Garten + Landschaft 04/2016

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40

Freiraum als geteiltes Mandat: Wie

Duett der Professionen:

interdisziplinäre Teams

Cordelia Polinna und

Landschaft denken

Thomas Hauck im Porträt über Inspiration und Intervention

24 hat das Schul- und Leistungszen-

30

trum Berlin im Team mit

Landschaft,

Architekten neu gestaltet

ein natürlicher

Gold ist Programm: Club L94

Taktgeber: das Fort Vechten von West 8

58 Ausruhen auf dem Berta-Kröger-Platz in Hamburg

4 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Foto: xxxxx

Wellenlandschaft zum


INHALT

AR EN A 06 10

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Urbane Veteranen

T IT EL Ort und Macht: Wer bestimmt über den Freiraum? 12

FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT Interdisziplinäre Zusammenarbeit: ein Status Quo

18

„WICHTIG IST DAS GEMEINSAME MINDSET“ Round Table: Drei Professionen über die Balance zwischen Freiraum und Architektur

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GOLDENE BRÜCKEN BAUEN Schul- und Leistungszentrum Berlin / Club L94

30

SANFTE KONTUR Fort bei Vechten / West 8

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QUADRATUR DES KREISES Moderne Galerie Saarbrücken / BBZ

40

DIE STADTSTRATEGEN Polinna+Hauck öffnen ihre Bürotüren

44

GIMMICK, KITT ODER GENERATOR? Landschaft als Motor: Tobias Baldauf kommentiert

STUDIO 46

FRAGE Nachwuchsprobleme: Wo sind die Guten?

50

PRAXIS „Stein für Stein ein Stück Erdgeschichte“: Ingrid Schegk über Naturstein-Trends

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LÖSUNGEN Innovationen + Editor’s Pick

58

REFERENZ Gezeitenspiel in 3-D: der Berta-Kröger-Platz in Hamburg

Foto: xxxxx

RUBRIKEN 57

Impressum

64

DGGL

66

Sichtachse

66

Vorschau 5 GARTEN+ L ANDSCHAFT


12 GARTEN+ L ANDSCHAFT


ORT UND MACHT FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT

ORT UND MACHT — FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT In Zukunft wird und soll es gar nicht anders gehen: Die aktuellen Bauaufgaben sind komplex und schreien nach interdisziplinärem Arbeiten. Architekten und Landschaftsarchitekten praktizieren das Gemeinsame schon jetzt – und teilen so oft die Entscheidungshoheit über einen Ort. Längst noch nicht immer, aber wenn, dann mit wegweisenden Ergebnissen.

ANETTE KOLKAU

Der Elisengarten in Aachen

Foto: Jens Kirchner

wurde vor zehn Jahren von Lützow7 gestaltet. Erst später kam die „Vitrine“ von kadawittfeldarchitektur hinzu, sie sucht den Dialog mit der Landschaft.

Landschaftsarchitekten kamen lange an zweiter Stelle: als Dekorateure, um nach dem Bau das „Rundherum“ ein wenig schöner zu machen, oder als Kompensateure, um dem flächenfressenden Bauwahn ab und zu den mahnenden Zeigefinger zu präsentieren. Das ist Geschichte. Genauso wie das Anhimmeln architektonischer Selbstverwirklichungssolitäre – zumindest in unseren Breitengraden. Wenn der Bezug zur Stadt fehlt, fehlt das Wesentliche. Der Architektur sei die Kultur der Räume abhanden gekommen, so der Journalist Gerhard Matzig in der 13 GARTEN+ L ANDSCHAFT


„WICHTIG IST DAS GEMEINSAME MINDSET“ Der Freiraum in unseren Städten steht unter Druck. Immer weniger davon hat für immer mehr Menschen zu reichen. Bedeutet: Wer ins Raumgefüge eingreift, muss Stadt und Quartier, Innen und Außen als Einheit verstehen, um das sensible Gleichgewicht zwischen Freifläche und Gebäuden nicht zulasten des Freiraums zu verschieben. Wie gelingt die Balance? Und wie hilft hier der Austauch zwischen den raumbildenden Disziplinen? Garten + Landschaft hat Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau an einen Tisch geholt.

JONAS

OLIVER

ROBERT

BELLINGRODT

ENGELMAYER

MEYER

NITSCH

ist seit 2010

studierte Landes-

ist Architekt. Er

studierte Architektur

wissenschaftlicher

pflege an der TU

studierte an der

und Stadtplanung

Mitarbeiter am

München-Weihenste-

Fachhochschule

an der Universität

Lehrstuhl für

phan. Nach Stationen

Augsburg und an

Stuttgart. Sie ist

Landschaftsarchi-

im In- und Ausland

der Akademie der

Gründungspartnerin des Architekturbüros

tektur und industrielle

ist er seit 2015

Bildenden Künste

Landschaft an der

Partner im Büro

München Architektur,

SBA im Jahr 2001

TU München. Er

Burkhardt Engel-

1992 gründete er

mit heutigem Sitz in

studierte Landschafts-

mayer Landschafts-

das Architekturbüro

Stuttgart sowie

und Freiraumplanung

architekten

Robert Meyer

den Dependenzen

an der Leibniz

Stadtplaner in

Architekten,

München und

Universität Hannover

München.

München.

Shanghai. Seit 2010

sowie Landscape

den Münchner

Sveriges Land-

Standort von SBA.

Schweden.

GARTEN+ L ANDSCHAFT

leitet Bianca Nitsch

Architecture an der bruksuniversitet SLU,

18

BIANCA


ORT UND MACHT ROUND TABLE

Landschaftsarchitekten, Stadtplaner und Architekten diskutieren beim

INTERVIEW:

Round Table im Callwey Verlag

EVA HERRMANN, TANJA BRAEMER

über das Verhältnis von Landschaftsarchitektur, Stadtplanung

Fotos: Laura Klöser

Garten + Landschaft: Architektur galt lange Zeit als eine Art unantastbare Setzung, der sich alles unterzuordnen hatte – auch der Freiraum. Das scheint sich zu ändern. Erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel hin zu einer Baukultur für lebenswerte Freiräume? OLIVER ENGELMAYER: Ich denke ja. Im

Vergleich zum letzten Jahrzehnt ist klar eine Tendenz zu beobachten. Das äußert sich in der medialen Präsenz des Themas, in der Vielzahl an Bürgerbeteiligungen und dem Fokus der Stadtplanung, das Thema Freiraum auf der Agenda zu lancieren. Allerdings hat sich hier nicht das Bewusstsein geändert, sondern eher der Umgang mit dem Thema in der Praxis.

Inwiefern? OE: Das Prozedere ist viel selbstverständ-

und Architektur.

licher geworden. Wir merken eine andere Haltung der Stadtverwaltung. Bürgerbeteiligungen werden den größeren Projekten und städtebaulichen Entwicklungsvorhaben vorangestellt und die Bürger dürfen ihre Wünsche äußern. Danach kommt der Wettbewerb, der Städtebau, die Architektur – so wie ich es mir aus meiner fachlichen Haltung wünsche.

Freiraum und Architektur werden also mehr denn je als Symbiose gesehen. Woher kommt das? ROBERT MEYER: Der Druck auf den

Grundstücksmarkt in München ist enorm. 19 GARTEN+ L ANDSCHAFT


Cordelia Polinna und Thomas Hauck vereinen drei Disziplinen in ihrem B端ro: Sie ist Stadtplanerin (Schreibtisch oben), er ist Landschaftsarchitekt und K端nstler (Schreibtisch unten).

Cordelia Polinna und Thomas Hauck entwickeln seit 2008 Strategien f端r Foto: xxxxx

die Stadtplanung.

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ORT UND MACHT POLINNA+HAUCK

DIE STADTSTRATEGEN Klassische Stadtplaner sind Polinna+Hauck aus Berlin nicht. Das Büro ist Vorreiter, wenn es um den Brückenschlag zwischen Professionen geht: Zu den drei Disziplinen, die das Duo selbst vereint, kommt ein weites Netzwerk mit unterschiedlichsten Akteuren.

LAURA KLÖSER

„Wir sind einfach keine Baupraktiker,“ sagt Thomas Hauck. Polinna+Hauck Landscape + Urbanism aus Berlin sind aber vieles andere: strategische Planer, Forscher, Lehrer, Autoren, Künstler, Diskursanreger, Kuratoren, Veranstalter. Die interdisziplinäre Arbeit liegt Polinna+Hauck gewissermaßen im Büro. Cordelia Polinna ist Stadtplanerin, Thomas Hauck ist Landschaftsarchitekt und Künstler. Sie lernten sich während des Studiums kennen. Kerngeschäft ist seit der Bürogründung 2008 die strategische Planung für Stadtentwicklung, über die sie ständig mit vielen Disziplinen in Kontakt kommen: Soziologen, Kulturwissenschafter, Grafiker, Ingenieure und Biologen zählen zu ihrem Netzwerk.

Foto: xxxxx

LIEBE ZUM INFORMELLEN

Die klassische Objektplanung schloss sich für Polinna+Hauck schnell aus. „Wir haben beide einen wissenschaftlichen Background, die informelle Planung, das Ausloten von Möglichkeiten begeistert uns einfach“, erklärt Cordelia Polinna. Sie studierte Stadt- und Regionalplanung sowie Urban Design an der TU Berlin und am Edinburgh College of Art, 2007 folgte der Doktortitel, bis 2013 war sie Gastprofessorin für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin. Thomas Hauck studierte Landschaftsarchitektur in Hannover, Berlin und dem Edinburgh College of Art. Nach dem Studium zog es ihn eine Weile in die Kunst, eine Leidenschaft, die ihn bis heute beschäftigt und inspiriert: Er ist Mitbegründer der Künstlerinitiative Club Real, die sich mit Theater, Architektur und Musik auseinandersetzt. 2013 promovierte er in München, inzwischen ist er als Professor an der Uni Kassel für den Fachbereich Freiraumplanung zuständig. 41 GARTEN+ L ANDSCHAFT


FR AGE

Das B체ro Ver.de Landschaftsarchitektur profitiert von gleich zwei renommierten Ausbildungsst채tten im Umkreis.

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STUDIO FRAGE

WO SIND DIE GUTEN? Berufseinsteiger büroreif machen – darin sehen viele Planungsbüros eine Mammutaufgabe, die viel Zeit und Energie kostet. Die Ursache für das vermeindlich mangelnde Praxiswissen der Absolventen ist schnell ausgemacht: Im verschulten Bachelor- und Mastersystem hätten Studenten keine Zeit mehr, Erfahrungen abseits des Hörsaals zu sammeln. Wie schwer ist es wirklich, an qualifizierten Nachwuchs zu kommen?

THOMAS JAKOB

Die Antwort auf die Frage, ob die heutigen Bachelor- und Masterabsolventen gleich, besser oder schlechter qualifiziert in den Beruf einsteigen als die Absolventen der früheren Diplomstudiengänge, beginnt mit einer Rechenaufgabe: In Deutschland kann man an 17 Hochschulen und Universitäten Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung oder etwas anderes studieren, das dazu befähigt, in einem Planungsbüro oder einer Behörde zu arbeiten. An diesen 17 Hochschulen gibt es laut BDLA 31 Bachelorstudiengänge und 33 Masterstudiengänge. Nicht alle davon sind konsekutiv, bauen also aufeinander auf. Jeder Studienanfänger kann theoretisch aus rund 900 Kombinationen wählen. Und innerhalb eines Masters kann es dann weitere Vertiefungsrichtungen geben. Die Zahlen des BDLA stammen aus dem Jahr 2014, der eine oder andere Masterstudiengang ist bis heute sogar noch dazugekommen.

Foto: ver.de Landschaftsarchitekten

UNIS FEHLEN DIE SCHWERPUNKTE

„Wie soll angesichts dieser Kombinationsmöglichkeiten ein Büroinhaber wissen, welcher Absolvent zu ihm passt?“, fragt Ute Fischer-Gäde, Fachsprecherin Ausbildungswesen beim BDLA. Früher stand jede Uni und jede Fachhochschule für einen oder zwei Ausbildungsschwerpunkte: die Uni Hannover für eine eher soziologisch ausgerichtet Ausbildung, Dresden für eine entwerferisch ausgerichtete Lehre, die FH 47 GARTEN+ L ANDSCHAFT


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