IN DEN
50 SEHNSUCHTSORTE IN DEN ALPEN
4 Vorwort
Katharina Matzig
6 Leben im Luftraum
dunkelschwarz ZT GmbH
10 Wohn(t)raum in Weiß
Inches Geleta
14 Schwarzbau
bernardo bader architekten ZT GmbH
18 Aus Tradition gut
Architektur | Baumanagement
Jürgen Haller
22 Gipfelwohnglück
Architekt Andreas Gruber
26 Das Mondhaus
Seiler Linhart Architekten
30 Das Dorf im Dorf cheseauxrey associés sa
34 Camera obscura
Dietrich | Untertrifaller Architekten
38 Die steinerne Stadt
Architekten Mahlknecht Comploi
42 Das Baumhaus
Yonder – Architektur und Design
46 Generationenwohnen
KESSLER2
50 Verdreht
bergmeisterwolf architekten/a saggio
54 Das Turmhaus
pedevilla architects
58 Panoramastube
Dietrich | Untertrifaller Architekten
62 Ortsbestimmung
Wellmann-Ladinger
66 Bestens bedacht
Christiane Agreiter Architekten und Markus Schietsch Architekten
70 Zeitgemäße
Baugeschichtsschreibung kit
74 Das Bau-Kultur-Studio
Ruinelli Associati AG Architetti SIA
78 Der Einhof
LP architektur ZT GmbH
82 Zwei, drei, eins
Architekt Pavol Mikolajcak
86 Ferien-Wohnen
Dominique Meier Architektur ETH SIA
90 Der Wachtturm
Kaundbe Architekten AG
94 Weniger ist mehr Marazzi Reinhardt
98 Steile Nachverdichtung
Dietrich | Untertrifaller
102 Ein Haus auf dem Land
LP architektur ZT GmbH
106 Moderne mit Knick
Schnieper Architekten
110 Das Holzhaus
pedevilla architekten
114 Der Findling
Renato Maurizio Architekten
118 Aufgefächert
bergmeisterwolf architekten
122 Hofleben
Architekt Torsten Herrmann
126 Es kommt drauf an, was man draus macht
Albertin Partner Architekten
130 Gebauter Weitblick Hurst Song Architekten
134 Das Haus mit drei Augen
Innauer Matt Architekten
138 Reduce, reuse, recycle madritsch * pfurtscheller
142 Das Haus am Berg Berktold Weber Architekten
146 Das Ypsilonhaus architektur.terminal hackl und klammer
150 Less is more baucombinat Architekt Martin Summer
154 Das Doppelhaus
bergmeisterwolf architekten
158 Leben in besonderer Lage firm architekten
162 Dorfschönheit
bernardo bader architekten ZT GmbH
166 Hölzerne Schale, harter Kern
Innauer Matt Architekten ZT GmbH
170 Aus einem Guss
Fischer Schmieder Architekten
174 Stadtfindling
Architekturbüro Marlen Inderst
178 Perspektivwechsel
Dietrich | Untertrifaller Architekten
182 Bau-Weltkultur
Architekten Luger & Maul ZT-GmbH
186 Dorferneuerung
Architekt Daniel Ellecosta
190 Betonbaukunst
Michele Arnaboldi Architetti
194 Leichtbau
Baumschlager Hutter Partners
198 Einfach schön
LP architektur ZT GmbH
202 Ausgedehnt – Ferienhaus am Gardasee
bergmeisterwolf architekten
206 Adressverzeichnis
208 Impressum
1862 entwarf Gottfried Semper die Villa Garbald im schweizerischen Castasegna. Dabei interessierte es den deutschen Architekten, dem Dresden etwa die Gemäldegalerie, das Neue Hoftheater oder die Semperoper verdankt, überhaupt nicht, wie man denn eigentlich im Bergell, einem Bergtal in Graubünden, zwischen Italien und der Schweiz gelegen, zu bauen hätte. Er wählte vielmehr ein gestalterisches Vorbild, das zu seiner Zeit modisch war und auch an einem anderen Ort und in anderer Landschaft hätte errichtet werden können: ein italienisches Landhaus. Erst gegen 1900 wurde die Frage gestellt, ob es nicht auch einen den Bergen angemessenen Baustil geben könne, wenn nicht sogar: müsse. 1913 stellt der Österreicher Adolf Loos dann „Regeln für den, der in den Bergen baut“ auf. „Baue nicht malerisch“, heißt es darin. „Überlasse solche wirkung den mauern, den bergen und der sonne. Der mensch, der sich malerisch kleidet, ist nicht malerisch, sondern ein hanswurst.“ Der 1933 verstorbene Architekt postulierte zudem: „Achte auf die formen, in denen der bauer baut. Denn sie sind der urväterweisheit geronnene substanz. ... Haben die fortschritte der technik es möglich gemacht, die form zu verbessern, so ist immer diese Verbesserung zu verwenden. ... Denke nicht an das dach, sondern an regen und schnee. So denkt der bauer und baut daher in den bergen das flachste dach, das nach seinem technischen wissen möglich ist. In den bergen darf der schnee nicht abrutschen, wenn er will, sondern wann der bauer will.“ Und vor allem: „Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim alten.“
50 Häuser in den Bergen haben wir für dieses Buch zusammengestellt, sie wurden in den deutschen, österreichischen, schweizerischen und Südtiroler Alpen realisiert. Einige liegen am Hang, manche im Tal. Ein paar sind in Alleinlage entstanden, andere fügen sich in die dörfliche oder gar städtische Struktur. Einige setzen sich mit Bestand auseinander, die meisten sind als Neubauten konzipiert worden. Sie alle wurden eingereicht und ausgewählt bei den Wettbe-
werben „Häuser des Jahres“ der Jahrgänge 2016 bis 2022. Das heißt: Sie alle überzeugten die jeweiligen Jurys dadurch, dass sie den zeitgemäßen Regeln für das Bauen in den Bergen entsprechen. Und das bedeutet heute: Sie passen sich gestalterisch anspruchsvoll und ansprechend ein in die Landschaft, sie entsprechen den speziellen und bisweilen herausfordernden klimatischen Bedingungen in Form und Material und bieten ihren Bewohnerinnen und Bewohnern individuellen, qualitätsvollen und nachhaltigen Wohnund Lebensraum. Mit den inzwischen 110 Jahre alten Loos’schen Regeln haben sie sich alle ganz offensichtlich auseinandergesetzt: Malerisch, und also im Loos’schen Sinn dekorativ hanswurstig sind sie nicht gebaut. Fortschritte in der Technik allerdings, vor allem in der nachhaltigen und energieeffizienten Haus- und Bautechnik und bei den eingesetzten Baustoffen, nutzten die Architekten sehr wohl. Ist auch die Tradition des konstruktiven wie gestaltgebenden Holzbaus tief im Alpenraum verankert, so finden sich bei den im Buch vorgestellten Häusern auch Bauten aus Dämmbeton, wie das Turmhaus in Gossensaß von pedevilla architects (S. 54), oder aus Beton, wie Haus Viktoria vom Architekten Andreas Gruber (S. 22). Der junge Architekt Gerald Kessler verkleidete das Generationenhaus in Maishofen (S. 46) gar mit Faserbetonplatten, in denen Kapillarrohrmatten die durch die Sonneneinstrahlung entstandene Wärme nutzen, um Heizung und Warmwasser zu speisen. Für die Bewohner, für die Nachbar- und auch für die Landschaft hat sich bei einigen Häusern ein Flachdach als nicht nur möglich, sondern auch als richtig erwiesen, etwa bei der Villa in Contone von den Architekten Inches Geleta (S. 10), einer Nachverdichtung in Sulzberg durch Dietrich I Untertrifaller (S. 98) oder dem Ferienhaus am Gardasee von bergmeisterwolf architekten (S. 202). Während der Architekt Armando Ruinelli das geneigte Dach der kleinen Cascina (S. 74) zwar traditionell mit Steinplatten aus Gneis decken ließ, im aus Stampfbeton und Holz gefertigten Inneren jedoch minimalistisch elegant arbeitete. Eindeutig heutig schreibt die Cascina, die zum Ensemble um die Villa
Garbald gehört und Studierenden traumhaft schönen Wohn- und Arbeitsraum bietet, die Haltung von Gottfried Semper und die Regeln von Adolf Loos weiter.
Die 50 Häuser in den Bergen werden mit Grundrissen und Schnitten, meist im Maßstab 1:400, auf jeweils vier Seiten vorgestellt sowie mit einem Lageplan in 1:2000. Die von mir verfassten Texte beruhen auf Informationen aus den Architekturbüros,
denen hier für ihre Unterstützung noch einmal herzlich gedankt ist. Professionelle Fotos bebildern. Sie lassen uns teilhaben an dem, was alle ausgewählten Bauten, so unterschiedlich sie auch in ihrer Lage, Form, Größe, im Material und ihrem Budget sind, gemein haben: großartige Ausblicke in die malerischen Berge.
Katharina MatzigLeben im Luftraum
von dunkelschwarz ZT GmbH in Elsbethen (A)Haus und Nebenhaus bilden einen uneinsehbaren, geschützten Hof aus. Innen und Außen verbinden sich
zum Garten, Netze lassen Oben und Unten im Inneren zum fließenden Raumkontinuum werden.
Die kleine Gemeinde Elsbethen liegt zwischen der Salzach auf der einen Seite und dem Gaisberg auf der anderen, der kleine Ort grenzt direkt an Salzburg. Von der Landeshauptstadt aus führen Erhard Steiner, Hannes Sampl und Michael Höcketstaller ihr Büro dunkelschwarz, das die Jury bereits im letzten Jahr mit einem Haus des Jahres 2021 überzeugt hat. Über die Empfehlung eines früheren und offensichtlich zufriedenen Bauherrn wurden die Architekten beauftragt, ein Haus für vier Personen auf 633 Quadratmeter großem Grund zu bauen. „Die Zusammenarbeit mit den Bauherren war eine sehr angenehme und wertschätzende – eines unserer Grundprinzipien! Es verbindet uns über den ,normalen Bauprozess‘ hinaus mit vielen unserer Bauherren eine lange Freundschaft …“, so Hannes Sampl.
Das Grundstück befindet sich nordöstlich des Ortszentrums von Elsbethen. Die Umgebung ist heterogen, sie besteht überwiegend aus Wohnhäusern mit typischer „Alltagsarchitektur“, beschreiben es die Architekten. Die Topografie des Gebiets weist als Ausläufer der umliegenden Berglandschaft ein leichtes Ost-West-Gefälle auf.
Leichtigkeit, Schutz, offene, helle Räume und fließende Übergänge zwischen Innen und Außen wünschte sich die Bauherrschaft. Dementsprechend entwickelte dunkelschwarz ein Ensemble aus Haus und Nebengebäude, verbunden über ein langes Dach aus Beton. Die beiden Baukörper, dreigeschossig und mit Satteldach das eine, eingeschossig und flachgedeckt das andere, bilden einen Hof. Sämtliche Wohnräume orientieren sich zum geschützten Freiraum und verbinden sich über Terrassen und Balkone mit dem südseitig gelegenen Garten.
Die Form des Haupthauses auf rechteckigem Grundriss und unter steilem Satteldach orientiert sich an der Bebauung der Umgebung, es ist als Massivholzbau konzipiert, acht Monate dauerte die Bauzeit. Im Inneren allerdings sorgen die Lufträume mit eingespannten Netzen für eine unerwartete und unkonventionelle Nutzung jenseits normierter Wohn- und Lebensvorstellungen. Der Familie passt das: Nicht nur Innen- und Außenraum gehen ineinander über, auch Oben und Unten verbinden sich in diesem Haus zum Kontinuum. Räumliches und familiäres Zentrum ist der großzügige Raum zum Kochen und Essen, mit Diwan und offenem Kamin im Erdgeschoss. Das erste Obergeschoss ist den Kindern vorbehalten, unter dem Dach finden die Eltern großzügig Platz.
Die Familie wünschte sich für ihr Haus fließende Übergänge zwischen Innen und Außen. Die Lufträume im Inneren sind mit Netzen überspannt und verbinden auch zwischen Oben und Unten.
Maßstab
M 1:400
1 Eingang
2 Bad
3 Kochen, Essen, Wohnen
4 Terrasse
5 Abstellraum
6 Carport
7 WC
8 Schlafen
9 Wohnen
10 Arbeiten
11 Sauna
12 Technik
Längsschnitt Querschnitt
Vorige Seite: Das Ensemble aus Haus und angeschlossenem Nebengebäude für Autos und Gerätschaften passt sich in die Umgebung ein. Innen sind eher unkonventionelle Räume entstanden: „Architektur versteht sich in diesem ‚starr und unflexibel es die Architekten. Das Haus liegt an einem beliebten Siedlungs- und Spazierweg. Die Architekten berichten, dass viele Passanten stehen bleiben und überlegen, wie wohl der geschützte Gartenhof und die von der Straße nicht einsichtigen Wohnräume aussehen ... „Den einfachen Typus des Wohnhauses und die Holzbauweise verstehen die meisten – den massiven Nebenbaukörper aus Beton mit Brettschalung (als kon zeptionelles Gegenstück) dahingegen die wenigsten ...“
„Wir versuchen, bei jedem unserer Häuser normierte Typologien zu hinterfragen und bezüglich spezieller Situationen und Bedürfnisse zu modifizieren, um so individuellen Wohnraum zu schaffen. So entstehen intelligente, einfache Baukörper, die in ihrer Nutzung, der täglichen Verwendung, vieles zulassen, Offenheit und Schutz bieten, Wärme und Halt geben.“
Michael Höcketstaller, Erhard Steiner, Hannes Sampl dunkelschwarz ZT GmbH, Salzburg (A) www.dunkelschwarz.com
Anzahl der Bewohner: 4
Wohnfläche (m2): 222
Grundstücksgröße (m2): 633
Standort: Elsbethen (A)
Zusätzliche Nutzfläche (m2): 71
Bauweise: Holzmassivbau
Fertigstellung: 09/2021
Architekturfotografie: Markus Rohrbacher, Radstadt (A) www.markusrohrbacher.com
Wohn(t)raum in Weiß
von Inches Geleta in Contone (CH)Das schweizerische Contone liegt auf einer Höhe von 206 Metern über dem Meer am Südrand der Magadinoebene, zwei Kilometer vom Langensee entfernt. Das Dorf ist umgeben von Kastanienwäldern und Rebbergen. Mit der Planung ihres Hauses beauftragte die Bauherrschaft das im italienischsprachigen Locarno ansässige Büro Inches Geleta Architetti. Gegründet wurde es 2010 von Matteo Inches, Jahrgang 1984, zwei Jahre nach seinem Diplom an der Accademia di Architettura in Mendrisio. 2014 wurde die Innenarchitektin Nastasja Geleta, ebenfalls 1984 geboren, Partnerin im Büro inches architettura und 2017 Mitinhaberin des Büros mit dem neuen Namen Inches Geleta Architetti.
Als „eindrucksvoll“ beschreiben die Architekten das Gebiet der Magadinoebene zwischen Bellinzona und Locarno. „Die Ebene wird von Bergprofilen begrenzt, in denen sich verschiedene Landnutzungen formen: von landwirtschaftlichen bis zu industriellen Gebieten, von Erholungsgebieten mit besonderen Qualitäten bis zu Wohngebieten. Das Haus fällt in diese Kategorie und ist Teil des stadtnahen Gefüges, das das Tal prägt.“ Dementsprechend bezieht sich das 153 Quadratmeter große Haus auf 509 Quadratmeter großem Grundstück auf den großen Landschaftsmaßstab: Flach ruht es in der Ebene auf einem leicht schwebenden Sockel.
In Nord-Süd-Richtung streckt sich der schmale Grund an einer Straßenecke, das Haus besetzt ihn mit einem langgestreckten Rechteck, das sich eingeschossig zwischen der Sockelplatte und der Dachscheibe aus Beton aufspannt. Einschnitte werden zu geschützten Außenbereichen, im Osten markieren sie den Eingang und legen sich vor den Wohnbereich, im Westen halten sie Arbeiten und Wohnen auf Abstand und öffnen den Koch- und Essbereich auf eine Terrasse. Dicke Außenvorhänge schützen nicht nur vor zu viel Einblick oder der Witterung: Ihr sanfter Schwung spielt zudem mit der vertikalen, feinen Betonstruktur, die dem Haus seinen eigenwilligen Charakter gibt. Farblich entsprechen sich das weiche und harte Material: Es ist gebrochen weiß. Eine zweiläufige Treppe führt ins Obergeschoss; winkelförmig sitzt es einem Teil des Erdgeschosses auf und beherbergt die Schlafräume. Das Dach aus Ortbeton lagert schwer, Schornstein und Wasserablauf sind als kleine Skulpturen gefertigt, die den Blick an der vertikalen Fassadenstruktur entlang in die Höhe verdienen.
Im wahrsten Sinne des Wortes: Außenvorhänge sorgen für einen fließenden Übergang von Innen und Außen. Das Grau des Bodens und das Weiß der Wände und Einbauten entspricht den Fassaden und den Vorhängen.
Lang streckt sich das Haus auf langgestrecktem Grund. Seine Boden- und Dachscheiben entsprechen der Topografie der Magadinoebene, das feine Vertikalprofil der Betonfassaden übersetzt Tessiner Tradition handwerklichindustriell zeitgemäß und findet seine Entsprechung in den Außenvorhängen.
„Das Betonhaus berührt die horizontale Ebene der Landschaft und betont seine Zugehörigkeit zum Ort.“
Matteo Inches, Nastasja Geleta Inches Geleta, Locarno (CH) www.inchesgeleta.ch
Anzahl der Bewohner: 4
Wohnfläche (m2): 153
Grundstücksgröße (m2): 509
Standort: Contone (CH)
Bauweise: Betonbau
Baukosten: 750.000 CHF
Fertigstellung: 05/2021
Architekturfotografie: Simone Bossi, Malnate (I) www.simonebossi.it
Schwarzbau
in Lochau (A) von bernardo bader architekten ZT GmbHBeton:
Lochau liegt eingerahmt zwischen dem 1.064 Meter hohen bewaldeten Pfänderrücken und dem östlichen Bodensee. Vom Strandbad aus sieht man auf Bregenz. Die Lage könnte also kaum besser sein. Doch auch hier gibt es ungünstig geschnittene Grundstücke: Die knappe Restparzelle wurde bei der Realteilung schmal zugeschnitten, nur durch das direkte Anbauen an den Erschließungsweg im Süden und die von einem Nachbarn gewährte Abstandsnachsicht wurde die Nachverdichtung überhaupt möglich. Nach Norden fällt der Grund zudem stark ab, unten fließt der Lohbach. Den Architekten Bernardo Bader störten diese Einschränkungen jedoch nicht, im Gegenteil: Der dreigeschossige schmale Baukörper, der sich nach außen ganz schlicht gibt, schafft im Inneren großartige Räumlichkeit.
Gebaut ist das Haus um einen massiven Kern aus Beton. Als solide Mitte nimmt er nicht nur die Nassbereiche auf und umfasst die zweiläufige Treppe mit offenen Holzstufen, sondern gibt auch dem Kaminofen und der Küche Halt. Bis auf die Decken, die ebenfalls in Beton gefertigt, handwerklich geschalt und naturgrau belassen sind, und dem geschliffenen Estrich auf dem Boden des Erdgeschosses besteht der Rest des Hauses unübersehbar aus Holz. Esche wurde für die Treppe verwendet. Fenster, Türen und Mobiliar wurden aus Tanne gefertigt, das helle Nadelholz gibt den Wänden und Böden Wärme. Im Erdgeschoss findet das sogenannte Studio Platz, in dem vor allem gearbeitet wird. An der südwestlichen Stirnseite dient die ebene Fläche des Grunds als Freisitz. Schotter in der
das Haus umgebenden Wiese markiert den Ort für Tisch und Stühle. Ohne Zaun und Gartengestaltung genügen den Bauherren die Bäume, der Bach, die Ausblicke. Gekocht und gegessen wird im ersten Obergeschoss. Eine Loggia bietet Aufenthalt im geschützten Freien an. Das Schlafzimmer besetzt die nördliche Stirnwand. Großzügig öffnet sich der Wohnraum im dritten Geschoss bis unter das Dach.
Außen wurde das Haus, das auf einem schmalen Sockel aufsitzt, mit lasierter Fichte vertikal verschalt. Seine Schwärze erinnert an die landwirtschaftlichen, sonnenverbrannten Stadel, die die Umgebung prägen und die, bedauert Bernardo Bader, durch das Zurückdrängen der landwirtschaftlichen Nutzung des Vorarlberger Rheintals, längst zu wenige sind.
Links: Außen und Innen wird eins: Die Laibung geht über in eine Sitzbank.
Rechts: Ein Betonkern beherbergt die Bäder, Küche und Kaminofen. Die Hülle des Hauses besteht außen wie innen aus Nadelholz.
Zurückhaltend und unübersehbar, hell und dunkel, Holz und
Ein Haus, das von und mit Kontrasten lebt.
Querschnitt
Grundriss Erdgeschoss
„Die Befensterung des Hauses generiert einen angenehmen Puls aus hellen und etwas dunkleren Bereichen. Der als angemessen erachtete Öffnungsanteil der Fassade verhindert das räumliche Ausfließen des Innenraums. Das Fenster kommuniziert in bewährter Weise mit dem Außen und privatisiert zeitgleich das Leben im Haus.“
bernardo bader architekten ZT GmbH, Bregenz (A) www.bernardobader.com
Anzahl der Bewohner: 2
Wohnfläche (m2): 296
Grundstücksgröße (m2): 700
Standort: Lochau (A)
Zusätzliche Nutzfläche (m2): 46
Bauweise: Mischbauweise
Fertigstellung: 2015
Architekturfotografie: Adolf Bereuter, Dornbirn (A) www.adolfbereuter.com
Lageplan
Aus Tradition gut
in Sibratsgfäll (A)
von Architektur I Baumanagement Jürgen Haller
Sibratsgfäll liegt im westlichsten Bundesland Österreichs, Vorarlberg, im Bregenzerwald südlich des Bodensees in einem ruhigen Seitental bei Hittisau, auf 930 Metern Höhe. Die Gemeinde mit 400 Bewohnern grenzt an Deutschland und an das Kleinwalsertal. Eindrucksvoll schön ist der Rundblick: Die Gottesackerwände, der Hohe Ifen, der Diedamskopf und die Winterstaude rahmen das Dorf. Natur und Kultur kombiniert die von Architekten und Designern aus dem Bregenzerwald gestaltete Georunde Rindberg. Zu ihren acht Stationen gehört auch die Parzelle Rindberg, wo sich vor einigen Jahren Berghänge in Bewegung gesetzt und sichtbar Spuren hinterlassen haben, wie etwa bei „Felbers schiefem Haus“: Es bewegte sich ohne nennenswerte Schäden 18 Meter talwärts. Heute beherbergt es eine kleine Ausstellung über die Hangrutschung im Frühjahr 1999.
Kurz vor dem Rutschgebiet, auf einer Lichtung von Wäldern und Bergen umgeben, entstand 2021 das Haus Halwina. Sein Name erinnert an die Vorfahren der jungen Bauherrenfamilie: Schon Opa Alwin und Oma Hanna haben an diesem Ort gewerkt, gearbeitet und gelebt. Neben den persönlichen Reminiszenzen waren der Bauherrschaft aber auch der verantwortungsvolle und sensible Umgang mit der örtlichen Baukultur und der Bezug zur alpinen Kulturlandschaft ein besonderes Anliegen. Dass sie Jürgen Haller mit dieser Aufgabe betrauten, wundert nicht: Sie kannten und schätzten Projekte des Architekten, der im Apartmenthaus Tempel 74 in Mellau arbeitet. Dass in dem natürlich ebenfalls vom Büro gestalteten Haus auch Gäste großartig Ferien machen können, entspricht der Haltung des Architekten: „Dort, wo die Welt zu Gast ist, finden wir Impulse von außen, die uns fordern und inspirieren.“
Das teilweise dreigeschossige Haus Halwina bettet sich in die Topografie, das traditionelle Satteldach zitiert die Proportionen der regional typischen Bauform. Klar und einfach ist auch die Konstruktion des in Mischbauweise errichteten Gebäudes mit insgesamt 325 Quadratmetern Wohnfläche: Der Sockel aus sandgestrahltem Beton trägt die Holzkonstruktion. Auch räumlich entspricht Haus Halwina der Tradition des Bregenzerwälder Hauses, es gliedert sich in ein Vorderhaus mit Rundschindelfassade und Kastenfenstern zum Wohnen für die Familie und ein Hinterhaus mit einer Einliegerwohnung, dessen stehende, naturbelassene Fichtenfassade in unterschiedlichen Breiten verkleidet ist. Eingang und Nebeneingang liegen ebenso wettergeschützt zurückversetzt wie die nach Süden gerichtete Terrasse.
Sämtliche Baumaterialien – Massivholzböden aus geseifter Esche, Eschenholztüren und Weißtannentäfer – wurden unbehandelt eingebaut, ihre sinnliche Qualität wird durch messbare Kriterien wie schadstofffreie Raumluft und eine ausgezeichnete Ökobilanz ergänzt.
Vorige Seite: Die klare äußere Form und die innenräumliche Aufteilung von Haus Halwina entsprechen dem Ort, seiner Bautradition und der jungen Familie. Sie beauftragte ausschließlich Handwerker und Betriebe aus der Region. Die Bauleitung übernahm der Vater der Bauherrin, selbst ein „super Handwerker“, so Jürgen Haller. Die präzise gesetzten Öffnungen entsprechen den Bewegungsabläufen und Raumsequenzen und schaffen Blickbezüge in die Landschaft.
Nicht nur im Namen erinnert Haus Halwina an die Familienhistorie der Bauherrschaft. Es fügt sich auch der Natur- und Kulturlandschaft des Bregenzer Waldes sensibel ein und ist dabei modern, zeitgemäß und nachhaltig.
Querschnitt
Längsschnitt
Grundriss Dachgeschoss
Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss
„Die Ansprüche der Bauherrschaft dienen oft als Inspiration für das Beschreiten neuer Wege.“
Grundriss Untergeschoss
Jürgen Haller
Architektur I Baumanagement Jürgen Haller, Mellau (A) www.juergenhaller.at
Anzahl der Bewohner: 5
Wohnfläche (m2): 325
Grundstücksgröße (m2): 4.621
Standort: Sibratsgfäll (A)
Bauweise: Mischbau
Fertigstellung: 12/2021
Architekturfotografie: Albrecht Imanuel Schnabel, Rankweil (A) www.albrecht-schnabel.com
DEM HIMMEL NAH – DIE SCHÖNSTEN HÄUSER IN DEN BERGEN
Die Berge verzaubern auf vielfältige Weise und sind Sehnsuchtsort für jeden, der nach Ruhe und Inspiration sucht. Genauso vielfältig sind auch die Häuser, die in diesem Callwey Buch vorgestellt werden. Vom behaglichen Holzhaus mit atemberaubenden Dolomitenblick über einen modernen Kubus im Bergdorf bis hin zur einsamen Almhütte auf 1.600 Metern Höhe als Rückzugsort – dieses Buch umfasst eine Zusammenstellung der 50 schönsten Einfamilienhäuser in den Bergen. Die Projekte werden in ausführlichen Porträts und mit allen wichtigen Daten und Plänen vorgestellt. Hochwertige Bilder runden das Erlebnis ab und geben Einblick in die Möglichkeiten der Architektur – auch in luftigen Höhen.
• Die schönsten Architektenhäuser in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol
• Ausführliche Häuserporträts mit allen wichtigen Daten und Plänen
• Atmosphärische Fotostrecken, die zum Träumen einladen