OK TO B E R 2019
MAGAZ I N F Ü R L ANDSC HAF T SARC HI TEK TUR
GARTEN +
LANDSCHAFT ERST DIE KÜNSTLER, DANN DIE YUPPIES? WEGE AUS DER URBANEN VERDRÄNGUNG
mit Projekten in
Bordeaux, Brandenburg, Görlitz, München und Stuttgart
16 Blick in die „Off Location“ von „The Shelf“: Zwei Monate traf sich hier die Kreuzberger Künstlerszene – auf Wunsch des Investors. Jetzt entsteht hier ein ambitioniertes Gewerbeprojekt.
28 Wagenhallen-Quartier: Das
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Kunst- und Kreativareal
Bei dem Projekt „Stadt auf
wurde Anfang des Jahres
Probe“ stellt die Stadt Görlitz
von der IBA Stuttgart 2027
Interessierten für vier Wochen
als Projekt aufgenommen.
Wohn- und Arbeitsräume zur
Im Stuttgarter
Verfügung. Die Zielgruppe: potenzielle kreative, freischaffende und junge Zuzügler.
44 Als eins von drei Projekten wird die „Flimmerstunde“, ein Waldkino am Kyritzer Untersee in Brandenburg, seit März 2019 vom Bund gefördert.
INHALT
AK TUELLES 06 11
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SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME Sagenhaft
KREATIVE STADT
Vom einstigen Verfall des „rive droite“ ist heute kaum noch etwas zu sehen. Mit
Erst die Künstler, dann die Yuppies? Wege aus der urbanen Verdrängung
dem Projekt „Darwin“ schuf der Unternehmer Philippe Barre ein neues Zuhause für die Kreativszene von Bordeaux.
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„DIE KREATIVE STADT IST NICHT PLANBAR, ABER GESTALTBAR“
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GOLDGRUBE KUNST?!
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Im Interview mit Julian Petrin, Stadtplaner und Experte für co-kreative Prozesse in der Stadt
„The Shelf“ in Berlin, Kreuzberg: Was bringen investorgetriebene Zwischennutzungen für die Kreative Stadt und Szene? STADT KREATIV MACHEN
Kreativquartier, München: Die bayerische Landeshauptstadt zeigt, wie kreative Prozessgestaltung geht
WARUM GERADE MÜNCHEN KREATIVE PROJEKTE BRAUCHT
Kommentar von den Landschaftsarchitekten und Stadtplanern Johann-Christian Hannemann und Felix Lüdicke KUNST SCHÜTZEN
Stuttgart, IBA 2027: Auf dem Gelände des IBA-Projekts C1 WagenhallenQuartier entstehen erste Begehrlichkeiten, die die Kunstszene gefährden
C'EST TROP COOL
Bordeaux, Darwin: Früher Militärbrache, heute „the place to be“: Wie das alternative Zentrum Darwin Bordeaux´ Stadtentwicklung aufmischt GÖRLITZ(ER)LEBEN
Görlitz, Stadt auf Probe: Wie die sächsische Mittelstadt junge, kreative Zuzügler anlocken will
HALLELUJA BRANDENBURG
Landkreis Ostprignitz-Ruppin: Können geförderte Kunst- und Kulturprojekte Einfluss auf die Region nehmen?
STUDIO 50
REFERENZ Stadt der grünen Engel
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PRAXIS – LICHT IM AUSSENRAUM „Ich arbeite Orte in der Dunkelheit durch“
54
LÖSUNGEN Begrünung im öffentlichen Raum RUBRIKEN 60
Stellenmarkt
63
Impressum
63
Lieferquellen
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DGGL
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Sichtachse
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Vorschau
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
5 GARTEN+ L ANDSCHAFT
„DIE KREATIVE STADT IST NICHT PLANBAR, ABER GESTALTBAR“
INTERVIEWPARTNER Julian Petrin arbeitet als Stadtforscher und Planer in Hamburg. Nach seinem Studium
Kreativität ist ein Motor für Kommunikation, Partizipation, Integration und Prosperität in der Stadt. Dort, wo sich eine suburbane Kultur, wo sich Zwischennutzungen und selbstorganisierte Räume entwickeln, blüht die Stadt, wird sie bunt, engagiert und vielfältig. Wir sprachen mit Julian Petrin von urbanista darüber, wie man als Planer die Kreative Stadt fördern kann, welche Rolle die Städte selbst und private Projektentwickler spielen und warum man eher von urbaner Kultur und nicht von Subkultur sprechen sollte.
des Städtebaus und der Stadtplanung an der TU HamburgHarburg (heute HafenCity Universität, HCU, Hamburg) gründete er 1998 das Stadtentwicklungsbüro urbanista. Seit 2005 forscht und lehrt er zudem an der HCU. 2009 hat Petrin das BürgerStadtLabor „Nexthamburg“
INTERVIEW: TANJA GALLENMÜLLER
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gegründet.
KREATIVE STADT INTERVIEW ZUM TITELTHEMA
Herr Petrin, wie wichtig ist Kreativität für die Stadtentwicklung?
In jedem Fall ist Kreativität im Sinne von Neuverknüpfen von Wissen und Entwickeln von neuen Lösungen und Wegen zu gesellschaftlichen Problemen heute eine der großen Triebfedern von Stadtökonomien. Der Diskurs um die kreative Stadt, der seit etwa zwanzig Jahren immer lauter und selbstverständlicher geführt wird, ist inzwischen überall angekommen und wird fast schon inflationär betrieben. Jede Stadt sagt heute: Wir haben eine starke Kreativwirtschaft. Keiner würde noch behaupten, ohne sie auszukommen. Kreativität ist essenziell geworden. Was versteht man unter Kreativwirtschaft genau?
Im Zusammenhang mit Stadtentwicklungsprozessen gibt es zwei Lesarten des Begriffs. Zum einen die, die dem Diskurs um „Creative Cities“ zugrunde liegt: Sie umfasst auch beratende Unternehmen, Akteure aus dem High-Tech-Bereich, Start-ups oder Designer. Da haben wir es mit sehr kraftvollen Wertschöpfungsmodellen zu tun. Dieser Teil der Kreativwirtschaft ist geprägt von Menschen, die in der Regel gut verdienen und auch als Treiber oder Nutznießer von Gentrifizierungsprozessen gesehen werden. In der Fruchtfolge einer kreativen Stadt sind sie nicht als Erste da. Erst wenn eine Stadt sich zum Kreativ-Hotspot entwickelt hat, räumen sie ab. Und die zweite Lesart?
Hier geht es eher um die Kunst- und Kulturszene im engeren Sinne. Das sind Akteure, die teilweise erst an zweiter Stelle fragen, wie sich ihre Ideen, Lösungen und Produkte monetär verwerten lassen, die kulturelle Güter im klassischen Sinne produzieren oder die im Modus des Social-Entrepreneurship auf der Schnittstelle von künstlerischer Praxis und gesellschaftlicher Mission arbeiten. Dabei spielen gemeinwohlorientierte Ansätze eine immens große Rolle. Ein Beispiel ist das Platzprojekt in Hannover, ein selbstorganisierter Stadtraum zum Mitdiskutieren und Mitgestalten. Gemessen an einer Hamburger HafenCity, in der man zwar auch, aber eben nicht nur die Kreativwirtschaft findet, gibt es dort Dinge, die eine ganz andere monetäre Wertschöpfung haben. Und daher ist es wichtig zu unterscheiden, wen man anspricht. Beide Arten bedingen sich zwar und brauchen sich unter Umständen auch, haben aber doch sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen, wie sie agieren und auch was sie in einer Stadt bewirken.
Können kreative Nutzungen mit den klassischen Gewerbe- und Wohnnutzungen koexistieren, oder sind sie immer nur Wegbereiter, die irgendwann den marktwirtschaftlichen Interessen weichen müssen?
Die klassische Entwicklung ist eigentlich immer dieselbe: Die subkulturelle Szene – wobei Subkultur ein umstrittener Begriff ist – besetzt Orte und Räume, die für die klassischen Akteure am Markt noch nicht interessant sind. Sie schließen damit Potenziale auf, die hinterher von anderen „ausgebeutet“ werden.
Keine besonders gute Ausgangslage für ein funktionierendes Miteinander...
Nein, das Verhältnis der freischaffenden Kunst- und Kreativszene zur Immobilienwirtschaft ist nicht immer gut. Erstere fühlt sich oft instrumentalisiert. Eines der großen Probleme von Zwischennutzungen war ja schon immer, dass die Aufwertungskette eines Ortes durch Aneignung und subkulturelles Placemaking, was ja auch angestrebt wird, nicht aufgehalten werden kann. Lässt sich das ändern, insbesondere bei dem aktuell hohen Druck auf innerstädtische Flächen?
Es hat sich inzwischen schon ein Stück verändert. Bei jüngeren Projekten, zum Beispiel dem Kreativquartier oder dem Werksviertel in München oder auch bei anderen klassischen Projektentwicklungen, wird immer mehr darüber nachgedacht, wie man auch Nischenräume für weniger wertschöpfungsstarke Akteure in die Entwicklung einbauen kann, sodass sie bleiben, koexistieren können. Man hat verstanden, dass von diesem Spannungsfeld zwischen weniger wertschöpfungs- und marktwirtschaftlich orientierten Tätigkeiten wichtige Impulse für eine Stadt ausgehen. Was können Städte oder Projektentwickler für eine gelungene Koexistenz tun?
... sehr unterschiedliche Dinge. Ein Beispiel, bei dem ein Projektentwickler auf ganz andere Weise als üblich agiert, sind die ehemaligen Esso-Häuser in Hamburg, auch als Paloma-Viertel bekannt. Das ist aktuell für mich eines der ambitioniertesten und spannendsten Projekte, bei dem man versucht, nicht wertschöpfungsorientierte Nutzungen zu integrieren. Ein Teil der fast 28 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche steht dort für ein „Subkultur-Cluster“ und für Nachbarschaftsorte, begehbare Dächer etc., die nicht zum üblichen Marktzins finanziert werden können. Das ist eine Investition ins Quartier, die der Eigentümer mitträgt – wenn er insgesamt nicht draufzahlt. 13 GARTEN+ L ANDSCHAFT
In Berlin-Kreuzberg baut die Kölner Firma Pandion das ambitionierte Gewerbeprojekt „The Shelf“. Vor Baubeginn durften Kreative die alten Räume des Autovermieters Robben&Wientjes zwischennutzen. Wer ist Gewinner und Verlierer solcher Projekte? UWE RADA
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Foto: PANDION AG
GOLDGRUBE KUNST?!
KREATIVE STADT THE SHELF, BERLIN
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STADT KREATIV MACHEN München ist nicht unbedingt bekannt für seine Kreativwirtschaft. Und doch kommt dieser seit mehreren Jahren eine stärkere Bedeutung zu. Auch im Zuge der Entwicklung des Kreativquartiers Ecke Dachauer Straße / Schwere-ReiterStraße. Prozessuale Entwicklung – auf diese Strategie setzen Künstler, Landeshauptstadt und die Planer von Teleinternetcafe und Treibhaus in enger Zusammenarbeit. G+L berichtete 2016 erstmals über das Projekt. Was ist der aktuelle Stand? Und wie klappt das mit der „kreativen“ Prozessgestaltung? EVA MARIA HERRMANN
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AUTORIN Eva Maria Herrmann ist Architektin und freie Journalistin. Sie studierte in Darmstadt und Graz und gründete 2005 ein eigenes Büro für Architekturkommunikation. Seit 2009 ist sie außerdem freie Kuratorin bei Kunst Meran, Südtirol.
Blick in die Zukunf: Als eins von vier Arealen soll das „Labor“ im Kreativquartier Luft zum Atmen lassen und als städtischer Experimentierraum dienen.
Alle Abbildungen: © Teleinternetcafe und Treibhaus
Für Google ist das Wort „Kreativquartier“ keine Unbekannte, 154 000 Treffer zeigt die Suchmaschine an – von Informationen zu Kooperationen, postindustriellen Zwischennutzungen, Bottom-up-Prozessen bis zu städtebaulichen Entwicklungsprojekten. Nicht alles, was das Label „kreativ“ trägt, entspringt dem Gedanken der „Creative City“ von Charles Landry, die heute als Grundlage der modernen Stadtentwicklung gilt. Inspiriert von der Wirtschaftstheorie der „Creative class“ des US-Ökonomen Richard Florida, setzt der Städteforscher Landry auf den Wert der kreativen Industrie und der dazugehörigen Akteure zugunsten der Entwicklungen. Den verschobenen Fokus setzt er gleich mit einem Wandel von einem von Ökonomie getriebenen Ansatz – Finanzen, Versicherungen und Real Estate – hin zu einer neuen Stadtkultur, deren Basis Innovation, Kreativität und Entertainment ist. Die
KREATIVE STADT KREATIVQUARTIER, MÜNCHEN
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KREATIVE STADT WAGENHALLEN-QUARTIER, STUTTGART
KUNST SCHÜTZEN Hundert Jahre nach der Eröffnung der Weißenhofsiedlung verspricht die IBA Stuttgart 2027 wegweisende Innovationen. Diesen März nahm die Internationale Bauausstellung die ersten Projekte auf. Darunter das Wagenhallen-Quartier, das seit vielen Jahren durch die Stuttgarter Kreativszene geprägt wird. Im Rahmen der IBA wollen Künstler und Stadt das Areal um die Wagenhalle zum Experimentierfeld für produktiv-kreative Pilotprojekte und Konzepte zur zukunftsfähigen Stadt entwickeln. Doch es entstehen bereits jetzt erste Begehrlichkeiten, die den kreativen Ort gefährden. JULIANE VON HAGEN
AUTORIN Dr. Juliane von Hagen ist Stadtplanerin und -forscherin. Sie setzt sich seit Jahren mit öffentlichen Räumen auseinander; zunächst an verschiedenen Hochschulen und mittlerweile im eigenen
Alle Fotos: Ferdinando Iannone
Büro stadtforschen.de.
Blick ins „Kulturschutzgebiet Wagenhalle“. Der Name für das Wagenhallen-Areal hat sich inzwischen etabliert.
Die IBA 2027 für die Stadt und Region Stuttgart hat es gut. Sie kann sich in den Windschatten der Weißenhofsiedlung stellen und darauf abzielen, wie vor hundert Jahren Architekturgeschichte schreiben zu wollen. Damals provozierten die Häuser am Stadtrand die Diskussion um das Leben, Wohnen und Arbeiten im Industriezeitalter. 2027 soll die IBA Ähnliches leisten. Sie soll „radikal neue Ideen für die Stadtregion im Zeitalter von Digitalisierung, Klimawandel und Globalisierung“ präsentieren, heißt es in deren Memorandum. Obwohl die Bauausstellung erst in den Anfängen ihres zehnjährigen Aktionszeitraumes ist, ist die Debatte um die zukunftsweisende Entwicklung der Stadt schon in vollem Gange.
Zu einem der bisher angemeldeten IBAProjekte gehört das sogenannte C1 Wagenhallen-Quartier. Die Bezeichnung C1 stammt aus der Rahmenplanung für Stuttgart 21. Während die durch den Bahnumbau freiwerdenden Gleisflächen in der Innenstadt als Baufelder A bezeichnet und derzeit entwickelt werden, warten die B- und C-Flächen noch einige Jahre auf ihre Neunutzung. Das als C1 bezeichnete Areal, nur drei Kilometer nördlich der Innenstadt, aufgespannt zwischen Pragfriedhof und altem Nordbahnhof, wartet aber nicht als Brache auf seinen Umbau. Vielmehr lockte der alte Lokschuppen auf dem Gelände schon früh Künstler an. Auf deren Initiative kaufte die Stadt 2003 die sogenannten Wagenhallen und vermietete darin Ateliers und Werkstätten zur Zwischennutzung. 29 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Strukturschwach und abgehängt, kulissenartig und lebendig, kreativ – die östlichste Stadt Deutschlands ist von Gegensätzen geprägt. Zeit für Veränderung: Um junge Kreativschaffende in die Stadt zu holen, dürfen sie zur Probe wohnen und arbeiten. SOPHIE CHARLOTTE HOFFMANN
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Foto: © picture alliance / robertharding
GÖRLITZ(ER)LEBEN
KREATIVE STADT STADT AUF PROBE, GÖRLITZ
Blick über die Neiße auf die Görlitzer Altstadt samt Pfarrkirche St. Peter und Paul.
AUTORIN Sophie Charlotte Hoffmann absolviert derzeit ihr Masterstudium Architektur und Kunst in München und Mailand. Seit ihrem Volontariat im Callwey Verlag 2017 arbeitet sie als freie Redakteurin für die Fachmagazine Baumeister und
Städter leiden unter Großstadtmüdigkeit. Teure Wohnungen, knapper Raum für Kreative und Selbstständige, immer weniger Freiraum und zunehmende Belastungen durch gesteigertes Verkehrsaufkommen: Der Boom großer Städte hat seine Folgen. Viele Großstädter suchen zugunsten der tendenziell abgehängten Abwanderungsregionen nach Alternativen. Denn während das Leben in den Metropolen für viele unerträglich wird, locken diese Städte mit günstigen Mieten und reichlich Platz. Wie beispielsweise Görlitz. 7 000 Wohnungen stehen hier momentan leer. GÖRLITZ FEHLEN JUNGE ZUZÜGLER
Garten + Landschaft.
Für die Beschreibung von Görlitz verwenden viele Stadtplaner gerne das Adjektiv „struktur-
schwach“. Dabei wächst die Stadt seit 2014 wieder leicht, nachdem sie mit der Wende mehr als ein Viertel seiner Bevölkerung verloren hatte. Die Stadt bietet heute eine breit gefächerte Palette an Wohn- und Arbeitsräumen zu moderaten Preisen, ein attraktives Umfeld durch ein breites Kulturangebot und ein historisches Stadtbild, das immer wieder als Filmkulisse diente. Viele Teile der Altstadt wurden von 1995 bis 2016 aufwendig saniert, weshalb heute viele Gebäude im Zentrum in alter Pracht glänzen. Den übrigen Leerständen hat man den Kampf angesagt und engagiert sich mit entsprechenden Initiativen. Das Projekt „Stadt auf Probe – Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ sticht dabei heraus. Das Vorhaben wird im Rahmen der „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“ 41 GARTEN+ L ANDSCHAFT
Die ländlichen Regionen im Osten kämpfen weiterhin mit dem Bevölkerungsrückgang nach dem Mauerfall. Heute haben sich die Einwohnerzahlen weitestgehend stabilisiert, doch noch immer zieht es vor allem junge Einwohner in die Großstädte. Das wirkt sich auf die Lebensqualität vor Ort aus: Weniger Menschen bedeutet weniger Nachfrage nach Waren, Dienstleistungen sowie Sport- und Kulturangeboten. In Brandenburg haben es nun drei Kunst- und Kulturprojekte aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin geschafft, eine finanzielle Förderung des Bundes zu erhalten. Was können die Projekte? Und vor allem: Können sie Einfluss auf die gesamte Region nehmen? VANESSA KANZ
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Foto: Cornelia Lambriev-Soost
HALLELUJA BRANDENBURG
KREATIVE STADT LANDKREIS OSTPRIGNITZ-RUPPIN, KUNST IN BRANDENBURG
AUTORIN Vanessa Kanz ist studierte Kulturwissenschaftlerin mit der Fächerkombination Germanistik und Europäische Geschichte. Nach einem Volontariat in den Redaktionen von G+L, topos und Baumeister arbeitet sie heute als freie Journalistin in München.
Die neuen Bundesländer haben seit der Wiedervereinigung einen demografischen und strukturellen Wandel im Zeitraffer erlebt. Insgesamt 1,8 Millionen Menschen wanderten in der Nachwendezeit ab, darunter vor allem junge, qualifizierte Menschen. Dieser Umstand genauso wie der Geburteneinbruch hinterließen Spuren in der regionalen Bevölkerungsentwicklung, die bis heute und auch noch zukünftig zu spüren sind. Und trotzdem (oder gerade deswegen): Im Osten passiert so einiges, was sich den Schrumpfungstendenzen und dem ländlichen Leerstand entgegenstellt. Ein aktuelles Beispiel ist die im März 2019 festgesetzte finanzielle Förderung des Bundes für drei Kunst- und Kulturprojekte in Brandenburg, im Landkreis
Ostprignitz-Ruppin. Der Verein STATTWerke e.V. aus Neuruppin mit seinem Projekt „Kyritzer Flimmerstunden“, das Projekt „Kunst am Anger“ der Stadt Neuruppin und die Gemeinde Temnitzquell teilen sich eine Fördersumme von über 200 000 Euro. Das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ verfolgt damit das Ziel, die ländlichen Regionen mit ihren Initiativen zu unterstützen, um sie als attraktive Lebensräume zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Attraktivität eines Ortes hängt vornehmlich von der Versorgungslage, der Infrastruktur und den Arbeitsmöglichkeiten ab. Gleichwohl trägt das Kunst- und Kulturangebot maßgeblich zu einem lebendigen Miteinander bei, was letzten Endes die Entwicklung der Region
Während der Kunsttour durch Karwe zeigt Matthias Zágon Hohl-Stein, Bildhauer, Maler und Grafiker, seine Werkstatt und sein Atelier in der alten Schäferei. Einige seiner Skulpturen aus Stahl und Holz referieren auf die griechische Mythologie.
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