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Garten + Landschaft
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Titel 02
Februar 2010
Garten+
Landschaft
Das neue Bundesnaturschutzgesetz
Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Das neue Bundesnaturschutzgesetz
01-03
Edi+Inhalt 02
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Inhalt 2/2010
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Editorial
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Das Ökokonto ist so was von leer! Robert Schäfer
Journal
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Radikale Bilder als Gegenentwürfe zur Rekonstruktion Uwe Rada Entwürfe für das Rathausforum in Berlins Mitte
Forum
Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
120. Jahrgang
Für die Zukunft gestalten.
Garten + Landschaft
Hat Berlin eine Chance ergriffen oder verpasst? IGA 2017 auf dem Tempelhofer Feld: zwei Standpunkte
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Revitalisierungsprojekt Hamburg-Jenfeld ausgezeichnet Robert Schäfer International Urban Landscape Award geht an West 8
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Antwort auf zwei Fragen Zu: Klassik in der urbanen Landschaft, Garten + Landschaft 12/2009
6 Über die Entwicklung des Tempelhofer Feldes gibt es unterschiedliche Ansichten. Klaus Overmeyer vom Studio UC und Christoph Schmidt, Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH, legen ihre Positionen dar.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
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8 Für ihr Konzept für die Revitalisierung einer ehmaligen Kaserne in Hamburg-Jenfeld erhielt West 8 den International Urban Landscape Award 2009, ausgelobt von der Eurohypo AG und der Zeitschrift Topos.
10 Landschaftsplanung ist für neue Baugebiete unverzichtbar. Wie wirksam das neue Bundesnaturschutzgesetz sein wird, hängt im Wesentlichen von den Bundesländern ab.
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Das neue Bundesnaturschutzgesetz
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Das Bundesnaturschutzgesetz 2010 Hubertus von Dressler Das neue Vollgesetz und die Entwürfe der Bundesländer
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Herausforderungen für die Landschaftsplanung Carolin Galler Umweltprobleme und das neue Naturschutzgesetz – eine Kritik
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Das Folgenbewältigungsprogramm der Eingriffsregelung Matthias Herbert Die Paragrafen 15 und 16 des neuen Bundesnaturschutzgesetzes
Urban Design Produkte Projekt
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GaLaBau Praxis Produkte Recht
52 53 55
Nachrichten Campus Bücher Tagungen Wettbewerbe DGGL Nachrichten Wettbewerbe, Termine Autoren, Vorschau, Impressum
36 40 42 44 54 58 60 64
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Kulturlandschaft als Identifikationsraum Gottfried Hage, Adrian Hoppenstedt, Catrin Schmidt Ein Forschungsprojekt des Bundesamts für Naturschutz
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Eigeninitiative ist gefragt Robert Schäfer Interview mit Bernhard Gillich, Leiter des Arbeitskreises Landschaftsplanung des BDLA
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Das Ökokonto in der Bauleitplanung Peter Hermanns Etabliertes Konzept – neu im Bundesnaturschutzrecht
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Moderation von Konflikten in der Bauleitplanung Uwe Herrmann Ein Arbeitsfeld für Landschaftsarchitekten
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Die Europäische Landschaftskonvention Diedrich Bruns Ein Aufruf zu mehr „Landschafts-Governance”
18 Die Eingriffsregelung besteht in den bekannten Prinzipien fort, doch einiges wie die Prüfaufträge ist neu. Das Bild zeigt einen verlegten Flutgraben an der A 38 bei Leipzig.
22 Für Kulturlandschaft gibt es viele Definitionen, nicht zuletzt, da stets Emotionen mit ihr verknüpft sind (im Bild: Obstwiesen am Fuße der Schwäbischen Alb). Ein Forschungsprojekt entwickelt Arbeitsblätter als Hilfen für den Umgang mit Kulturlandschaft.
30 Gerade bei Bauprojekten in sensiblen Bereichen (im Bild: Baustelle für eine Ferienanlage an der Schleimündung) ist es wichtig, alle Beteiligten früh einzubeziehen. Landschaftsarchitekten können eine Moderatorenrolle übernehmen.
Bilder: Marcus Bader, West 8, Hubertus von Dressler, BfN-Außenstelle Leipzig, Robert Schäfer, BHF Landschaftsarchitekten Titel: Robert Schäfer, Altonaer Elbufer, Hamburg
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Journal
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Journal Radikale Bilder als Gegenentwürfe zur Rekonstruktion von Berlins Mitte Senatsverwaltung stellt Entwürfe für den „Zukunftsraum Historische Mitte – Rathausforum” vor
Vier der Entwürfe der Arbeitsgemeinschaft Rathausforum für Berlins Mitte, von links nach rechts: Städtische Bühne, Archäologischer Garten, Esplanade, Stadtpark.
Die größte Polemik kam von der Springerpresse. Kaum hatte Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Dezember ihre Entwürfe für die Freifläche zwischen Fernsehturm und dem geplanten HumboldtForum vorgestellt, sprach die Berliner Morgenpost von einem „sozialistischen Aufmarschplatz” im Zentrum Berlins. Harte Worte. Dabei hätte ein bisschen genauer Hinsehen nicht geschadet. Der Entwurf „Städtische Bühne”, den die Büros Kiefer Landschaftsarchitektur, David Chipperfield Architects und Graft neben vier anderen erarbeitet haben, war den „Aktivitäten von Stadtbürgern und Besuchern” gewidmet, eine moderne, von Arkaden umgebene Agora also, und ausdrücklich kein Aufmarschplatz. Rekonstruktion versus Freiraum Aber genaues Hinsehen ist im Konflikt um die Berliner Mitte nicht gewünscht. Hier geht es schließlich um Berlins jüngsten Kulturkampf. Auf der einen Seite stehen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Exsenatsbaudirektor Hans Stimmann. Sie wollen auf der Freifläche am Marx-EngelsForum die Berliner Altstadt als „Marienviertel” wieder aufbauen. Auf der anderen Seite stehen Stimmanns Nachfolgerin Regula Lüscher und die
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Mehrheit der Abgeordneten im Berliner Parlament. Ihr Ziel ist die Weiterentwicklung der Fläche als öffentlicher Stadtraum – ohne Bebauung. Die verbale Aufrüstung der Altstadtfreunde zeigt, dass Lüscher einen Punktsieg erreichen konnte. Sie wolle den Bildern der rekonstruierten Altstadt die Bilder einer Freifläche entgegenstellen und damit zeigen, dass es gleich mehrere Alternativen zur Bebauung gibt, sagte sie bei der Präsentation der Entwürfe am 16. Dezember. Neben der „Städtischen Bühne” haben Kiefer, Chipperfield und Graft auch die „Uferterrassen” entworfen. Dieses wohl radikalste Bild der Zukunft am Rathausforum, wie Lüscher die Freifläche nennt, ist ein riesiges Wasserbecken mit einer Wasserfläche doppelt so groß wie beim HumboldtHafen – für die Senatsbaudirektorin eine „atemberaubende Vorstellung”. Größte Grünfläche von Berlin Ginge es nach dem Votum der Berliner, könnte die Vision „Stadtpark” gute Chancen haben, einer Rekonstruktion von Alt-Berlin den Rang abzulaufen. Immerhin würde zwischen Alexanderplatz und Spree die größte Grünfläche zwischen Tiergarten und dem Volkspark Friedrichshain entstehen. Prima Klima in Berlin-Mitte also.
Als „Archäologischer Garten” präsentiert sich der vierte Entwurf. Weil die Marienkirche nicht länger unter Straßenniveau liegen soll, wird die Platzoberfläche abgetragen – zum Vorschein kommen die Fundamente und Kellergeschosse der mittelalterlichen Bebauung. Das Ergebnis ist ein Geschichtsparcours, zu dem auch die Fundamente des gesprengten Stadtschlosses gehören sollen. Der letzte Entwurf heißt „Esplanade”, ist nicht Park, nicht Agora, sondern von allem ein bisschen. Damit kommt das Bild dem Ist-Zustand am MarxEngels-Forum am nächsten. Anders als die Städtische Bühne verzichtet die Esplanade auch auf eine architektonische Fassung, für den Abstand zur Stadt sorgen lediglich die Bäume am Rand. Gut für ParisFans. Mit der Schlosskopie von Francesco Stella und der Esplanade kann es Berlin endlich mit den Tuilerien und dem Louvre aufnehmen. Na ja, ein bisschen wenigstens. Keine kohärente Planung, sondern archetypische Bilder, die schnell zum Klischee werden können: Man kann darüber streiten, ob das klug ist. Für Regula Lüscher aber geht es zunächst darum, sich Denkpausen und Denkräume zu verschaffen. Für die Planung und die Umsetzung will sich die
Baudirektorin schließlich Zeit nehmen. Bis 2017 wird auf dem Marx-Engels-Forum die Baustelleneinrichtung für die Verlängerung der U 5 stehen. Allerdings soll ein „Entwicklungskonzept” noch vor den Wahlen 2011 vom Senat und vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Dieses soll dann die Grundlage für die Ausschreibung eines Wettbewerbs sein, der für 2012 vorgesehen ist. Potemkinsche Fassade Der Richtungsstreit um die Gestaltung der Berliner Mitte ist in vollem Gange – und mit ihm auch der Streit um den richtigen Bezug zu einem Rohstoff, den Berlin im Übermaß hat: Geschichte. Zitieren die Fans von Alt-Berlin die gute alte Zeit als Vademekum gegen die Zumutungen der Zukunft, beziehen sich Lüschers Bilder auf den Teil der Geschichte, die noch heute sichtbar ist. Das mag ihr immer wieder Polemiken einbringen. Doch was ist schon der Vorwurf eines Aufmarschplatzes gegen das, was eine Kopie von Alt-Berlin bedeuten würde: Coffee-Shops und Discounter hinter industriell gefertigten Fassadenelementen. Davon hat Berlin schon genug. Uwe Rada
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Perspektiven: Arbeitsgemeinschaft Rathausforum; Büro Kiefer, David Chipperfield Architects, Graft (5)
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Der Entwurf „Uferterrassen” ist wohl das radikalste Bild, das die Planer von Graft, Chipperfield Architects und dem Büro Kiefer erdacht haben: Vor dem Fernsehturm erstreckt sich ein Wasserbecken, größer als der Humboldt-Hafen.
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Dressler
25.01.2010
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Das Bundesnaturschutzgesetz 2010 Ab März gilt das neue Bundesnaturschutzgesetz, das im Gegensatz zum alten kein Rahmen-, sondern ein Vollgesetz ist. Dennoch hängt es im Wesentlichen von den Bundesländern ab, ob tatsächlich das Ziel erreicht wird, das Umwelt- und Naturschutzrecht einfacher und einheitlicher zu gestalten. Die ersten Entwürfe sprechen nicht dafür.
Hubertus von Dressler Das zersplitterte deutsche Umwelt- und Naturschutzrecht gilt als eines der Hemmnisse, die natürlichen Lebensgrundlagen effektiv zu sichern. Es ist inzwischen so komplex geworden, dass es auch für Planer, die schon lange in diesem Bereich tätig sind, kaum noch durchschaubar ist. Zentrale rechtliche Zielsetzungen drohen immer mehr aus dem Blickfeld zu geraten. Geändert werden sollte dies durch die Föderalismusreform. Damit bekam der Bund 2006 die Möglichkeit, ein einheitliches Umweltgesetzbuch (UGB) zu schaffen, mit dem der integrative Umweltschutz gestärkt, gesetzliche Regelungen zusammengeführt und Genehmigungsverfahren vereinfacht werden sollten. Bekanntlich ist dieser Versuch im Februar 2009 gescheitert. Statt einer Verbesserung drohte nun das Umweltrecht, ab 2010 völlig auseinanderzufallen, wenn es nicht gelungen wäre, für die durch die Föderalismusreform abgeschafften Rahmengesetze im Bereich Naturschutz und Wasserhaushalt Vollregelungen durch den Bund vorzugeben. Schon der im Rahmen der Föderalismusreform gefundene Kompromiss mit den Ländern sah für den Bereich Naturschutz eine sogenannte konkurrierende Gesetzgebung (nach Art. 72, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG) mit weitgehenden Abweichungs-
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rechten der Länder vor. Angesichts des enormen Zeitdrucks, unter dem das Verfahren für das Bundesnaturschutzgesetz stand, mussten Konflikte mit den Ländern von vornherein vermieden werden. Durch das im Juli 2009 verabschiedete neue Bundesnaturschutzgesetz (und einiger weiterer Gesetze) wurde der drohende Flickenteppich gerade noch verhindert; am 1. März tritt das Gesetz bundesweit in Kraft. Die jetzt erstmals vom Bund getroffenen Vollregelungen sollen das Naturschutzrecht klarer, übersichtlicher, anwenderfreundlicher und effektiver in der Umsetzung gestalten. Ob diese Ziele wirklich erreicht werden können, wird aber auch künftig wesentlich von der Bereitschaft der Länder abhängen, diese Ziele durch Ausgestaltung ihrer Ausführungsgesetze zu unterstützen statt sie zu konterkarieren. Bundesweite Mindeststandards In seiner Grundstruktur orientiert sich das neue Naturschutzrecht an dem zuletzt 2002 umfassend novellierten Rahmenrecht und soll das bestehende Schutzniveau wahren. Es wird nur durch zusätzliche Regelungen ergänzt, die zumindest in einem Teil der Ländernaturschutzgesetze bereits existierten. Insbesondere Verfahrens- und
Zuständigkeitsregelungen sollen (und müssen schnellstmöglich) durch die Länder in Ausführungsgesetzen geregelt werden. Neben den Abschnitten Artenschutz (Kapitel 5) und Meeresnaturschutz (Kapitel 6), für die ausschließlich der Bund zuständig ist, können die Länder in ihren Gesetzen nicht von den sogenannten allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes abweichen, die zentrale Inhalte und Instrumente des Naturschutzes allgemein beschreiben und verbindlich vorgeben. Sie bilden im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung so etwas wie „Leitplanken“ oder bundesweit geltende Mindeststandards des neuen Naturschutzrechts. Deshalb standen trotz ihres noch sehr allgemeinen Charakters besonders die Grundsätze zu zentralen Naturschutzinstrumenten wie der Landschaftsplanung und insbesondere der Eingriffsregelung im Fokus der politischen Auseinandersetzung während des Gesetzgebungsverfahrens. Ging es bei der Landschaftsplanung um die Sicherung des Instruments als solches, von dem nicht abgewichen werden kann, konzentrierte sich die Auseinandersetzung bei der Eingriffsregelung auf den Vorrang der Naturalkompensation vor Ersatzgeldzahlungen (vergleiche hierzu auch den Beitrag von Matthias Herbert auf Seite 18 und die
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Robert Schäfer
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Da das Umweltrecht zu zersplittern drohte, nachdem das Umweltbuch gescheitert war, wurde das Bundesnaturschutzgesetz überarbeitet. Freie Bahn für die Natur? Das hängt jetzt von den Bundesländern ab.
erneut eröffnete Diskussion durch den neuen Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung). Die Listen auf Seite 12 zeigen den grundsätzlichen Aufbau des Bundesnaturschutzgesetzes mit Zuordnung der allgemeinen Grundsätze. Grundlage für Naturschutzaufgaben Neu gefasst und klarer strukturiert ist die Zielbestimmung des Naturschutzes in § 1, in der als die drei Handlungsfelder 1. die biologische Vielfalt, 2. die Leistungs- und die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts 3. und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert der Landschaft beschrieben werden. Die Absätze 2 bis 4 des § 1 konkretisieren diese Teilziele weiter, während der Absatz 5 übergreifend den Schutz unzerschnittener Landschaftsräume, die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme sowie Anforderungen an die Vermeidung von Beeinträchtigungen von Landschaft und Freiräumen durch bestimmte Vorhaben enthält und Absatz 6 Anforderungen an den Schutz und die Entwicklung von Freiräumen im besiedelten und siedlungsnahen Bereich definiert. Die neue systematische Gliederung
der Ziele bildet eine geeignete Grundlage für die klare Ableitung naturschutzfachlicher Aufgabenstellungen. Wesentliche Teile des Naturschutzgesetzes sind darauf angelegt, dass sich seine Ziele erst dann wirksam umsetzen beziehungsweise in andere Plan- und Prüfverfahren einbringen lassen, wenn sie durch die Landschaftsplanung für die jeweilige räumliche Situation konkretisiert und untereinander abgestimmt sind. Bei der Landschaftsplanung bleibt es im Grundsatz bei den bekannten Ebenen. Allerdings wird das seit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 eingeführte Prinzip der flächendeckenden Landschaftsplanung nur noch für die überörtliche Ebene beibehalten. Als zentrales Planungsinstrument des Naturschutzes und der Landschaftspflege soll folglich in den Flächenländern der Landschaftsrahmenplan fungieren. Diese regionale Ebene stellt einen geeigneten Maßstab für naturschutzfachliche Konzepte und deren Berücksichtigung in anderen Fachplanungen sowie der Regionalplanung dar. Neben den Stadtstaaten wollen auch die Länder Hessen, Schleswig-Holstein und Saarland regionale Naturschutzziele über das Landschaftsprogramm konkretisieren. Landschaftspläne sind nicht mehr flächendeckend, sondern nur noch dann aufzustel-
len, sobald und soweit es erforderlich ist. Künftig besteht dieses Erfordernis immer dann, wenn wesentliche Änderungen zu erwarten sind, also in der Regel, wenn ein Bauleitplan aufgestellt oder geändert wird. Erstmals bundesrechtlich eingeführt wird der bisher nur in einigen Landesnaturschutzgesetzen enthaltene Grünordnungsplan. Damit wird auch das Ziel gestärkt, Freiräume im besiedelten und unbesiedelten Bereich zu erhalten und zu entwickeln. Qualitätsunterschiede in den Ländern Mit dem neuen Naturschutzgesetz bleiben bundesweit die Voraussetzungen erhalten, zumindest in den wesentlichen Teilen, um eine sinnvolle Landschaftsplanung betreiben zu können. Darüber hinaus besteht ein weiter Spielraum, um die unterschiedlichen, in den Bundesländern oft seit langem eingeführten Modelle der Landschaftsplanung nicht vollständig umbauen zu müssen. Dennoch deutet sich bereits an, dass einzelne Länder deutlich hinter im Bundesrecht geschaffenen Voraussetzungen zurückbleiben wollen und damit die Landschaftsplanung als zentrales Instrument, mit dem sich die Ziele des Naturschutzes konkretisieren und die Umsetzung von Erfordernissen und Maßnahmen vorbereiten lassen, massiv in Frage stellen.
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Galler
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Herausforderungen für die Landschaftsplanung Zahlreiche Umweltprobleme, insbesondere der Klimawandel, stellen die Landschaftsplanung vor einige schwierige Aufgaben. Doch das neue Bundesnaturschuzgesetz bietet wenig Rückhalt.
Carolin Galler Der formale Anlass für ein neues Bundesnaturschutzgesetz ergab sich aus der Föderalismusreform. Allerdings gab es auch inhaltliche Gründe, die eine Überarbeitung des geltenden Bundesnaturschutzgesetzes nahe legten. Viele Umweltprobleme können mit bisherigen rechtlichen Mitteln nicht bewältigt werden (persistente Umweltprobleme). Das Zusammenwirken der einzelnen Umweltmedien mit Flächennutzungen und untereinander erfordert integrierte Schutz- und Nutzungsstrategien. Grundsätzlich berücksichtigt dies bereits das geltende Naturschutzrecht durch seinen umweltmedienübergreifenden Ansatz besser als andere Umweltgesetze. Es mangelt jedoch häufig an der Operationalisierung und rechtlichen Konkretisierung. Aktuelle inhaltliche Anforderungen an den Umwelt- und Naturschutz ergeben sich vor allem durch: • Flächeninanspruchnahme In Deutschland ist die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrflächen mit durchschnittlich 129 Hektar pro Tag (und damit auch die Fragmentierung der Landschaft) nach wie vor hoch und noch weit vom Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 entfernt, die Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. • Stoffeinträge in Ökosysteme und Gewässer Einträge von Nähr- und Schadstoffen führen trotz Reduzierung der Frachtmengen einzelner Stoffe vielfach zu einer kritischen
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Belastung empfindlicher Ökosysteme. Verlust der Biologischen Vielfalt Trotz positiver Entwicklungen bei einzelnen Arten ist die Bestandssituation der Pflanzen- und Tierarten insgesamt alarmierend. Die Ziele der „Convention on Biological Diversity“ (CBD) sowie der Nationalen Biodiversitätsstrategie wurden bisher nicht erreicht. • Klimawandel Der Klimawandel erfordert Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Er verschärft die genannten Problembereiche und bringt neue Regelungsnotwendigkeiten mit sich. Doch wird das neue Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG n. F.) den aktuellen Anforderungen an Naturschutz und Landschaftspflege gerecht? Als Beispiel kann der Bodenschutz dienen. Gemäß BNatSchG n. F. sind Böden so zu erhalten, dass sie ihre Funktion im Naturhaushalt erfüllen können. Nicht mehr genutzte versiegelte Flächen sind zu renaturieren oder (sofern dies nicht möglich oder unzumutbar ist) der natürlichen Entwicklung zu überlassen (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG n. F.). § 1 Abs. 3 Nr. 1 bestimmt zudem eine sparsame und schonende Nutzung nicht erneuerbarer Naturgüter. Für den quantitativen Bodenschutz (Reduzierung der Flächeninanspruchnahme) ist darüber hinaus die Regelung in § 1 Abs. 5 (Bewahrung großflächiger, weitgehend unzerschnittener •
Landschaftsräume vor weiterer Zerschneidung, Innenentwicklung vor Flächeninanspruchnahme im Außenbereich) von Bedeutung. Hier wird das Ziel formuliert, weniger Flächen in Anspruch zu nehmen. Ein wirksamer (vorsorgender) Bodenschutz geht vom neuen Bundesnaturschutzgesetz, das im Wesentlichen die Regelungen des geltenden BNatSchG übernimmt, dennoch nicht aus. Ein qualitativer Schutz (vor Beeinträchtigung der natürlichen Bodenfunktionen durch Schad- und Nährstoffeinträge, Bodenerosion und in der Folge auch vor Stoffeinträgen in Gewässer) scheitert unter anderem an der mangelnden Umsetzung der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft (§ 5 Abs. 2 BNatSchG n. F.). Hier wurde keine Verbesserung gegenüber den bestehenden Regelungen erzielt. Wenig Konkretes zum Bodenschutz Das Ziel des quantitativen Bodenschutzes (Reduzierung der Flächeninanspruchnahme) wird im BNatSchG n. F. nicht weiter konkretisiert. So formuliert das Gesetz keine Anforderungen für das 30-Hektar-Ziel, und es bleibt unbestimmt, wie es in der Landschaftsplanung für die Bezugsräume auf den verschiedenen Planungsebenen zu konkretisieren ist. Auch hinsichtlich der Inhalte der Landschaftsplanung zum Bodenschutz macht das BNatSchG n. F. keine genauen Vorgaben. Die mangelnde gesetzliche Konkretisierung, wie der Bodenschutz in der Landschaftsplanung
Galler
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Wanderungsmöglichkeiten sind für Populationen von großer Bedeutung. Entscheidend ist hierfür ein Biotopverbund. Das neue Bundesnaturschutzgesetz legt dafür zehn Prozent der jeweiligen Landesfläche fest, allerdings gibt es keine Aussagen zur länderübergreifende Abstimmung. Robert Schäfer
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zu behandeln ist, war schon in der Vergangenheit ein maßgeblicher Grund für die unzureichende Berücksichtigung in der Landschaftsplanung. Im Bereich der Eingriffsregelung kann die Verordnungsermächtigung des Bundes (§ 15 Abs. 7 BNatSchG n. F.) für eine Vereinheitlichung der naturschutzfachlichen Bewertungsmaßstäbe zum Bodenschutz genutzt werden. Das Gesetz spiegelt die Bedeutung des Naturschutzes für den Klimaschutz nicht wider. Dem Naturschutz kommt eine wichtige Funktion sowohl für den Klimaschutz als auch für die Anpassung an den Klimawandel zu. Die Aufgaben von Naturschutz und Landschaftspflege für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung spiegeln sich jedoch im neuen Bundesnaturschutzgesetz nicht adäquat wider. Luft und Klima werden allgemein als Bestandteil des Naturhaushalts aufgeführt. Sie sind durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu schützen. Explizit erwähnt werden die lufthygienischen und lokalklimatischen Funktionen (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG n. F.). Die Funktion von Ökosystemen als Treibhausgas-Speicher (THG-Speicher) beziehungsweise -Senken bleibt im Gesetz unerwähnt. Diese wird aber künftig verstärkt zu berücksichtigen sein. Die Eingriffsregelung sollte genutzt werden, um Beeinträchtigungen der Klimaschutzfunktion zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren und Verluste von Biotopen und Böden mit hoher THG-Speicher-
funktion zu kompensieren. Die Berücksichtigung der Klimarelevanz in der Eingriffsregelung wurde im BNatSchG n. F. jedoch nicht ausgestaltet. Auch gibt es außer dem Instrument der Schutzgebietsausweisung (das aber nur für ausgewählte Gebiete greift und ein langwieriges Ausweisungsverfahren erfordert) keine Handhabe gegen den Umbruch von altem, besonders CO2-reichem Grünland. Hürde für den Klimaschutz Künftig wird es dringend erforderlich sein, ein gezieltes Landmanagement zu betreiben, um die Aufnahmefähigkeit von THG zu stärken. Die Landschaftsplanung ist geeignet, diese Funktion zu übernehmen. Dazu sollten Umfang und Intensität klimarelevanter Landnutzungsformen sowie das Potenzial von Ökosystemen (Biotop- und Bodentypen) als Senke beziehungsweise Speicher von Treibhausgasen in der Landschaftsplanung dargestellt werden. Klimaund Naturschutz können gezielt integriert durch multifunktionale Maßnahmen umgesetzt werden. Die Landschaftsplanung sollte diese multifunktionalen Effekte von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfassen und darstellen. Auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels (wie Starkregenereignisse, extreme Hochwasser, Hitze- und Trockenperioden) muss in den landschaftsplanerischen Entwicklungskonzepten berücksichtigt werden. Insbesondere für städtische
Gebiete und Ballungsräume werden die lokalklimatischen Ausgleichsfunktionen an Bedeutung gewinnen. Damit steigt auch die Dringlichkeit zur örtlichen Landschaftsplanung. Auch vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll gewesen, die örtliche Landschaftsplanung (wie im geltenden BNatSchG) verpflichtend im Bundesrecht zu verankern. Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel nennt die Landschaftsplanung als wichtiges Handlungsfeld und Managementansatz für den Klimaschutz. Die Handlungsbereiche Klimaschutz und -anpassung wurden im Gegensatz dazu im neuen Bundesnaturschutzgesetz nicht explizit in den Katalog der Standardinhalte der Landschaftsplanung (§ 9 Abs. 3) aufgenommen. Dies wäre für die Etablierung eines bundesweit einheitlichen Standards zum integrierten Klima- und Naturschutz hilfreich gewesen. Biotopverbund auf Länderebene Zugleich ist der Klimawandel eine der treibenden Kräfte des Verlustes der biologischen Vielfalt. Der Arten- und Biotopschutz ist auf die sich ändernden Klimaverhältnisse einzustellen. Wanderungsmöglichkeiten von Populationen werden künftig für den Artenerhalt von noch größerer Bedeutung sein. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Biotopverbund an Bedeutung. Das BNatSchG n. F. regelt verbindlich einen Biotopverbund auf mindestens zehn Prozent der Fläche eines jeden Bundeslandes (§ 20, allgemeiner
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Schmidt
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Kulturlandschaft als Identifikationsraum Wie sehr sich Menschen mit einer Landschaft identifizieren, hängt von ihrer ökologischen Qualität und Vielfalt ab, aber auch von der kulturhistorischen Entwicklung. Ein Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz widmet sich beiden Themen.
Gottfried Hage, Adrian Hoppenstedt, Catrin Schmidt Von Kulturlandschaft wird zwar derzeit häufig gesprochen, nur selten verstehen jedoch alle dasselbe darunter. Im Gegenteil: Vermutlich erfreut sich der Begriff gerade deshalb zunehmender Beliebtheit, weil er so vielfältig interpretierbar ist. Kulturlandschaft ist vor allem deshalb Diskussionsgegenstand, weil der Eindruck gewachsen ist, dass es nötig sei, sich angesichts der Globalisierung über die Qualität von Kulturlandschaft im Sinne von Lebensumwelt und Heimat auseinanderzusetzen. Regionale und lokale Eigenarten und Identitäten drohen zu verwischen, und der vielfache Verlust identitätsstiftender Elemente der Landschaft hat die Erkenntnis reifen lassen, dass Landschaft neben ökologischen auch bedeutsame kulturelle Qualitäten hat. Dazu zählen zum Beispiel Landschaftsqualitäten, die die kulturhistorische Entwicklung eines Raums ablesbar und erlebbar machen (Dokumentationsfunktion einer Landschaft), und auch besondere natur- oder kulturbedingte Eigenarten der Landschaft, die Identifikationsprozesse erzeugen, weil die Landschaft beispielsweise an die Kindheit erinnert (Identifikationsfunktion einer Landschaft). Diese kulturelle Qualität ist freilich nicht unabhängig von der ökologischen Qualität einer Landschaft. Zum einen bestimmt die biologische Vielfalt das Identifikationspotenzial
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einer Landschaft wesentlich mit. Zum anderen ist das Arten- und Lebensraumgefüge kulturraumspezifisch determiniert. So werden folgerichtig sowohl in der europäischen als auch nationalen Biodiversitätsstrategie flächendeckende Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung von Kulturlandschaften gefordert. Die Frage ist nur, wie derartige Ansätze erfolgversprechend gestaltet und umgesetzt werden können und welche Rolle darin die räumliche Planung, insbesondere die Landschaftsplanung, spielen kann und sollte. Dieser Frage widmet sich ein derzeit laufendes Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz mit dem Titel „Kulturlandschaft: Heimat als Identifikationsraum für den Menschen und Quelle der biologischen Vielfalt“. Es wird gemeinsam von der TU Dresden und dem Büro Hage + Hoppenstedt Partner HHP bearbeitet und soll im Frühjahr abgeschlossen und veröffentlicht werden. Der Fokus des Vorhabens liegt auf der regionalen Planungsebene und der angesprochenen Dokumentations- und Identifikationsfunktion einer Landschaft. Unterschiedliche Definitionen Die Arbeitsgruppe geht im Forschungsvorhaben zunächst den unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs „Kulturlandschaft“ in der aktuellen Fachdiskussion der
Geografie, der Raumordnung, des Naturschutzes wie auch der Sozial- und Kulturwissenschaften nach. Zugleich werden die Lesarten von „Kulturlandschaft“ in den geltenden Ländernaturschutzgesetzen, Landesplanungsgesetzen und Denkmalschutzgesetzen und in strategisch ausgerichteten politischen Dokumenten auf nationaler und europäischer Ebene analysiert und der Stand der Praxis anhand einer Auswertung von ausgewählten Landschaftsrahmen- und Regionalplänen aus allen Bundesländern sowie von sieben unterschiedlich ausgerichteten informellen Kulturlandschaftsprojekten auf regionaler Ebene reflektiert. Zwar hat die Auseinandersetzung mit der „Kultur von Landschaft“ in den vergangenen Jahren sowohl in der Landschafts- als auch der Regionalplanung an Bedeutung gewonnen, sie blieb allerdings vielfach auf einzelne Analysen der Dokumentationsfunktion der Landschaft beschränkt. Die Identifikationsfunktion der Landschaft wird bislang sowohl in der Landschafts- als auch Regionalplanung nur in allgemeinen Leitvorstellungen, nicht aber räumlich und sachlich differenziert behandelt und planerisch angegangen. Insgesamt fehlt es an Methoden, die kulturellen Qualitäten einer Landschaft mit einem vertretbaren Aufwand systematisch zu erfassen, zu
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Gottfried Hage
Schmidt
Kulturlandschaft ist gerade angesichts der Globalisierung ein Thema, das zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Doch die Definitionen sind unterschiedlich.
Foto: Gottfried Hage
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Landschaft erfüllt sowohl Funktionen für den Naturhaushalt als auch für die Menschen. Gerade die sogenannte Identifikationsfunktion wird häufig vernachlässigt.
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