof in Kassel-Bettenhausen ist das älteste Industriedenkmal Nordhessens. Das Hammerwerk mit Gießerei wurde 1679 im Auftrag von Landgraf Karl südwestlich des Flusses Losse errichtet. Es erhielt zwei Jahre später eine Monopolstellung für die Kupferverarbeitung der Region und leitete dort die Industrialisierung ein. Sein berühmtestes Exponat ist der Kasseler Herkules, die erste Statuenkonstruktion in Leichtbauweise mit innerem Tragegerüst aus Stahl. Der Messinghof ver fügte ursprünglich über zwei langgestreckte zweigeschossige Gebäude. Direkt an einem von der Losse versorgten Mühlenkanal stand der Hammerflügel und beherbergte die von Wasserkraft angetriebenen Hämmer. Im Krieg brannte er aus und musste schließlich abgebrochen werden. An seinem Kopfende schlossen Kutscher- und Torhaus an, gegenüber liegt der Gießereiflügel. Zwei Mauern samt rundbogigen Durchfahrtstoren umschlossen einen Innenhof. Das Maue r we rk besteht aus Bruchstein und war ursprünglich verputzt.
Lediglich Obergeschoss und Dach des Kutscherhauses sind als Fachwerk erstellt. Die Metallverarbeitung endete 1975, die Besitzer wechselten – heute liegt der Messinghof inmitten eines Industriegebiets. Mit dem letzten Besitzerwechsel 2010 begann daher eine Umwandlung des Anwesens in eine Tagungs- und Eventlocation. Zug um Zug hat man den Ort sorgsam saniert, um so den Charakter des historischen Industriebaus zu erhalten: Zunächst wurden das Torhaus, das Kutscherhaus und die historische Hofanlage komplett wiederhergestellt, dann das Dach samt Gauben des ehemaligen Gießereiflügels unter Verwendung der alten Bauteile. Von den vier Torbögen im Außenbereich waren drei nachträglich zugemauert worden und mussten rekonstruiert werden. Im Inneren galt es, das barocke Treppenhaus zu restaurieren. Weiter wurden unter der Prämisse, so viele alte Balken wie möglich zu erhalten, neue Holzdecken eingezogen. In sämtlichen Räumen ist nun die historische Konstruktion wahrnehmbar – durch Holzbalken und Stützen, Sicht-
von
Ulrike Sengmüller
mauerwerk und den freigelegten Dachstuhl. Die Böden bestehen aus Holzdielen oder Stein. Gemauerte Rundbögen und andere Details sind liebevoll herausgearbeitet. Dagegen grenzen sich neue Einbauten wie Treppen, Emporen und Balkone in modernen Konstruktionen ab. Optisch nehmen sie sich etwa durch Glasgeländer zurück und passen sich mit Stahl als Material an den industriellen Charakter des Denkmals an. Die neue Einrichtung bleibt ebenfalls sachlich und zurückhaltend, aber bequem. Neben einigen Sonderanfertigungen von Brunner basiert die Lounge- und Konferenzeinrichtung des Anwesens auf den Möbelserien „banc“, „fina“, „crona pivot“ und „team“. Für die Bestuhlung größerer Präsentationen und Aufführungen fiel die Wahl auf die Stapelstühle „first line“. Im Außenbereich lädt eine leicht erhöhte Terrasse ein, die Pausen zu genießen. Sitzgruppen der Kunststof fstühle „twin“ in „lava“, kombiniert mit den Einsäulentischen 3000, bilden hier einen angenehmen Kontrast zum Naturstein.