NOVEM BER 2017
M AG AZIN F ÜR L AN D S CH AF TS ARCH ITEKTU R
GARTEN +
LANDSCHAFT BAUSTELLE BÜRO JUNGE PLANER UND IHR WEG ZUM ERFOLG
plus
Berlins Politik und die Tegel-Frage Wie wird ein Meeting effizient? Street-Sport: alte Hallen, neue Ideen
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Was treibt junge Landschaftsarchitekten an? Jürgen Weidinger und Deniz Dizici sind der
Machen die Großen auf sich
Meinung: Leidenschaft ist
aufmerksam: Mit HPP Architekten gewann das
das Wichtigste.
Krefelder Büro KRAFT.RAUM einen Wettbewerb in Shanghai.
20 Das Berliner Studio Franz Reschke ist eine Spielwiese für Landschaftsarchitekten, die ein Faible für kreative Wettbewerbe haben.
36 Die Welt braucht bescheidene Helden, sagt Felixx. Das niederländische Büro ist der beste Beweis, dass das stimmt.
40 In der Welt zu Hause: Das topo*grafik-Duo aus München mit Sitz in Marseille ist Teil eines jungen, europäischen Netzwerks.
INHALT
AREN A 06 11
SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Die Regenbogenbrücke
T I T EL Baustelle Büro – Junge Planer und ihr Weg zum Erfolg 12
FANGT EINFACH FEUER! Jürgen Weidinger und Deniz Dizici diskutieren über die neue Generation Landschaftsarchitekten
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KULTIVIERTE WERKSTATT Das Berliner Studio Franz Reschke hat Werkstattcharakter und lebt von seiner großen Leidenschaft für Wettbewerbe
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TRÜBE AUSSICHTEN Roberto Kaiser über die Frage, ob junge Büros in Wettbewerben wirklich die gleichen Chancen haben
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DAS POWER-HOUSE 13 Freunde vom Niederrhein: Im Büro KRAFT.RAUM sprengt man als Team gemeinsam Grenzen
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VOM GLÜCK DER TÜCHTIGEN Das niederländische Büro Felixx wartet nicht, bis ein Auftrag bei ihnen landet. Es sucht sie aktiv selbst
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À LA FRANÇAISE Mélia Reiff und Hannes Banzhaf verändern mit starken Bildern die französische Landschaftsarchitektur
STUDIO 46
FRAGE Wie wird ein Meeting effizient?
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PRAXIS Zwischen Trend und Tradition
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REFERENZ Lebendiges Denkmal
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LÖSUNGEN FSB Spezial + Editor's Pick
RUBRIKEN 60
Stellenmarkt
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Lieferquellen
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Impressum
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DGGL
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Sichtachse
66
Vorschau
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
5 GARTEN+ L ANDSCHAFT
JUNGE TALENTE – FANGT EINFACH FEUER! Junger Wilder trifft alten Hasen: Deniz Dizici, 39, und Jürgen Weidinger, 54, stehen für zwei Generationen Landschaftsarchitektur. Wie haben die beiden den Sprung in den Job geschafft? Ein Gespräch über Herausforderungen, den Mut zum Risiko – und darüber, warum man brennen muss, wenn man Erfolg haben will. PHILIPP SATTLER
12 GARTEN+ L ANDSCHAFT
JUNGE TALENTE INTERVIEW MIT JÜRGEN WEIDINGER UND DENIZ DIZICI
Für die Garten + Landschaft trafen sich Jürgen Weidinger und Dennis Dizici mit Philipp Sattler in Berlin und sprachen über die Zukunft
Foto: Philipp Sattler
der Landschaftsarchitektur.
13 GARTEN+ L ANDSCHAFT
KULTIVIERTE WERKSTATT Aus Leidenschaft für Wettbewerbe entstand 2011, mehr als Versuch denn geplant, das Berliner Studio Franz Reschke. Das Erfolgsrezept des Büros, das bereits zahlreiche Wettbewerbsgewinne und auch realisierte Projekte für sich verbuchen kann: Modellbau in allen Leistungsphasen, ein gutes Netzwerk und ein klarer Fokus auf ausgewählte Themen. GESA LOSCHWITZ-HIMMEL
Das Büro des Berliner Landschaftsarchitekten Franz Reschke gleicht einer Werkstatt: Modelle stapeln sich auf Tischen und in Regalen, Pläne und Skizzen
Fotos: Franz Reschke
zieren die Wände.
20 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Fotos: Franz Reschke
JUNGE TALENTE STUDIO FRANZ RESCHKE, BERLIN
21 GARTEN+ L ANDSCHAFT
28 GARTEN+ L ANDSCHAFT
JUNGE TALENTE KRAFT.RAUM, KREFELD
DAS POWER-HOUSE Sie machen mit demonstrativen, aber sachlichen Entwürfen auf sich aufmerksam, und ihr Chef baut auch schon Mal Modelle aus Obst und Schokolade: Das 13-köpfige Team von KRAFT.RAUM aus Krefeld scheut sich nicht vor unorthodoxen Methoden. Was wollen die Querköpfe? ANETTE KOLKAU
Arbeiten mit Stil: Die kreativen Köpfe von KRAFT.RAUM arbeiten in einer Krefelder Villa,
Foto: Lichthalle
die Bürogründer René Rheims von seinem Vater übernahm.
29 GARTEN+ L ANDSCHAFT
VOM GLÜCK DER TÜCHTIGEN „Eine bessere Welt bedeutet eine bessere räumliche Organisation unserer gebauten Umwelt“: Der Leitsatz der jungen Landschaftsarchitekten von Felixx klingt, als hätte das niederländische Büro den heiligen Gral der Landschaftsarchitektur gefunden. Eine Art Rezept, so einfach formuliert, dass es schon wieder provokant ist. Trotzdem geben sich Felixx weniger als Fantasten denn als Optimisten, die fest daran glauben, Lebenswelten realisieren zu können, die irgendwie ans Paradies erinnern. Aber: Wie soll das gehen? JULIA ULRICH
AUTORIN Julia Ulrich ist studierte Landschaftsarchitektin und Urbanistin. Ihre Ausbildung absolvierte sie an der Technischen Universität München. Sie schreibt regelmäßig für Garten + Landschaft.
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Angesichts von Umweltkatastrophen und sozialer Ungleichheit könnte man zu dem Schluss kommen, dass es um die Zukunft der Welt nicht gerade rosig bestellt ist. Was also tun? Das Büro Felixx aus Rotterdam hat eine einfache Antwort: es sieht Landschaftsarchitektur als Instrument, ökologische und soziale Probleme zu bewältigen. Natürlich: Weder politische oder soziale Modelle allein, noch Landschaftsarchitekten und Planer können komplexe soziale Strukturen lösen oder Klimakatastrophen vorbeugen. Um dem hohen Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken, muss die gesamte Gesellschaft an ihrer politischen Position und Einstellung arbeiten. Das ist Felixx klar. „Ich weiß nicht, ob wir den Klimawandel stoppen können“, sagt Deborah Lambert, eine von drei Gründern des Büros Felixx, „aber wir sollten wenigstens auf seine Folgen vorbereitet sein.“ Dabei steht im Vordergrund, dass man sich als Planer mit seinen Eigeninteressen und seinem Streben nach Erfolg zurücknimmt, so die Gründer von Felixx. Ihrer Ansicht nach braucht es, um globale Probleme zu lösen, bescheidene Helden, Menschen, die ihre persönlichen Eigeninteressen zurückstellen, um die Lebensqualität aller zu verbessern. Benannt ist das Büro nach genau so einem bescheidenen Helden: Felixx, das ist eine eigens geschaffene fiktive Figur, die durch die Welt reist, um nach den gravierendsten Problemen überall rund um
Felixx, das ist ein junges Büro aus Rotterdam, das sich viel vorgenommen hat. Die Landschaftsarchitekten spüren weltweit Projekte auf, die aus ihrer Sicht keine Standardlösungen vertragen.
FAKTEN
Deborah Lambert, Michiel Van Driessche, Marnix Vink GRÜNDUNGSJAHR 2012 STANDORT Rotterdam MITARBEITERZAHL 17 PHILOSOPHIE Realizing happy environments // An das Paradies angelehnte Lebenswelten schaffen ARBEITSFOKUS Felixx erforscht Landschaftsarchitektur als pragmatisch utopische Praxis. Sie sehen Landschaft als räumliches Gerüst, als eine Struktur, die auf den verschiedenen Systemen Infrastruktur, Wasser, Energie und Biodiversität aufbaut BÜROINHABER
JUNGE TALENTE FELIXX, ROTTERDAM
den Globus zu suchen. Und so steht, ganz in Felixx-Manier, die Bekämpfung der Armut in den indischen Slums genauso auf der Agenda des Büros wie der Erhalt der Biodiversität oder die Neugestaltung von Hafengebieten. Der Held Felixx steht repräsentativ für die Arbeit des Büros und soll daran erinnern, dass gestalterischer Egoismus in den Felixx-Projekten keinen Platz hat. SLUM UPGRADING
Der fiktive Weltverbesserer Felixx steht repräsentativ für die Arbeit des Büros.
Foto/Visualisierung: Peter Van Dijk, Felixx
Felixx ist übrigens auch ein Mann ohne festgelegte Mission. Genauso sieht sich auch das Büro: Es gibt keine vordefinierte Agenda, sondern das Büro sucht weltweit nach Herausforderungen, die sie als Landschaftsarchitekten lösen können. Unter anderem hat Felixx ein Entwicklungskonzept für Dharavi vorgeschlagen, die größte informelle Siedlung Mumbais. Aufgrund seiner zentralen Lage steht einer der weltweit größten Slums unter hohem wirtschaftlichen
Druck, sich zu einem glamourösen urbanen Viertel zu entwickeln. Der Gentrifizierungsprozess droht, das bestehende soziale Gerüst zu brechen. Felixx’ Gegenvorschlag baut auf einem Paradigmenwechsel auf: Anstatt den Slum zu beseitigen und gewissermaßen mit Neuem zu überschreiben, schlägt das Büro eine Aufwertung der informellen Siedlung vor. Slums können nach Felixx’ Ansicht nicht länger als isolierte Inseln von Armut gesehen werden, sie stellen vielmehr unverbundene informelle Nachbarschaften innerhalb der Stadt dar. Die von Felixx gemeinte Aufwertung besteht weniger in der Entwicklung einzelner Grundstücke als in gesamtstädtischen Strategien, die sie als Teil in das Stadtsystem integrieren. Durch die Verbesserung der Infrastruktur mit dem Mobilitätsnetz und das Abwassersystem schaffen sie neue Verbindungen zwischen informellen Siedlungen und den übrigen Quartieren. Die Strategie setzt auf das Allgemeinwohl, indem sie wichtige Straßenzüge zwischen ärmeren und reicheren Quartieren neu gestaltet.
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Visualisierung: collectif topo*grafik
JUNGE TALENTE COLLECTIF TOPO*GRAFIK, MARSEILLE
À LA FRANÇAISE Von München nach Marseille: Mélia Reiff und Hannes Banzhaf hatten so gut wie keine Bindung zu der Stadt, in der sie 2014 ihr Büro topo*grafik aufmachten. An der Gründung gehindert hat sie das nicht. Die beiden Landschaftsarchitekten bauen auf die Kraft ausdrucksstarker Bilder und Skizzen und setzen damit Zeichen in der französischen Landschaftsarchitektur.
Foto: Licht Kunst Licht AG/Claus Boeckh
EVA MARIA HERRMANN
Zwischen Vogelgezwitscher und Flaneuren findet das Treffen mit den Gründern Mélia Reiff und Hannes Banzhaf vom Büro collectif topo*grafik im Englischen Garten in München statt. Für Landschaftsarchitekten ist der berühmte Park zunehmend ein geschichtsträchtiger Ort, außerdem ist die Stadt München für Mélia Reiff und Hannes Banzhaf eine Station ihrer beruflichen Laufbahn. Hier lernten sich die Büropartner 2007 während des Erasmusjahrs von Mélia Reiff, die zuvor in Versailles studierte, kennen. Nach Aufenthalten in Köln, Paris und Zürich bei verschiedenen Landschaftsarchitekturbüros gründeten Mélia Reiff und Hannes Banzhaf 2014 ihr Büro in Marseille. Ein mutiger Schritt, denn außer der Liebe zur Landschaft und zum Lebensgefühl der Region zwischen Mittelmeer und den schneebedeckten Gipfeln der französischen Alpen hatten die beiden keine Wurzeln in Stadt. Aber das reichte. ANDERE LÄNDER, ANDERE PLANUNGSSYSTEME
Ohne konkreten Auftrag ist jeder Start in einer neuen Stadt ein Wagnis. Zumal sich
der Beruf des Landschaftsarchitekten und das Wettbewerbswesen in Frankreich grundlegend von dem in Deutschland unterscheiden. „Es gibt so gut wie keine offenen Wettbewerbe“, erklärt Hannes Banzhaf. „Meist werden nur drei Büros in einem aufwendigen Verfahren ausgewählt, um einen Entwurf abzugeben. Der ist dann zwar bezahlt, aber ohne Referenzen hat man kaum Chancen, in das Wettbewerbssystem aufgenommen zu werden.“ Ein weiteres Hindernis ist das Berufsbild des Landschaftsarchitekten. Es gibt Studiengänge für Landschaftsarchitektur, jedoch sind die Planer weder in einer Kammer organisiert, noch ist das Wort Landschaftsarchitekt ein geschützter Begriff. „Paysagistes“ sind alle – vom Landschaftsarchitekten bis zum Galabauer. DIE KRAFT VON BILDERN
AUTORIN Eva Maria Herrmann ist Architektin und freie Journalistin. Sie studierte in Darmstadt und Graz und gründete 2005 ein eigenes Büro für Architekturkommunikation. Seit 2009 ist sie außerdem freie Kuratorin bei kunst Meran, Südtirol.
Ihrem Projekt „Circuit du Var“ näherte sich
Ihre Aufträge finden Reiff und Banzhaf heute vor allem im französischen Mittelmeerraum. Von großmaßstäblichen Studien und Gutachten über Wettbewerbe und Objektplanung bis hin zur Organisation und Durchführung von Beteiligungsprozessen nähern sich die
das junge Büro über Skizzen. Die Hauptaufgabe hier: eine eindeutige Parksituation schaffen und die Sicherheit der Besucher erhöhen.
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