GRACIELA CUCCHIARA
Vorwort Graciela 6
Vorwort Tim Mälzer 10
WHO IS GRACIELA 12
APERITIVI 40
ANTIPASTI 48
PRIMI 86
SECONDI 134
DOLCE 170
DIGESTIF & LIKÖRE 192
Register 206
Impressum 208
ICH MUSS GANZ OFFEN SAGEN: Es war für mich nicht einfach, für dieses Kochbuch 65 Rezepte aufzuschreiben. Denn ich bin bekannt dafür, dass ich alles in einen Topf werfe. Dann probiere ich und schmecke, was gut ist und was noch fehlt. So komponiere und perfektioniere ich nach und nach all meine Gerichte. Und die Rezeptur ändert sich jeden Tag. So wie das in der Mamma-Küche ganz normal ist.
Denn auch mein Gaumen ändert sich. Mein Gaumen ist nie gleich. Er hat seine Tagesform. Mal schmecke ich die Säure intensiver, an anderen Tagen eher die bitteren Aromen. Und das ist doch gerade auch das Spannende. Die kleinen Unterschiede. Es gibt beim Kochen keinen Stillstand. Dafür immer wieder kleine Über-
raschungen. Denn nichts ist langweiliger, als Erwartungen immer wieder ganz genau zu erfüllen.
Wer mit mir spricht, der merkt, dass ich oft den Ausdruck „Plan B“ benutze. Denn ich habe immer einen Plan B. Im Leben, dazu kommen wir später. Aber auch beim Kochen. Ich liebe es, zu improvisieren. Und, das sage ich jetzt einfach mal ganz stolz, ich bin eine Improvisationskünstlerin. Das steckt tief in mir drin. Und dafür bin ich auch berühmt. Deshalb brauche ich in meiner Küche auch keine Waage. Die Waage, das sind meine Augen, meine Nase, meine Hände, meine Erfahrung. Ich habe nie nach Gramm-Angaben gekocht.
Aber damit meine Rezepte auch wirklich nachzukochen sind, habe ich für dieses Kochbuch eine Aus-
nahme gemacht. Mamma mia! Ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe eine Waage in meine Küche gestellt. Denn mir ist klar, dass es für die Weitergabe eines Rezepts doch eine Basis geben muss. Und da Ihr leider nicht neben mir in meiner Küche steht und wir gemeinsam kochen können, verrate ich Euch in diesem Kochbuch also die Grundlagen meiner Rezepte. Darunter auch alte, die beinahe in Vergessenheit geraten sind. Ich möchte Euch aber ermutigen: Gebt diesen Rezepten Eure eigene Note! Nehmt sie als Inspiration, um zu variieren, zu experimentieren und daraus letztlich etwas Eigenes zu kreieren. Führt sie in die Zukunft! Vielleicht steckt in mir, durch meine italienischen Wurzeln, auch eine Prise Anarchie. Und Anarchie ist die perfekte Zutat zu Rezepten.
MACHT ALSO
EUER EIGENES DING.
DENN GENAU DAS
IST DIE MAMMAKÜCHE. SIE IST GELEBTE TRADITION. JEDEN TAG WIEDER NEU UND INDIVIDUELL.
LIEBE LESERINNEN UND LESER, es erfüllt mich mit Stolz und Freude, das Vorwort für das außergewöhnliche Kochbuch meiner langjährigen Freundin Graciela Cucchiara zu schreiben. Graciela und ich teilen nicht nur eine Leidenschaft für das Kochen, sondern auch eine enge Freundschaft, die über die Jahre gewachsen ist.
Sie ist ein Rohdiamant in der kulinarischen Welt. Ihre einzigartige Persönlichkeit und ihr unvergleichlicher Stil machen sie zu einer wahren Meisterin der italienischen Küche. Mit ihrer Kreativität und Offenheit hat sie bereits viele Starköche, einschließlich meiner Wenigkeit, beeindruckt. Ihre Teilnahme an „Kitchen Impossible“ hat sie vor neue Herausforderungen gestellt
Lund ihre Fähigkeiten auf ein neues Level gehoben. Mit ihrem großen Herz kocht Graciela mehr für die Schüssel als für den Teller.
In diesem Buch präsentiert Graciela nicht nur ihre besten Rezepte, sondern teilt auch persönliche Anekdoten und Geschichten aus ihrem Leben. Ihre Freigeistigkeit und ihre Liebe zum Kochen machen dieses Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis.
Tauchen Sie ein in Gracielas kulinarische Reise durch Italien und lassen Sie sich von den authentischen Rezepten, den Tipps und Tricks und vor allem vom Spaß am Kochen inspirieren.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Tim Mälzer
Meine Vorfahren
WIE ALLES BEGANN. Es ist lustig – alle halten mich für eine hundertprozentige Italienerin. Eine Italienerin, die nicht italienischer sein könnte. Mein Name legt das ja nahe und mein Temperament sicher ebenso. Ich liebe auch Italien und italienisches Essen. Aber ich bin in Wahrheit eine Italo-Südamerikanerin, geboren in Argentinien. An einem Samstag, den 2. Februar 1957, in Buenos Aires. Zu dieser Zeit ist Hochsommer in Argentinien. Es war ein gewittriger, stürmischer und trüber Nachmittag. Ich bin froh, dass das Wetter an meinem Geburtstag nicht meinen Charakter geprägt hat, denn ich bin ein durch und durch positiver Mensch. Ich liebe und brauche den Sonnenschein. Gewitterwolken gab es in meinem Leben sicher auch. Aber ich habe es immer geschafft, sie bald wieder wegzuschieben. Ich mag und brauche Harmonie.
Meine Familie stammt ursprünglich aus Agrigent auf Sizilien, aber die Insel war im 19. Jahrhundert bitterarm. Es gab kaum Arbeit. Das Leben war hart, sehr hart. Die Jugend hatte keine Perspektive. Deshalb entschloss sich mein Uropa als junger Mann, Sizilien zu verlassen. 1888 fuhr er von Genua aus mit dem Schiff nach Buenos Aires. Es gab damals eine große Auswanderungswelle aus Italien nach Süd- und Nordamerika: Das waren die Sehnsuchtsländer, in denen man seine Träume wahr machen wollte. Ihr müsst Euch vorstellen, mein Uropa war gerade mal 14 Jahre alt, als er nach Argentinien aufbrach. Was für ein Mut, in diesem Alter seine Familie, seine Heimat und alles hinter sich zu lassen! Ich bin ihm wohl ein bisschen ähnlich, denn 100 Jahre später ging ich den umgekehrten Weg, zurück nach Europa, nach Italien.
NEUGIERIG GUCKE ICH BEREITS IM KINDERWAGEN IN DIE WELT.
AUFGEWACHSEN BIN ICH IN BOULOGNE SUR MER, EINEM VORORT VON BUENOS AIRES.
STILLSITZEN? BEI MEINEM TEMPERAMENT FIEL MIR DAS SCHON ALS KIND SCHWER.
ICH LIEBE DIESES FOTO MIT MEINEM KLEINEN BRUDER HORACIO UND DAHLIEN, MEINEN LIEBLINGSBLUMEN.
Mit seiner Reise ins Ungewisse hat mein Uropa also den Anfang der Cucchiara-Familie in Argentinien beschritten. Unser Familienname war ursprünglich Cocchiara, aber mein Uropa Andrea Cayetano Cocchiara wurde bei der Ankunft in Buenos Aires falsch registriert: Aus dem „o“ wurde ein „u“ - deshalb heiße ich zufälligerweise Cucchiara. Wer weiß, vielleicht war das Schicksal. Und ein Hinweis darauf, was einmal meine größte Leidenschaft werden sollte. Denn die ersten sieben Buchstaben meines Namens habe ich gemeinsam mit dem „cucchiaio“ – so heißt der Löffel in Italien. Andrea hatte ein großes Talent für alle mechanischen Dinge, das ich wohl, über Generationen hinweg, von ihm geerbt habe. Denn ich bin handwerklich sehr begabt und repariere, wenn das irgendwie geht, all meine Küchengeräte selbst. Und wenn eine Lampe kaputt ist, dann kriege ich das auch wieder hin. Ich habe ein großes Interesse daran, wie mechanische Dinge funktionieren, und ich gehe den Sachen auf den Grund. Aber Entschuldigung – ich wollte von meinem Uropa erzählen. Nun, er machte in Buenos Aires schnell seinen Weg, denn Mechaniker waren damals gefragt. Erst arbeitete er im Schiffsbau, dann wurde in der Stadt die erste Straßenbahn gebaut. Auch da war Andrea dabei. Leider gibt es keine Briefe
DAS WAR 1960. MEINE MUTTER HATTE MIR ZUM KARNEVAL EIN KOSAKEN-KOSTÜM SELBST GESCHNEIDERT.
MEIN PAPA OSCAR. MIT IHM UND MEINEM OPA CAYETANO (OBEN) VERBINDET MICH BIS HEUTE DIE LIEBE FÜR DIE HANDARBEIT. VOR ALLEM DAS ERFINDEN, BASTELN UND DER TIEFE, METALLISCHE GERUCH EINER WERKSTATT.
DREI GENERATIONEN, EIN HAUS
ERKENNT IHR MICH? ICH BIN LINKS, MEIN BRUDER HORACIO RECHTS UND MEINE GELIEBTE OMA LITA IN DER MITTE.
mehr aus dieser Zeit. Und ich weiß nicht, ob er Heimweh hatte, was ich mir aber gut vorstellen kann. Aber aus den Erzählungen in unserer Familie weiß ich allerdings, dass mein Uropa in Buenos Aires schnell Fuß fasste.
Sein Sohn, also mein Opa, heiratete eine Frau, deren Wurzeln ebenfalls italienisch sind und in der Stadt Recanati liegen. Also in den Marken bei Ancona. In Recanati wurde beispielsweise der in Italien berühmte Dichter Giacomo Leopardi geboren. Es war eine feinere und kulturell wesentlich besser entwickelte Region als Sizilien. Was auch auf die Familie meiner Großmutter abfärbte. Sie war eine emanzipierte Frau, wie man heute sagen würde. Und eine der ersten in Argentinien, die als passionierte Pilotin ein kleines Propellerflugzeug geflogen ist. Mein Opa war übrigens ebenfalls ein begnadeter Mechaniker – und Erfinder! Er entwickelte eine spezielle Bremspumpe für Autos und das Patent verkaufte er an den amerikanischen Konzern Bendix. Ich erinnere mich: Als Kind wuchs ich zwischen Autos, Schweißgeräten, aller Art von mechanischen Geräten, Benzin und Öl auf und habe meinem Opa immer gerne geholfen. Buenos Aires hat heute weit über 15 Millionen Einwohner, aber es war auch schon damals, in meiner Jugend, eine Riesenstadt. Ich bin in Boulogne Sur Mer aufgewachsen, einem Vorort im Norden. Es gab dort viele Einflüsse aus Europa, was auch an den spanischen, französischen und italienischen Straßennamen zu sehen war. Boulogne Sur Mer war ein eher bürgerliches Viertel. Und ich habe mich dort sehr wohlgefühlt.
Aber jetzt muss ich die sowieso schon wilde Mischung meiner Familienchronik nochmals ein bisschen anreichern, was mich zum Schmunzeln bringt. Denn ich denke ans Kochen. Wie Ihr wisst, packe ich am liebsten immer alle Zutaten in einen Topf. Und mir wird
in diesem Moment klar, dass ich im Prinzip auch aus einem Topf mit den verschiedensten Zutaten stamme. Denn meine Oma mütterlicherseits stammt aus Galizien, also aus Spanien. Es gibt also auch spanische Einflüsse in meiner Familie. Muy bien!
Und da sind wir auch schon bei meiner Mutter. Sie legte großen Wert auf eine klassische Ausbildung. Und die beinhaltete, dass ich Ballett tanzte und Klavier spielte. Ins Ballett wollte ich nicht, das war mir zu langweilig, das war wirklich nicht mein Ding. Aber Klavierspielen, das habe ich gerne gemacht. Musik hat mich schon immer fasziniert. Ich war an einem Gymnasium, das von Nonnen geführt wurde. Es war eine private Ganztagsschule, und dort hatte ich am Nachmittag auch Musikunterricht. Ich lernte nicht nur Klavierspielen, sondern auch Harmonielehre, Musikanalyse, Komposition und sogar Dirigieren. Ich hab dort sieben Jahre lang eine sehr gute und umfassende musikalische Ausbildung bekommen.
Dazu gibt es auch eine schöne Geschichte, denn wir mussten in dem Gymnasium Schuluniformen tragen. „Jumper“ wurden die in Englisch genannt. Dieses furchtbare Wort werde ich nie in meinem Leben wieder vergessen. Und diese Uniformen waren wirklich nicht schön. Eines Tages beschloss ich, zumindest den Gürtel wegzulassen, denn durch ihn sah man immer etwas schwanger aus. Ohne diesen Gürtel sah die Uniform schon etwas besser aus. Fand ich. Die Nonnen waren da anderer Meinung. Mit meinem Verzicht auf den Gürtel löste ich aber eine kleine Revolution aus, denn mehr und mehr meiner Mitschülerinnen legten ebenfalls den Gürtel ab. Was strengstens verboten war. Das Ganze schaukelte sich so hoch, dass die Nonnen mich von der Schule werfen wollten. Meine Eltern mussten zu einer Besprechung kommen. Am Ende haben sie mich
WHO IS GRACIELA?
VERZWEIFLUNG IST UNENDLICH VIEL LUSTVOLLER ALS LANGEWEILE.
überzeugt, doch wieder einen Gürtel zu tragen, um nicht vom Gymnasium zu fliegen. Seitdem wurde ich von den Nonnen „manzana podrida“ genannt, also „verdorbener Apfel“. Immer, wenn ich einen Apfel sehe, muss ich an diese Geschichte denken und schmunzeln.
Aber zurück zum Thema. Der Musikunterricht bei den Nonnen hat auch meinen Berufswunsch geprägt. Ich wollte Musiklehrerin werden. Vielleicht hätte ich sogar als Solistin Karriere machen können. Aber ich hatte keine Lust, acht Stunden am Tag Klavier zu üben. In Buenos Aires war damals gerade die Zeit, in der mit Musiktherapie begonnen wurde. Als Voraussetzung musste man Psychologie und Anatomie studieren – also habe ich das gemacht. Und ich hab es gerne gemacht,
denn ich liebe alles, was mit Wissenschaft zu tun hat. Ich bin auch eine leidenschaftliche Astronomin. Es hätte mich auch interessiert, Astronomie zu studieren, aber das war damals in Buenos Aires nicht möglich. Und ich wollte nicht von meiner Familie weggehen. Zusammen mit meinem ersten Freund träumte ich übrigens auch mal davon, Nationalpark-Ranger zu werden. Aber auch dafür hätte ich natürlich Buenos Aires verlassen müssen. Also kam das auch nicht infrage.
Ich habe also Psychologie und Anatomie studiert und mich auf die Arbeit mit lernbehinderten Kindern bis zum Alter von zwölf Jahren spezialisiert. Später musste ich dann auch mit verhaltensauffälligen Erwachsenen arbeiten. Darunter waren richtig schwierige Fälle, da
FÜR MICH ALS KIND EIN MAGISCHER ORT: DIE SPEISEKAMMER VON OMA MARUCA UND OPA MARTIN IM ÖRTCHEN MATTHEU BEI BUENOS AIRES
FÜR DIE HOCHZEIT MEINES BRUDERS STYLTE ICH MICH BESONDERS ELEGANT, INSPIRIERT VON „ROMEO UND JULIA“.
MIT 15 JAHREN KONNTE ICH, WIE DAMALS JEDER TEENAGER IN ARGENTINIEN, BEREITS SEHR GUT GRILLEN.
FOTOGRAFIE WAR IMMER MEINE LEIDENSCHAFT. UND GERNE WAR ICH AUCH DAS FOTOMOTIV. DAS HAT SICH BIS HEUTE NICHT GEÄNDERT.
DIE HIPPIE-ZEIT IN DEN 1960ERJAHREN GING AUCH NICHT GANZ SPURLOS AN MIR UND MEINEM LOOK VORÜBER.
hab ich gesagt: „Nein, das ist doch nicht mein Ding. Jetzt mache ich Grafik!“ An der Uni, an der ich war, konnte man auch Grafikdesign und Kommunikation studieren. Ich habe es durchgezogen und dann in einer Agentur als Grafikerin gearbeitet. Ich habe dort alles designt, von Logos und Broschüren über Plakate bis hin zur Gestaltung von Büchern. Das war noch vor der Computerzeit. Ich habe die Layouts händisch mit Schere und Lineal entwickelt, Skizzen wurden damals mit dem Bleistift gezeichnet.
Ich war 26 Jahre alt, als 1982 der Falklandkrieg begann. Argentinien kämpfte gegen England. Das war für mich der Auslöser, dass ich mich nicht mehr mit dem argentinischen Volk identifizieren konnte. Ich heiratete meinen Freund Juan, und wir gingen nach Italien. Ich war im Alter von 18 Jahren schon einmal länger in Italien gewesen. Das Land und das Leben dort hatten mir gut gefallen. So wusste ich also, was auf mich zukommt. Juan hat wie ich auch italienische Wurzeln. Aber das Seltsame war: Keiner von uns sprach damals mehr als ein paar Brocken Italienisch. Wir landeten schließlich in Ponte Lambro, einem kleinen Ort in der Provinz Como. Juan war auch Grafiker, und wir mussten uns im 50 Kilometer entfernten Mailand Arbeit suchen. Ich war die Erste von uns beiden, die Arbeit fand. Von meinem Lohn kaufte ich mir einen alten Fiat Seicento, denn ich war schon immer ein großer Fan von Oldtimern gewesen. Und ich habe auch eine kleine Wohnung in Ponte Lambro zur Miete gefunden. Nach nur neun Monaten Ehe habe ich gemerkt: Ich brauche meine Freiheit! Also ließ ich mich scheiden. Und ich war großzügig. Juan ließ ich das Auto, meinen Job in der Mailänder Agentur und sogar die Wohnung.
Ich selbst musste aber wieder bei null beginnen. Mit Reis und Linsen und dicken Pullis, denn ich konnte keine Heizkosten bezahlen. Aber einer meiner Charakterzüge ist, dass ich
gerne „Tabula rasa“ mache. Halbe Sachen sind nicht mein Ding. Ich schließe lieber ein Kapitel ab. Ganz konsequent. Punkt und aus. Aber ich liebe auch Herausforderungen. Auf meinen Rücken habe ich mir den Phönix tätowieren lassen, der aus seiner eigenen Asche aufsteigt. So mache ich es auch – wenn ich am Boden bin, beginne ich einfach wieder neu. Ich bin vom Charakter her eher männlich und war immer schon eine Kämpferin und Unternehmerin. Ich wollte nie etwas umsonst, ich wollte mir alles verdienen. Und in Argentinien hatte ich schon in jungen Jahren gelernt, dass man immer einen Plan B haben und flexibel sein muss. Ich habe deshalb vor nichts Angst. Außer davor, schwer krank zu werden. Viele Leute sagen zu mir: „Ich bewundere Dich, dass Du schon wieder etwas Neues machst.“ Aber was soll ich sonst machen? Meine eigene Apokalypse beobachten? Nein!
Es war für mich also wieder an der Zeit, etwas Neues zu beginnen: Ich ging nach Deutschland. Einfach deshalb, weil meine Schwester mit ihren Kindern bereits dort lebte. Dazu muss ich noch eine Geschichte erzählen. Der Design-Professor an meiner Uni in Buenos Aires hatte parallel zu dieser Tätigkeit auch eine Werbeagentur. Und er war von meiner Arbeit im Studium so begeistert gewesen, dass er mich von der Uni weg als seine Assistentin in der Agentur verpflichtet hatte. Eines Tages holte mich meine Schwester Monica von der Arbeit ab und lernte dabei meinen Chef kennen. Die beiden verliebten sich, peng. Und sie heirateten. Leider hielt auch ihre Ehe nicht sehr lange.
Nun, ich wohnte nun in Augsburg. Eines Tages kam ich auf die Idee, Gerd Käfer einen Brief zu schreiben. Ich bewunderte seine Leidenschaft für das, was er tat. Und ich liebe wir er das Feiern. Ich schätzte Gerd Käfer so ein, dass er, genauso wie ich, auf positive Weise
„verrückt“ wäre. Ich schickte den Brief ab. Und wenig später war ich Chefin seiner Grafikabteilung. Der Hintergrund war, dass ich in Mailand gelernt hatte, mit Grafikprogrammen am Computer zu arbeiten. Und bei „Käfer“ gab es damals in der Grafikabteilung noch keine Computer. Ich war dafür zuständig, diese Neuerung einzuführen. Der Job machte großen Spaß. Und er brachte darüber hinaus auch eine neue Liebe mit sich. Denn durch eine Kollegin lernte ich meinen zweiten Mann Thomas kennen. Mit ihm war ich 17 Jahre lang zusammen. Um es kurz zu machen: Nach der Trennung von ihm war es für mich erneut an der Zeit, mein Leben radikal zu ändern. Ich dachte also nach: Was will ich? Was kann ich? Was passt zu mir? Das Ergebnis war: Ich wollte einen Ort kreieren, an dem Menschen zusammenkommen können, um gemeinsam zu kochen, zu essen, zu genießen. Natürlich unterstützt von mir. Also kein klassisches Restaurant, Gott bewahre, sondern eher eine Mischung aus kulinarischer Werkstatt und Kochschule.
Warum aber kochen? Weil das Kochen, und jetzt kommen wir zum Thema, schon immer meine große Leidenschaft war. Ich war sieben Jahre alt, da hat mein Vater mir ein Mini-Bügeleisen und ein Set mit Mini-Pfannen und Mini-Töpfen geschenkt. Sozusagen die Grundausstattung für die Mini-Hausfrau. So was darf man heute eigentlich nicht mehr erzählen. Aber damals war das ganz normal. Nun gut, das Bügeleisen habe ich nie benutzt. Denn ich hasse bügeln. Bis heute. Aber die kleinen Pfannen und Töpfen haben mir eine neue Welt eröffnet. Ich kochte zusammen mit meiner Oma, die als Italienerin aus den Marken natürlich eine fan-
DIE KACHELN IN MEINER „KOCHGARAGE“ WAREN MIT ZWEI SCHICHTEN DISPERSIONSFARBE GESTRICHEN. ICH SCHABTE SO LANGE, BIS ICH AUF DAS GRÜNE ORIGINAL STIESS.
NEIN, ICH WOLLTE KEINE TRENNWAND IM RAUM HABEN! DESHALB HAB ICH DIE GLASBAUSTEINE, DIE ICH SEHR LIEBTE, ABGEBAUT UND VERKAUFT. MIT DEM GELD BAUTE ICH EINE TOILETTE EIN.
WHO IS GRACIELA?
tastische und kreative Köchin war. Was meine Oma gekocht hat, das habe ich damals in MiniPortionen selbst nachgekocht und gegessen. Was für ein Wink des Schicksals also, dass ich einige Jahrzehnte später bei „Kitchen Impossible“ wieder Gerichte nachgekocht habe. Wenn meine Oma das wüsste! Nun, das Kochen hat mich also mein Leben lang begleitet. Und ich hatte zu Hause immer eine lange „Tavola“, an der ich mindestens 20 Freunde bewirten konnte. Ich mochte immer das gemeinsame Essen und die Gesellschaft. Dazu verbindet Kochen auch die Menschen.
Was wollte ich erzählen? Richtig, von meinem Konzept. Nun, der Kreis meines Lebens schloss sich auch deshalb, weil ich schon als Kind gerne „Events“ organisiert habe. Auch, wenn die damals noch nicht so genannt wurden. Ich habe gekocht und dann die ganze Familie eingeladen, meine Schwester, meine Mamma, den Papa und die Großeltern. Auch Weihnachtsfeiern habe ich bereits im frühen Alter für die Familie organisiert. Und ich erinnere mich daran, dass ich später, ich war da vielleicht 17 Jahre alt, mit meinem Freund Juan einen griechischen Abend organisiert
habe. Wie wir gerade auf Griechenland kamen? Ich weiß es nicht mehr. Denn weder mein Freund noch ich wussten irgendwas über Griechenland. Und es gab damals in Buenos Aires auch keine Kochbücher über die griechische Küche. Ich ging daher zum Griechischen Konsulat und fragte nach Rezepten. Die Leute dort haben mir auch wirklich geholfen. Aber vermutlich hielten sie mich für verrückt. Und das stimmt, ein bisschen verrückt war ich schon immer. Und ich bin es bis heute geblieben. Ich habe mich in München also nach einem Raum umgesehen, an dem ich das gemeinsame Kochen umsetzen konnte. Dabei bin ich auf eine Halle in einem Hinterhof an der Nymphenburger Straße gestoßen. Eine ehemalige Käserei, in der Käse aus dem Allgäu produziert und gelagert worden war. Wer heute zu mir kommt, der kann sich nicht vorstellen, wie es damals aussah. Es war Wasser im Mauerwerk, Toiletten gab es nicht, und überall lag Schrott. Nach und nach habe ich alles selbst renoviert. Und 2009 die „Kochgarage“ eröffnet. Ich war die Erste in der Region, die so etwas machte. Aber es funktionierte. Die „Kochgarage“ war bald ausgebucht. Und auch die Idee der Teambildung beim Kochen ging voll auf. Ich
ICH ERÖFFNETE 2009 IN MÜNCHEN MEINE „KOCHGARAGE“. DAS KONZEPT WAR EINE MISCHUNG AUS KULINARISCHER WERKSTATT UND KOCHSCHULE.
Bunt, quirlig, authentisch und vor allem eines: lecker – dafür steht die Köchin Graciela Cucchiara, die uns mit diesem Callwey Buch ihre ganz persönliche italienischen Küche näherbringt. Auf über 200 Seiten präsentiert sie Rezepte, die vor allen eins sind: Gut und einfach, so wie man es von italienischen Mammas kennt. Der Spaß am Kochen steht für Graciela dabei an erster Stelle, die mit diesem Buch zeigt, dass es beim Kochen nicht immer auf Präzession ankommt und man mit einfachen Tricks Gerichte beliebig abwandeln kann. Persönliche Anekdoten und Einblicke in das Leben des Freigeistes machen das Buch zu einem spannenden Leseerlebnis.
Eine kulinarische Reise durch Italien mit der einzigartigen Graciela Cucchiara
Mit Tipps und Tricks der Kitchen Impossible-Köchin
Persönliche Anekdoten und Geschichten aus Gracielas Leben