Gala 0416 vertrieb[2]

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A P RI L 2016

M AG AZIN F ÜR L AN D S CH AF TS ARCH ITEKTU R

GARTEN +

LANDSCHAFT

ORT UND MACHT: WER BESTIMMT ÜBER DEN FREIRAUM? plus

Polinna + Hauck SLZ Berlin Naturstein-Trends


Herzlichen Gl端ckwunsch! Garten+Landschaft zum Relaunch

Intermezzo

> 100 Jahre Tel. 05402 98448-0 | Fax 05402 98448-44 | info@mail-runge.de | www.runge-bank.de


E D I T ORIAL

Spricht man von einer Metamorphose, meint man eine Verwandlung, die augenfällig geworden ist. Was hier Gestalt annimmt, sind schlicht: Antworten. Die Antworten, die ein Wesen auf ein sich seinerseits wandelndes Biotop findet. Das Resultat einer Metamorphose medialer Natur liegt gerade vor Ihnen: die neue Garten + Landschaft. 1890 erscheint „Die Gartenkunst“ zum ersten Mal, 1948 kommt sie als „Garten und Landschaft“ neu heraus. Seit der Titel 1956 in den Callwey Verlag wechselte, zeigt er exzellente Garten- und Landschaftsarchitektur. Und wirft immer auch ein analytisches, kritisches Auge auf sie. Sein Gesicht hat die Zeitschrift über die Jahre verändert. Auch jetzt. Wir haben diskutiert und hinterfragt, was wir tun und wo wir hin wollen. Genauer: Wo Sie hin wollen. Wie sieht ihre Arbeits- und Lebensrealität aus? Was kann das Magazin beitragen, diese Realitäten zu spiegeln, ihnen aber auch klug neue Facetten hinzuzufügen? Wichtiger Wegweiser war eine zweistufige Studie unseres Verlages, die einen Round Table mit Landschafts­architekten und eine Umfrage unter 200 Vertretern der Profession einschloss. Drei Begriffe bilden das Destillat und unser Versprechen an Sie: Impuls, Orientierung, Beratung. An diesem Dreiklang muss sich ab jetzt jede Ausgabe messen lassen. Von Ihnen.

Das Schul- und Leistungszentrum Berlin ist ein Beispiel gelungener interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Landschaftsarchitekten und Architekten. Ein Farbcode schlägt die Brücke zwischen innen und außen.

Die Landschaftsarchitektur wird sich neu erfinden, meint Tobias Baldauf. Seinen Kommentar lesen Sie auf Seite 44.

In unserem Titelthema geht es übrigens auch um eine Wandlung: die der Landschaftsarchitektur hin zu einer Disziplin, die mit anderen raumbildenden Professionen auf Augenhöhe agiert. Die Idee ist keine neue, die Phantasie, über die Stadt fliegend die Übergänge von grüner Landschaft und grauer Architektur verschwimmen zu sehen, fasziniert schon lange. De facto hat sich erst in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel hin zu einer BAUKULTUR FÜR LEBENSWERTE FREIRÄUME abgezeichnet. Landschafts­architekten sind keine Dekorateure oder bloß zuständig fürs grüne Drumrum. Wer das noch ernsthaft behauptet, hat wenig verstanden. Freiräume stehen unter Druck. Der Landschaftsarchitekt ist ihr Anwalt, er moderiert räumliche Szenarien und fordert Komplexität im Planungsprozess ein. Auch und besonders gegenüber der Architektur. Seine Expertise für „NUR BEDINGT STEUERBARE ENTWICKLUNGEN“ kann Hochbauprojekten eine unerwartete Wendung geben. Wenn sie wirken kann. Das ist auch davon abhängig, wie viel Macht sie an einem Ort entfaltet. Die gute Nachricht ist: Freiraum und Raum werden heute schon in vielen Projekten als geteiltes Mandat gelebt. Die schlechte: Architektur hat oft noch immer einen kaum zu stillenden Dominanzanspruch. Form vor Freiraum. Es braucht starke Stimmen, die für Gleichberechtigung laut werden. Ein Anfang ist zwar gemacht. Aber es geht noch mehr.

Drei Professionen, eine Frage: Wie geht Zusammenarbeit? Die Ergebnisse unseres aktuellen Round Tables finden Sie ab Seite 18.

TANJA BRAEMER Foto: Gereon Holtschneider

CHEFREDAKTEURIN

3 GARTEN+ L ANDSCHAFT


12

40

Freiraum als geteiltes Mandat: Wie

Duett der Professionen:

interdisziplinäre Teams

Cordelia Polinna und

Landschaft denken

Thomas Hauck im Porträt über Inspiration und Intervention

24 hat das Schul- und Leistungszen-

30

trum Berlin im Team mit

Landschaft,

Architekten neu gestaltet

ein natürlicher

Gold ist Programm: Club L94

Taktgeber: das Fort Vechten von West 8

58 Ausruhen auf dem Berta-Kröger-Platz in Hamburg

4 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Foto: xxxxx

Wellenlandschaft zum


INHALT

AREN A

06 10

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Urbane Veteranen

TIT EL Ort und Macht: Wer bestimmt über den Freiraum? 12

F REIRAUM ALS GETEILTES MANDAT Interdisziplinäre Zusammenarbeit: ein Status Quo

18

WICHTIG IST DAS GEMEINSAME MINDSET“ „ Round Table: Drei Professionen über die Balance zwischen Freiraum und Architektur

24

OLDENE BRÜCKEN BAUEN G Schul- und Leistungszentrum Berlin / Club L94

30

SANFTE KONTUR Fort bei Vechten / West 8

36 Q UADRATUR

DES KREISES Moderne Galerie Saarbrücken / BBZ

40

D IE STADTSTRATEGEN Polinna+Hauck öffnen ihre Bürotüren

44

IMMICK, KITT ODER GENERATOR? G Landschaft als Motor: Tobias Baldauf kommentiert

S TU D IO 46 FRAGE

Nachwuchsprobleme: Wo sind die Guten? 50

PRAXIS „Stein für Stein ein Stück Erdgeschichte“: Ingrid Schegk über Naturstein-Trends

52 LÖSUNGEN

Innovationen + Editor’s Pick 58 REFERENZ

Gezeitenspiel in 3-D: der Berta-Kröger-Platz in Hamburg

RUBRIKEN

Foto: xxxxx

57 Impressum 64 DGGL 66 Sichtachse 66 Vorschau

5 GARTEN+ L ANDSCHAFT


ARENA SNAPSHOTS

A NDR E A S B UNK ÜB E R ...

BUDAPEST Seit einigen Jahren arbeitet die Stadt konsequent an ihren Freiräumen. Aufwertung ist das Ziel – in der dichten inneren Stadt soll sich die Lebensqualität verbessern und der Städtetourismus gefördert werden. Im Zentrum dieser Maßnahmen steht die Entwicklung beider Donauufer: Der Autoverkehr soll zurückgedrängt werden zugunsten von Fußgängern, Radfahrern, Schiffen und Straßenbahn. Im künftigen „Rak-Park“, zu Deutsch Kaipark, erleichtern eine Uferpromenade und vorgelagerte Pontons den Zugang zum Wasser und machen es wieder möglich, sich am Fluss aufzuhalten. Anfang Dezember 2015 ist der Wettbewerb zugunsten des Budapester Landschaftsarchitekturbüros Korzó Tervezési Stúdió entschieden worden. Der Entwurf legt besonderen Wert auf sukzessive Umsetzbarkeit: Auch wenn noch nicht alle Flächen zur Verfügung stehen und der Autoverkehr zunächst teilweise noch weiter fließt, sind Verbesserungen Schritt für Schritt möglich. Die Donau rückt als attraktiver nutzbarer Freiraum wieder ins öffentliche Bewusstsein – so wie es die Kaianlagen vor der Massenmotorisierung einst waren. Das prämierte Konzept von Korzó Tervezési Stúdió schafft die Voraussetzungen.

AUTOR Das ungarische Landschaftsarchitekturbüro Korzó Tervezési Stúdió und Andreas Bunk, selbst Landschaftsarchitekt, arbeiten seit rund zehn Jahren regelmäßig zusammen, so auch beim Rak-Park.

Korzó Tervezési Stúdió gewannen den Wettbewerb um den Rak-Park in Budapest. Die Donau wird dank des Projekts wieder nahbar.

GARTEN +

LANDSCHAFT

G A R TE

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L AND

SCHA

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7 GARTEN+ L ANDSCHAFT


TH O MAS H E RRG E N Ü B ER ...

MALMÖ In den skandinavischen Ländern hat Landschaftsarchitektur einen hohen Stellenwert. Auch bei der Umgestaltung des Västra Hamnen, des Westhafens im südschwedischen Malmö, galten hohe Maßstäbe – das Grün der neuen Parks eingeschlossen. Seit die Öresundbrücke im Jahr 2000 in Betrieb ging, hat sich in Kopenhagen und Malmö viel getan. Auf schwedischer Seite entstand im alten Werftgebiet von Malmö ein neues Stadtviertel mit dem berühmten Turning Tower, Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten und mehreren Parkanlagen. Vor allem der Daniapark und der Ankarpark, das Herzstück im Viertel, beeindrucken, genauso wie Scaniapark, Sundpromenade und Scaniaplatz. Sie wurden von dänischen, schwedischen und norwegischen Büros geplant und zur Bauausstellung 2001 errichtet. Der Anspruch und die Erwartungen an das neue Quartier in Malmö waren damals hoch. Es sollte nachhaltig, innovativ und vor allem lebendig sein. Gerade Letzteres ist bei einem komplett neu geplanten Gebiet eine Herausforderung. Und jetzt? Nach 15 Jahren ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme: Natürlich kann

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das neue Quartier, das auf einer Halbinsel im Norden liegt, nicht mit der quirlig lebendigen Innenstadt von Malmö konkurrieren. Es ist hauptsächlich zum Wohnen konzipiert. Die Freianlagen vermitteln eher sanfte Ruhe, Entspannung und Ausgeglichenheit. Spielplätze, Wasseranlagen und raschelnde Gräserpartien lockern das Areal auf. Ganz im Süden am Übergang zur Altstadt entstanden Bildungseinrichtungen, eine Konzerthalle, ein Kongresszentrum und ein großes Hotel. Vor allem hier wirkt das Quartier belebt. Die Parks lockern insgesamt das neue Stadtgefüge auf und tragen das städtebauliche Konzept, auch durch die Vernetzung untereinander. Sie alle liegen am Wasser, entweder direkt an der Ostsee oder an den neu geschaffenen Wasserläufen und Kanälen. Wege, Brücken und Buslinien verbinden sie mit der Innenstadt. Vor allem der Ankarpark hat ein ambitioniertes Konzept: Biotopinseln und Wasser sollen die schwedische Landschaft abbilden. Dank der hohen Pflegestandards in Malmö geht das auf. Das damals geplante Bild lässt sich auch heute immer noch eins zu eins ablesen. Die Biotope und Landschaftselemente mit Kies, Sand, Birken und Kiefern tragen noch heute – von Vandalismus, Graffitis oder Müll keine Spur. Jedes Element der Parks hat sich bis heute einen sehr individuellen Charakter bewahrt. Ein Spaziergang verspricht abwechslungsreiche, kulissenhafte Bilder.

AUTOR Thomas Herrgen ist selbstständiger Landschaftsarchitekt und Fachjournalist in Frankfurt am Main.

Vor 15 Jahren wurde der Westhafen in Malmö umgestaltet. Veranstaltungsorte und die Bildungscity (rechts) mit modernem Anbau schaffen einen Übergang zur Altstadt.


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Foto: Gereon Holtschneider / Club L94 Landschaftsarchitekten

ORT UND MACHT SLZ BERLIN

GOLDENE BRĂœCKEN BAUEN Was passiert, wenn Landschaftsarchitekten und Architekten gemeinsam eine ehemalige DDR-Kaderschmiede neu erfinden? Club L94 und mvmarchitekt + starkearchitektur nahmen sich das Schul- und Leistungszentrum Berlin vor und installierten einen Farbkodex als Gelenk zwischen innen und auĂ&#x;en.


Ein goldgelber Farbkodex in Gebäude und Außenraum unaufflöslichen Einheit.

„ARCHITEKTUR UND LANDSCHAFTSARCHITEKTUR WURDEN ZUSAMMEN ENTWICKELT, DARAUS ERGIBT SICH EINE SYMBIOSE.“ FRANK FLOR, CLUB L94 LANDSCHAFTSARCHITEKTEN

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SUSANNE ISABEL YACOUB

Der Weg zum Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (SLZB) führt in eine eigene Welt. Wer die Hochhäuser und die sechsspurigen Straßen am nordwestlichen Stadtrand in Hohenschönhausen hinter sich lässt, findet sich in einem Areal voller Stille wieder. Zwischen abweisenden alten Hallenkomplexen bieten sich 1 200 talentierten Grund- bis Oberstufenschülern ideale Bedingungen, um sich auf eine Karriere im Leistungssport vorzubereiten: Zu Fuß erreichen sie die Sportstätten für die Olympiadisziplinen Fechten, Bogenschießen, Turnen, Eishockey oder Wasserspringen. Zu DDR-Zeiten galt die Schule als Kaderschmiede – auf die Olympiasieger Franziska van Almsick oder den Leichtathleten Robert Harting sind sie hier sehr stolz. Neben dem Sport ist am SLZB auch die beruflichschulische Ausbildung besonders wichtig: Die kleinen Klassen mit 15 bis 18 Schülern sind für eine Berliner Durchschnittsschule unerreichbar. Dafür gab es vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2014 die Auszeichnung „Beste Eliteschule des Sports“. Gewürdigt wurden nicht nur neue pädagogische Wege, sondern auch das Herzblut, mit

Foto: Gereon Holtschneider / club L94 Landschaftsarchitekten

macht beide zu einer


ORT UND EINFLUSS SLZ BERLIN

FAKTEN

Senatsverwaltung Berlin AUFTRAGGEBER

LANDSCHAFTS­ARCHITEKTUR

club L94 Landschaftsarchitekten, Köln ARCHITEKTUR mvmarchitekt + starkearchitektur, Köln FLÄCHE 30 000 Quadratmeter ZEITRAUM 2008 bis 2015

dem die Fusion zweier Schulstandorte über Jahre hinweg entwickelt wurde. Ein innovatives Raumprogramm für innen und außen, entworfen von den Landschaftsarchitekten club L94 und mvmarchitekt + starkearchitektur, wird die Schule fortan begleiten. Das Team gewann 2008 den Wettbewerb für die dringend nötige Erweiterung des Schulbaus aus den 1960er Jahren. Eingeweiht wurde die Schule im vergangenen Sommer. Dass hier ein Team am Werk war, fällt sofort ins Auge: durch die Farbgebung wirken Gebäude und Außenraum wie eine unauflösliche Einheit.

Das Raumprogramm für Frei- und Innenräume des SLZB entwickelten club L94 und mvmarchitekt + starkearchitektur gemeinsam.

Foto: Gereon Holtschneider / club L94; Plan und Schnitt: club L94 Landschaftsarchitekten

FARBE VERBINDET

Auf Plätzen und Zugängen zieren breite goldgelbe Streifen – strapazierfähige Farbe aus der Verkehrsleitplanung – den grau versiegelten Asphalt. Vor der Turnhalle setzen sich die Streifen im leuchtenden Kunststoffbelag der Betonbänke fort, vor dem Haupteingang werden die Streifen immer dichter, bis sie zu einer Fläche verschmelzen und im einfarbig gelben Innenflur münden. „Über die goldgelbe Farbgebung schaffen wir es, die Dinge miteinander zu verweben. Die Verbindung der Leitsysteme von außen nach innen ist ganz wichtig“, erklärt Architekt Michael Viktor Müller. Die Farbe Gold ist natürlich eine Reminiszenz an die Goldmedaille, die

Für die gelben Fläch­en setzten die Planer auf strapazierfähige Farbe aus der Verkehrsleitplanung.

27 GARTEN+ L ANDSCHAFT


FR AG E

Das B체ro Ver.de Landschaftsarchitektur profitiert von gleich zwei renommierten Ausbildungsst채tten im Umkreis.

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STUDIO FRAGE

WO SIND DIE GUTEN? Berufseinsteiger büroreif machen – darin sehen viele Planungsbüros eine Mammutaufgabe, die viel Zeit und Energie kostet. Die Ursache für das vermeindlich mangelnde Praxiswissen der Absolventen ist schnell ausgemacht: Im verschulten Bachelor- und Mastersystem hätten Studenten keine Zeit mehr, Erfahrungen abseits des Hörsaals zu sammeln. Wie schwer ist es wirklich, an qualifizierten Nachwuchs zu kommen?

THOMAS JAKOB

Die Antwort auf die Frage, ob die heutigen Bachelor- und Masterabsolventen gleich, besser oder schlechter qualifiziert in den Beruf einsteigen als die Absolventen der früheren Diplomstudiengänge, beginnt mit einer Rechenaufgabe: In Deutschland kann man an 17 Hochschulen und Universitäten Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung oder etwas anderes studieren, das dazu befähigt, in einem Planungsbüro oder einer Behörde zu arbeiten. An diesen 17 Hochschulen gibt es laut BDLA 31 Bachelorstudiengänge und 33 Masterstudiengänge. Nicht alle davon sind konsekutiv, bauen also aufeinander auf. Jeder Studienanfänger kann theoretisch aus rund 900 Kombinationen wählen. Und innerhalb eines Masters kann es dann weitere Vertiefungsrichtungen geben. Die Zahlen des BDLA stammen aus dem Jahr 2014, der eine oder andere Masterstudiengang ist bis heute sogar noch dazugekommen.

Foto: ver.de Landschaftsarchitekten

UNIS FEHLEN DIE SCHWERPUNKTE

„Wie soll angesichts dieser Kombinationsmöglichkeiten ein Büroinhaber wissen, welcher Absolvent zu ihm passt?“, fragt Ute Fischer-Gäde, Fachsprecherin Ausbildungswesen beim BDLA. Früher stand jede Uni und jede Fachhochschule für einen oder zwei Ausbildungsschwerpunkte: die Uni Hannover für eine eher soziologisch ausgerichtet Ausbildung, Dresden für eine entwerferisch ausgerichtete Lehre, die FH 47 GARTEN+ L ANDSCHAFT


Trüper, Gondesen und Partner

EIGENINITIATIVE IST GEFRAGT

Für wenig zufriedenstellend hält die BDLA-Beisitzerin und Initiatorin des Arbeitskreises Junge Landschaftsarchitekten im BDLA, Elisabeth Lesche von el:ch Landschaftsarchitekten aus München, die Entwicklung an den Universitäten. Dort würden immer mehr Professorenstellen mit Personen besetzt, die kein Planungsbüro führen. Die Folge: „Trotz Projektarbeiten geht der Praxisbezug für die Studenten verloren“, meint Lesche. Ausgebildet würde 48 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Landschaftsarchitekten bieten vor und während dem Studium Praktika an.

eher für die akademische Laufbahn. Dieser Trend dürfte auch daher rühren, dass sich Nischenstudiengänge wie die Landschaftsarchitektur durch Akademisierung und Verwissenschaftlichung gegen die Sparbestrebungen so mancher Hochschulleitung zu wehren versuchen. „Die Nachausbildung ist heute wichtiger als früher“, sagt Ute Fischer-Gäde. Büros, die Absolventen einstellen, müssten sich heute viel mehr Zeit nehmen, um sie in den Berufsalltag zu integrieren und fit für die Arbeit zu machen. Meist unterstützen die Neuen zunächst einen erfahrenen Projektleiter, ehe sie sukzessive eigene kleine Projekte übernehmen. Auch bieten die Architektenkammern und der BDLA Fortbildungen für Berufseinsteiger an. Zudem arbeiten sich viele Absolventen aber auch von sich aus in neue Arbeitsgebiete ein. Diese Erfahrung hat auch Maria Julius gemacht, Partnerin bei Trüper, Gondesen und Partner Landschaftsarchitekten aus Lübeck. „Wir sehen es schon mit Sorge, wenn ein Absolvent zu uns kommt und nicht weiß, was in einem Landschaftspflegerischen Begleitplan drin stehen muss.“ Dabei gehe es ihr nicht darum, dass ein Absolvent den Begleitplan allein erstellen kann, wohl aber sollte er wissen, welche prinzipiellen Inhalte er enthält. Das Büro bietet deshalb Studenten Praktika vor und während des Studiums an, um sie nach dem Masterabschluss fest einzustellen. Die Studenten zu begleiten, sei allemal einfacher als darauf zu hoffen, dass sich irgendwann

Foto: Trüper, Gondesen und Partner Landschaftsarchitekten

Weihenstephan für breitgefächertes, extrem praxisnahes Wissen. Heute mute es mitunter schon abenteuerlich an, welche Masterstudiengänge die eine oder andere Hochschule anbietet und welche Kombinationsmöglichkeiten sich daraus ergeben, sagt Fischer-Gäde: „Jede Hochschule möchte sich mit immer neuen, einmaligen Masterstudiengängen profilieren.“ Das ist nicht immer zum Vorteil der Studenten und der Büros. Immerhin: Fast alle Hochschulen bieten mittlerweile wieder ein verpflichtendes Praxissemester an. Die Kritik von Kammern, Verbänden, aber auch von Büros und Studenten hat gefruchtet. Ein schnelles Studium ist schön und gut. Ohne praktische Erfahrung bildet man aber an der Realität vorbei aus. Diese Erkenntnis hat bei vielen Studenten eingesetzt: Weil ein Job im Büro während des Studiums für viele zeitlich schlicht nicht zu bewerkstelligen ist, setzen sie zwischen Bachelor und Master ein halbes oder gar ein ganzes Jahr aus, um zum ersten Mal Büroluft zu schnuppern. Einige Hochschulen fordern auch ein Praktikum vor Studienbeginn.


STUDIO FRAGE

die passenden Absolventen bei ihr meldeten. „Wir müssen in Lübeck als hochschulferner Standort vor allem gegen die Attraktivität Berlins ankämpfen.“ Das hat Elisabeth Lesche schon häufiger gehört. Vor allem kleine Büros täten sich schwer, Absolventen für sich zu gewinnen. „Die Guten gehen in die großen Städte und in die großen Büros. In die kleinen Büros und in Mittelstädte zieht es kaum jemanden.“ Und die vielen Absolventen aus dem Ausland? „Die gehen entweder zurück in ihr Heimatland oder es scheitert an der Sprache und am Verständnis für die deutsche Planungsrealität.“ GROSSE BÜROS HABEN ES LEICHTER

Da haben es Münchner und Freisinger Landschaftsarchitekturbüros vergleichsweise leicht. In Freising gibt es gleich zwei renommierte Ausbildungsstätten. Ein Büro, das davon profitiert, ist Ver.de Landschaftsarchitektur um Birgit Kröniger, Jochen Rümpelein und Robert Wenk. Birgit Kröniger, seit kurzem zudem Professorin an der Hochschule Nürtingen, hält nichts von der Aussage, dass die Praxisnähe und die Berufsfähigkeit der Absolventen durch das Bachelor-Master-System nachgelassen habe. „Heute wie früher hängt die Qualifikation der Absolventen entscheidend von deren persönlichem Engagement und Eigeninitiative ab.“ Ihrer Erfahrung nach gelinge es interessierten und gut organisierten Studenten auch im Bachelor-MasterSystem, Zeit für das Arbeiten in Büros zu finden. Diese Berufseinsteiger seien klar im Vorteil und könnten im Büro gut eingesetzt werden. „Natürlich braucht es klar umrissene Aufgaben sowie Betreuung und Hilfestellung durch erfahrene Ansprechpartner im Büro. Das war aber früher auch nicht anders.“ Und die ganz allgemeine Kritik am verschulten Charakter des Bachelor-Masterstudiums? „Die Studenten können trotz des straffen Systems durch zahlreiche Wahlmöglichkeiten je nach Interesse eigene Akzente setzen“, sagt Kröniger. Sie könnten sich dann auch gezielt ein auf diesem Gebiet spezialisiertes Büro für ein Prakti-

„DIE GUTEN GEHEN IN DIE GROSSEN STÄDTE UND IN DIE GROSSEN BÜROS. IN DIE KLEINEN BÜROS UND IN MITTELSTÄDTE ZIEHT ES KAUM JEMANDEN.“ ELISABETH LESCHE EL:CH LANDSCHAFTSARCHITEKTEN, MÜNCHEN

kum suchen. Etwas habe sich aber doch verändert: „Wir stellen eine stärkere Konsumhaltung fest.“ Dieser gesellschaftliche Wandel macht auch vor Studenten und Absolventen der Landschaftsarchitektur nicht halt. Gegen diese Einstellung arbeite sie wie alle ihre Kollegen an den Hochschulen an. Wer also ein großes oder namhaftes Büro in einer großen Stadt hat, der tut sich leichter mit den Bachelor- und Masterabsolventen. Hier greift schlicht der Standortvorteil. Vor allem die engagierten Bewerber zieht es dorthin – sie haben auch durchaus schon Praxiserfahrung. Kleinere Büros und Büros abseits der Metropolen aber haben zu kämpfen, wenn es um qualifizierten Nachwuchs geht. Ihre Auftragsbücher aber sind voll. Intensive Einarbeitung bleibt für sie das Mittel der Wahl.


STUDIO LÖSUNGEN

SITZBANK IM INDUSTRIEDESIGN Die Firma Benkert Bänke ist für seine meist kraftvollen, wuchtigen Stadt- und Parkbänke bekannt. Nun hat Firmenchef Gerhard Benkert den Architekten Mario Botta damit beauftragt, eine neue Produktlinie zu entwerfen: Pausa. Pausa besteht aus dicken Edelstahlröhren mit einer filigranen, flachen Sitzfläche. Das moderne Industriedesign reflektiert kommunale Aufgaben, wie etwa die Erschließung von öffentlichen Gebäuden. Pausa gibt es in vielen Farben als Bank, Einsitzer und Hocker, mit und ohne Rückenlehne. Mario Botta hat für die Firma Benkert unter anderem das Firmengebäude und das Wohn­haus des Firmeninhabers entworfen. benkert.info

SITZEN UND SCHÜTZEN In modernen Kinos gibt es keine Filmdosen mehr, heute läuft alles digital. Dennoch nahm der Betreiber eines Kinos im historischen Viertel der niederländischen Stadt Dortrecht diese Filmdosen als Vorbild für eine passende Sitzgelegenheit vor seinem Lichtspielhaus. Mit der Bank sollten zugleich die Bäume vor seinem Haus geschützt werden. Gemeinsam mit der Firma Grijsen wurden Baumscheiben aus Cortenstahl entwickelt. Damit die Besucher auch in der kälteren Jahreszeit draußen sitzen können, sind Teile der Sitzflächen aus Holz hergestellt. Alle Holzlatten fertigte Grijsen passend zum Radius konisch an. grijsen.de


SCHMÖKERN IM SCHATTEN Sonnensegel hängen nicht selten unschön und schlaff in ihrer Verstrebung. Die Segel des Herstellers C4sun sind eine Ausnahme. Sie bleiben in Form. Das Geheimnis: die Oberflächenspannung des Tuchs. Sobald es elektronisch ferngesteuert von der Welle ausfährt, wölbt es sich und überdacht die Terrasse, selbst wenn es regnet. In das Tuch sind bogenartig geformte Vorspannungsprofile eingearbeitet. So bleibt das Segel selbst nach Windböen nahezu faltenfrei, durch die ausgeklügelte Technik kann es weder flattern noch schlagen. Handarbeit, ausgewählte Materialien und der witterungsbeständige Edelstahl der Zugmasten ergänzen das Design mit verschiedenen Formaten und garantieren Stabilität. Wenn eine Starkwindböe auftritt,

garantiert ein gewichtgesteuertes WinddruckEntlastungssystem die Sicherheit aller Lager und Befestigungen. Bei starken Sturmböen reagiert das Segel sensorgesteuert und rollt sich erst ein, wenn diese ein Maximum überschreiten. Große, polierte Granitkugeln hängen außen an den Masten und verwandeln so die SonnensegelAnlage in eine moderne Skulptur. Die Masten werden hierzu nicht senkrecht, sondern um elf Prozent geneigt aufgestellt und können mit einem Schraubfundament fest im Boden verankert werden. In einer weiteren Designvariante wird die präzise Zugmechanik in den Masten untergebracht. Diese lassen sich wahlweise auch etwa mit einer Flanschplatte, einer Wandschelle oder über eine Welle „ums Eck“ verankern. www.c4sun.de


SI C HTACH S E

WEM GEHÖRT DAS FELD?

66 GARTEN+ L ANDSCHAFT

Axel Zutz ist Garten- und Planungshistoriker in Berlin. Er hat sich für eine weitgehend bewahrende Freihaltung des Tempelhofer Feldes engagiert und zu den historischen Volksparks geforscht, die sich zu früherer Zeit dort fanden.

keit kompensieren. Der Fall zeigt: Kein Gesetz bietet eine Garantie auf die Unantastbarkeit öffentlicher Güter. Wachsamkeit und Einmischung sind nach wie vor geboten, wenn es darum geht, die Errungenschaft des freien und für alle zugänglichen und nutzbaren Feldes zu schützen. Dass die Bebauung der Feldränder verhindert wurde, ist ein großer Erfolg. Die Berliner können „ihr Feld“ weiter als einen frei bespielbaren Park nutzen. Der jetzt ausgehandelte „Kompromiss“ ist zumindest zwiespältig: Die Nutzung der erweiterten Vorfeldflächen schadet zwar – wenn gewisse Vorgaben wie die Ungestörtheit des Bodens und die Begrenzung der Infrastruktur eingehalten werden – weder dem Freizeit- und Erholungswert des Freiraums für die Berliner noch dem Natur- und Denkmalschutz. Aber die gegen das Votum des Volksbegehrens durchgesetzte Gesetzesänderung ist ein Schaden für die Demokratie. Darüber hinaus hat das auf sie jetzt folgende Flüchtlingslager dieser Größenordnung mit einer menschenwürdigen Unterbringungs­ politik nichts zu tun.

GARTEN + LANDSCHAFT IM MAI Der Platz, das Gefühl und wir. Wie kann eine Stadt, ein Viertel eine eigene Identität prägen? Und wie schafft es Landschaft, dass sich Menschen einen Ort aneignen, der lange als blinder Fleck in der Stadt galt? G+L 5 geht der Frage nach der Verbindung von Mensch und öffentlichem Raum nach.

Illustration: Bob London

Mit zwei Millionen Besuchern pro Jahr ist das Tempelhofer Feld Berlins am intensivsten und vielfältigsten genutzte Grünfläche. Nach einem Volksentscheid im Mai 2014 trat für die 300 Hektar große Fläche das Tempelhofer-Feld-Gesetz in Kraft: Es schließt eine Bebauung grundsätzlich aus. Damit scheiterte der Berliner Senat mit seinem Plan, die Ränder des Tempelhofer Feldes zu bebauen. Doch jetzt gibt es eine Ausnahme von der Regel: In mobilen Wohnbauten, darunter eine für die IGA 2017 bestellte Blumenhalle, sollen auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof mit den jetzt schon genutzten sechs Hangars bis zu 10.000 Flüchtlinge beherbergt werden. Den Weg dafür ebnete der „Gesetzesentwurf zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen“. Er wurde am 28. Januar 2016 vom Berliner Abgeordnetenhaus gebilligt. Anfang November hatte der Senat bereits verkündet, dass alle früheren Baufelder des Masterplans jetzt wieder aktiviert und das Bauverbot grundsätzlich aufgehoben werden soll. Diese Provokation blieb nicht ohne Echo: „Frontal-angriff gegen die Demokratie“ warnte die Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld und nannte den Vorstoß eine „Ohrfeige für die 740.000 Wählerinnen und Wähler“, die für das ThF-Gesetz gestimmt hatten. Mehrere Initiativen forderten die sofortige Rücknahme der Entscheidung. Als Resultat der massiven Proteste gab der Senat seine raumgreifenden Pläne auf und will nun nur noch zwei kleinere Flächen im Vorfeldbereich für die Flüchtlingsunterbringung nutzen. Gewiss ist die befristete und räumlich begrenzte Erweiterung des Vorfeldes um diese beiden Flächen eine Option, die bisher auf das Flughafengebäude konzentrierte Notunterbringung und Versorgung von Flüchtlingen räumlich zu entzerren, wie der BUND schreibt, der den der „Kompromiss“ im wesentlichen ausgehandelt hat. Und selbstverständlich ist das Feld als Möglichkeitsraum für Integration, Begegnung und das Engagement für und mit geflüchteten Menschen prädestiniert. Aber dennoch: War es nötig, die auf demokratischem Weg errungene Freiflächensicherung und die Flüchtlingsbeherbergung in einen derart konfliktreichen Widerspruch zu bringen? Empfindlich gelitten haben die Demokratie und – einmal mehr – das Vertrauen in die Regierenden. Denn: Es gibt auch andere Lösungen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung stadtpolitischer Initiativen forderte der Flüchtlingsrat Berlin die Schließung der Massenlager am Standort Flughafen Tempelhof zugunsten einer schnelleren Bereitstellung von Wohnungen. Die Kritik am Senat: Alternativen für kleinteiligere Unterkünfte würden nicht ausreichend geprüft. Tausende Wohnungen könnten sofort und mittelfristig zur Verfügung stehen – wenn der Senat den politischen Willen dafür aufbrächte. Weil Personal abgebaut und die Flüchtlingsbewegungen unterschätzt wurden, herrscht aber nach wie vor vielerorts Chaos, das nur durch das Engagement der Tausenden von freiwilligen Helfern abmildert wird. Die neue Massenunterkunft soll mit einem großen Wurf jahrelange Untätig-


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