Februar 2014
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Gemischte Quartiere
Inhalt 2/2014
Gemischte Quartiere
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Jahresinhaltsverzeichnis 2013: Auf www.garten-landschaft.de ist unter dem Menüpunkt Jahresinhalte das nach Autoren und chronologisch gegliederte Verzeichnis der Artikel aus dem vergangenen Jahr abrufbar.
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Baukultur im Quartier
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Gebaute Lebensräume der Zukunft – drei Baukulturwerkstätten Rainer Nagel
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8 House, Ørestad, Kopenhagen
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Heizenholz, Wohngenossenschaft Kraftwerk 1, Zürich
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Stadtregal, Ulm
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Siedlung Buchheimer Weg, Köln
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Lyoner Viertel, Frankfurt-Niederrad
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Wohnbaugenossenschaft WagnisART, München
Editorial
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Baukultur in der Petrischale Robert Schäfer
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Zornedinger Straße, München
Journal
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100 Jahre Landschaftsarchitektur und StadtGrün Gesa Loschwitz Eine Webseite zu Freiraumprojekten und ein Buch zu StadtGrün
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Sonnwendviertel, Bauplatz C.01, Wien
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Schottenhöfe, Erfurt
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Gärtnerbiographien im Internet Thomas Armonat Verzeichnis der Hörer der Gärtnerlehranstalt Wildpark – Dahlem
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R 50 – Baugruppenprojekt in der Ritterstraße 50, Berlin-Kreuzberg
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Wohn-/Atelierhaus, Oderberger Straße 56, Berlin
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Weltquartier am Reiherstiegviertel, Hamburg
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Mehr Wohnqualität für Hamburg – Handlungsempfehlungen Carlo W. Becker u.a.
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Kamel Louafis Planerrunde Robert Schäfer Grüne Inseln in der Stadt. Texte, Skizzen, Köpfe.
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Parklandschaft Tempelhof und Bürgerwünsche Karsten Standke Zur Gestaltung des Tempelhofer Feldes in Berlin
12 Einen aufmerksamkeitsheischenden Wohnblock baute BIG in Kopenhagens Ørestad: Gewerbe und Wohnen à la carte mit Freiräumen auf allen Ebenen, autofrei und mit weitem Blick über die Landschaft.
18 Wohnungscluster für alterna tive Wohnformen und gemeinschaftlich nutzbare Terrassen sind die typischen Elemente im Züricher Heizenholz, einem genossenschaftlichen Projekt von Kraftwerk 1.
20 Das Stadtregal Ulm steht für die gelungene Konversion eines Industrieareals an der Blau. Die extrem lange Fabrikhalle bietet sehr unterschied liche Grundrisse für Wohnungen, Ateliers und Büros.
30 Schallschutz durch einen Neubau zum Mittleren Ring in München, Sanierung der Bestandsbauten und ein autofreier grüner Innenhof machen die Siedlung an der Zornedinger Straße zur beliebten Adresse.
32 Private und öffentliche Freiräume inmitten des neuen Erfurter Quartiers Schotten höfe sind Zeugen für den erfolgreichen Um- und Neubau auf einem lange Zeit unbeachteten Innenstadtareal.
Nachrichten Personen Termine Projekte Produkte Technik Wettbewerbe Recht DGGL Nachrichten Vorschau, Nachtrag Impressum
40 43 43 44 48 50 52 57 58 64 64
36 Durch Sanierung und Neubau im Zuge der IBA Hamburg entstanden im Wilhelmsburger Weltquartier 770 moderni sierte Wohnungen für 1 700 Menschen aus 31 Nationen, dazu 35 Gewerbeeinheiten.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 124. Jahrgang Bilder: Peter Joergensen, Michael Egloff, Projektentwicklungsgesellschaft Ulm mbH, Ingrid Scheffler, Christoph Geisenheyner, Sabine de Buhr Titel: 8 House Kopenhagen, Ulrik Jantzen
Für die Zukunft gestalten. 2
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Planungskultur
Gemischte Quartiere
Baukultur im Quartier
Drei Werkstätten veranstaltet die Bundesstiftung Baukultur 2014. Die erste über „Gemischte Quartiere“ ist am 18. Januar über die Bühne gegangen. Garten + Landschaft beteiligt sich an der Aktion als Medienpartner. Öffentlicher Raum und Infrastruktur
Die Bundesstiftung Baukultur suchte Projekte mit Modellcharak ter zu drei Themen der Baukultur werkstätten.
Auf den ersten Blick mag das vorliegende Heft irritieren, weil nicht der Freiraum im Vordergrund steht, sondern die Architektur. Dass es dennoch sinnvoll ist, sich mit The menheften an den Werkstätten der Bau kultur zu beteiligen, wird aber schon beim zweiten Blick sichtbar. „Gebaute Lebensräu me der Zukunft“ lautet das Motto, unter dem die drei Werkstätten stehen. Die ausge wählten Beispiele für gemischte Quartiere zeigen sehr unterschiedliche positive Ansät ze: Umbau, Neubau, Abriss, Aufwertung und Verdichtung. Mischung kann sehr ver schiedene Prägungen haben – räumlich, funktional, sozial. Nicht immer sind Land schaftsarchitekten beteiligt oder nicht im mer von Beginn an. Diese Defizite dürfen benannt werden ohne die Qualität der vorgestellten Projekte zu schmälern. Ist es schon schwer, die richtige Architektur zu entwickeln in meist partizipativen Verfah ren, so wird es erst recht knifflig außerhalb der Mauern. Hier gibt man gerne den Wün schen der Bewohner nach, auch wenn dies nicht zu mustergültigen Freiräumen führt. Aber, wie schon Altbundeskanzler Helmut Schmidt sagte: „In demokratischen Gesell schaften müssen Wohnwünsche der Men schen suprema lex sein.“ Also müssen wir vor dem Entwerfen die Menschen studieren, damit sie in angenehmer, gesunder Umwelt sinnvoll und in Würde leben können, wie der Architekt, Schriftsteller, Humanist und Universalgelehrte Leon Battista Alberti be reits im 15. Jahrhundert formulierte. Da trifft es sich gut, dass die Baukultur im Koalitionsvertrag unserer neuen Regierung explizit genannt wird auf Seite 131. Der Baukulturbericht der Bundesstiftung wird
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im Juni 2014 an Bundesregierung und -par lament gehen. „Dieses Vorlagerecht beim Bund ist ein starker Vorteil, den die Stiftung nutzen wird: Anhand des Baukulturberichts werden wir Handlungsempfehlungen zum Stand des Bauens in der Bundesrepublik den Abgeordneten in die Hand geben. Die Bau kulturwerkstätten geben uns Inhalte aus Baupraxis und Lebenswirklichkeit“, sagte Vorstandsvorsitzender Reiner Nagel bei der Auftaktveranstaltung mit über 400 Teilneh mern am 18. Januar in der Berliner Akade mie der Künste. Nagel:„Baukultur ist inter disziplinär und die Stadt der Zukunft in ihrer Planung eine Herausforderung, der wir uns jetzt stellen müssen. Gemischte Quar tiere entstehen durch kompetente Bauher ren. Sie können nicht nur städtische Nach barschaften, sondern auch den suburbanen Raum vitalisieren.“ Für das Wohnen ist bedeutsam, welches System dahinter steht: der Architekt, private Investoren oder kom munale Unternehmen. Guter Wohnraum könne nur im Dialog entstehen. Der Bauherr sei wichtig, aber der Nutzer der Schlüssel, so der Tenor der vorgestellten Projekte. Wohnungsbau ist Wirtschaftsmacht Dabei geht es nicht um Peanuts. Bauherren, Planer und Nutzer haben Teil an der 170 Milliarden schweren Wohnungsbauwirt schaft, die damit doppelt so stark wie die Automobilindustrie ist. Nicht nur in den 80 Großstädten, auch in den insgesamt 12 000 deutschen Städten mit zusammen 25 Millio nen Einwohner wird umgebaut oder neu gebaut, wird der demographische Wandel zu neuen Herausforderungen führen und zu flexiblen Lösungen. Der Zuzug in die Städte
wird zunehmen. Junge Gutverdienende, Ältere, Migranten drängen in die Stadt und suchen den passenden Wohnraum. Die Nachfrage nach sozialer Mischung und indi viduellen Lösungen wäre also gegeben. Die Angebote sind zu entwickeln. Voller Neid schauen Planer gelegentlich ins Ausland. Das Projekt 8 House von BIG Archi tekten in Kopenhagens Ørestad vereint Gewerbe und Wohnungen mit unterschied lichsten Formen. Parkplätze: Fehlanzeige. Stellplatzverordnungen, Nutzungsänderungsverordnungen und Regelungen des Bundesimmisionsschutzgesetzes stehen oft einer echten Mischung entgegen, wie bei der ersten Werkstattdiskussion deutlich wur de. Hier kann man auf die Handlungsemp fehlungen des Baukulturberichts gespannt sein. Die in diesem Heft vorgestellten Projekte bieten viele Ansätze für neue Wohnformen in der Stadt. Was den Freiraum betrifft, das direkte Wohnumfeld und die Anbindungen im Quartier, besteht noch viel Raum für In novation. Es wird oft das Bekannte reprodu ziert. Auch die Bewohner von Clusterwoh nungen scheinen mit Grill- und Spielplätzen und ein paar Bänken im Schatten von Bäu men zufrieden zu sein. Vielleicht lässt sich das Thema besser im Kontext der zweiten Werkstatt „Öffentlicher Raum und Infra struktur“ (29. März in Berlin) diskutieren. Das Märzheft von Garten + Landschaft wird dann ebenfalls diesem Thema gewidmet sein.
bogevischs büro
Grafik: Bundesstiftung Baukultur/Panatom
Partizipation ist unabdingbar für unkonventionelle Wohnformen. Beim Projekt WagnisART in Mün chen visualisierten die künftigen Wohnraumnutzer ihre neue Heimstatt mittels Schuhschachtel arrangement.
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Ein Haus als Stadtteil 8 House – Attraktion im Süden der Ørestad, Kopenhagen
Dichte verknüpft. Das Erdgeschoß ist Gewerbe vorbehalten, unter anderem gibt es ein populäres Café. Das erlaubt großzügige Terrassen mit Vorgärten für die Wohnungen der beiden darüber liegenden Stockwerke. Die freie Fläche bietet Platz für einen umlaufenden Weg, der den ganzen Komplex erschließt und auch für Radfahrer freigegeben ist. Nach oben schließen sich bis zu 8 Geschosse Apartments an, darauf zweigeschossige Reihenhäuser. Interaktion auf allen Ebenen Die Büros liegen klimatisch günstig auf der Nordseite, auf vier Geschossen, was eine höhere Wohnbebauung darüber ermöglicht. 150 Reihenhäuser winden sich in einer Linie vom Straßenniveau bis zum Dach und wieder hinunter. Soziale Interaktion, sonst auf das Erdgeschoss beschränkt, kann so auf allen Ebenen stattfinden.
Dragoer Luftfoto
Ørestad heißt der auf der Insel Amager entstehende Kopenhagener Stadtteil, zwischen Christianshavn und dem Flughafen Kastrup gelegen. Ganz im Süden, kurz vor dem Naturschutzgebiet Kalvebod Faelled wuchs 8 House in den Himmel. Es ist der dritte Wohnkomplex in Ørestad von Bjarke Ingels Group, BIG. Den Namen verdankt er dem Grundriß in Form einer abgewinkelten Acht, einer freien Version der geforderten Blockrandstruktur. Bjarke Ingels wollte jedoch eintönige Baumassen mit toten Innenhöfen vermeiden. Stattdessen entstand die Schleife, die im Südwesten bis zum Boden offen ist und über zwei getrennte große Innenhöfe verfügt. BIG versuchte, Charakteristika der Stadt auf einen Wohnkomplex zu übertragen. So entstand quasi ein eigener Stadtteil mit 476 unterschiedlichen Wohneinheiten, die, g estapelt und horizontal geschichtet, das Leben in der Vorstadt mit urbaner
8 House bietet eine Vielzahl unterschiedlicher Eigentums- und Mietwohnungen. Trotz der Innenstadtnähe ist dort das Wohnen günstiger als in anderen Lagen Kopenhagens.
Ty Stange (6)
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Jens Lindhe
Die liegende Acht als Bauform sorgt für Licht, Luft und Sonne in allen Wohnungen. Von den oberen Stockwerken bietet sich ein weiter Blick in die Landschaft.
Große Wasserbecken fassen das Regenwasser des Wohnkomplexes und beleben den Außenraum am Übergang zum Naturschutzgebiet.
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Der Trick mit dem Knick
Neuartige Zeilenbauten und differenziert gestaltete Freiräume in der Kölner Siedlung Buchheimer Weg
Wer an Zeilenbauten der 50er- und 60erJahre denkt, der stellt sich parallele Gebäuderiegel vor. Zwischen diesen: das Abstandsgrün. Oft war dieses wenig strukturiert, auf kahlen Rasenflächen wollten nicht recht Räume entstehen, in denen sich die Bewohner wohlfühlten und die sie gut nutzen konnten. Daher ließen sich die Architekten vom Büro ASTOC Architects and Planners für die erneuerungsbedürftige Siedlung am Buchheimer Weg in Köln etwas einfallen. Nachdem aus wirtschaftlichen Gründen beschlossen wurde, die in die Jahre gekommenen Gebäude nicht zu sanieren, sondern neu zu bauen, versahen die Kölner Architekten die Grundrisse mit einem Knick. Die vier geschossige Bauweise erinnert an Zeilen bebauung, durch den Knick entstehen aber zwischen den Fassaden sich weitende und wieder enger werdende Freiräume. Anstatt Rechtecksflächen konnte das Büro urbane gestalt johannes böttger landschaftsarchitekten so die formale in eine funktionale Gliederung in öffentliche, halb-öffentliche und private Außenanlagen überführen. Deren verschiedene Funktionen lassen sich nun an der Gestaltung ablesen – und auch an der Materialwahl. Öffentliche Fahrbahnen sind asphaltiert, Nebenwege gepflastert, Stellplätze mit Rasenfugenpflaster belegt, Wegeflächen
Die viergeschossigen Mehrfamilienhäuser in der Kölner Siedlung Buchheimer Weg haben einen Knick. So entstanden zwischen den Gebäuden unterschiedlich große Räume.
Siedlung Am Buchheimer Weg/ Grevenstraße, Köln Bauherr: GAG Immobilien AG, Köln Architekten: ASTOC Architects and Planners, Köln Landschaftsarchitekten: urbane gestalt johannes böttger landschaftsarchitekten, Köln Fertigstellung: 2012
Jens Willebrand (3)
Die Freiräume sind je nach Funktion unterschiedlich gestaltet. Öffent liche Fahrbahnen sind schwarz asphaltiert, Hauptwege bestehen aus grünem Gussasphalt. Stellplätze für Autos eignen sich auch zum Spielen.
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