Garten+Landschaft 01/2020

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JA NUA R 2020

MAGAZ I N F Ü R L ANDSC HAF T SARC HI TEK TUR U ND S TADT P L A N UN G

GARTEN +

LANDSCHAFT

GRENZEN BRAUCHEN KEINE MAUERN – WIE DIE IBA BASEL DREI LÄNDER ZUSAMMENFÜHRT

mit den IBA Projekten

3Land, 24stops, Aktive Bahnhöfe, IBA KIT, Parc des Carrières, DMC und Motoco


12 Im Gespräch erklärt IBA Basel Direktorin Monica Linder-Guarnaccia, warum eine IBA keine Architekturausstellung ist.

18 Auf dem Basler Hafenareal

24

im Dreiländereck zwischen

Beim IBA Projekt „24 Stops“

Deutschland, Frankreich

definieren 24 Kunstobjekte

und der Schweiz entsteht

von Tobias Rehberger einen

ein trinationales Quartier.

neuen grenzüberschreitenden Weg zwischen den Kultureinrichtungen Vitra Museum (D) und Fondation Beyeler (CH).

44 Auf dem DMC-Areal im französischen Mulhouse entfaltet sich ein innovativer Lebensraum. Der erste Nutzer ist ein weiteres IBA Projekt, das Atelierhaus Motoco. Wir berichten ab Seite 44 über beide IBA Projekte.


INHALT

AK TUELLES 06 11

SNAPSHOTS MOMENTAUFNAHME In Feierlaune

IBA BASEL 2020 Grenzen brauchen keine Mauern – Wie die IBA Basel drei Länder zusammenführt

42 Was sagt die Basler Architek-

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„EINE IBA IST UNBEQUEM, UND DAS MUSS SIE AUCH SEIN“

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LABELISIERTE PROJEKTE DER IBA BASEL

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3LAND

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24 STOPS

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AKTIVE BAHNHÖFE

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„DIE IBA BASEL IST EINE LÜCKENFÜLLERIN “

turszene zur IBA Basel? Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer fragte für uns bei Emanuel Christ, Büroinhaber vom Basler Architekturbüro Christ & Gantenbein, nach.

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Im Interview mit IBA Basel Geschäftsführerin Monica Linder-Guarnaccia

Die Projekte der IBA Basel 2020 in der Übersicht Das Leuchtturmprojekt der IBA Basel 2020: Auf 430 Hektar Hafenfläche entsteht in den nächsten Jahrzehnten ein trinationales Quartier Per Kunst definiert Tobias Rehberger das Grenzgebiet zwischen Vitra Design Museum (D) und Fondation Beyeler (CH) als vielfältige Natur- und Kulturlandschaft Zur IBA Projektgruppe „Aktive Bahnhöfe“ und vier ausgewählten Bahnhofsprojekten Interview mit Agnes Heller, Projektleiterin der „Aktiven Bahnhöfe“ IBA KIT

Ein Planungsinstrument, das grenzüberschreitend partizipative Gestaltung aktiviert und erforscht

PARC DES CARRIÈRES

Mit dem IBA Pilotprojekt „Parc des Carrières“ wird eine von insgesamt 50 Kiesgruben in der Region Basel zum neuen ökologischen Landschaftsraum „DIE IBA BASEL VERSTEHT DIE STADT ALS LABOR “

Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer im Interview mit Emanuel Christ vom Architekturbüro Christ & Gantenbein

DMC UND MOTOCO

Auf dem DMC-Areal im elsässischen Mulhouse entsteht mit den zwei Projekten „DMC“ und „Motoco“ ein neuer Lebensraum auf 13 Hektar Fläche

STUDIO 51

PRAXIS Schicker Klinker

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REFERENZ Fließender Übergang

RUBRIKEN 61

Stellenmarkt

LÖSUNGEN Bodenbeläge im Außenbereich

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Impressum

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Lieferquellen

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DGGL

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Sichtachse

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Vorschau

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Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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„EINE IBA IST UNBEQUEM, UND DAS MUSS SIE AUCH SEIN“ Unter dem Motto „Gemeinsam über Grenzen wachsen“ engagiert sich die Internationale Bauausstellung IBA Basel 2020 seit zehn Jahren für grenzüberschreitende Projekte im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz. 2020 kommt die IBA Basel zum Abschluss. Das Jahr bedeutet gleichzeitig Höhepunkt und Ende der Internationalen Bauausstellung. Wir haben Monica Linder-Guarnaccia, Direktorin der IBA Geschäftsstelle, getroffen, mit ihr über die Arbeit der IBA in der Grenzregion gesprochen und sie gefragt, wie es nach 2020 weitergeht. INTERVIEW: THERESA RAMISCH INTERVIEWPARTNERIN Monica LinderGuarnaccia leitet die Geschäftsstelle der IBA Basel 2020. Sie studierte Journalistik und Kommunikationswissenschaft sowie Business Administration, war Messeleiterin der Weltmesse „Baselworld“, Board Member beim Solarunternehmen TRITEC International AG sowie beim Museum Baselland tätig. Die Geschäftsfelder Marketing und New Business zählten jeweils zu ihrem Verantwortungsbereich.

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IBA BASEL 2020 X INTERVIEW MIT IBA GESCHÄFTSFÜHRERIN MONICA LINDER-GUARNACCIA X

USA und Mexiko, Israel und Palästina, Großbritannien und die EU: Es scheint, überall zieht man die Grenzen hoch oder versucht es zumindest. Das Motto der IBA Basel 2020 ist hingegen „Gemeinsam über Grenzen wachsen“. Ist das ein politisches Statement?

Ja, auch. Für mich ist unser Motto aber in erster Linie ein soziales und interkulturelles Statement. Ein Statement für die Menschlichkeit. Die Arbeit der IBA Basel 2020 zeigt auf, wie man in einer Region trotz Grenzen sehr gut miteinander leben und gemeinsam grenzüberschreitende Bedürfnisse, wie grenzüberschreitende Nahverkehrsverbindungen, stillen kann. Die IBA Basel zeigt auf, wie man an Grenzen wachsen, wie man mit ihnen über sich hinauswachsen kann. Aber warum ist das in der Region Basel überhaupt nötig?

Wir haben in der Region Basel 230 Gemeindegrenzen, drei Landesgrenzen, unterschiedliche kantonale Grenzen sowie zahlreiche aufeinandertreffende Landkreise: Die Region ist fragmentiert. Jede der 230 Kommunen hat eine Eigenverantwortung. Und obwohl sie sehr stark voneinander abhängig sind, müssen sie sich nicht untereinander absprechen, keine Rücksicht aufeinander nehmen. Vor zehn Jahren entschied die Politik, dass es so nicht weitergehen kann, und brachte die IBA Basel 2020 auf den Weg. … eine Internationale Bauausstellung, die sich als Change-Management-Prozess sieht.

Foto: © IBA Basel/Martin Friedli

Genau. Es war nötig, dass wir die Bedürfnisse der Region wieder in den Fokus stellen, nicht die Einzelinteressen. Dafür war ein Umdenken nötig. Wir von der IBA-Geschäftsstelle haben diesen Prozess des Umdenkens über die letzten zehn Jahre begleitet und koordiniert. Bei der IBA Basel ging es also nicht darum, bestehende Gesetze oder administrative Strukturen zu verändern. Unser Ziel war es, durch die Zusammenarbeit zwischen Projektverantwortlichen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz eine interkulturelle Kompetenz zu generieren, die grenzüberschreitende Planung erst möglich macht. Warum hat man sich dabei für das Format IBA entschieden?

Die Internationale Bauausstellung setzt als Sonderformat der Stadtentwicklung ein hohes Maß an Selbstverpflichtung bei den Beteiligten voraus. Ohne fest vordefinierte Organisationsstruktur versteht sie sich als

Ausnahmezustand, der in einem vergleichsweise kurzen Planungszeitraum von zehn Jahren exemplarische Innovation in ein Gebiet bringt. Die Entscheidung für die IBA Basel war vor meiner Zeit als Geschäftsführerin der IBA Basel, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Verantwortlichen sich damals für das Format entschieden haben, weil die IBA als experimentelles Sonderformat auf sämtlichen administrativen Ebenen und Organisationsstrukturen eine enorme Kraft entfalten kann, die internationale Relevanz hat und dessen Resultate gleichzeitig offen bleiben. Perfekt also für eine trinationale, fragmentierte Region, die sich in einen Change-Management-Prozess begibt. Kommen wir zu den IBA Projekten. Von einst 130 Ideeneinreichungen haben es 20 Projekte zum IBA Label geschafft. Welche Kriterien mussten sie hierfür erfüllen?

Wir haben sechs unterschiedliche übergeordnete Kriterien. Das wichtigste aller Kriterien

ZUM FORMAT IBA:

Internationale Bauausstellungen sind ein Sonderformat der Stadtund Regionalentwicklung. Sie sind Markenzeichen von Bau- und Planungskultur. Seit mehr als einem Jahrhundert rücken diese Experimentierfelder die aktuellen Fragen des Planens und Bauens in den Fokus der nationalen und internationalen Diskussion. IBAs stehen für einen hohen Anspruch. Sie erfinden sich ständig neu, folgen keinem standardisierten Format oder Verfahren. Während die ersten IBAs vor allem mit ihrer Architektur Neuland betraten, haben sich Internationale Bauausstellungen in ihrer räumlichen Dimension und gesellschaftlichen Bedeutung seither stark verändert: Heute sind IBA Baukultur-Ausstellungen, die neben ästhetischen und technologischen Aspekten zunehmend komplexe soziale, wirtschaftliche und ökologische Fragen in ihre Arbeit einbeziehen. Definition von www.internationalebauausstellungen.de

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Das IBA-Projekt 3Land wird die Region Basel für die nächsten Jahrzehnte entscheidend prägen. Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts einsetzenden Strukturwandel stehen im Hafen zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz riesige Areale zur Neu- und Umnutzung zur Verfügung. Gleichzeitig schafft die Lage beste Voraussetzungen für die trinationalen Zusammenarbeit. Das 3Land-Projekt ist das wichtigste Projekt der IBA Basel 2020. Katharina Marchal skizziert für uns den aktuellen Stand sowie die Vision für nach 2020. KATHARINA MARCHAL

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Foto: © IBA Basel/Daniel Spehr

3LAND


IBA BASEL 2020 IBA PROJEKT: 3LAND

AUTORIN Katharina Marchal ist Architektin und freiberufliche Fachjournalistin. Sie lebt und arbeitet in Basel.

Historisch gesehen tauschten sich die Städte Weil am Rhein und Huningue immer schon mit dem Stadtkanton Basel aus und profitieren bis heute von der wirtschaftsstarken Schweizer Metropole. Doch erst seit der 2012 unterzeichneten Planungsvereinbarung zwischen den drei Grenzstädten werden die gemeinsame Planung und die Synergien effizienter vorangetrieben und genutzt. Basel-Stadt, Huningue, Weil am Rhein ergreifen damit die einmalige Chance, ein großes Gebiet koordiniert und grenzüberschreitend, nachhaltig und innovativ zu entwickeln. Konkret geht es um das 430 Hektar große Hafen- und Industriegebiet entlang des Rheins. Die Zukunftsperspektive: Mit der Verlegung der Hafenbecken auf das ehemaligen Gleisfeld im Osten kann das

Gebiet rückgebaut, umgenutzt und neu geplant werden. Im Zentrum liegt der Rhein. Dessen Ufer sollen sich zu einem naturnahen Erholungsraum entwickeln, bestehende Promenaden die Gemeinden und Länder miteinander verbinden. Außerdem bieten die freiwerdenden Flächen – neben weiteren Nutzungen – den für die Region so notwendigen Wohnraum.

Mündung des Flusses Wiese in den Rhein: Hier im Norden des Areals soll künftig das Ufer des Klybeckquais mit dem Westquai verbunden werden.

VON „RHEINHATTAN“ ZUM IBA LABEL

Erste Vorschläge erbrachten die Synthesestudien aus dem Jahr 2011. Das Architektenteam MVRDV/Philippe Cabane/Martin Josephy entwickelte die Entwicklungsvision 3Land, als städtebaulicher Entwurf für eine trinationale Teilstadt zwischen Dreirosen19 GARTEN+ L ANDSCHAFT


Für das IBA Basel Projekt „24 Stops“ gestaltete der Künstler Tobias Rehberger grenzüberschreitend Wegmarken zwischen der Fondation Beyeler in Riehen (CH) und dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D). Mit dem Projekt bringen die zwei Kulturstätten gemeinsam mit den Gemeinden Riehen und Weil nicht nur zwei Orte hochkarätiger Architektur näher zusammen, sondern animieren die Besucher auch, das Grenzgebiet zwischen Deutschland und der Schweiz neu kennenzulernen – als vielfältige Natur- und Kulturlandschaft. JULIANE VON HAGEN

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Foto: Mark Niedermann © Studio Rehberger

24 STOPS


IBA BASEL 2020 IBA PROJEKT: 24 STOPS

Der Kunstweg bietet einen der schönsten Blicke auf das Rheintal. Rehbergers Fernrohr verlängert den Ausblick.

AUTORIN Dr. Juliane von Hagen ist Stadtplanerin und -forscherin. Sie setzt sich seit Jahren mit öffentlichen Räumen auseinander; zunächst an verschiedenen Hochschulen und mittlerweile im eigenen Büro stadtforschen.de.

Im Südwesten Deutschlands liegt die Grenze zu Frankreich und zur Schweiz über viele Kilometer inmitten des Rheins. Nur an einer Stelle, im Nordosten von Basel traut sich ein Zipfel der Schweiz über den Grenzfluss hinweg und ragt den Ausläufern des Schwarzwaldes entgegen. Dort sind Städte wie Lörrach oder Weil am Rhein Nachbarn der Schweizer Stadt Riehen. Letztere war lange nicht viel mehr als ein ländlicher Wohnort im Agglomerationsraum Basel. Seitdem aber die Fondation Beyeler zu ihren Einwohnern zählt, taucht auch Riehen auf internationalen Landkarten auf. Ähnliches gilt für Weil am Rhein. Hier hat der Möbelhersteller Vitra seinen Firmenstandort zum Campus für zeitgenössische Architektur entwickelt, und inzwischen kennen auch Designer aus New York oder Los Angeles die kleine Stadt. Seit den

1980er-Jahren lädt die Firma Vitra renommierte Architekten ein, auf ihrem Gelände zu bauen. Dabei geht es dem Unternehmen nicht darum, eine einheitliche Firmenarchitektur zu kultivieren. Vielmehr haben weltbekannte Architekten im Laufe der Jahre eine Sammlung von Gebäuden wachsen lassen, die seinesgleichen sucht. Dazu gehören Zaha Hadid, Tadao Ando und Frank O. Gehry genauso wie Sejima und Nijizawa oder Herzog & de Meuron. So vielfältig ihre jeweilige Formensprache ist, so unterschiedlich waren auch ihre Bauaufgaben. Sie reichen von einer Feuerwache über Produktionsgebäude bis zu Museum und Schaudepot. Alle liegen auf dem Campus, der das nördliche Ende der Stadt Weil am Rhein markiert. Von Gleisanlagen und Wohnbebauung eingeengt, öffnet er sich im Osten zur offenen Landschaft. 25 GARTEN+ L ANDSCHAFT


IBA BASEL 2020 IBA PROJEKTGRUPPE: AKTIVE BAHNHÖFE

AKTIVE BAHNHÖFE Als IBA Basel Projektgruppe „Aktive Bahnhöfe“ entwickeln Akteure aus der Region Basel im Austausch miteinander insgesamt 18 Bahnhöfe zu modellhaften Stadtquartieren und vorbildlichen Umsteigepunkten. Palle Petersen stellt uns hier die vier ausgewählten Projekte Badischer Bahnhof in Basel (CH), Grenzach (D), Sierentz (F) und Bad Säckingen (D)/Stein (CH) vor. PALLE PETERSEN

AUTOR Palle Petersen studierte Journalismus an der ZHAW Winterthur und Architektur an der ETH Zürich. Seit 2013 ist er Redakteur bei der Schweizer Fachzeitschrift für Architektur, Planung und Design Hochparterre.

Eigentlich handelt es Plan: © IBA Basel, Projektgruppe Aktive Bahnhöfe

sich bei „Aktive Bahnhöfe“ um 18 Einzelprojekte. Die unter dem Dach der IBA zusammenzubringen war eine große Herausforderung, bot und bietet aber durch die entstehenden Synergien einen Mehrwert für alle.

Raumplanung ist Verkehrsentwicklung, lernen Planer in der ersten Vorlesung. In diese gehört eigentlich auch eine andere Wahrheit, die leider noch nicht zum Allgemeinwissen zählt: Infrastrukturentwicklung und Städtebau muss man zusammen denken. Die IBA-Projektgruppe „Aktive Bahnhöfe“ folgt dieser Einsicht und ist damit brandaktuell, zukunftstauglich gar – schließlich sind Innenentwicklung und öffentlicher Verkehr Imperative unserer Zeit, die mit maßlosem Bodenverbrauch und dem Klimawandel ringt. Die beteiligten 18 Bahnhöfe in drei Ländern haben eins gemeinsam: Sie sind oft Zäsuren im Körper der Städte und Dörfer, aufgrund ihrer Zentralität und Personenfrequenzen aber prädestiniert als Orte des Zusammenlebens. Sie sollen darum nicht bloße Verkehrsknoten sein, sondern bestenfalls Orte zum Verweilen und Einkaufen, für sozialen Austausch und kulturelle Erlebnisse, inmitten eines durchmischten Stadtquartiers gelegen und verknüpft mit Bussen, Trams und der sogenannten mobilité douce. Die Ausgangslagen dafür sind denkbar unterschiedlich: Das Spektrum reicht vom verlassenen und verlotterten Dorfbahnhof im Privatbesitz, dessen ortsbauliches Potenzial die zuständigen Beamten und Besitzer erst erkennen, bis zum lebendigen Großbahnhof in der Hand einer nationalen Bahngesell-

schaft mit klarer Immobilienstrategie und mit starkem Planungsamt im Rücken. Eigentlich handelt es sich um 18 Einzelprojekte. Agnes Förster, Professorin für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen, begleitete die Gruppe mit ihrem Münchner Planungsbüro und sagt offen: „Aus den oft bestehenden, reichlich unterschiedlichen Entwicklungskonzepten ein gemeinsames Umsetzungsprogramm zu schreiben, war ein Kunstgriff.“ Oftmals diente das Programm als Interpretationsfolie für das, was ohnehin geschieht – in den Bahnhofsgebäuden, mit den Freiflächen in der Umgebung und auf angrenzenden Entwicklungsgebieten. Doch gerade bei kleineren Bahnhöfen, wo die Akteure, Interessen und Pläne weniger zahlreich sind, waren Kreuzbestäubungen möglich. Die IBA Basel sieht sich als Impulsgeberin und Katalysator, und das war sie auch hier gelegentlich. Als Gruppenresultat wird sie im Abschlussjahr 2020 aber wenig mehr vorweisen als ein grenzüberschreitendes Informations- und Signaletiksystem. Das zeigt letztlich zweierlei: die zähe Planungsrealität des trinationalen Raums und die Grenzen einer temporären IBA mit beschränkter Finanzkraft. Es zeigt außerdem: Ein trinationales Projektmanagement täte dem Raum Basel wohl auch nach 2020 noch gut. 29 GARTEN+ L ANDSCHAFT


BASEL BADISCHER BAHNHOF (CH)

ue Mitte Grenzach men- und Entwicklungsplan

GRENZACH (D)

weyell zipse architekten

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Bis 2027 will die Deutsche Bahn die Strecke am Hochrhein von Basel bis Erzingen elektrifizieren. Im Rahmen einer Siedlungspotenzialanalyse wurde Grenzach auf eine Wiese neben dem Bahnhof aufmerksam – und kaufte sie. Ein Beteiligungsprozess ergab, dass dem Straßendorf ein Zentrum fehlt. Dieses soll nun entstehen: mit einem baumbestandenen Platz über einer großen Tiefgarage, mit preisgünstigen und altersgerechten Wohnungen, mit Läden und Café. Die Grundlage für die fünf Baufelder und die Freiräume ist mit einem städtebaulichen Wettbewerb gelegt. Der Rahmenplan steht, bald folgt der Bebauungsplan. Da das Projekt die Möglichkeiten der Gemeinde weit übersteigt, plant sie eine Vergabe an einen Investor. Die Crux wird es sein, die Qualitätsziele und die entsprechenden Verfahren im städtebaulichen Vertrag festzuhalten – damit dem vorbildlichen Prozess auch ein ebensolches gebautes Resultat folgt. Stand: 19.11.2018

Alle Fotos: © IBA Basel/Daniel Spehr; Visualisierung und Plan Grenzach: © Atelier LOIDL Landschaftsarchitekten Berlin GmbH

Mit jährlich 4,5 Millionen Fahrgästen ist der Deutsche Bahnhof auf Schweizer Boden – nebst dem Bahnhof Basel SBB – der wichtigste Verkehrsknoten in der trinationalen Agglomeration. Falls das „Herzstück“ – eine unterirdische S-Bahn, die die beiden Basler Bahnhöfe miteinander verbinden soll – bis etwa 2035 kommt, wird er noch an Bedeutung gewinnen. Schon seit Längerem bespielen ein Theater und ein Musikverein das Bahnhofgebäude, in dem es auch Läden und Restaurants gibt. Kurzum: Der Badische Bahnhof ist längst „aktiv“, hat aber dennoch einiges Potenzial: Wo einst eine Freitreppe zum Hauptbau führte, liegen nun eine Straße und Busstationen. Gestalterisch hat die Umgebung noch viel Luft nach oben. Eine Aufwertung, besseres Fahrradparking und neue Zugänge zum nördlichen Quartier sind allesamt geplant. Nachdem das Basler Stimmvolk das Erlenmatt-Tram 2014 ablehnte, ließ man die Neukonzeption des Bahnhofsvorplatzes aber fallen.


IBA KIT Mit dem IBA KIT entwickelten die Landschaftsarchitekten aus dem Büro Bryum und die IBA Basel 2020 ein intelligentes Planungsinstrument, das gleichzeitig grenzüberschreitend partizipative Gestaltung aktiviert und erforscht. Insbesondere die zwei Gärtner-KITs in Rheinfelden (D) und St. Louis (F) überzeugen. Sie schaffen einen echten Mehrwert vor Ort.

AUTORIN Johanna Joecker studierte Architektur und Städtebau in Hannover mit Fokus auf Stadtplanung und Städtebau. Aktuell ist sie im Landschaftsarchitekturbüro Studio Vulkan in Zürich tätig.

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Container stehen auf brachliegenden Grundstücken und regen die Nutzung vor Ort an – bei erster Betrachtung unterscheidet sich das KIT kaum von klassischen Beteiligungsprojekten. Auf die inneren Werte kommt es an. Wortwörtlich. Das IBA Projekt hebt sich durch seine Absicht ab: Sein Ziel es, nicht, den Ort einfach nur zu verändern, sondern Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Nutzungen wo funktionieren – oder eben nicht. Die Wirkungsweise der Container vergleichen die verantwortlichen Landschaftsarchitekten vom Basler Büro Bryum mit einem Allergietest: Sie testen verschiedene Interventionen an unterschiedlichen Orten und beobachten, ob der jeweilige Ort sie „annimmt“ oder „abstößt“. Die „Kisten“, wie sie die Planer liebevoll nennen, sind unterschiedlich konstruiert und ausgestattet. So können die jeweiligen Nutzer bei dem einen KIT beispielsweise Spielgeräte ausleihen, andere KITs dienen als Infopoint, Anlaufstelle im Quartier oder Depot für Gartengeräte. Je nach Ort, je nach Anforderung.

Gemeinsam setzten die IBA und Bryum sechs KITs an verschiedenen Standorten in den drei Ländern um. Zusätzlich stellen die Partnergemeinden der IBA Basel bis 2020 zwei mobile KITs zur Verfügung. Für die Teilnahme am Projekt kann sich jede Gemeinde der trinationalen Region Basel bewerben. Die Gemeinde entscheidet selber, wo sie eine der Kisten aufstellt. Die IBA unterstützt den Prozess als Vermittlerin. Sie bringt Akteure an einen Tisch, die nichts voneinander wissen, und gibt bei Bedarf organisatorische Starthilfe. Die Planer von Bryum entwickeln das raumplanerische Konzept, treten jedoch in den Hintergrund, sobald das KIT installiert ist. Ab diesem Zeitpunkt liegt es in der Hand der Quartiersbewohner, ob sie das Angebot annehmen oder ablehnen. WIE EIN KIT DIE WAHRNEHMUNG VON BÜRGERBETEILIGUNG WANDELTE

Die „Gärtner-KITs“ in St. Louis (F) und Rheinfelden (D) sind die bekanntesten

Fotos: © IBA Basel/Daniel Spehr

JOHANNA JOECKER


IBA BASEL 2020 IBA PROJEKT: IBA KIT

Beispiele des IBA KITs. Beide Container sind gleich aufgebaut – sie dienen als Aufbewahrungsräume mit Spinden und Gartengeräten – und animieren seit inzwischen drei Jahren erfolgreich Quartiersbewohner und Besucher zur Teilhabe an zwei Gärtnerprojekten. Das KIT in Rheinfelden (D) steht auf der Fläche einer ehemaligen Kiesgrube in Stadtrandlage. Im Rahmen des Projektes entstand ein Gemeinschaftsgarten, der heute mit öffentlicher Unterstützung von einem Kleingartenverein getragen wird. Gepflegt, aber in nicht allzu strenger Ordnung reihen sich Hochbeete aus verschiedenen Materialien im „Stadtgärtle“ aneinander. In der Mitte steht ein selbstgebauter Pizzaofen aus Lehm und auch an die Insekten und Bienen wurde mit entsprechenden Rückzugsorten gedacht. In St. Louis findet man das IBA KIT in den Jardins de Francette, einem liebevoll gestalteten Gemeinschaftsgarten zwischen den etwas in die Jahre gekommenen Sozialwohnblöcken – mitten in der französischen Kleinstadt. Unter alten Bäumen verteilen sich um den Container herum etwa 50 gepflegte Hochbeete, in denen verschiedene Gemüsesorten wachsen. Das Projekt ist ein voller Erfolg. Isabelle Wiedensohler betreut seit 2014 die Jardins de Francette. Von der ersten Sitzung in einer Tiefgarage bis zur Gründung des Vereins, der heute eigenständig den Stadtgarten trägt, war Wiedensohler dabei. Die Erfolge des Projekts können sich ihrer Meinung nach sehen lassen: Im Zuge des Projekts achten die Nachbarn darauf, dass kein Müll mehr auf der Straße und dem Hof liegt, im Hof nebenan wurde ein kleiner Spielplatz gebaut, und die Stadt St. Louis hat eine eigene Abteilung für Bürgerbeteiligung eingerichtet, die heute Wiedensohler leitet. Das Projekt hätte ihr Leben verändert, sagt sie selber. Ähnliches gilt aber auch für die örtliche Stadtgesellschaft. Denn das KIT in St. Louis hat merklich die öffentliche und politische Wahrnehmung von Projekten mit Bürgerbeteiligung gewandelt. Und das ist im zentralistisch geprägten Frankreich.

einzelnen Freiräume haben – wie in St. Louis und Rheinfelden – eine soziale Strahlkraft entfaltet und einen Mehrwert vor Ort generiert. Der Grundgedanken des aus der „Trinationalen Freiraumproduktion“ weiterentwickelten KITs war jedoch, dass es sich beim Projekt um ein großes Experimentierfeld handeln sollte, in dem der Zufall spannende neue Begebenheiten entstehen lässt. Hier enttäuscht das KIT. Die Kisten wurden mal mehr oder weniger genutzt, jedoch wartete keine mit dem ungeahnten Funken auf, der etwas gänzlich Neues erschuf. Aber kann und muss das ein IBA Projekt dieses Formats überhaupt leisten? Nicht unbedingt, da der Effekt an anderer Stelle groß ist: Das IBA KIT hat im Sinne der IBA Basel die trinationale Zusammenarbeit gestärkt – das ist der Auftrag der IBA Basel. Genauso wie neue experimentelle Wege zu gehen und Erkenntnisse für nächste Projekte zu gewinnen – denn das ist der Anspruch einer jeden Internationalen Bauausstellung. Anfang des Jahres werden die Projektergebnisse zusammengetragen und bei der IBA Expo 2020 präsentiert. Hierzu holen die Projektträger mehrere Container vom Depot. Diese sollen auch nach 2020 weiterhin für temporäre Einsätze in den Gemeinden zur Verfügung stehen. In St. Louis bemüht man sich hingegen um Langfristigkeit. Das KIT in den Jardins de Francette, sein Geist und die Motivation der Bevölkerung, soll seine Strahlkraft behalten und fester Bestandteil des Quartiers werden. Der einstige Nomade hat sich wider Erwarten niedergelassen und scheint bleiben zu wollen.

IBA KIT

Zusammen Leben Bryum GmbH (CH); Stadtgärtnerei Basel-Stadt (CH); Gemeindeverwaltung Riehen (CH); Stadtverwaltung Weil am Rhein (D); Stadtverwaltung Rheinfelden/Baden (D); Services des espaces verts de Saint-Louis (F); Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel (CH) ANZAHL KITS Sechs + zwei mobile Container HANDLUNGSFELD PROJEKTTRÄGER

Neben dem Container in St. Louis (siehe Bilder) standen weitere KITs in Rheinfelden (D), Riehen (CH) und Lörrach (D), auf dem Basler Marktplatz und im Rheinpark in Weil am Rhein. Eine weitere Kiste ging außerdem nach Mulhouse (F).

DAS KIT STÄRKT DIE TRINATIONALE ZUSAMMENARBEIT

Die IBA Basel 2020 hat das KIT Projekt ursprünglich unter dem recht abstrakten Titel „Trinationale Freiraumproduktion“ initiiert. Freiraum, in allen drei Ländern produziert, sollte entstehen. Das ist mit den Containern gelungen. Nicht in allen Ländern gleich gut und gleich nachhaltig, aber es ist gelungen. Akteure kamen über die Landesgrenzen hinweg miteinander ins Gespräch. Die 35 GARTEN+ L ANDSCHAFT


PARC DES CARRIÈRES Ein attraktiver Naturraum soll das Kiesabbaugebiet und die landwirtschaftlich genutzten Flächen vor den Toren Basels aufwerten. Die IBA Basel zeichnete die Idee eines „Parc des Carrières“ an der Landesgrenze zwischen Frankreich und der Schweiz als Modellprojekt aus. Die Umsetzung der ersten Etappe ist für 2020 vorgesehen. DANIELA DIETSCHE

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IBA BASEL 2020 IBA PROJEKT: PARC DES CARRIÈRES

AUTORIN Daniela Dietsche ist Bauingenieurin und Fachredakteurin bei der Schweizerischen

Visualisierung: © IBA Basel/Les Ateliers Paysagistes LAP’S

Bauzeitung TEC21.

Zukunftsansicht des Parks vom zuständigen Büro Les Ateliers

Zwischen Basel und Allschwil, Hégenheim und St. Louis liegt ein unbebauter Raum, eingefasst von Industrie, Gewerbe, Siedlungen und Kleingärten. Der Großteil der 300-Hektar-Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Zudem baut die KIBAG hier Kies ab: Förderbänder und Materialdepots sind von Weitem zu sehen. Noch ist dies nicht der attraktivste Ort für eine ausgedehnte Mittagspause oder einen Sonntagsspaziergang mit der Familie. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. In der Kernzone des Landschaftsraums an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich entsteht das IBA Projekt „Parc des Carrières“. SCHAFWEIDE STATT MAISFELD

Paysagistes LAP’S. So soll der Parc des Carrières nach Etappe 1 aussehen.

Noch bis 2040 wird auf dem Gelände Kies im Tagbau abgebaut (carrière = Grube). Sobald die Bagger weiterziehen, wird die

KIBAG die Gruben jeweils mit sauberem Bodenaushub füllen. Die Planung sieht vor, das Material zu nutzen und die Geländeoberfläche so zu modellieren, dass eine erlebnis- und artenreiche Landschaft entstehen kann. Die Kernzone des Gebiets – rund elf Hektar – wird in drei Etappen zu einem Naherholungsraum umgestaltet. Die Bevölkerung der Region profitiert vom Wandel dieses Gebiets: als Freizeit- und Begegnungsort, aber auch als attraktiver Rahmen für neue Wohnviertel im Umfeld. Wo heute ertragsorientierte Landwirtschaft dominiert, werden im Süden neu zwei ökologische Korridore, der Korridor Basel und der Korridor Allschwil, geschaffen. Die Stadt St. Louis hat den dritten, nördlich gelegenen Korridor Bourgfelden bereits realisiert. Entlang der neuen Wege werden naturnahe Säume angelegt. Die Korridore sind Teil einer Vernetzungsstrategie von dem Naturschutzgebiet Petite Camargue 37 GARTEN+ L ANDSCHAFT


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