Einfamilienhäuser aus Beton

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Andreas K.  Vetter



Andreas K.  Vetter

CALLWEY


Inhalt 6

Einfach Beton

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Wohnhaus J tomaselli architetta

Wohnen in einem besonderen Baustoff – Interview mit Ulrich Nolting

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Beton: Grundstein des Bauens

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Die Projekte

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Haus Drescher

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RnEve ad2 architekten

Haus der Höfe Marte.Marte Architekten

102

Haus am Hang architektur.terminal hackl und klammer

Schaudt + Lamprecht architekten

106 26

Stadthaus

Privathaus T lupo.zuccarello architekten

Studio für Architektur Bernd Vordermeier

110 30

B19 – Wohnhaus am Englischen Garten

Haus in Savièse anako‘architecture sàrl

Neutard Schneider Architekten

114 36

Sandwich

Haus Saxer Hajek Andreas Fuhrimann Gabriele Hächler Architekten

Atelier ST

118 40

Wochenendhaus NCT

Haus T Kohlmayer Oberst Architekten

Thomas Fabrinsky

122 44

Einfamilienwohnhaus am Bodensee

Haus Ma. wespi de meuron romeo architekten

rh architektur

126 48

Haus Drei

Wohnhaus Gelterkinden Merki Schmid Architekten

Gellink + Schwämmlein Architekten

130 52

Haus bei Leipzig

EWI :mlzd

Woltereck Fitzner Architekten

136 56

Haus Dörfler

Villa MM Felix Held Architekt

Ingo Andernach

140 62

Sichtbetonhaus

Einfamilienhaus Brunnaderen Jäger Zäh Architekten

maio & maio architekten

144 68

Wohnhaus V3

Villa SAH andrea pelati architecte

F64 Architekten BDA

148 72

Haus S

Wohn- und Atelierhaus AmreinHerzig Architekten

Hans Hohenfellner Architekt

154 76

Haus mit Betonschale

Haus SCN matt architekten | Stöckerl RaumWerkStatt

mia2/ARCHITEKTUR

80

158

Architektenverzeichnis

160

Impressum

Haus E Caramel architekten

ad2 architekten, 'RnEve', Mönchhof (A), 2014




Einfach Beton

Was veranlasst einen dazu, ein Buch über Beton zu schreiben? Und warum sollte man überhaupt dafür plädieren, ein Haus aus diesem Material zu bauen? Vielleicht müssten solche Fragen denen gestellt werden, die regelrecht schwärmen von diesem schweren, massiven, grauen Gussstein. Und davon gibt es viele – nicht nur jene berühmten Protagonisten des Sichtbetonbaus, die in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Architekturszene aufmischten. Man denke dabei an den Japaner Tadao Ando, an Zaha Hadid oder die vielen Schweizer Büros, die mit kleinen, subtilen Projekten ebenso wie mit umfangreichen Bauvorhaben für Unternehmen oder die öffentliche Kultur Furore machten. Man könnte diese Fragen auch an die Ingenieure weitergeben, die in Hochschuleinrichtungen wie dem wirkmächtigen Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren in Stuttgart oder dem Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich innovativ an Bedingungen und Potenzialen dieses Werkstoffs arbeiten. Vielleicht ließen sich auch die hyperästhetischen Bilddokumente der leichten Kuppelschalen und eleganten Brücken zu Rate ziehen, die uns in Publikationen und zunehmend auch in Ausstellungen begeistern: wie 1996 über den Betonvirtuosen Robert Maillart an der ETH Zürich, wie 2007 über Sichtbeton im Stuttgarter Wechselraum oder vor vier Jahren bei Rem Koolhaas’ Ausstellung zu Perret im Pariser Palais d’Iéna. Zuletzt wären noch die wichtigsten Gesprächspartner zu kontaktieren: die Nutzer. Nun ist es verständlich, dass wir, die wir tagtäglich dem in der urbanen oder ländlichen Infrastruktur eher beiläufig verbauten Beton in Gestalt von Brücken, Tunnels und Garagen begegnen, dabei vor allem an den Hochbau denken. Gemeint sind damit die zahllosen in Stahlbetonbauweise errichteten öffentlichen und privatwirtschaftlichen Großbauten wie Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude und Wohnsiedlungen, die vor allem seit den 1960er-Jahren das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie die kontinuierlich steigenden Bedürfnisse der Gesellschaft in allen Belangen aufnehmen. Aufgrund ihrer hohen Anzahl, der großen Volumina

Andreas Fuhrimann, Gabriele Hächler Architekten, Haus Saxer Hajek, Küsnacht (CH), 2016

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und der zu einem gehörigen Teil sehr sparsam geplanten Ausführung – kombiniert mit der unauflöslichen stilistischen Konfrontation zwischen romantischen Vorlieben des Einzelnen und den Zwängen des modernen Massenbaus – erfuhr die Betonbauweise im Lauf der Zeit eine zunehmend kritische Öffentlichkeit. Gleichzeitig jedoch erlebten wir Nutzer, beziehungsweise Nutznießer, dass gerade dieses Material sich als äußerst leistungsfähig, omnipotent und ökonomisch erwies und aus unserer gebauten Umgebung nicht mehr wegzudenken war, ja inzwischen nachgerade die Basis aller größeren Planungen bedeutete – seien es Fernsehtürme und Windräder, Einkaufszentren, Hochhäuser oder Hallenbäder. Parallel dazu unterlief der Beton eine von seinen Schöpfern zweifelsohne ungeahnte Evolution, die nicht nur seine Herstellung und Verarbeitung perfektionierte, sondern seine Verwendung und spezielle Eigenschaften in ein beachtlich breites Portfolio weiterentwickelte. Wie hätten die antiken Römer auch vorhersehen können, dass man einst nicht nur ungeheure Wandmassen, Bögen und Gewölbe errichten würde, wie sie es seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nicht nur bei ihren im ganzen Reich verteilten Verkehrs- und Vergnügungsbauten, sondern auch bei den bis heute fulminanten gigantischen Meisterwerken in Rom, den Thermen, aber auch im weltberühmten Pantheon taten? Ihr Opus caementitium erfuhr – allerdings unterbrochen von vielen hundert Jahren diesbezüglich bautechnologisch ‚dunklem Mittelalter’ – nach seiner Revitalisierung im beginnenden 20. Jahrhundert eine gleichsam epochale Weiterentwicklung. Mit dem béton armé setzte seine Verwendung erneut ein – mit dem armierten, also mit Eisen- oder Stahlstäben verstärkten Beton, wie ihn Auguste Perret ab 1900 von Paris aus in die aufstrebende moderne Architektur einflocht und hinsichtlich der nun neuartig baubaren Formen von der „Poesie des Eisenbetons“ sprach. Weitergeführt durch die folgende Architektengeneration und vor allem Le Corbusier avancierte er nun nicht nur zum Baustoff des 20. Jahrhunderts, sondern entwickelte durch Experimente mit Zuschlägen, Armierung und Schalungstypen eine beachtliche Vielfalt hinsichtlich Leistungsbild und Erscheinungsform. Diese changierte von einer betont rauen, brüsken


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architektur.terminal hackl und klammer, Haus am Hang, Götzis (A), 2013

zu den komplexen Hightech-Materialien zählen, deren Erforschung sich überall Institute widmen und dessen Einsatz auf der Baustelle keinesfalls lediglich aus dem Schütten in Schalungen besteht – anspruchsvolles Hightech also. Dennoch kombiniert ihn der Titel dieses Vorworts, ‚Einfach Beton’, sehr bewusst mit einem ganz anders lautenden Attribut. Er kann dies, da diese Publikation weder ein Lehrbuch noch eine Planungsanleitung darstellt. Eine Andeutung für die Komplexität der Materie gibt Holger Kotzans einige Seiten später folgender Artikel ‚Beton. Grundstein des Bauens’ und liefert damit jene wertvollen Materialinformationen, mit denen man ein solches Buch unbedingt ausstatten sollte.

AmreinHerzig Architekten, Wohn- und Atelierhaus, Edlibach (CH), 2013

Oberfläche – in einer frühen, ausdrucksstarken Version bei Le Corbusier als béton brut bekannt geworden – bis zur perfektionierten Materialästhetik. Mit diesen Auftritten bot der Beton der traditionellen Fassaden- und Wandgestaltung aus Holz, Stein, Keramik, Stoff und Papier kongenial Paroli, übernahm gleichzeitig konstruktive Aufgaben und leitete neue Möglichkeiten innovativer Raumformung und Gehäusebildung ein. Angesichts dessen müsste man diesen Werkstoff eigentlich

Dies ist also kein Lehrbuch, das auf Großbauwerke oder Infrastruktur zielt, sondern eine Anregung an den privaten Bauherrn und seine Architekten, sich auf dieses faszinierende Material einzulassen. ‚Einfach’ ist es dabei in dreierlei Hinsicht. Zum einen gewann der Beton durch seine Eigenschaften und seinen seit Langem schon überwältigend hohen Anteil am Baugeschehen im Lauf des 20. Jahrhunderts die Bedeutung eines ‚einfachen’ Primärmaterials im Bauwesen, sodass er vollkommen selbstverständlich neben die archaischen Naturstoffe Holz und Stein und das ebenso uralte Kunstmaterial Ziegel gestellt wird. Als 1928 das von Rudolf Steiner atemberaubend gestaltete Goetheanum in Dornach bei Basel eröffnet wurde, hoben die Bauherren – die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft – hervor, dass sein Hauptbaumaterial, der Beton, mit seinen Rohstoffen Kalk und Ton bei der Zementherstellung alle vier maßgeblichen Elementarzustände durchlebt: das Erdige, das Wässrige, das Gas- oder Luftförmige und das Feurige. Eine durchaus bedenkenswerte philosophische Feststellung, mit der man sich das neue Material aneignen und es auf eine letztlich fundamental einfache Basis stellen wollte: ein naturbasierter, aber menschgemachter ‚Stein’ aus Kalk, Ton, Sand, Kies und Wasser. Im Übrigen: Wer auch immer behauptet, Beton besitze keine Sinnlichkeit, der möge sich das eine oder andere Bauwerk im Buch ansehen – Haus EWI von :mlzd beispielsweise (siehe S. 130). Als zweiten Aspekt ließe sich auf das formgebende Potenzial des Baustoffs Beton hinweisen, der aufgrund seiner Verarbeitung




tomaselli architetta,

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Wohnhaus J, Nenzing (A), 2014

Material, Konstruktion und Nutzbarkeit. Dabei auf Stil und Konvention zu verzichten und sich den funktionalen Parametern anzuvertrauen – dazu gehören Mut und Haltung. Der Beton unterstützt diese planerische Verdichtung ebenso wie die Intensivierung der Gesamtform auf einen intuitiv erfassbaren ‚einfachen’ Ausdruck.

maio + maio architekten, Sichtbetonhaus, München (D), 2013

als volumenfüllender Guss und der Möglichkeiten der Oberflächengestaltung – vom glatten Schalungsabdruck bis zur handwerklich behauenen Struktur – sogar dem Stein überlegen ist, den ja über viele Generationen die Maurer, Steinmetzen und Bildhauer in Form gebracht hatten. Nun erlaubt das Prinzip des Schalens, ‚einfach’ alles aus einem Guss anzufertigen – also statische, raumbildende und formale Qualitäten ‚auf einen Streich’ zu generieren –, gleichgültig, ob es sich um Betonfertigteile, um Transportbeton oder vor Ort gemischten Beton handelt. Wer sich mit seinem Entwurf gestalterisch gerne etwas expressiver verhalten möchte oder hingegen eine Vorliebe für eine technisch sachliche Sprache bis hin zu hyperfunktionalen Lösungen pflegt, der ist hier in beiden Fällen richtig. Dies bestätigen nicht nur die großen öffentlichen Bauten wie eben das Goetheanum, das TWA Terminal von Eero Saarinen am New Yorker John F. Kennedy Airport oder jüngst der Leichtbetonnachbau des Dessauer Gropius-Meisterhauses von Bruno Fioretti Marquez. Es wird auch durch die in diesem Buch versammelten Einfamilienhäuser augenfällig unter Beweis gestellt. Natürlich kann Architektur – und dies zeigen sie auch – erst dann ihre eigentliche Stärke entfalten, wenn sie eine ureigene Formsprache entwickeln darf, fundierend auf

In diesen Entwürfen kommt auch der dritte Aspekt des ‚Einfachen’ zum Ausdruck: die Homogenität des Gebauten. Mit Beton gelingt zum ersten Mal wieder etwas, das nicht nur Architekten bei den uralten, traditionellen Holzhäusern unserer Vorfahren begeistert – nämlich die umfassende Erstellung von Gebäude und Innenausbau aus einem einzigen Material, das Außen und Innen sowie die konstruktive Bausubstanz homogen ausbildet. Genau das ist mit dem als Sichtbeton verarbeiteten Beton möglich. Das ‚Haus’ entsteht als homogene Großform, deren Materialflächen mit ihrer Außenseite die Volumetrie und Gesamtgestalt des Hauskörpers in den Außenraum kommunizieren, während ihre Innenseiten das Interieur erzeugen. Gegenüber anderen Architekturformen bietet das Sichtbetonkonzept also eine keineswegs selbstverständliche Erfahrbarkeit: Man kann das Hauptbaumaterial seines Hauses unmittelbar und ganzheitlich erfahren, überall sehen und anfassen. Möchte man diese ohnehin schon starke ästhetische Logik des Sichtbetons noch weiter unterstützen, dann bietet sich sein Einsatz auch für Treppen, Küchen- und Badelemente bis hin zu wandfesten Möbeln aus Beton an. Ein Blick auf die Auswahl unserer Häuser in diesem Buch sei zur Anregung empfohlen – zumal auch die gegenteilige Ausstattungsrichtung illustriert wird: Möchte man die Betonsichtigkeit im Inneren partiell etwas zurückfahren, so bietet sich eine puristische Putzoberfläche in Weiß oder anderen ausgewähltenTönungen oder auch eine Holzvertäfelung an. Beides generiert einen spannungsvollen Kontrast zum steinernen Grau der Betonflächen. Am Ende dieses Vorworts ergibt sich der bisher unerwähnt gebliebene vierte Aspekt des Titels automatisch: Nach dem Lesen des Buches und der Vertiefung in die vorgestellten Architekturen ist die Entscheidung für das Baumaterial des nächsten Hauses wohl ‚einfach’ – Beton.


Wohnen in einem besonderen Baustoff – Interview mit Ulrich Nolting, Geschäftsführer Informationszentrum Beton Fotos: www.peters-fotodesign.com

Wohnen Sie selber in einem Haus aus Beton?

Ist Bauen mit Beton nachhaltiges Bauen?

Natürlich! Wir haben vor einigen Jahren in einer Baugemeinschaft ein mehrgeschossiges Wohnhaus gebaut. Unser Ziel war es, sowohl bei der Fassade als auch in den Innenräumen Sichtbeton zu verwenden. Das ist uns gut gelungen, und wir fühlen uns nach wie vor sehr wohl in diesem Wohnambiente.

Ja. Beton ist ein Baustoff, der auf unterschiedlichsten Ebenen nachhaltiges Bauen möglich macht. Das beginnt bei den Ausgangsstoffen: Beton besteht aus den natürlichen Rohstoffen Wasser, Sand und Kies. Gemischt mit Zement, der wiederum aus natürlich gewonnenem Kalkstein gebrannt wird, ergeben sie Beton. Die einzelnen Bestandteile werden lokal gefördert und produziert und können auf kurzen Transportwegen zur Baustelle gebracht werden. Bei der Herstellung in Betonwerken kommen heute ressourcenschonende und energieeffiziente Techniken zum Einsatz. Beton ist ein äußerst beständiger und robuster Baustoff – und dadurch natürlich sehr langlebig.

Was schätzen Sie an dem Baustoff Beton? Ich schätze die hohe Gestaltungsfreiheit, die der Baustoff Beton bietet: Beton lässt sich in nahezu jede denkbar Form gießen - so sind dem Architekten kaum Grenzen gesetzt. Durch die verwendete Schalung, die Gesteinszuschläge oder die nachträgliche Bearbeitung kann Beton in jeder erdenklichen Farbe und Oberflächenstruktur hergestellt werden. Inzwischen gibt es sogar lichtdurchlässige Betone und Oberflächen, die berührungsempfindlich sind, sodass sich darüber ohne Schalter Licht, Heizung oder Lautstärke für Musik steuern lässt. Gerade im Wohnungsbau spielt Beton mit seinen bauphysikalischen Eigenschaften alle seine Vorteile aus. Er ist dank seiner hohen Rohdichte der massivste aller Baustoffe, kann daher Wärme gut speichern – und auch mit dem Schall gibt es keine Probleme: Häuser aus Beton sind sehr leise. Verkehrslärm, die Geräusche aus den Nachbarwohnungen oder dem Treppenhaus bleiben draußen. Beton bietet also auch einen hervorragenden Lärmschutz. Hinzu kommt der Brandschutz. Selbst wenn die Bauordnung bei Ein- und Zweifamilienhäusern eigentlich keine besonderen Anforderungen an den Brandschutz stellt, profitieren Bewohner eines Hauses aus Beton doch von der erhöhten Sicherheit, die der Baustoff bietet. Bauteile aus Beton und Leichtbeton gelten gemäß der Baustoffklassifizierung als nicht brennbare Stoffe der Klasse 1. Sie erfüllen somit bei entsprechender Dimensionierung die Anforderungen der höchsten Feuerwiderstandsklasse. Sie tragen im Brandfall nicht zur Brandlast bei, schützen benachbarte Gebäudebereiche und geben weder schädliche Dämpfe noch Gase ab.


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Wie sieht es mit der Wohngesundheit und der Behaglichkeit aus? Beton wird im Gegensatz zu vielen anderen Baustoffen selbst strengen Hygienevorschriften gerecht. In Deutschland darf das Trinkwasser in den Wasserwerken nur mit Edelstahl und Beton in Berührung kommen. Ich denke, das spricht für sich. Zur thermischen Behaglichkeit von Wohngebäuden trägt besonders die Oberflächentemperatur der Decken, Wände und Böden bei. Betonbauteile sind aufgrund ihrer Massivität und der damit verbundenen Wärmespeicherkapazität besonders geeignet, sich in diesem Sinne positiv auszuwirken. Ihre Wärmespeicherkapazität führt zu einem nur geringen Temperaturunterschied zwischen Luft- und Bauteiloberflächentemperatur, was der Mensch als angenehm und behaglich empfindet. Darüber hinaus können Flächenheizungen beziehungsweise Kühlsysteme in die Betonbauteile integriert werden.

Welche Trends gibt es – wie wird in Zukunft mit Beton gebaut? Die Entwicklungen im Beton sind vielfältig. Auf der einen Seite gibt es aktuell viele neue Materialentwicklungen. Es entstehen zunehmend besonders nachhaltig produzierte Zemente und Hochleistungsbetone – zum Beispiel sehr leichter Beton, der ohne Dämmung auskommt, oder Beton mit sehr hohen Festigkeiten, der schlanke Bauweisen ermöglicht. Auf der anderen Seite werden neue Produktionsmethoden entwickelt. Bauteile, die aus dem Drucker kommen, könnten in Zukunft traditionelle Bauweisen ablösen. Eine besonders interessante Entwicklung ist aber die Multifunktionalität von Bauteilen. Beton ist in diesem Bereich ein besonders zukunftsfähiger Baustoff. Neben seinen wichtigen Funktionen wie einer sehr guten Tragfähigkeit, seiner beliebigen Formbarkeit und seiner langen Lebensdauer wird der Beton der Zukunft die Gebäude heizen und kühlen und viele andere Aufgaben im Haus übernehmen. War der Baustoff Beton in der Vergangenheit bereits ein herausragender Baustoff, wird er in Zukunft auch noch ein intelligenter Baustoff werden.



Beton: Grundstein des Bauens

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Kein Baustoff ist heute so präsent wie Beton. Ob für den Bau von Straßen, Brücken, Staudämmen, Tunneln, Hochhäusern, Gewerbe-, Bildungs- sowie Kulturgebäuden als auch im Wohnungsbau – Beton ist das meistgenutzte Material weltweit. Dabei ist der Massivbaustoff keine moderne Erfindung. Vielmehr ist der flüssige Stein, der sich flexibel in jede Form gießen lässt, ein Erbe der römischen Baumeister – und sein Ursprung liegt sogar noch weiter zurück. Von Holger Kotzan

Das Römische Reich: gegossen aus Beton Ein alter Römer – gespielt von Peter Ustinov – erwacht nach einem Ausbruch des Vesuvs in Pompeji aus dem Schlaf und findet sich mitten in einer festgewordenen Steinpfütze wieder. Das ist die Schlüsselszene der legendären TV-Serie Der fließende Fels, die sich mit der historischen Entdeckung und Weiterentwicklung von Beton und Zement befasst. Der Ursprung von Beton liegt weit zurück: Bereits vor 14.000 Jahren nutzten Handwerker im Osten der heutigen Türkei Kalkmörtel als Bindemittel, um Ziegelsteine zu vermauern. Vor etwa 3000 Jahren vermischten die Phönizier den Mörtel mit vulkanischem Gestein, was ein Material ergab, das sich sogar unter Wasser verfestigte. Über griechische Baumeister gelangten diese Erkenntnisse etwa im 3. Jahrhundert v. Chr. ins Römische Reich. Die Römer brannten Kalk und rührten diesen mit Vulkanaschen, Steinen, Sand sowie Wasser an und ließen diese Mixtur in einer Schalung zu einem extrem druckfesten Stein aushärten: Opus caementitium. Der römische Beton gilt heute als Grundstein der Baukultur und insbesondere als Wegbereiter der modernen Architektur. Eines der eindrucksvollsten und noch erhaltenen Ingenieurbauwerke aus Opus caementitium ist das Pantheon in Rom, erbaut zwischen 118 und 125 n. Chr. Mit einem inneren Durchmesser von 43 Metern war das halbkugelförmige Dachgewölbe des einstigen Tempels rund 1700 Jahre lang die größte freitragende Kuppel der Welt und eine konstruktive Meisterleistung. Auch die 96 Kilometer lange Eifelwasserleitung (auch Römerkanal) in Köln oder die teilweise heute noch erhaltenen Theater, Zisternen, Aquädukte, Straßen, Brücken, Tunnel und Wohnhäuser sind Bravourstücke des römischen Betonbaus. Mit dem Untergang des Römischen Reichs geriet allerdings auch der Opus caementitium über Jahrhunderte in Vergessenheit.

Der Erfindergeist der Baumeister erwacht wieder Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der flüssige Stein wiederentdeckt. Den eigentlichen Begriff „Beton“ prägte 1753 der französische Ingenieur Bernard de Bélidor für sein Gemisch aus Puzzolanerde, natürlichen Gesteinskörnungen und Wasser. Danach ging die Weiterentwicklung rasch voran. 1756 experimentierte der Brite John Smeaton für einen wasserbeständigen Mörtel mit gebranntem Kalk und Ton. 1844 brachte der Engländer Isaac Charles Johnson die Mischung aus Ton und Kalk zum Schmelzen und erfand den heute gebräuchlichen Portlandzement. Mit seiner Verwendung von Zement als Bindemittel leitete Johnson den modernen Betonbau ein. 1867 stabilisierte der Franzose Joseph Monier Pflanzenkübel mit in den Beton eingegossenen Eisendrähten. Der Stahlbeton war geboren und erlaubte schlankere Konstruktionen – beispielsweise dünnschalige Deckentragwerke oder Stützpfeiler für Autobahnbrücken, wie wir sie heute kennen. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts schossen in New York die Wolkenkratzer wie Pilze aus dem Boden; ihre Fundamente wurden von gigantischen Pfeilern aus Stahlbeton gesichert. Mit dem in den 1960er- und 1970er-Jahren aufkommenden Brutalismus (béton brut = roher Beton) und seiner von vielen als zu rigoros empfundenen Formgebung sowie der verstärkt in Ostdeutschland und Osteuropa praktizierten Betonfertigteilbauweise (Plattenbau) erlebte die Betonarchitektur in diesen Ländern für einige Jahrzehnte eine Banalisierung. Heute begeistern uns wiederum die fantastischen und kühnen Betonkonstruktionen von Architekten wie Zaha Hadid, Santiago Calatrava oder Herzog & de Meuron. Auch im Wohnungs- und Eigenheimbau, ja sogar in der Innenarchitektur spielt Beton seine Vorteile und flexiblen Eigenschaften wieder voll aus – gerade auch vor dem Hintergrund eines energieeffizienten Bauens.

Ein natürliches Gemisch

:mlzd, Haus EWI, Ipsach (CH), 2014

Beton wird aus Zement, Gesteinskörnung und Wasser hergestellt – je nach Einsatzbereich kommen erforderlichenfalls noch ein paar Zusätze hinzu. Der wesentliche Bestandteil


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Zement setzt sich aus den natürlichen Mineralien Kalkstein, Ton und Mergel zusammen, die in Steinbrüchen gewonnen werden. Das grobe Rohmaterial wird zunächst in Brecheranlagen auf die Größe von Schotter zerkleinert. Nach Zugabe von Quarzsand wird im Zementwerk alles zu einem feinen Rohmehl zermahlen und dieses Gemisch anschließend bei rund 1450 °C zu Zementklinker gebrannt. Nach dem Abkühlen wird der Klinker unter Zugabe kleiner Mengen Gips allein oder mit Kalkstein, Hüttensand oder Flugasche zu feinem Zementpulver vermahlen und für die weitere Verwendung in Papiersäcke abgefüllt. Die Gesteinskörnung für den Beton besteht aus ungebrochenem Kies oder gebrochenem Splitt. Je nach Verwendung und Gestaltung des Betons variieren die Gesteinskörnungen in der maximalen Größe; üblich sind 8, 16, 22 oder 32 Millimeter. Beim Mischen des Betons bildet sich aus Zement und Wasser ein Leim, der die Gesteinskörnung (Kies oder Splitt) vollständig umschließt. Nun braucht der flüssige „Frischbeton“ etwa vier Stunden, um zu festem Beton zu erstarren. Danach erhärtet der Beton aber noch einige Wochen weiter und erreicht schließlich seine Zielfestigkeit. In dieser Zeit bindet der Zement den größten Teil des beigemischten Wassers (dieser Vorgang wird als Hydratation bezeichnet) und erhärtet. Aus Zement und Wasser bilden sich langfaserige Kristalle, die dem späteren Betonstein seine Festigkeit geben.

Ingo Andernach Architekt, Haus Dörfler, Potsdam (D), 2013

Je nach Umgebungsbedingungen und Anforderungen dauert es also ein paar Tage oder auch eine oder zwei Wochen, bis der Beton die für die jeweilige Anwendung erforderliche Druckfestigkeit erreicht hat.

Stahlbeton und Spannbeton können durch Druck- und Zugkräfte entstehende große Belastungen aufnehmen – so kommen sie etwa bei Autobahnbrücken und Tunneln oder freitragenden Dachkonstruktionen ohne Stützpfeiler zum Einsatz. Aber es gibt es auch sehr leichte oder besonders schwere Betone: Die ersteren haben hervorragende Wärmedämmeigenschaften und ein geringes Eigengewicht, letztere schützen uns in Kernkraftwerken und Röntgenstationen vor schädlichen radioaktiven Strahlen. In den letzten Jahren haben Forschungsinitiativen von Universitäten und Bauwirtschaft Innovationen im Bereich Beton vorangetrieben. Stichworte sind hier etwa Hochleistungsbeton, Leicht- und Infraleichtbeton, Carbonbeton, interaktiver Beton und Sichtbeton.

Beton nach Maß

Hochleistungsbeton

Üblicher Beton, „Normalbeton“ genannt, ist ein universell verwendbarer Baustoff und wird im Wasser-, Verkehrs-, Brücken-, Wohnungs- sowie Industrie- und Gewerbebau eingesetzt. Bewährt haben sich auch im Werk vorproduzierte Fertigteile aus Beton, da sie sich unabhängig von den Witterungsverhältnissen herstellen und nach dem Transport auf die Baustelle vor Ort einfach zum fertigen Bauwerk zusammensetzen lassen.

Hochleistungsbeton weist eine besonders hohe Druckfestigkeit und Dichte auf und wird beim Bau von massiven Brückenträgern sowie Wänden und Pfeilern von Hochhäusern oder Reaktorgebäuden eingesetzt, da diese enorme Belastungen aushalten beziehungsweise besonderen Anforderungen genügen müssen. Außerdem lassen sich mit Hochleistungsbeton kunstvolle Skulpturen und filigrane Stützen oder Bauteile


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herstellen, was Künstlern, Designern und Architekten große Gestaltungsfreiräume bietet.

Leichtbeton Um Leichtbeton zu erhalten, wird dem Beton eine porige Gesteinskörnung beigemischt; in Kombination mit den Lufteinschlüssen ergeben sich dadurch ein reduziertes Gewicht, gute Dämmeigenschaften und ein angenehmes Raumklima. Das Raumgewicht von Leichtbeton liegt zwischen 700 und bis zu 2000 kg/m³ (Normalbeton weist im Verlgleich ein Raumgewicht von über 2000 bis 2600 kg/m³ auf). Infraleichtbeton enthält unter anderem Blähton und Luftporenbildner. Sein Raumgewicht liegt daher nur noch bei 350 bis 800 kg/m³ – so schwimmt er wie Holz auf dem Wasser. Um tragende Sichtbetonwände aus Leicht- beziehungsweise Infraleichtbeton in Massivbauweise zu erstellen, sind für eine zeitgemäße Wärmedämmung lediglich etwas dickere Wände erforderlich. Auf eine weitere Wärmedämmschicht kann dann natürlich verzichtet werden.

Faser- und Carbonbeton Bei Faserbeton besteht die Bewehrung nicht wie bei Stahlbeton aus Stahlstäben oder -matten, sondern aus feinen textilen Fasern. Diese erhöhen die Zugfestigkeit und Belastbarkeit des Betons, wodurch Risse vermieden werden. Faserbeton ist zudem extrem dünnschalig und leicht und rostet nicht. Für Carbonbeton werden bis zu 50.000 hauchdünne Kohlenstofffasern zu Flechtwerken oder Gittern zusammengefasst und in Hochleistungsbeton eingelegt. Beide Faserkonzepte bieten für einige Anwendungen eine korrosionsbeständige und rohstoffsparende Alternative zum Stahlbeton.

Interaktiver Beton Inzwischen gibt es Betone, die elektrisch leitfähige und berührungssensitive Oberflächen haben. So verwandeln sie,

über die ganze Bauteiloberfläche verteilt, diese in einen riesigen Touchscreen. Damit lassen sich Licht und andere elektronische Geräte steuern. Auch können organische Farbstoffe im Beton Licht absorbieren und über Fotosynthese Energie erzeugen. Lichtfaserbetone lassen Oberflächen punktuell aufleuchten oder machen ganze Betonwände transparent und nahezu durchsichtig.

Sichtbeton Beton ist von Natur aus grau, doch je nach Auswahl der Gesteinskörnung oder mittels Zugabe von Pigmenten kann er weiß und sogar farbig gestaltet werden. Beim Sichtoder Architekturbeton tragen Außen- und Innenwände oder Decken durch unterschiedliche Einfärbungen oder markante Oberflächenstrukturen somit zur Gestaltung des Gebäudes bei. Gerade beim Neubau von Kultur-, Bildungs- und Bürobauten sowie Einfamilienhäusern (wie hier im Buch zu sehen) sowie allgemein im Wohnungsbau findet Sichtbeton immer mehr Liebhaber. Neben seiner ansprechenden Optik und größtmöglichen Flexibilität beim Entwurf und in der Ausführung hat Beton viele weitere Vorteile: Er wirkt schall- und wärmedämmend und verbessert durch seine natürliche Zusammensetzung beziehungsweise Porosität das Raumklima. Gewicht, Tragfähigkeit, Wärmedämmung und Schallschutz lassen sich durch die verschiedenen Rezepturen nach Wunsch anpassen. Beton ist außerdem umweltfreundlich, da er aus natürlichen, rein mineralischen Erden zusammengesetzt ist und sich nahezu vollständig wiederverwerten lässt. Bisher wird Recyclingbeton zwar vornehmlich im Straßenbau eingesetzt, aber bereits in den 1990er-Jahren wurden die ersten Projekte im Wohnungsbau damit realisiert. Beton ist äußerst widerstandsfähig, robust und langlebig: Häuser halten über Jahrzehnte und über mehrere Generationen hinweg. Nur eines kann Beton nicht – er ist absolut unbrennbar. Damit bietet er auch noch besten Brandschutz.


Die Projekte




Schaudt + Lamprecht architekten | Haus Drescher Ort: Herbolzheim (D) Baujahr: 2016 Nutzfläche: 225 m2 Bewohner: 3

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Grundstücksfläche: 600 m2

Fotos: www.peters-fotodesign.com

Lageplan

Haus Drescher Wohnarchitektur sollte in ihrem Auftritt der Bedeutung gerecht werden, die ihr zukommt. Ein Familienwohnsitz ist schließlich der existenzielle Lebensort. In diesem Sinne bedient sich das architektonische Gestaltkonzept für dieses sehr konzentriert entworfene Haus in Herbolzheim genau der richtigen Materialität: Eine Sichtbetonwandung fasst das ansonsten weiß verputzte Domizil an drei Seiten – sowohl gegen die Zufahrtsstraße als auch zu den Nachbargrundstücken – sicher ein, wobei die außen und innen auftretenden Betonoberflächen in ihrem grauen Naturton belassen und nur mit einer hydrophobierenden Schutzschicht behandelt wurden. Die mit großen Fenstern, Terrasse und einem Freisitz im oberen Stockwerk ausgestattete Ostseite dagegen wendet sich mit dem Garten in Richtung der gegenüber ansteigenden idyllischen Hänge und blickt auf die für das Breisgau typischen Weinberge. Am rückwärtigen Ende des Grundstücks schottet eine begrünte Lärmschutzwand das Haus zur vorbeiführenden Bundesstraße ab.

Das Fugenbild wurde sorgfältig vorgeplant. Spielerisch öffnet sich die Südwand für den Durchblick.

Durch die Verlagerung des Wohnens ins Obergeschoss wird eine weite, nicht vom Verkehr gestörte Sicht in die Landschaft ermöglicht. Der querliegende Grundriss besitzt auf dieser Ebene neben dem großen gartenseitigen Altan noch einen kleinen Balkon nach vorne, der sich an den Wohnbereich anschließt. Im Zentrum befindet sich der große Esstisch und im nördlichen Abschluss des Geschosses die offene Küche. Dank des Verzichts auf einen Keller genießt man beim Kochen die Bequemlichkeit eines Vorratsraums in unmittelbarer Nähe, den in dieser tendenziell eher warmen Gegend die schwere Betonwand der Front vor allzu hohen Temperaturen schützt. Das Erdgeschoss verfügt dagegen über eine komplexere Raumdisposition. Nördlich liegen die sinnvollerweise großflächig be-

Das Haus liegt in einem kleinen Neubaugebiet am nördlichen Stadtrand. Für die Straßenfront wurde im Entwurf ein betont diskreter Auftritt gewählt.

messene Garage, Waschküche und Abstellraum in einer Reihe, nach Süden folgen auf den Eingangsbereich zwei Schlafzimmer mit gemeinsamem Bad. Im rechten Winkel dazu liegt – auf die Gartenterrasse ausgerichtet – der Wellnessbereich mit Sauna und Dusche. Zur Ausbildung des Hauskörpers verwendete man größtenteils kerngedämmte und individuell vorgeplante, vor Ort vergossene Hohlfertigteilwände, bei denen im Betonwerk die Haustechnikauslässe, Steckdosen sowie weitere Öffnungen bereits in die Schalungen eingelegt wurden.




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Vom Eingang führt eine individuell angefertigte Treppe in das Wohngeschoss hinauf. Die offene Küche wird dominiert von einem großen, praktischen Küchentresen mit integriertem Sitzplatz.

Das von einem einheitlichen Holzboden geprägte Obergeschoss ist lichtdurchflutet. Der lange Esstisch demonstriert den gemeinschaftlich-lebendigen Charakter des Wohngeschosses.


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Obergeschoss O B E R G E SC HO M SS1:200

Schnitt

M 1:200

E R D G E SC HO SS

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Eingang/Garderobe WC Sauna Wellness Terrasse Zimmer Bad Flur/Ankleide Abstellen Waschküche Garage Vorrat Küche Essen Wohnen Dachterrasse

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O b ergescho ss 1 K ü che 2 E ssen 3 W o hnen 4 V o rrat 5 B alk o n 6 D achterrasse

A nsicht W est

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Erdgeschoss M 1:200 E R D G E SC HO SS

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O B E R G E SC HO SS

E R D G E SC HO SS Auf der Gartenseite wird das Konzept der umschließenden Sichtbetonwandung augenfällig. Es entsteht eine familienfreundliche Abschottung zu den Nachbarn.

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A nsicht O st 6

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E rd gescho ss 1 E ingang/ G ard ero b e 2 W C 3 Sauna 4 W ellness 5 Schlaf en 6 B ad 7 Schlaf en 8 A b stell 9 W aschk ü che/ Schleuse 1 0 F lur/ A nk leid e 1 1 G arage/ T echnik 1 2 T errasse/ I nnnenho f



Studio für Architektur Bernd Vordermeier | Stadthaus Ort: Passau (D)

Baujahr: 2016

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Grundstücksfläche: 350 m2

Nutzfläche: 158 m2 Bewohner: 7

Fotos: Andrea Vordermeier

Stadthaus Auf der südlichen Uferseite des Inn, gegenüber der Passauer Altstadt, stand ein Vorgängerbau, den die Jahrhundertflut von 2013 so stark beschädigt hatte, dass man ihn abbrechen musste. Seine Nachfolge auf dem 350 Quadratmeter großen Grundstück trat umgehend ein neues Mehrfamilienhaus an, für dessen Planung allerdings besondere Vorgaben einzuhalten waren: ein beschränktes Budget, der Effizienzhaus-Standard KfW70 und vor allem eine Bauweise, die gegen Hochwasser gewappnet ist. Das auch technisch-handwerklich erfahrene Büro entwickelte daraufhin eine in Bezug auf Baukörperform und Material puristisch-konsequente Lösung: Drei Wohnungen wurden auf zwei Geschosse verteilt und diese auf einen Garagenblock positioniert, wobei Erschließung und Technik in einer straßenseitig vorgesetzten Scheibe untergebracht sind. Wie die Erdgeschossetage für Pkw besteht auch diese aus WU-Beton und tritt mit ihrer authentisch rohen Sichtbetonoberfläche in pragmatischer Nüchternheit auf. Da der kritische Betrachter die so entstehende Abschirmungswirkung zur Straße hin sofort versteht und durch die kontextsensible Giebelhaus-Silhouette formal versöhnt wird, fand der Neubau schnell Anerkennung. Dazu trug auch der rückwärtige Aufbau bei, in dem die Wohnungen sitzen und dessen Außen- und Innenwände, Geschossdecken und Dachplatten nun komplett aus Massivholz bestehen. Seine unterschiedlich großen und je nach Funktionsanforderung positionierten Fensteröffnungen ergeben ein reizvolles Flächenspiel in der freundlich schimmernden Blechhaut, die – optisch rhythmisiert durch ihre Stehfalze – auch das Dach überzieht. Mit diesem Oberflächenmaterial bemüht sich der Entwurf erneut um die Verbindung zum traditionell bebauten Umfeld, indem er die ortsübliche Eindeckung aufnimmt. Den Eintretenden empfängt das ungeheizte, wetterraue und funktional schlicht gehaltene Treppenhaus, dessen Bedachung lediglich aus einem aufgesetzten Betonelement mit Entrauchungsöffnung besteht. Die Raumatmosphäre der Wohnungen wird hingegen bestimmt durch das warme, unbehandelte Holz und die sympathisch einfach auftretenden gewachsten Estrichböden.

Lageplan

Die Innenräume erhalten viel Licht durch große Fensteröffnungen Der angenehme Ton der Estrichflächen wurde durch Verwendung eines hell gewaschenen Sandes erreicht. Der Entwurf erzeugt Spannung durch seine raffinierte Volumetrie.


Querschnitt

28

8

7 9

7

7 6

2 5

Dachgeschoss DG

M 1:200

Schnitt M Längsschnit t 1:200

7

haus 1 Treppen m au r l ül M 2 3 Garage k 4 Techni 5 Flur 6 Zim m er 7 Bad 8 Küche

7 9 9

8

8

8

7 7

6

2

6

6

6

5

6

5

Obergeschoss OG

1 2 3 4 5 6 7 8 9

7

Eingang Treppenhaus Abstellen/Müll Garage Technik Wohnungseingang Zimmer Küche Bad

DG

M 1:200 1

DG

8 4

6 Unter den zwei Wohngeschossen liegen – 7 im potenziellen Überflutungsbereich – die offenen Garagen.

6 6 8

7

7 2

6

DG

6

5

8

3

1

Erdgeschoss EG

haus 1 Treppen m au r l ül 2M 3 Garage k 4 Techni 5 Flur 6 Zim m er 7 Bad 8 Küche

4

6 M 1:200 1

5

5

OG

6

1

4

4

DG

OG

6 6 7 8

7

8

6


Das betont schlicht gestaltete Treppenhaus liegt im straßenseitigen Sichtbeton-Vorbau. Die Haustechnik ist grundsätzlich in den Trockenbauwänden verlegt – kostengünstig. Der Purismus des Interieurs wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Die Außenfront spielt mit ihrer Winkelung und dem bewusst unregelmäßigen Fugenbild.



Neutard Schneider Architekten | B19 – Wohnhaus am Englischen Garten Ort: München (D) Baujahr: 2015 Nutzfläche: 495 m2

Bewohner: 5

31

Grundstücksfläche: 1070 m2 Fotos: Erik Dreyer

Lageplan

Genial: Das Kellergeschoss offeriert einen breiten Zugang mit Vorraum zum Abstellen der Fahrräder (links im Bild). Das Haus am Pool wirkt mit seinem silbernen Schlot wie eine bewohnbare Maschine.

B19 – Wohnhaus am Englischen Garten Mit seinen zwei schlichten Kastenvolumina steht dieses Haus exemplarisch für die zeitlose und immer wieder ästhetisch überzeugende Mischung aus dem modernistischen Prinzip der Funktionsform und einer bauehrlichen Ratio. Die Konstruktionstechnik aus Halbfertigteilen wird sichtbar gehalten, Baufugen werden zu flächengliedernden Schattenfugen, die Metallrahmen der im Fassadenraster eingepassten Fenster erhalten ihre visuelle Verortung durch angesetzte Stahlflächen. Die langgestreckte, aber schmale Parzelle liegt in der glücklichen Ausrichtung nach Südosten, sodass die Südwestflanke optimal besonnt wird und sich die im Nordosten sitzende Gartenseite mit Terrasse und Pool ideal für das familiäre Freiluftleben anbietet. Überhaupt dominiert bei diesem Domizil der Erholungswert. Deutlich wird dies selbst im Elternschlafzimmer, das mit seinem auskragenden Bad quer über dem Erdgeschossriegel liegt und Zugang zu einer breiten Dachterrasse bietet. Auf der Südseite des Obergeschosses befinden sich zwei über eine Schiebetür verbundene Kinderzimmer mit

eigenem Bad. Dazwischen sitzt eine Brücke, mit der die zentrale Halle überspannt wird. Sie dient als kleine Arbeitsgalerie. Auch das Erdgeschoss, das den schmalen Hauskörper intelligent ökonomisiert, ist dreigeteilt: Straßenseitig liegt das dritte Kinderzimmer mit Bad, mittig Eingang und offene Küche, die beide dank der mit Oberlichtern ausgestatteten Halle bestens beleuchtet sind, und im Norden – mit Anschluss an die Poolterrasse – der Ess- und Wohnbereich. Hier folgt der Familienesstisch entlang der verglasten Südwestseite auf den Küchenblock, ein freistehender Kamin teilt den Raum zum Sitzbereich hin ab, und ein U-Turn führt einen auf die komplett geschlossene Nordostseite des Riegels, wo sich das lange Bücherregal anschließt. Im Kellergeschoss, das durch eine breite Außentreppe erschlossen ist, komplettieren Gästezimmer, Werkstatt, Sauna und Lagerraum das Programm. Falls man trotz aller Freizeitmöglichkeiten in und ums Haus doch einmal ‚raus’ möchte, braucht man für einen Ausflug in den nahe gelegenen Englischen Garten nur das Fahrrad.


Einfach bauen mit Beton

In den letzten Jahren hat der Baustoff Beton in der Einfa­mi­lienhaus-Architektur mehr und mehr Anhänger gewonnen – längst hat er sein Image als „unterkühltes Material“ abgelegt, denn kein anderer Baustoff ist derart kreativ und individuell anwendbar in Formgebung und Gestaltung bei gleichzeitig hervorragenden Materialeigenschaften. Dieses Buch präsentiert 30 architektonische Highlights, die auf spannende Weise veranschaulichen, dass sich beim Hausbau mit Beton nahezu freie Formen und jegliche Dimensionen verwirklichen lassen.

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