12
40
Freiraum als geteiltes Mandat: Wie
Duett der Professionen:
interdisziplinäre Teams
Cordelia Polinna und
Landschaft denken
Thomas Hauck im Porträt über Inspiration und Intervention
24 hat das Schul- und Leistungszen-
30
trum Berlin im Team mit
Landschaft,
Architekten neu gestaltet
ein natürlicher
Gold ist Programm: Club L94
Taktgeber: das Fort Vechten von West 8
58 Ausruhen auf dem Berta-Kröger-Platz in Hamburg
4 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Foto: xxxxx
Wellenlandschaft zum
INHALT
AR EN A 06 10
SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Urbane Veteranen
T IT EL Ort und Macht: Wer bestimmt über den Freiraum? 12
FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT Interdisziplinäre Zusammenarbeit: ein Status Quo
18
„WICHTIG IST DAS GEMEINSAME MINDSET“ Round Table: Drei Professionen über die Balance zwischen Freiraum und Architektur
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GOLDENE BRÜCKEN BAUEN Schul- und Leistungszentrum Berlin / Club L94
30
SANFTE KONTUR Fort bei Vechten / West 8
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QUADRATUR DES KREISES Moderne Galerie Saarbrücken / BBZ
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DIE STADTSTRATEGEN Polinna+Hauck öffnen ihre Bürotüren
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GIMMICK, KITT ODER GENERATOR? Landschaft als Motor: Tobias Baldauf kommentiert
STUDIO 46
FRAGE Nachwuchsprobleme: Wo sind die Guten?
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PRAXIS „Stein für Stein ein Stück Erdgeschichte“: Ingrid Schegk über Naturstein-Trends
52
LÖSUNGEN Innovationen + Editor’s Pick
58
REFERENZ Gezeitenspiel in 3-D: der Berta-Kröger-Platz in Hamburg
Foto: xxxxx
RUBRIKEN 57
Impressum
64
DGGL
66
Sichtachse
66
Vorschau 5 GARTEN+ L ANDSCHAFT
12 GARTEN+ L ANDSCHAFT
ORT UND MACHT FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT
ORT UND MACHT — FREIRAUM ALS GETEILTES MANDAT In Zukunft wird und soll es gar nicht anders gehen: Die aktuellen Bauaufgaben sind komplex und schreien nach interdisziplinärem Arbeiten. Architekten und Landschaftsarchitekten praktizieren das Gemeinsame schon jetzt – und teilen so oft die Entscheidungshoheit über einen Ort. Längst noch nicht immer, aber wenn, dann mit wegweisenden Ergebnissen.
ANETTE KOLKAU
Der Elisengarten in Aachen
Foto: Jens Kirchner
wurde vor zehn Jahren von Lützow7 gestaltet. Erst später kam die „Vitrine“ von kadawittfeldarchitektur hinzu, sie sucht den Dialog mit der Landschaft.
Landschaftsarchitekten kamen lange an zweiter Stelle: als Dekorateure, um nach dem Bau das „Rundherum“ ein wenig schöner zu machen, oder als Kompensateure, um dem flächenfressenden Bauwahn ab und zu den mahnenden Zeigefinger zu präsentieren. Das ist Geschichte. Genauso wie das Anhimmeln architektonischer Selbstverwirklichungssolitäre – zumindest in unseren Breitengraden. Wenn der Bezug zur Stadt fehlt, fehlt das Wesentliche. Der Architektur sei die Kultur der Räume abhanden gekommen, so der Journalist Gerhard Matzig in der 13 GARTEN+ L ANDSCHAFT
„WICHTIG IST DAS GEMEINSAME MINDSET“ Der Freiraum in unseren Städten steht unter Druck. Immer weniger davon hat für immer mehr Menschen zu reichen. Bedeutet: Wer ins Raumgefüge eingreift, muss Stadt und Quartier, Innen und Außen als Einheit verstehen, um das sensible Gleichgewicht zwischen Freifläche und Gebäuden nicht zulasten des Freiraums zu verschieben. Wie gelingt die Balance? Und wie hilft hier der Austauch zwischen den raumbildenden Disziplinen? Garten + Landschaft hat Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau an einen Tisch geholt.
JONAS
OLIVER
ROBERT
BELLINGRODT
ENGELMAYER
MEYER
NITSCH
ist seit 2010
studierte Landes-
ist Architekt. Er
studierte Architektur
wissenschaftlicher
pflege an der TU
studierte an der
und Stadtplanung
Mitarbeiter am
München-Weihenste-
Fachhochschule
an der Universität
Lehrstuhl für
phan. Nach Stationen
Augsburg und an
Stuttgart. Sie ist
Landschaftsarchi-
im In- und Ausland
der Akademie der
Gründungspartnerin des Architekturbüros
tektur und industrielle
ist er seit 2015
Bildenden Künste
Landschaft an der
Partner im Büro
München Architektur,
SBA im Jahr 2001
TU München. Er
Burkhardt Engel-
1992 gründete er
mit heutigem Sitz in
studierte Landschafts-
mayer Landschafts-
das Architekturbüro
Stuttgart sowie
und Freiraumplanung
architekten
Robert Meyer
den Dependenzen
an der Leibniz
Stadtplaner in
Architekten,
München und
Universität Hannover
München.
München.
Shanghai. Seit 2010
sowie Landscape
den Münchner
Sveriges Land-
Standort von SBA.
Schweden.
GARTEN+ L ANDSCHAFT
leitet Bianca Nitsch
Architecture an der bruksuniversitet SLU,
18
BIANCA
ORT UND MACHT ROUND TABLE
Landschaftsarchitekten, Stadtplaner und Architekten diskutieren beim
INTERVIEW:
Round Table im Callwey Verlag
EVA HERRMANN, TANJA BRAEMER
über das Verhältnis von Landschaftsarchitektur, Stadtplanung
Fotos: Laura Klöser
Garten + Landschaft: Architektur galt lange Zeit als eine Art unantastbare Setzung, der sich alles unterzuordnen hatte – auch der Freiraum. Das scheint sich zu ändern. Erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel hin zu einer Baukultur für lebenswerte Freiräume? OLIVER ENGELMAYER: Ich denke ja. Im
Vergleich zum letzten Jahrzehnt ist klar eine Tendenz zu beobachten. Das äußert sich in der medialen Präsenz des Themas, in der Vielzahl an Bürgerbeteiligungen und dem Fokus der Stadtplanung, das Thema Freiraum auf der Agenda zu lancieren. Allerdings hat sich hier nicht das Bewusstsein geändert, sondern eher der Umgang mit dem Thema in der Praxis.
Inwiefern? OE: Das Prozedere ist viel selbstverständ-
und Architektur.
licher geworden. Wir merken eine andere Haltung der Stadtverwaltung. Bürgerbeteiligungen werden den größeren Projekten und städtebaulichen Entwicklungsvorhaben vorangestellt und die Bürger dürfen ihre Wünsche äußern. Danach kommt der Wettbewerb, der Städtebau, die Architektur – so wie ich es mir aus meiner fachlichen Haltung wünsche.
Freiraum und Architektur werden also mehr denn je als Symbiose gesehen. Woher kommt das? ROBERT MEYER: Der Druck auf den
Grundstücksmarkt in München ist enorm. 19 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Cordelia Polinna und Thomas Hauck vereinen drei Disziplinen in ihrem B端ro: Sie ist Stadtplanerin (Schreibtisch oben), er ist Landschaftsarchitekt und K端nstler (Schreibtisch unten).
Cordelia Polinna und Thomas Hauck entwickeln seit 2008 Strategien f端r Foto: xxxxx
die Stadtplanung.
40 GARTEN+ L ANDSCHAFT
ORT UND MACHT POLINNA+HAUCK
DIE STADTSTRATEGEN Klassische Stadtplaner sind Polinna+Hauck aus Berlin nicht. Das Büro ist Vorreiter, wenn es um den Brückenschlag zwischen Professionen geht: Zu den drei Disziplinen, die das Duo selbst vereint, kommt ein weites Netzwerk mit unterschiedlichsten Akteuren.
LAURA KLÖSER
„Wir sind einfach keine Baupraktiker,“ sagt Thomas Hauck. Polinna+Hauck Landscape + Urbanism aus Berlin sind aber vieles andere: strategische Planer, Forscher, Lehrer, Autoren, Künstler, Diskursanreger, Kuratoren, Veranstalter. Die interdisziplinäre Arbeit liegt Polinna+Hauck gewissermaßen im Büro. Cordelia Polinna ist Stadtplanerin, Thomas Hauck ist Landschaftsarchitekt und Künstler. Sie lernten sich während des Studiums kennen. Kerngeschäft ist seit der Bürogründung 2008 die strategische Planung für Stadtentwicklung, über die sie ständig mit vielen Disziplinen in Kontakt kommen: Soziologen, Kulturwissenschafter, Grafiker, Ingenieure und Biologen zählen zu ihrem Netzwerk.
Foto: xxxxx
LIEBE ZUM INFORMELLEN
Die klassische Objektplanung schloss sich für Polinna+Hauck schnell aus. „Wir haben beide einen wissenschaftlichen Background, die informelle Planung, das Ausloten von Möglichkeiten begeistert uns einfach“, erklärt Cordelia Polinna. Sie studierte Stadt- und Regionalplanung sowie Urban Design an der TU Berlin und am Edinburgh College of Art, 2007 folgte der Doktortitel, bis 2013 war sie Gastprofessorin für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin. Thomas Hauck studierte Landschaftsarchitektur in Hannover, Berlin und dem Edinburgh College of Art. Nach dem Studium zog es ihn eine Weile in die Kunst, eine Leidenschaft, die ihn bis heute beschäftigt und inspiriert: Er ist Mitbegründer der Künstlerinitiative Club Real, die sich mit Theater, Architektur und Musik auseinandersetzt. 2013 promovierte er in München, inzwischen ist er als Professor an der Uni Kassel für den Fachbereich Freiraumplanung zuständig. 41 GARTEN+ L ANDSCHAFT
FR AGE
Das B체ro Ver.de Landschaftsarchitektur profitiert von gleich zwei renommierten Ausbildungsst채tten im Umkreis.
46 GARTEN+ L ANDSCHAFT
STUDIO FRAGE
WO SIND DIE GUTEN? Berufseinsteiger büroreif machen – darin sehen viele Planungsbüros eine Mammutaufgabe, die viel Zeit und Energie kostet. Die Ursache für das vermeindlich mangelnde Praxiswissen der Absolventen ist schnell ausgemacht: Im verschulten Bachelor- und Mastersystem hätten Studenten keine Zeit mehr, Erfahrungen abseits des Hörsaals zu sammeln. Wie schwer ist es wirklich, an qualifizierten Nachwuchs zu kommen?
THOMAS JAKOB
Die Antwort auf die Frage, ob die heutigen Bachelor- und Masterabsolventen gleich, besser oder schlechter qualifiziert in den Beruf einsteigen als die Absolventen der früheren Diplomstudiengänge, beginnt mit einer Rechenaufgabe: In Deutschland kann man an 17 Hochschulen und Universitäten Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung oder etwas anderes studieren, das dazu befähigt, in einem Planungsbüro oder einer Behörde zu arbeiten. An diesen 17 Hochschulen gibt es laut BDLA 31 Bachelorstudiengänge und 33 Masterstudiengänge. Nicht alle davon sind konsekutiv, bauen also aufeinander auf. Jeder Studienanfänger kann theoretisch aus rund 900 Kombinationen wählen. Und innerhalb eines Masters kann es dann weitere Vertiefungsrichtungen geben. Die Zahlen des BDLA stammen aus dem Jahr 2014, der eine oder andere Masterstudiengang ist bis heute sogar noch dazugekommen.
Foto: ver.de Landschaftsarchitekten
UNIS FEHLEN DIE SCHWERPUNKTE
„Wie soll angesichts dieser Kombinationsmöglichkeiten ein Büroinhaber wissen, welcher Absolvent zu ihm passt?“, fragt Ute Fischer-Gäde, Fachsprecherin Ausbildungswesen beim BDLA. Früher stand jede Uni und jede Fachhochschule für einen oder zwei Ausbildungsschwerpunkte: die Uni Hannover für eine eher soziologisch ausgerichtet Ausbildung, Dresden für eine entwerferisch ausgerichtete Lehre, die FH 47 GARTEN+ L ANDSCHAFT