Februar 2011
Garten+
Landschaft Zeitschrift f체r Landschaftsarchitektur
Stadtr채ume
Inhalt 2/2011
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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
121. Jahrgang
Garten + Landschaft
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Sinne ausschalten, Sinne einschalten Robert Schäfer
Journal
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Sprung in die Zukunft Ljubica Heinsen Halbzeit bei der IBA Hamburg
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Deutschland, einig IBA-Land Christian Holl Internationale Bauausstellungen sind wichtig, als Allheilmittel aber überfordert
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Ein Ausflug zum Rheinknie Gesa Loschwitz-Himmel Der neue Freiraumführer für Basel und Umgebung ist erschienen
4 Aufschluss über den Halbzeitstand der IBA in Hamburg geben die ersten fertig gestellten Projekte. Im Bild: der umgebaute Energiebunker von HHS Planer+ Architekten.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
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Editorial
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7 36 Beispiele moderner Landschaftsarchitektur stellt der neue Freiraumführer Basel vor. Im Bild: der Stadtpark Claramatte von raderschall partner aus Meilen.
11 Das Berliner Büro ST raum a. ordnete und gestaltete die Wolfsburger Porschestraße neu, um die Fußgängerzone und wichtigste Einkaufsmeile der Stadt aufzuwerten.
Stadträume
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Stadträume in Spannungsfeldern Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels Wenn private Räume öffentlich werden
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Schöner shoppen – die Porschestraße Wolfsburg Nicole Uhrig Räumliche und gestalterische Aufwertung einer Einkaufsmeile
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Super Bowl in München Thomas Jakob Eine Skateanlage und ein Pionierpark erweitern den Hirschgarten
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Das Bauhaus Dessau im neuen Gewand Matthias Kimmel Neuinterpretation der Außenanlagen
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Mit wenigen Impulsen viel erreichen Barbara Willecke Ein Garten für die Bibliothek des Europäischen Zentrums für Homöopathie
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Der rohe Charme der Fleischindustrie Ljubica Heinsen Die Schanzenhöfe am Hamburger Viehmarkt
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Immer, wenn es regnet Christoph Heckel Der Grünzug Olbeschgraben in Trier
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Platzhalter für ein Bankhaus Stephanie Hackl Ein temporärer Garten in Luxemburg
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Die Grenze als Ort, eine Brücke als Gelenk Tobias Baldauf, Verena Beiser Eine Verbindung zwischen Bad Radkersburg und Gornja Radgona
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Einen neuen Zugang finden zu Dachau Juliane Schneegans Die neue Erschließung für die KZ-Gedenkstätte
18 Im Zuge der IBA Stadtumbau interpretierten mann Landschaftsarchitekten das Umfeld des Bauhauses Dessau neu. Das Gebäude kommt nun wieder besser zur Geltung.
22 Der Garten der Bibliothek im Europäischen Zentrum für Homöopathie in Köthen vom Büro planung.freiraum kann ein intimer Garten oder ein öffentlicher Platz werden.
Urban Design Projekt Produkte
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GaLaBau Praxis Bodenbelag Recht Produkte
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40 42 44 53 57 59 60 64
24 Zwischen den alten Backsteinhallen des Hamburger Viehmarkts entwickelte das Büro Wiggenhorn & van den Hövel robuste Freiräume für hochwertige Gewerbeflächen.
Bilder: Martin Kunze, Serge Hasenböhler, ST raum a., mann Landschaftsarchitekten, Elisabeth Köllmann, Jochen Stüber Titel: Murbrücke zwischen Bad Radkersburg und Gornja Radgona, Brane Bozic
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Stadträume in Spannungsfeldern Im Rahmen des Projekts STARS – Stadträume in Spannungsfeldern – beobachteten Forscher der RWTH Aachen die Entwicklung einer zunehmenden „Veröffentlichung” privater Räume. Dazu untersuchten sie 30 Plätze, Parks und Promenaden in Aachen, Hannover und Leipzig, die sich im Schnittbereich privater und kommunaler Aktivitäten befinden.
Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels lang nicht zu geben schien: Stadträume im Schnittbereich kommunaler und privater Aktivitäten – also Räume, die zwar öffentlich nutzbar sind, aber nicht allein kommunaler Verfügung unterliegen. Ein wesentliches Ziel des Forschungsprojektes war es daher, eine fundierte empirische Basis zu diesen Räumen zu schaffen. Zunächst ermittelten wir entsprechende Räume. In Aachen, Hannover und Leipzig fanden sich schnell an die 100 „Verdachtsräume“, von denen wir knapp 30 in Fallstudien näher untersuchten. Neben der Funktion der Räume, ihren räumlichen Kontext und ihre bauliche Beschaffenheit untersuchten wir besonders die den Raum beeinflussenden Akteure. In sogenannten Polaritätsprofilen erfassten wir wesentliche, akteursbezogene Fragen für jeden einzelnen Raum: Wer hat Eigentumsrechte? Wer baut, entwickelt und pflegt die Räume? Wer reguliert Nutzer und Nutzungen? Zudem führten wir Interviews mit privaten und kom-
munalen Akteuren, um eine raumbezogene Einschätzung über Zuständigkeiten, interne Regelungen und Arbeitsabläufe zu erhalten. In 40 Gesprächen mit Leitern von Stadtplanungs- und Grünflächenämtern deutscher Großstädte haben wir darüber hinaus erfragt, welche Folgerungen sich aus dem Zusammenwirken der Akteure für die Kommunen ergeben. Private Einflussnahme bleibt oft unsichtbar Entgegen der Annahme, privat beeinflusste, öffentlich zugängliche Räume seien exotische Ausnahmefälle, zeigte das STARS-Projekt, dass es viele Freiräume im Schnittbereich kommunaler und nicht-kommunaler Aktivitäten gibt. Es handelt sich dabei nicht um besondere Räume mit speziellen Funktionen wie etwa Shopping-Malls, sondern um ganz normale Plätze, Parks und Promenaden. So vielschichtig die Stadträume im Schnittbereich sind, so vielfältig sind auch die
STARS-Projekt (4)
In der Fachdebatte klang es lange Zeit so, als seien öffentlich zugängliche Räume immer auch öffentliche Räume, die dem Eigentums- und Verfügungsrecht der Kommune unterliegen. Im Umkehrschluss könnten Räume in privater Hand per Definition keine öffentlichen Räume sein. Auch die Vorstellung von Rollen und Verantwortlichkeiten der Akteure schien mit diesen Schwarz-weiß-Bildern zu korrespondieren: In den öffentlichen Räumen wirkt allein die Gestaltungsmacht der kommunalen Planung, in den privaten die der Märkte. Diese Bilder und Vorstellungen setzen sich in der Diskussion über die Privatisierung öffentlicher Räume fort. Dabei scheint es so, als würde vormals Öffentliches nun dem Privaten zugeschlagen. Auf der Suche nach genauerem Wissen stießen wir im Rahmen unseres von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „STARS – Stadträume in Spannungsfeldern“ auf etwas, das es bis-
Einst geschlossene Räume wie die Alte Spinnerei in Leipzig (links) oder das Kapuziner Karree in Aachen (rechts) werden umgenutzt und öffentlich zugänglich.
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Das Schema zeigt die Akteure, die in drei Kategorien Recht, Regulierung und Produktion Einfluss auf den Raum nehmen.
Wie zwischen dem Bemeroder Rathausplatz und dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Hannover bleiben Eigentumsgrenzen f端r die Nutzer oft unsichtbar.
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Michael Nischke
Super Bowl in München In unmittelbarer Nähe des historischen Landschaftsparks Hirschgarten befindet sich Münchens derzeit größtes innerstädtisches Neubaugebiet. Der Park wurde nun um gut sechs Hektar erweitert. Neben einem sogenannten Vorpark mit Obstbäumen und dem Pionierpark auf Ruderalflächen ehemaliger Bahngleise sticht besonders eine Skateanlage hervor.
Thomas Jakob Transitions und Coping soweit das Auge reicht. Ein Cloverpool mit Tiles, Deathbox, Stairs und Poolcoping, Convex-Wallride und Fullpipe. Jugendsprech? Nein, so beschreibt der 45-jährige Skater Chris Eggers für die Skater-Online-Plattform sk8mag.de die neue Skatebowl am Münchner Hirschgarten. Und weiter: „Die Verarbeitung ist absolut perfekt, das Finish einwandfrei.“ Wieder einmal setze München den Standard für Skateparks in Deutschland. Klaus D. Neumann, Mitinhaber des Münchner Büros realgrün Landschaftsarchitekten, lächelt und lehnt sich zurück. Sein Büro hat die Skatebowl vorgeschlagen und konzipiert, der Schweizer Skatepoolspezialist Erwin Rechsteiner und dessen Firma Bowl Construction die Skateanlage gebaut. Natürlich durften auch die Münchner Skater Wünsche äußern und Vorschläge machen. Neumann und Rechsteiner beschränkten sich aber auf informelle Gespräche mit ein paar wenigen lokalen Skate-Größen als Multiplikatoren. Dass die örtliche Szene nun diese als Helden der „Super Bowl“ feiert – „Geschenkt“, sagt Neumann. „Die Stadt wollte am Hirschgarten etwas für Jugendliche bauen, wir haben eine
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Skatebowl-Anlage vorgeschlagen und damit den Wettbewerb gewonnen.“ Eine Skateanlage, die nun ihresgleichen in Deutschland suche, heißt es in den einschlägigen Internetforen. Die Bowl gehört zu einer Spiel- und Sportplattform in unmittelbarer Nähe des neuen Wohnquartiers „Am Hirschgarten“ entlang der Bahntrasse Pasing – Laim – Hauptbahnhof. Nach der Verlagerung von Bahnbetriebsflächen entstanden dort in den vergangenen Jahren im Rahmen des Bahn-21-Projekts der Stadt München Wohnungen sowie Gewerbe- und Dienstleistungsgebäude. Den Auftakt machte das Quartier Arnulfpark (2005), es folgten das Quartier „Nymphenburg Süd“ und schließlich der neue Busbahnhof an der Hackerbrücke und das Quartier „Am Hirschgarten“. Erweiterung des Volksparks Hirschgarten Für die Grünflächen zwischen Münchens größtem innerstädtischen Neubauquartier „Am Hirschgarten“ mit 270 000 Quadratmetern Fläche und 1 400 Wohnungen und dem ebenfalls neuen Stadtquartier „Nymphenburg Süd“ hatten die aurelis Real Estate
GmbH & Co. KG und die Vivico Real Estate GmbH als Träger der Erschließung ein konkurrierendes Planungsverfahren ausgelobt, das realgrün Landschaftsarchitekten um Klaus D. Neumann und Wolf D. Auch 2007 gewannen. Doch im Gegensatz zum isoliert liegenden Arnulfpark, den ebenfalls realgrün gestalteten, grenzt die neue Grünfläche unmittelbar an den 40 Hektar großen Hirschgarten, einen Landschaftspark und Volksgarten, den Kurfürst Karl Theodor 1780 als Jagdrevier in der Nähe des Nymphenburger Schlosses hatte anlegen lassen. In den 1950er-Jahren wurde der Park zum städtischen Erholungsgebiet umgestaltet. Heute prägen hügelige Wiesen, Bäume, die über 150 Jahre alt sind, ein Damwildgehege und ein großer Biergarten den Hirschgarten. Dementsprechend hat die neue Grünanlage auch keinen eigenen Namen, sondern heißt schlicht „Hirschgartenerweiterung“. Doch den Hirschgarten einfach mit ein paar Hügeln, Bäumen und Wiesen nach Süden auszudehnen, das wollten realgrün dann doch nicht. Auch keine moderne Interpretation des Landschaftsparks. Stattdessen setzten sie auf einen zweieinhalb Hektar großen
realgrün Landschaftsarchitekten (3)
Kaum eröffnet, ist die Skatebowl am Rande des Münchner Hirschgartens das Aushängeschild der Parkerweiterung. Eine Tribüne und eine schüsselförmige Mauer schützen die Umgebung vor Lärm.
Neben der Skatebowl steht den Jugendlichen auch ein Allwetterbolzplatz und eine Streetballanlage zur Verfügung.
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Der rohe Charme der Fleischindustrie Eigentlich hätten die alten Backsteinhallen des Hamburger Viehmarkts abgerissen werden sollen. Das verhinderte ein Hamburger Architekt, der der Hamburger Fleischgroßmarkt GmbH als Betreiberin ein Nutzungskonzept vorschlug. Nun ist der erste Bauabschnitt der Schanzenhöfe realisiert, entstanden sind robust gestaltete Innenhöfe zwischen hochwertigen Gewerbeflächen.
Wiggenhorn & van den Hövel
Zwischen sanierten Backsteinhallen des Hamburger Viehmarkts gestalteten die Landschaftsarchitekten Wiggenhorn & van den Hövel die Hamburger Schanzenhöfe.
Jochen Stüber (4)
Acht Stahlsäulen und ein Träger blieben als Relikt der ehemaligen Stützkonstruktion der Viehhallen erhalten. Nun nehmen sie als Pergola Leuchtkörper auf.
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Ljubica Heinsen Seit über 100 Jahren wird zwischen dem Schanzenviertel und der Hamburger Innenstadt mit Fleisch gehandelt. Diese Tradition führt der Fleischgroßmarkt heute auf einer Fläche von immer noch 13 Hektar fort. Markthallen, Kühlblöcke und Verwaltungsgebäude aus unterschiedlichen Bauepochen prägen dort das Bild. Ähnlich dem New Yorker Meatpacking-District üben die baulichen Relikte des Fleischgewerbes auch in Hamburg auf Künstler und Kreative eine hohe Anziehungskraft aus. Begehrt sind Räume in frühindustriellen Klinkerbauten wie die Schanzenhöfe. Der erste Innenhof in diesen ehemaligen Viehversandhallen kommt einem exklusiven Filetstück gleich. Mit einem TV-Koch gegen die Abrissbirne Die Fenster zugemauert, die Fassade mit Graffiti besprüht – es hätte den vor sich hin rottenden Industriebauten vom Ende des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich der Abriss gedroht, wenn nicht der Hamburger Architekt Giorgio Gullotta mit einem Nutzungskonzept auf die Pächterin, die Hamburger Fleischgroßmarkt GmbH, zugekommen wäre. Mit dem TV-Koch Tim Mälzer hatte der Architekt ein prominentes Zugtier und den ersten Mieter an seiner Seite. Das finanziel-
le Wagnis zahlte sich aus. Mittlerweile sind alle Räume der Schanzenhöfe vermietet. Neben einer Kaffeerösterei und einer Multimedia-Agentur ist auch ein Musikkindergarten eingezogen. Die historischen Hallen mit einer Tiefe von sechzig Metern wurden ausgedünnt, um als Gewerbeflächen nutzbar zu sein. Gleich zum Auftakt der Bauarbeiten entfernte ein Telekran etwa hundert Quadratmeter Dachfläche, um möglichst schnell einen Vorgeschmack auf die neue, lichtdurchflutete Atmosphäre zu geben. Von da an tasteten sich der Architekt Giorgio Gullotta und die Landschaftsarchitekten Hubert Wiggenhorn und Martin van den Hövel aus Hamburg behutsam an den heutigen Zustand des ersten Bauabschnitts der Schanzenhöfe heran. Drei Zufahrten erschließen von der Lagerstraße aus das neue Quartier. Den Blick von der Schanzenstraße aus verhängen Robinien auf einer steilen Böschung, ergänzt von zwei Reihen Stacheldraht. Eine Stahltreppe führt schließlich nach oben. Die parallel zu den Bahngleisen ostwärts verlaufende, neo-klassizistische Klinkerfassade öffnet sich zu einem Durchgang in den Innenhof. Die neue Fassade aus vier Meter hohen Fensterfronten, die sich mit schma-
leren, glatten Klinkerscheiben abwechseln, ermöglicht auf den Gewerbeflächen optimale Lichtverhältnisse und viel Transparenz. Gewöhnungsbedürftig ist es indes für durch den Hof schlendernde Besucher, dass die Menschen hinter den Fenstern reflexhaft von ihren Bildschirmen und Arbeitstischen aufblicken. Acht Stahlsäulen fluchten zum Fernsehturm Die flache Sheddach-Architektur des 84 mal 20 Meter großen Hofs lässt die Sicht zu einem Stück unverbauten Stadthimmel frei. Den Blick nach Osten dominiert der Heinrich-Hertz-Turm, ein Fernmeldeturm. Ziemlich genau trifft die Flucht der stehengelassenen Mittelrippe aus acht stützenden Säulen und einem Stahlträger auf den Sendeturm. Das Relikt erinnert an die ursprüngliche Überdachung der Viehhallen. Als Pergola wiederbelebt, soll es auf den Grundgedanken der Hofgestaltung hinweisen: die Rückschau auf die frühindustrielle Rauheit und ihre Umdeutung in Gartenzitate. Der Hof ist mit Granit-Großstein aus dem Jahr 1914 gepflastert, den man bei den Abrissarbeiten unter Asphalt- und Teerschichten entdeckt hatte. Präzise geschlagen und Fünf mehrstämmige Hainbuchen in Pflanztrögen aus Cortenstahl rahmen die Außenbestuhlung des Restaurants.
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