Januar 2015
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Innenstadtentwicklung
Inhalt 1/2015
Newsletter Jetzt kostenlos Newsletter abonnieren: www.garten-landschaft.de Regelmäßig Neuigkeiten aus der Branche
Nach langen Diskussionen wird die Mariahilfer Straße in Wien nun schrittweise zur Fußgängerzone umgebaut. Bureau B+B
Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
125. Jahrgang
Für die Zukunft gestalten.
Garten + Landschaft
1
Die Aneignung der Höllen Gesa Loschwitz-Himmel
Journal
4
Berlin – Koblenz – London Bettina Krause Peter-Joseph-Lenné Preise vergeben
6
Das Narrative in der Analyse Robert Schäfer Tagung „Die Erfindung der Landschaft“ am 5. Dezember 2014 in München
4 Miriam Dittrich und Kevin Lawitzky erhielten für ihren Entwurf „Zellstruktur“ für den IGA-Campus auf der IGA Berlin 2017 den Lenné-Preis und die Karl-Foerster-Anerkennung.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
2
Editorial
1/2015
6 Bei der Tagung „Die Erfindung der Landschaft“ zeigte Monika Gora ihre Interventionen. Für ein Wohngebiet in Malmö entwickelte sie ein Gewächshaus als gläserne Blase.
8 Künftig müssen in Innenstädten neue nutzbare Freiräume erschlossen werden. Auf einem begrünten Dach in Stuttgart können auch Jogger ihre Runden drehen.
Innenstadtentwicklung
8
Zukunftsaufgaben für die Innenstädte Carlo W. Becker, Lena Flamm Gestaltung der Ränder, Wohnqualität und Klimawandel
14
Kelsterbacher Achterbahn Susanne Stein Stadtplatz als Ergebnis einer Innenstadtinitiative
17
Der Berliner Westen wird aufgeräumt Uwe Rada Aufwertung der Plätze und Freiräume in der City West
22
Im Schatten der großen Schwester Juliane von Hagen Neuer Marktplatz für die Rheydter Innenstadt
26
Die Ebene von Plainpalais in Genf: Rotes Pendant des Hafenbeckens Valérie Hoffmeyer Neugestaltung nach 50 Jahren voller Planspiele
30
Wo Parks noch wachsen Von Mechthild Harting Flächengewinn für die alten Frankfurter Wallanlagen
34
Vorrang für Fußgänger Erik Meinharter Fußgängerzone in der Wiener Mariahilfer Straße
14 Eine organisch geschwungene Pergola setzt einen räumlichen Akzent auf dem Graf-de-Chardonnet-Platz in Kelsterbach. Der neue Stadtplatz befindet sich auf einem ehemaligen Fabrikgelände.
22 Neues Pflaster bedeckt den Marktplatz rund um die evangelische Hauptkirche in Mönchengladbach-Rheydt. Er ist einer der ältesten Plätze de Stadt.
Nachrichten Campus Projekte Produkte Wettbewerbe DGGL Nachrichten Vorschau, Autoren, Impressum
42 46 48 52 54 56 64
26 Die Plaine de Plainpalais spielt seit über 1 000 Jahren eine wichtige Rolle in der Geschichte des öffentlichen Raums in Genf. Heute fühlen sich auch Skater dort wohl.
Bilder: Miriam Dittrich/Kevin Lawitzky, Åke E:son Lindman, optigrün, Thomas Eicken, Lichtschwärmer, M. Lopreno
Garten + Landschaft
1/2015
3
Journal
Berlin – Koblenz – London Peter-Joseph-Lenné Preise vergeben
4
Garten + Landschaft
1/2015
ntwurf schafft zugleich GegenE überstellung und Verbindung zwischen dem modernen London und der Vegetation, wie sie im Mittelalter vorherrschte. Er weist damit auf die stete, auch heute noch bestehende Bedrohung der Natur durch den Menschen hin. Angesichts des mög lichen Anstiegs der nahen Themse ein ernstzunehmender Fingerzeig. Der Entwurf agiert mit historischen Motiven zukunftsweisend und ist in seiner monochromen Darstellung auch gestalterisch innovativ. In der zweiten Kategorie galt es, für den IGA-Campus der IGA Berlin 2017 ein nachhaltiges, räumliches Konzept zu entwickeln, das International Camp, Global School Garden und Grünes Klassenzimmer enthält. Mit ihrem Entwurf „Zellstruktur“ überzeugten Miriam Dittrich (Blender) und Kevin Lawitzky (Bonn) die Jury doppelt und erhielten Lenné-Preis und Karl-Foerster-Anerkennung. Das Konzept leitet sich von der Organisation eines lebenden Organismus ab und fügt zellförmige Strukturen in Form von Beeten, Plätzen oder Pavillons flexibel aneinander. Martina Schwarz und Martin Schmitz aus Berlin erhielten den Lenné-Preis in der nationalen Aufgabenstellung für ihre vier „Festungsringe“ um die Großfestung Koblenz. Das Konzept führt die vorhandenen Grünund Freiflächen zusammen, macht die Beziehungen zwischen den Festungsbauten erlebbar und stellt Blickbeziehungen der verschiedenen Festungsbauwerke her. Eingereicht wurden 65 Arbeiten von insgesamt 113 Entwurfsverfassern, davon 91 aus Deutschland, 20 aus Slowenien, Polen, Schweiz, England, Frankreich und Dänemark. Bettina Krause
Unter dem Titel „London Marsh“ greifen Martin auf der Lake, Ole Christ und Christian Röper das historische Landschaftselement der Marshlands als zentrales Motiv auf. Marschflächen werden durch Stege für den Menschen begeh- und erlebbar.
Martin auf der Lake, Ole Christ und Christian Röper
Als größter internationaler Nachwuchswettbewerb für Landschaftsarchitekten würdigt der mit 5 000 Euro dotierte Peter-Joseph-Lenné-Preis alle zwei Jahre herausragende Leistungen von Studenten und Berufsanfängern. Zum 225. Geburtstag des namensgebenden Gartenkünstlers bekamen am 21. November in der Akademie der Künste in Berlin 15 Studenten der Landschaftsarchitektur ihre Preise und Anerkennungen. Der Ideenwettbewerb umfasste drei Kategorien, in denen zusätzlich zum Lenné-Preis auch jeweils einmal die Karl-FoersterAnerkennung für besonders gelungene Pflanzenverwendung verliehen wird. Mit 1 500 Euro dotiert erhalten hier die Bemühungen um die Pflanzenauswahl zusätzlich Gewicht. Die Teilnehmer konnten zwischen den drei Kategorien lokal (Berlin), national (Koblenz) und international (London) ihr präferiertes Projekt wählen. Auf internationaler Ebene konnten Ole Christ (Hamburg), Christian Röper (Osnabrück) und Martin auf der Lake (Osnabrück) mit ihrem provokativen wie poe tischen Entwurf „London Marsh“ überzeugen. Die Auf gabe „City of London – Das kulturelle Rückgrat“ erforderte für den größten Finanzplatz der Welt und gleichzeitig das historische Zentrum Londons eine Neustrukturierung des Straßenraums und eine Aufwertung des Distrikts. Der unkonventionelle, gewagte Ansatz der drei Gewinner sieht vor, eine historische Marschlandschaft aus Schilf, Rohrkolben, Binsen, Wasser knöterich und Wollgras zu gestalten, wie sie ursprünglich in diesem Gebiet vorherrschte. Als verbindendes Element wird sie in den städtischen Kontext integriert und durch Stege begehund erlebbar gemacht. Der
Miriam Dittrich und Kevin Lawitzky
Für den IGA-Campus in Berlin entwarfen Miriam Dittrich und Kevin Lawitzky einen vielfältigen und lebendigen Aktionsraum, den sie von der Organisation eines lebenden Organismus ableiteten. Zellförmige Strukturen sind als Beete, Plätze oder Pavillons ausgestaltet.
Martina Schwarz und Martin Schmitz
Die vier Festungssysteme in Koblenz verbinden Martina Schwarz und Martin Schmitz zu „Festungsringen“. Diese gestalten sie als Wege, entlang derer man auf die freigelegten historischen Fragmente der Festungen blicken kann.
Preisträger IGA Berlin 2017 – Internationaler IGA-Campus Peter-Joseph-Lenné-Preis und Karl-Foerster-Anerkennung: Miriam Dittrich (Blender) und Kevin Lawitzky (Bonn): „Zellstrukturen“ Peter-Joseph-Lenné Anerkennung: Lotta Gärtner (Braunschweig): „Pixel Park“ sowie Michael Mielke (Berlin): „Campus mobil“ Großfestung Koblenz – Chancen für den Freiraum Peter-Joseph-Lenné-Preis: Martina Schwarz und Martin Schmitz (Berlin): „Festungsringe“ Karl-Foerster-Anerkennung: Martin Ermer (München): „radikal bunt“ Peter-Joseph-Lenné-Anerkennnung: Maren Luger und Mara Johanna Hoogen (Dresden): „Neue Urbane Grüne Identität“ City of London – Das kulturelle Rückgrat Peter-Joseph-Lenné-Preis: Martin auf der Lake (Osnabrück), Ole Christ (Hamburg) und Christian Röper (Osnabrück): „London Marsh“ Peter-Joseph-Lenné-Anerkennung und Karl-Foerster-Anerkennung: Julia Ulrich (München) und Constantin Bös (Schwaig): „Collision City“ Peter-Joseph-Lenné-Anerkennung: Jasper Lippert (Berlin): „Let’s go for a walk“ Garten + Landschaft
1/2015
5
Zukunftsaufgaben für die Innenstädte Die Gestaltung der Ränder der Innenstädte, die Wohnqualität in den Stadtzentren und die Anpassung an steigende Temperaturen sind Themen, die dringend angegangen werden müssen.
Lena Flamm (5)
bgmr Landschaftsarchitekten
Carlo W. Becker, Lena Flamm
Nachdem der Verkehr aus der Stra ße „Holstenbrücke“ in Kiel heraus genommen wurde, gestalteten bgmr einen Aufenthaltsort. Der verrohrte Kanal wurde geöffnet.
8
Garten + Landschaft
1/2015
In den achtziger Jahren setzte ein schritt weiser Wandel der stadtplanerischen Leitbil der ein. Anstelle der Großwohnsiedlungen und Eigenheime in der urbanen Peripherie rückten die Innenstädte und Bestandsgebie te der gründerzeitlichen Stadt in den Fokus. Zunächst im Westen Deutschlands wurden statt Flächenabriss die behutsame Stadt erneuerung und die kritische Rekonstrukti on proklamiert. Heute postulieren die Stadt entwicklungskonzepte das Leitbild „Innen entwicklung vor Außenentwicklung“. Die Reaktivierung innerstädtischer Brachen und Konversionsflächen genießt oberste Priori tät – so zumindest der Anspruch. Die Förderpolitik der Stadtentwicklung wurde schrittweise diesen Zielen angepasst, um die Prozesse der Innenentwicklung in
Bei genauem Hinschauen weisen die Ränder der Zentren der Alt- oder Kernstädte große Defizite auf. Die Ränder sind Zwischenräume, Erschließungsflächen, Rückseiten, Anlieferzonen, Großstellplätze und Zufahrten für Parkhäuser.
Fast jede deutsche Stadt hat sie: verkehrsdominierte Ringe um die Innenstädte, von links nach rechts: Lübeck, Chemnitz, Leipzig. bgmr Landschaftsarchitekten (3)
den Städten zu stärken. Programme der behutsamen Stadtsanierung, des Stadt umbaus und der Stärkung der Mitten wur den aufgelegt. Dennoch wuchs die Anzahl der Einkaufscenter an den Rändern der Städte weiter, die Eigenheimzulage wurde erst 2006 abgeschafft. Stadtentwicklung manifestiert sich seitdem in diesem Spagat zwischen Innen und Außen. Das Credo der Innenentwicklung hat Fol gen, die heute sichtbar werden. Die öffent lichen Räume der Innenstadtzentren wur den in den vergangenen beiden Jahrzehn ten umfassend aufgewertet, die Fußgänger zonen umgebaut, die Gassen saniert und die Markt- und Stadtplätze hochwertig her ausgeputzt. In den meisten Innenstädten ist viel erreicht worden.
Jetzt, da viele der innerstädtischen Plätze, Schmuckanlagen und Promenaden saniert sind, wo liegen nun die Zukunftsaufgaben in unseren Innenstädten für die Freiraum planung?
Die lange vernachlässigten Ränder der Stadtzentren werden zu inner städtischen Peripherien. Von links nach rechts: Hardbrücke in Zürich, Kebelstraße in Berlin, Norton Street in Liverpool, Schönhauser Allee in Berlin, Oosterdokskade in Amsterdam.
Zukunftsaufgabe I Die Ränder der Innenstädte Bei genauem Hinschauen weisen die Rän der der Zentren der Alt- oder Kernstädte große Defizite auf. Die Ränder sind Zwi schenräume, Erschließungsflächen, Rück seiten, Anlieferzonen, Großstellplätze und Zufahrten für Parkhäuser. Verkehr domi niert diese Räume. Wie in der Zwischen stadt sind an den inneren Rändern der Stadt die Prinzipien der europäischen Stadt außer Kraft gesetzt. Oftmals trennen Garten + Landschaft
1/2015
9
Archigraphie
Die Plaine de Plainpalais prägt seit über 1 000 Jahren die Geschichte des öffentlichen Raums in Genf. Nach langen Diskussionen wurde sie nun nach Plänen des Atelier ADR umgestaltet.
Die Ebene von Plainpalais in Genf: Rotes Pendant des Hafenbeckens Seit über 1 000 Jahren gibt es den Platz Plaine de Plainpalais in Genf. Nach 50 Jahren mit Gedankenspielen und Überlegungen ist der Platz nun fast vollständig erneuert worden.
Schnitt: ADR
Für die Nordspitze des Platzes ent warf das Marseiller Büro Constructo einen großen Skatepark.
26
Garten + Landschaft
1/2015
Valérie Hoffmeyer ser Erfolgsbilanz sucht die Plaine de Plainpa lais ihresgleichen“, schreibt der Journalist Christian Bernet, der in La Tribune de Genève Höhe- und Tiefpunkte der Geschichte dieses symbolträchtigen Ortes beschrieb. So sehr die Ebene von Plainpalais durch ihre räumliche Eigenart geprägt ist, sind es doch vor allem die Bewohner, die dem Platz seinen Charakter geben. In einer Stadt, in der man innerhalb weniger Wochen zu einem Einhei mischen wird (40 Prozent der Genfer stam men aus dem Ausland, 20 Prozent aus einem anderen Kanton der Schweiz), werden identi tätsstiftende Orte sehr schnell als Marken des eigenen Angekommenseins erlebt. Plainpa lais ist ein solcher Ort, mehr noch als die gro ßen Parks am Hafenbecken, trotz des ange nehmen Klimas und der herrschaftlichen Atmosphäre, die diese vorweisen können. So trifft man auf dem Plainpalais zu allen Jahres zeiten und zu jeder Tages- und Nachtstunde Spaziergänger, die über die Lebensmittelund Flohmärkte flanieren, Teenager auf Inlineskates und Familien mit Kinderwagen, Roma und Banker, modebewusste Kunden der food trucks und Stammgäste der beiden fest installierten Kioske, die Sportler vom Bouleplatz und die Jungen vom Luna Park. Und jedes Jahr im September findet ein
Das rote Granitgranulat der neuen Ebene von Plainpalais ist umstrit ten, doch es punktete, da es wenig Staub erzeugt und nicht viel Pfle ge braucht.
Ville de Genève
Das Genfer Hafenbecken ist mit seiner in die Stadt hineinragenden Wasserfläche, den Uferpromenaden und der 140 Meter hohen Fontäne ein Wahrzeichen der am gleichnami gen See gelegenen Schweizer Stadt. Doch noch prägnanter spiegelt sich die Geschichte der Genfer, seien es alltägliche oder festliche Ereignisse, in der Plaine (Ebene) von Plain palais, einem weitflächigen, rautenförmigen – und neuerdings roten – Platz, der wie ein Wunder seit über 1 000 Jahren unbebaut und trocken geblieben ist. Diese große Freiflä che, die der Arve in zähem Ringen durch Dämme und Pfähle abgerungen wurde, fehlt es nicht an Ähnlichkeiten mit dem Hafen becken. Wie dort sind es die Genf umgeben den Berge, die einen monumentalen Hinter grund abgeben – und nicht die Fassaden der Gebäude. Letztere schaffen es zu keiner Tageszeit, Schatten auf den Platz zu werfen. Die Lichtverhältnisse bestimmt das Wetter. Baumreihen definieren die Grenzen des Plat zes. Doch das, was diesen Ort ausmacht, ist die offene Fläche in der Mitte. Von Bebauung und Verkehr unbehelligt, finden hier jährlich hunderte von Veranstaltungen statt, alltägli che wie außergewöhnliche, die stets einen beachtlichen Teil der 950 000 Einwohner des Großraums Genf anziehen. „Angesichts die
Garten + Landschaft
1/2015
27
Vorrang für Fußgänger Die größte und eine der bekanntesten Einkaufsstraßen von Wien, die Mariahilfer Straße, wird nach langen Diskussionen seit 2014 abschnittsweise zur Fußgängerzone umgebaut. Stadtmöbel und neuer Bodenbelag sollen
Ricky Rijkenberg (3)
sie zu einem Aufenthaltsort in der Innenstadt machen.
Erik Meinharter
Das Konzept für die Wiener Mariahilfer Straße sieht vor, dass Beläge, Bepflanzung, Wasserspiele und Möblierung auf vielfältige Weise miteinander kombiniert werden können. Alle Perspektiven: Bureau B+B/orso.pitro
34
Garten + Landschaft
1/2015
Unzählige Fußgänger bevölkern an einem Samstag in der Adventzeit die „längste Einkaufsstraße der Stadt Wien“. Auch schon vor der Umgestaltung war sie eine der meist besuchten Einkaufsstraßen der Stadt. In der Vorweihnachtszeit wurden die Autos verbannt und die Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone. Nun, da seit Oktober 2014 der erste Abschnitt der Umgestaltung durch die Büros B+B und orso.pitro eröffnet wurde, zeichnet sich der Vorrang für Fußgänger auch in der Gestaltung der Straße ab. Der „Innere Mariahilfer Straße“ genannte Straßenabschnitt, der zwischen dem Gürtel – dem ehemaligen Linienwall als äußeren Befestigungsring – und der Ringstraße – der ehemaligen befestigten Stadtmauer – eine radiale Verbindung herstellt, war schon seit dem 16. Jahrhundert eine bedeutende Straße Richtung Westen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts fuhren auf der Straße erst Pferdebahn und dann Straßenbahnen und nahezu zeitgleich wurden hier die ersten großen Kaufhäuser eröffnet: der Start für die Entwicklung der Straße hin zu einer der bedeutendsten Einkaufsstraßen von Wien. Im
ergleich zu anderen innerstädtischen EinV kaufszonen wie beispielsweise der Kärntner Straße im Stadtzentrum war die Mariahilfer Straße immer schon die weniger noble Adresse, hat jedoch mit rund 180 000 Quadratmetern deutlich mehr Einzelhandelsverkaufsfläche. Umgestaltung zur Einkaufs-Allee Mit der Fertigstellung der U-Bahnlinie 3 in den Jahren 1993, die damals als „shopping Linie“ beworben wurde, ging die erste große Veränderung der Straße an der Oberfläche einher. Die Straßenbahnschienen wurden entfernt, breite Gehsteige mit einer Allee aus Gleditsien und nur zwei Fahrbahnen prägten nun das Straßenbild. Auf den noch vorhandenen Fahrbahnen der Straße schoben sich die Autos jedoch oft Stoßstange an Stoßstange durch die Straße und auch die Gehsteige waren an manchen Tagen, auch aufgrund der Vielzahl an Ausstattungselementen, sehr voll. Die temporäre Fußgängerzone im Advent kann als Initialzündung für die Umgestaltung interpretiert werden. Gestartet wurde das
Projekt bereits 2011 mit einer Studie zu einem neuen Verkehrskonzept für die Einkaufsstraße. Im Vorfeld des Wettbewerbs gab es auf der Basis mehrerer Erhebungen (Sozialraumanalyse, Geschäftsstraßenanalyse, Strukturerhebung des Lieferverkehrs, integriertes Verkehrskonzept) ein Dialogverfahren mit Anwohnern, dessen Ergebnisse Bestandteil der Wettbewerbsauslobung waren. In der Geschäftsstraßenanalyse wurde deutlich, dass schon im Jahre 2008 64,9 Prozent der Besucher mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisten, 23,3 Prozent zu Fuß kamen und 2,6 Prozent mit dem Rad. Das Verhandlungsverfahren konnten Anfang 2013 die Büros B+B und orso.pitro für sich entscheiden. Es folgte ein ein öffentlicher Diskurs, bei dem es vor allem ganz grundsätzlich um das Vorhaben ging, eine Fußgängerzone einzurichten. Mit OnlineUmfragen, einer „Dialogbox“ vor Ort, einer Testphase für die Fußgängerzone und Ausstellungen über die Umgestaltung gab es eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit. Letztendlich stimmten am 7. März 2014 auch die einbezogenen Anwohner zu. Die Stadt erarbeitete daraufhin ein Verkehrskonzept für
Für die Fußgängerzone wählten B+B einen hellen Natursteinbelag. Der Granit stammt aus Schrems, Neuhaus und Hirschenberg in Österreich und lässt sich gut reinigen.
Garten + Landschaft
1/2015
35