Garten und Landschaft 01 2014

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Januar 2014

Garten+

Landschaft Zeitschrift f체r Landschaftsarchitektur

Biosph채re


Inhalt 1/2014

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Biosphäre

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

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Den künftigen Lebensraum gemeinsam entwickeln Katrin Rochner Das Biosphärenreservat Schwäbische Alb

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Zukunftsbilder für zwei Schweizer Täler Christian Mueller Inderbitzin, Franziska Singer Neue Impulse für die Gemeinde Glarus-Süd

Editorial

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Was heißt denn schon Natur? Robert Schäfer

Journal

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Ideen für bessere Wohnquartiere in Hamburg-Horn Robert Schäfer Otto Linne Preis für urbane Landschaftsarchitektur 2013

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Grünes Band durch Europa Uwe Riecken, Beate Jessel Der Biotopverbund entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs

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Adaptable City – Stadt im Wandel Thomas Armonat 12. Europan-Wettbewerb entschieden

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Allianz zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Wasserwirtschaft Eckart Krüger Länderübergreifendes Gewässermanagement an der Flusslandschaft Elbe

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Jörg Heiler: Gelebter Raum Stadtlandschaft Thomas Sieverts Ein Buch zu Taktiken für Interventionen an suburbanen Orten

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Saarländische Mondlandschaften Sabine Graf Karge Abraumhalden als ungewöhnlicher Lebensraum

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Lyon: Licht-Inszenierung im Tunnel Robert Schäfer Ein Fluchttunnel als illuminiertes Vergnügen für Fußgänger und Radfahrer

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Der Nationalpark Schwarzwald Dietwalt Rohlf Deutschlands jüngster Nationalpark

6 David Vogel gewann den Europan-Wettbewerb für den Standort Konstanz/Kreuzlingen am Bodensee. Es ging darum, Ideen für das stark genutzte Ufer zu entwickeln.

9 Zur „Fête des Lumières“, die Anfang Dezember in Lyon stattfand, installierte das Atelier Skertzò in einem Tunnel für Fußgänger und Radfahrer zwölf Lichtprojektionen.

10 Da auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen stets Schafe weideten, blieb dort eine parkartige Weidelandschaft ­erhalten, wie sie im 19. Jahrhundert auf der Alb ­üblich war.

14 Das Zukunftsbild für die Alpwirtschaft im Sernftal der Gemeinde Glarus-Süd sieht ­Kooperations­höfe vor, so dass eine großzügige Weidelandschaft in dem abgelegen Schweizer Tal entsteht.

20 Der Skutarisee an der Grenze zwischen Montenegro und ­Albanien ist eines der wichtigsten Feuchtgebiete des Grünen Bands auf dem Balkan.

Nachrichten Termine Recht Campus Wettbewerbe Produkte DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Impressum

40 45 47 48 50 57 58 64

36 Das Areal rund um die Pass­ höhe Ruhestein ist einer der beiden Teilbereiche des Nationalparks Schwarzwald. Die ­Natur soll dort sich selbst überlassen bleiben.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 124. Jahrgang

Bilder: Lucas Rauch und Jim Reifferscheid, Skertzò, Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb, Franziska Singer, Uwe Riecken, Albrecht E. Arnold/pixelio.de Titel: Wilder See im Nationalpark Schwarzwald, Charly Ebel

Für die Zukunft gestalten. 2

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Den künftigen Lebensraum gemeinsam entwickeln 2009 erkannte die Unesco die Mittlere Schwäbische Alb als Biosphärenreservat an. Damit wurde es notwendig, ein Rahmenkonzept mit Leitbildern für den Schutz und die Entwicklung der Region zu erarbeiten. Für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb wird das „Arbeitshandbuch für die Zukunft“ zusammen mit Bürgern und anderen Akteursgruppen entwickelt.

Katrin Rochner

Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb (5)

Sattgrüne Buchenwälder, Teile des größten zusammenhängenden Streuobstgebiets ­Europas, von Schafen beweidete Wacholderheiden, blütenreiche Kalkmagerwiesen und der beeindruckende Albtrauf zählen genauso zum Biosphärengebiet Schwäbische Alb wie der ehemalige Truppenübungsplatz in Münsingen. 2009 nahm die Unesco die ­85 000 Hektar große Mittlere Schwäbische Alb als erstes Gebiet BadenWürttembergs in den Kreis der über 620 Biosphärenreservate weltweit auf. Für die Region ist das eine Auszeichnung, die Verpflichtungen mit sich bringt. Denn in dem 40 Punkte umfassenden Kriterien­ katalog der Unesco wird neben einer bestimmten Gebietsgröße gefordert, das Schutzgebiet in verschiedene Zonen zu ­unterteilen, ein Informationszentrum zu ­errichten, die Gebiets­verwaltung mit aus­ reichend Mitarbeitern zu bestücken und ein flächendeckendes Rahmenkonzept

Das Biosphärenreservat Schwäbische Alb umfasst nicht nur Natur-, sondern auch Kultur­güter wie die Burg Hohen Neuffen oberhalb der Gemeinde Beuren.

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­ uf­zustellen. Dieses Konzept legt den künf­ a tigen Handlungsrahmen und Arbeitsauftrag für das Großschutzgebiet fest und soll i­nnerhalb von drei Jahren nach der Unesco-Anerkennung vorliegen. Aufgrund der ­hohen Bereitschaft der Bürger sich für die Entwicklung der Region zu engagieren, stand von Anfang an fest, das Rahmenkonzept mit ­einer breit angelegten Bürger­beteiligung zu erarbeiten. Diese partizipa­tive Vorgehensweise ist neu für ein Biosphärenreservat. Bürger gestalten regionale Zukunft mit Ende 2010 startete die Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb beim Regierungspräsidium Tübingen gemeinsam mit der Bietergemeinschaft team5+ den Betei­ ligungsprozess. team5+ ist ein Netzwerk von Unternehmen, das Veränderungsprozesse in der Regionalentwicklung begleitet. Die ­Bürger sollten sich in einem Ideenwettbewerb mit Zukunftsfragen beschäftigen:

„Wohin soll sich die Region in den kommenden Jahren entwickeln?“, „Was sind unsere Stärken?“, „Was zeichnet das Biosphärengebiet aus?“, „Wie stellen Sie sich das Leben im Biosphärengebiet Schwäbische Alb im Jahr 2020 vor?“. Um auszu­ drücken, wie die Region heute aussieht ­ und in Zukunft aussehen soll, konnten ­Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren ­ ein Bild malen, Jugendliche ­einen kurzen Videoclip abgeben und Erwachsene ihre ­Vision in Kurzgeschichten festhalten. Ins­ gesamt gingen rund 70 Beiträge ein, die Wahl der besten erfolgte über ein OnlineVoting auf der Internet­seite des Biosphärengebiets. Die besten Beiträge wurden auf der ersten „Großen Akteursrunde“ ­prämiert. Zugleich wurde die Veranstaltung genutzt, um ­gemeinsam mit den rund 200 Anwesenden weiter am Rahmenkonzept ­zu arbeiten. ­ Für zwölf Themen (siehe Seite 10) wurden

Der Blick auf Bissingen/Teck zeigt die große Vielfalt der Kulturlandschaft, die auf der Schwäbischen Alb zu finden ist.

Das Unesco-Biosphärenreservat Schwäbische Alb besteht aus drei Zonen: Kernzonen, die dem unbeeinflussten Naturzustand nahe kommen, Pflegezonen mit schonender Landnutzung und Entwicklungs­zonen, die wirtschaftlich nachhaltig ­genutzt werden. Karte: Geschäftsstelle Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Die zwölf Arbeitskreise des UnescoBiosphären­reservats Schwäbische Alb: 1. Naturschutz 2. Schäferei 3. Streuobst 4. Weinbau 5. Forst- und Jagdwirtschaft 6. Umwelt- und Klimaschutz 7. kommunale Entwicklung 8. Planung und Verkehr 9. Tourismus und Gastronomie 10. Bildung für nachhaltige Entwicklung 11. historisch-kulturelles Erbe 12. Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Garten + Landschaft

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Zukunftsbilder für zwei Schweizer Täler Während der nördliche Teil des Kantons Glarus von der Nähe zur Metropolitan-Region Zürich profitiert und stellenweise stark prosperiert, ist der südliche Teil von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt. Für die beiden angrenzenden Täler, das Grosstal und das Sernftal, zeigt eine Studie trotz Schrumpfung neue Entwicklungsmöglichkeiten, die auf den Besonderheiten von Bebauung und Landschaft beruhen.

Die Karte des Kantons Glarus aus dem Jahr 1713 zeigt, dass die Alpwirtschaft in dieser Region schon damals eine große Rolle spielte. Das ETH Studio Basel stellte sich die Frage, wie die Kulturlandschaft zukunftsfähig ­gemacht werden kann. Karte: Johannes Adam (1713) in Hösli (1948): Glarner Land und Alpwirtschaft

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Das ETH Studio Basel prägte den Begriff Alpine Brache für alpine Regionen, die den Sogwirkungen der Städte ausgesetzt sind (siehe Erläuterung Seite 18). Die Bevölkerung nimmt ab und die ökonomische Leistungsfähigkeit schwindet. Welche Entwicklungsszenarien gibt es für diese Alpinen Brachen? Für die Gemeinde Glarus Süd im Kanton Glarus schlägt das ETH Studio Basel in eine Studie Zukunftsbilder vor, die den Wandel nutzen, um Landschaft und Siedlung umzugestalten und schlummernde Potenziale freizulegen. Die Gemeinde mit den beiden angrenzenden Tälern Grosstal und Sernftal weist eindeutig die Charakteristiken einer Alpinen Brache auf. Die Einwohnerzahlen der Dörfer sind seit Jahrzehnten rückläufig, die einst für wirtschaftlichen Aufschwung und Fortschritt verantwortliche Textilindustrie ist so gut wie zusammengebrochen und der Tourismus in der Region ist von marginaler wirtschaftlichen Bedeutung. Die Landwirtschaft ist kleinteilig und die lokale Weiterverarbeitung von Produkten gering. Der Kanton Glarus liegt am Rand der Alpen und damit im Einflussbereich der Metropolitan-Region Zürich. Der nördliche Teil des Kantons profitiert davon. Er ist sowohl als Wirtschafts- als auch als Wohnstandort

gefragt. Dagegen verharrt der südliche Teil in einer für Alpine Brachen typischen Agonie. Das Studio Basel sieht in dem NordSüdgefälle innerhalb des Kantons eine Chance. Es versucht nicht, den südlichen Teil dem nördlichen anzugleichen, sondern beabsichtigt eine Art Kontrastverstärkung innerhalb des Kantons und damit ­eine Profilierung des südlichen Teils der Gemeinde Glarus Süd. Neue Voraussetzungen für die räumliche Entwicklung ergaben sich 2011 aus der Gemeindefusion im Kanton Glarus, als sich 25 Gemeinden zu drei zusammenschlossen. Die Dörfer in Glarus Süd können sich nun als „Quartiere“ der Großgemeinde begreifen. Schwanden, der größte Ort, ist sinngemäß das „Gemeindezentrum“, während das Gross- und Sernftal neue Aufgaben innerhalb der Gemeinde, aber auch innerhalb des Kantons übernehmen. Das ETH Studio Basel entwirft mit seinem Projekt Zukunftsbilder für die beiden Täler. ­ Es thematisiert eine Transformation, die nicht auf Wachstum basiert, sondern eine kontrollierte Schrumpfung nutzt. Damit ist ­keineswegs ein aktiver Abbau gemeint. Vielmehr nimmt das Projekt ernst, dass ­Bevölkerung und Wirtschaft seit Jahren schrumpfen und macht dies zu seinem ­Ausgangspunkt.

Franziska Singer

Christian Mueller Inderbitzin, Franziska Singer

Das Sernftal im Schweizer Glarus ist landwirtschaftlich geprägt. Angelehnt an diese Tradition soll das Tal nach dem Konzept des ETH Studio Basel künftig im Sinne einer ­modernen Alpwirtschaft mit lokaler Wertschöpfungskette agieren.

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Pioniergewächse gehören zu den wenigen Pflanzen, die sich auf den steinigen, trockenen Halden der ehmaligen Tagebaue im Saarland ­ansiedeln.

Saarländische Mondlandschaften Karge Steinhaufen statt blühender Landschaften – das sind die Hinterlassenschaften des Tagebaus im Saarland. Die Halden zu begrünen und den Bergbau vergessen zu machen, widerspricht dem Umgang mit regionaler Kultur. Stattdessen wurden die Plateaus und Hügel mit Wanderwegen, Kunst und ein­fachen landschaftlichen Eingriffen zu ungewohnt anmutenden Lebensräumen.

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Auf der Oberfläche der mit Regen­ wasser gefüllten Weiher auf der Halde Lydia spiegelt sich der weite Himmel. Vor allem an den Gewäs­ serrändern siedeln sich trotz des kargen Bodens Pflanzen an.

Berthold Stein (5)

Ein Haldenrundweg erschließt die Halde Lydia bei Saarbrücken, die den Abraum der Grube Camphau­ sen aufnahm. Die Produktdesigner Harald Hullmann und Jörg Grimm­ ler mit Dutt & Kist Landschafts­ architekten entwarfen das Kon­ zept für die Halde.

„Ist das schon alles?“ Ein Mann steht auf ­einem Balkon, schaut auf Wasser, umgeben von viel Grün. Am Horizont sticht der weiße Turm der St. Bonifatiuskirche vom Püttlinger Stadtteil Ritterstraße unweit Saarbrückens heraus. Der Mann wundert sich. Nicht we­ gen des Balkons im Wald. Ihm fehlt das Schild, das einst ein Naherholungsgebiet auf der Halde am Frommersbachweiher im Wald zwischen Saarbrücken und Püttlingen ver­ sprach. „Die Leute dachten, hier gäbe es was zur Erholung“, meint er. Das ist es doch, ­bestätigt ihm Jörn Wallacher, Förster, Land­ schaftsplaner und bis ins vergangene Jahr Leiter des Referats „Wald und Landschaft“ im saarländischen Umweltministerium und damit für diesen Ausguck verantwortlich. Der Balkon, auf dem beide stehen, „ist extra dafür gemacht und für Besucher hergerich­ tet“, erklärt er dem Mann. Es ist die sprich­ wörtlich „Schöne Aussicht“, ein Belvedere. Nur haben angesichts von Halden und ­Absinkweihern Bewohner und Planer unter­ schiedliche Vorstellungen, was den Umgang mit der Bergbaufolgelandschaft angeht. Manchem wäre wohl statt des Balkons ein Grillplatz lieber. „Aber das hätte nur eine weitere Belastung der Ressource Wald be­ deutet“, sagt Wallacher. Wenn Eingriffe, dann nur solche, die keine neuen Probleme schaffen, sondern Natur und Menschen glei­ chermaßen zu ihrem Recht verhelfen. Wald

Ulla Trampert/pixelio.de

Sabine Graf

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