April 2013
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Gestalten mit Pflanzen
Inhalt 4/2013
Der Asiatische Laubholzbockkäfer misst ohne Fühler vier Zentimeter und lässt sich neuerdings auch deutsche Laubbäume schmecken (Seite 34).
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Foto: Massachusetts Energy and Environmental Affairs/flickr.com
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Gestalten mit Pflanzen
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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
Pflanzenverwendung in Deutschland Swantje Duthweiler Ökologische Modellvorstellungen für normierte Standorte
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Gestalten mit Pflanzen in Großbritannien James Hitchmough Naturnahe Pflanzungen auf mehreren Ebenen
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Von Hansens Lebensbereichen zu den Strategietypen Norbert Kühn Das Verhalten der Stauden als Schlüssel, sie freier zu kombinieren
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Ein arkadischer Heilgarten in Dänemark Natalia Pantelidou Nacadia: ein Arboretum als Rückzugsort für Traumapatienten
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Ein Labyrinth im venezianischen Labyrinth Flavia Pastò Ein Garten zum Gedenken an den Schriftsteller Jorge Luis Borges
Editorial
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Palmin am richtigen Ort Robert Schäfer
Journal
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Die Vergangenheit als Forschungsfeld der Zukunft Caroline Rolka Ein Buch gibt neue Einblicke in die Geschichte der deutschen Gartenkunst
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Ein Wald für Tegel Susanne Isabel Yacoub Schinkelpreis 2013 des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin entschieden
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Standortrisiken individuell bewerten Rolf Kehr Gehölzkrankheiten kennen, vermeiden und damit umgehen
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Mehr Leben am Wasser Thomas Jakob Die vier Gartenschauen 2013 holen Flüsse und Seen in die Stadt zurück
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Unter Palmen wandeln Joachim Bauer, Jens Dietrich Aktuelle Straßenbaumempfehlungen der GALK
4 Ein neues Buch zur Geschichte der Gartenkunst setzt sich auch mit der jüngeren Geschichte auseinander und bezieht sich auf wenig zitierte Anlagen. Im Bild: das Zeitfeld im Volksgarten Düsseldorf.
6 Die Internationale Gartenschau in Hamburg startet am 26. April (im Bild: Garten der Kontinente). Landesgartenschauen finden dieses Jahr in Prenzlau, Tirschenreuth und Sigmaringen statt.
8 Bekannte Pflanzen in ungewöhnlichen Formen: Diese wellenförmig geschnittene Buchshecke plante das Büro TGP – Trüper Gondesen Partner an einem Gebäude der Deutschen Bundesbank in Lübeck.
Sichten, verplomben und katalogisieren Thomas Jakob Interview mit Josch Bender über das Sicherstellen von Baumqualitäten
12 In Großbritannien erhielten besonders die Pflanzungen im Londoner Olympiapark große Aufmerksamkeit. Ihr Rezept: Sie wirken naturnah, bestehen aber aus sich wiederholenden Mustern.
18 Die Strategietypen der Stauden, die Norbert Kühn entwickelt hat, lösen den Planer beim Entwurf von den in der Natur vorgegebenen Pflanzengesellschaften.
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28 Ein Labyrinthgarten aus Buchshecken zum Gedenken an den argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges gibt in V enedig Einblicke in die Gedankenwelt seiner Erzählungen.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 123. Jahrgang
Bilder: Jürgen Wiener, igs Hamburg 2013 GmbH/Andreas Bock, Swantje Duthweiler, James Hitchmough, Norbert Kühn, Flavia Pastò Titel: Verity Borthwick/flickr.com
Für die Zukunft gestalten. 2
Garten + Landschaft
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Garten + Landschaft
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Pflanzenverwendung in Deutschland Pflanzenkrankheiten und funktionale Aspekte bestimmen in Deutschland mit darüber, welche Pflanzen im öffentlichen Raum verwendet werden. Doch auch die gestalterischen Vorlieben ändern sich. Bei den Stauden orientiert man sich zunehmend am Zierpflanzenmarkt, was auf Kosten der Langlebigkeit der Pflanzungen geht. Gehölze werden bevorzugt in Stammbusch- statt in Hochstammqualität gepflanzt.
eine gute Winterwirkung. Es ist zu beobachten, dass die Staudensortimente derzeit stark von den Medien beeinflusst werden. Für Sonnenstandorte und frische B öden sind zu empfehlen: der mächtige und horstig wachsende Berg-Knöterich, der sich mit seinem einprägsamen Sortennamen wunderbar verkauft, aber eigentlich eine reine Art ist (Aconogon speciosum ‘Johanniswolke‘, syn. Polygonum polymorphum), Kerzen-Knöterich (Bistorta amplexicaulis ‘Speciosum‘) – Pflanze des Jahres 2012 mit zahlreichen neuen und noch zu sichtenden Sorten – und die kurzlebige, aber auf Gartenschauen eindrucksvollen Duftnesseln (Agastache RugosaHybr. ‘Blue Fortune‘ und ‘Black Addar‘). Der Rote Scheinsonnenhut (Echinacea purpurea) hat sich zu einer M odestaude entwickelt, die in ungewöhnlichen Farbsortimenten, aber
oft kurzlebig und mit Sortenschutz belegt, deutlich von Zierpflanzenprofis beeinflusst ist. Besonders ausdauernd und ganz ohne Sortenschutz sind die alten Alfred-Weinreich-Sorten ‘Rubinstern‘ und ‘Rosenelfe‘, sowie Magnus Nielssons Züchtung ‘Magnus‘. Zu den derzeit beliebtesten Staudenarten gehören die robuste Schönaster (Kalimeris incisa ‘Madiva‘), die asternartig von Juni bis September blüht, Geranium-Hybride ‘Rozanne‘, die von Mai bis November (!) blüht und neuerdings wieder Sonnenbraut (Helenium). Bei den Gräsern wird oft Rispenhirse (Panicum virgatum) gepflanzt, in niedrigen rötlichen Sorten wie ‘Hänse Herms‘, ‘Heiliger Hain‘, ‘Shenandoah‘ oder in hohen bläulich-grünen Sorten wie die straff aufrechte Sorte ‘Northwind‘ oder die breitblättrige, hohe ‘Cloud Nine‘.
Pflanzungen mit stresstoleranten Stauden Standorte können auch bewusst trocken und nährstoffarm entwickelt werden, so dass hier nur auf Trockenheit spezialisierte Pflanzen arten überdauern können (etwa Staudenmischpflanzungen für Sonnenstandorte). Ein naturnahes Vorbild wären Steppen- und Trockenrasenlandschaften. In der Regel wird der nährstoffreiche Oberboden abgefahren und Unterboden aufgebracht. Man arbeitet bevorzugt mit einer mineralischen Mulchschicht, die mindestens acht Zentimeter stark ist (Kies- und Schotterbeete). Die Artenauswahl orientiert sich oft daran, mit dem Freischneider und Rasenmäher pflegen zu können, also bevorzugt mit Brandkraut (Phlomis russeliana), Zierlauch (Allium ‘Globemaster‘) und Purpur-Fetthenne (Sedum telephium) ‘Herbstfreude‘ oder ‘Karfunkelstein‘.
Swantje Duthweiler
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dert üblich – gärtnerische Situationen in städtischen Grünanlagen als Ersatz für fehlende Hausgärten in der Umgebung dienen. Vielmehr gleichen landschaftliche Zitate fehlendes Landschaftserleben in verdichteten Stadtvierteln aus. Die Konzepte lehnen sich an verschiedene Landschaftstypen an: die mitteleuropäische Wiese, die nordamerikanische Prärie, die südosteuropäische Steppe, montane und alpine Landschafts bilder, aber auch Interpretationen von Kulturlandschaften. Die neue naturnahe Pflanzenverwendung ist mit einem hohen ästhetischen Anspruch und klarer Gestaltung verbunden. Um die Pflege zu minimieren, werden derzeit im Arbeitskreis Pflanzenverwendung für drei normierte Standortansprüche ökologische Modellvorstellungen entwickelt, unterschiedliche Pflanzkonzepte empfohlen und in diesem Zusammenhang jeweils andere Trendpflanzen gefördert: Pflanzungen mit konkurrenzstarken Stauden Auf nährstoffreichen und frisch-feuchten Böden offener Freiflächen wird mit konkurrenzstarken und langlebigen Arten gearbeitet, die eingewanderte Arten unterdrücken (beispielsweise viele Pflanzungen von Piet Oudolf, „The New Dutch Wave“). Ein naturnahes Vorbild sind vor allem nährstoffreiche Hochstaudenfluren in montanen Lagen mit kräftigen Strukturen, grafischen Blatttex turen, Blüten- und Fruchtständen in Dolden, Rispen oder gitterartigen Netzen. Wichtig ist
Swantje Duthweiler (5)
Pflanzenverwendung ist als Teil der Landschaftsarchitektur immer eng mit dem räumlich-funktionalen und gestalterischen Gesamtkonzept verbunden. In Gartenanlagen der Moderne trat die Einzelwirkung der Pflanzen zurück, im Vordergrund stand, Flächen zu füllen oder Räume zu bilden. Auch in der „Neuen Moderne“ der 1990erJahre arbeiteten Planer mit starken architektonischen Linienführungen und reduzierten den Pflanzenanteil auf geometrische Heckenformen, Gehölzraster und Rasenflächen. Taxus galt als bevorzugte räumliche Fassung und Buxus sempervirens als Flächenornament, mit dem man so gut wie jede freiraumplanerische Aufgabe lösen könnte. Erst als Pilze wie Cylindrocladium bixicola (Triebsterben), Volutella buxi (Buchsbaumkrebs) und Fusarium buxicola (Buchswelke) aufkamen und sich der aus China eingeschleppte Kleinschmetterling Buchsbaumzünsler verbreitete, begann die Suche nach Alternativen. Nach einer gestalterisch besonders strengen, oft Pflanzen negierenden Phase versucht man derzeit, stadtökologische Probleme mit neuen, pflegeextensiven Pflanzungen zu lösen. Die streng architektonischen Flächen werden aufgelockert. Rasenflächen werden in Wiesen, wiesenartigen Stauden- oder Sommerblumenflächen umgewandelt. Diese Mischungen funktionieren, auch ohne dass jede einzelne Pflanze erhalten bleiben muss. Es ist zu beobachten, dass nicht – wie im frühen 20. Jahrhun-
Am Verwaltungsgebäude der Deutschen Bundesbank in Lübeck plante das Büro TGP – Trüper Gondesen Partner eine in Wellenform geschnittene Buchshecke.
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James Hitchmough (8)
Gestalten mit Pflanzen in Großbritannien Durch öffentliche Großprojekte wie den Londoner Queen Elizabeth Olympiapark erhielt die Pflanzenverwendung in Großbritannien in den vergangenen Jahren große Aufmerksamkeit. Statt formaler, rein funktionaler Pflanzungen rückt eine naturnahe Gestaltung in den Vordergrund, die die Funktion der Flächen mit der Ästhetik der Pflanzen vereint.
Diese Dachbegrünung mit sich wiederholenden, naturnahen Mustern vereint die Funktion einer trockenresistenten Pflanzung mit dem Aspekt der Blütenfarben. Planung: Tom Stuart Smith.
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Im Londoner Burgess Park dient ein Staudenbeet auch als Versicke rungsgraben. Entwurf: James Hitchmough Design and Manage ment und Cannon Ivers, Landscape Design Associates.
James Hitchmough Wie in anderen Ländern existieren auch in Großbritannien verschiedene Stile der Pflan zenverwendung nebeneinander. Jedoch waren – allgemein gesprochen – die gängi gen Landschaftsarchitekturprojekte in Groß britannien traditionell nicht unbedingt ein Aushängeschild innovativer Gestaltung mit Pflanzen. Das resultiert zum Teil daraus, dass es nur wenige Aufträge für öffentliche und gewerbliche Freiräume wie etwa Parkplätze von Supermärkten gibt. Zudem werden kaum spezialisierte Fachkräfte beschäftigt, die kompetent und ambitioniert mit Pflan zen arbeiten. Hauptsächlich wurden zweck mäßige Monokulturen aus langlebigen im mergrünen Sträuchern und Laubbäumen eingesetzt. Der Fokus lag eher darauf, eine Fläche zu gliedern und zu füllen als etwas Außergewöhnliches zu schaffen. In Großbritannien gibt es öffentliche Garten schauen erst seit kurzem. Daher etablierte sich, anders als Deutschland, kein fester Kern von Landschaftsarchitekten, der auf Pflan zenverwendung spezialisiert ist. Vor allem kleinere Landschaftsarchitekturbüros und Gartengestalter, deren Kunden erwarten, dass Pflanzungen dramatisch und besonders wirken, entwickelten innovative Pflanzkon zepte. Die Pflanzungen müssen diese Men schen ansprechen, nicht einfach nur da sein.
Zum Kreis der Pflanzenexperten, die diese Ansprüche erfüllen, gehören etwa Tom Stuart Smith, Dan Pearson, Sarah Price, Brita von Schoenaich und Christopher Bradley Hole. Aufgrund ihrer tiefgehenden Bezie hung zu Pflanzen und einem besonderen Verständnis wilder und kultivierter Arten ist ihr Stil unverwechselbar. Dies lässt sich häu fig sogar auf deren Kindheitserlebnisse im elterlichen Garten zurückführen. Die enorme Wirkung gut geplanter Pflanzungen bei ambitionierten öffentlichen Großprojekten – wie etwa während der Olympischen Som merspiele in London – hat dazu beigetragen, das Profil der Pflanzenverwendung in Groß britannien zu schärfen. Neue Aufmerksamkeit durch Großprojekte „Die ambitionierteste Pflanzung aller Zei ten?“ witzelte etwa ein amerikanischer Zeitungsbericht über den Londoner Olym piapark. Damit erhielten diese Pflanzungen in den USA die gleiche Aufmerksamkeit wie beispielsweise Piet Oudolfs Arbeiten an der New Yorker High Line (und anderen Projek ten). Über die in der Praxis entwickelten Gestaltungsstile hinaus entstanden auch am Institut für Landschaftsarchitektur der Uni versität Sheffield neue Ideen für die Pflan zenverwendung in Großbritannien.
Der dort entstandenen Bewegung, die der Kritiker Tim Richardson als „Sheffield School“ bezeichnet, gehören auch der Hoch schulmitarbeiter Noel Kingsbury, der Profes sor Nigel Dunnett und ich an. Die „Sheffield School“ stellte klare Bezüge her zwischen Pflanzungen und deren positiven Auswir kungen hinsichtlich der Vielfalt und des Wohlbefindens auf den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt. Ebenso beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Pflanzungen zu gleich ästhetisch und funktional sein kön nen. Beispiele sind der Schutz heimischer Wirbelloser, gestalterisch ansprechende Lö sungen, um Oberflächenwasser zu versickern sowie neue Pflanzengesellschaften für den Klimawandel. Aus diesem Grund habe ich das vergangene Jahrzehnt damit verbracht, die gemäßigte Vegetation Südafrikas zu erforschen, um neue Pflanzen, Pflanzengesellschaften und Pflanzstile für das immer wärmer werdende Klima in Großbritannien zu entwickeln. Durch diese Arbeit entstanden neue Denk ansätze, die die Pflanzenverwendung ins Zentrum nachhaltiger Stadtentwicklung rü cken. Zusammen mit Nigel Dunnett erarbei tete ich neue Methoden, um auf großen städ tischen Freiflächen durch in situ-Ansaat zu verlässig wachsende Wiesen, Prärien und Garten + Landschaft
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Standortrisiken individuell bewerten
Der Asiatische Laubholzbockkäfer misst ohne Fühler drei bis vier Zentimeter. Der Käfer und seine fünf Zentimeter langen Larven befallen nun auch europäische und nordamerikanische Laubgehölze. Foto: USDAgov/flickr.com
Bäume haben es an städtischen Standorten immer schwerer. Doch man darf die Belastungsfaktoren nicht pauschal den Klimaveränderungen oder eingeschleppten Schädlingen und Pilzen zuschreiben. Besser ist es, von Baumart zu Baumart, von Sorte zu Sorte zu unterscheiden. Vor allem Spät- und Winterfrostschäden können bei Gleditschien zum Triebsterben im äußeren Kronenbereich führen.
Jede Baumart ist in ihrer Heimat Wirt für Krankheitserreger und Schädlinge. Krankheits- und Schädlingsdruck ist für Bäume ein evolutiv wirksamer Faktor. Für vitale Pflanzen sind die meisten biotischen Belastungsfaktoren kaum bedrohlich, da sie genetisch daran angepasst sind. Anders sieht es aus, wenn eine Baumart in einem für sie fremden Habitat mit den dortigen Krankheitserregern und Schädlingen konfrontiert wird, so geschehen beispielsweise mit der Weymouths-Kiefer (Pinus strobus), als diese in Europa Opfer des hier an der Zirbel-Kiefer (Pinus cembra) heimischen Blasenrosts (Cronartium ribicola) wurde. Ebenso kann es zu schweren Schäden an heimischen Gehölzen kommen, wenn Krankheiten und Schädlinge aus fremden Erdteilen eingeführt werden und dort auf genetisch nicht angepasste Wirte treffen. Beispiele sind die fast vollständige Vernichtung der Amerikanischen Esskastanie (Castanea dentata) durch den aus Asien eingeschleppten Esskastanienrindenkrebs (Cryphonectria parasitica) oder die Dezimierung unserer heimischen Ulmen durch die – ebenfalls aus Asien stammende – Ulmenkrankheit (Ophiostoma novo-ulmi). Insofern muss einerseits bei der Verwendung „neuer“ Baumarten als auch bei der weiteren Verwendung heimischer, bislang bewährter Arten bedacht werden, welche Risiken künftig bestehen könnten. Angesichts der Vielfalt verwendbarer Arten und der vielen unterschiedlichen Krankheiten und Schädlinge darf man nicht pauschal alle neuen Belastungsfaktoren einseitig entweder dem Klimawandel oder dem 34
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Einschleppen von Schadorganismen anlasten. Vielmehr muss man von Gattung zu Gattung beziehungsweise von Baumart zu Baumart, sogar bis hin zur Sorte, die spezifischen Gefahren bewerten. Tatsache ist aber, dass die Bedingungen des Klimawandels, vor allem im Hinblick auf Trockenstress und typische innerstädtische Belastungsfaktoren, sowie eingeschleppte Schadorganismen wie dem Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) Planer und Kommunen vor große Herausforderungen stellen. Verträgliche Ahornarten für die Stadt So machen innerhalb der Gattung Acer die hohen Standortansprüche der Art Acer pseudoplatanus diese für Stadtstandorte problematisch. Deshalb empfiehlt sie die Gartenamtsleiterkonferenz auch nicht in ihrer GALK-Straßenbaumliste. Die Rußrindenkrankheit, verursacht durch den Pilz Cryptostroma corticale, befällt in Mitteleuropa zwar vorwiegend Acer pseudoplatanus, kann aber auch andere Arten treffen. Da eine Kombination aus Hitze und Trockenstress hier der entscheidende Faktor beim Ausbruch der Krankheit ist, sind trockenheitsresistente Arten wie Acer buergerianum und Acer monspessulanum künftig für entsprechend gefährdete Standorte zu empfehlen. Bei Aesculus ist zu beachten, dass neben dem Befall durch die Miniermotte an der weißblühenden Rosskastanie die Gattung neben Ahorn und Linde auch ein bevorzugter Wirt für die Wollige Napfschildlaus (Pulvinaria regalis) ist, welche ebenfalls erst seit wenigen Jahrzehnten in Deutschland vor-
kommt. Das derzeit – auch für die Verkehrssicherheit – relevanteste Problem bei Aesculus sind aber die Sekundärschäden, die nach Befall durch die bakteriell verursachte Pseudomonas-Rindenkrankheit (Pseudomonas syringae pv. aesculi) auftreten. Dabei besiedeln mehrere Fäulepilze, vor allem Samtfußrübling (Flammulina velutipes) und Austernseitling (Pleurotus ostreatus), das Holz hinter abgestorbenen Rindenpartien, was innerhalb kurzer Zeit zu Problemen mit der Verkehrssicherheit führt. Da das Krankheitsbild derzeit vor allem an der rotblühenden Rosskastanie zunimmt, sollte man sich gut überlegen, ob man sie verwendet. Bei Alnus ist die als Zukunftsbaumart oft genannte Alnus cordata ebenso wie die heimische Alnus glutinosa anfällig gegen die Phytophthora-Krankheit der Erle (Phytophthora alni). Da Phytophthora aufgrund der Lebensweise aber eher an feuchten Standorten von Belang ist, dürfte die Gefährdung von Alnus cordata und der ebenfalls aussichtsreichen Alnus x spaethii auf Stadt standorten gering sein.
Fotos: Rolf Kehr (4)
Rolf Kehr
Triebsterben bei Baumhasel und Eschen Die zu den vielversprechenden Straßen baumarten zählende Corylus colurna zeigt seit einigen Jahren in Deutschland und auch in den Niederlanden gelegentlich spontane und rasch verlaufende AbsterbeErscheinungen der Krone und auch ganzer Bäume. Da die genaue Ursache noch nicht abgeklärt ist, ist derzeit die künftige Verwendung von Corylus colurna mit Unsicherheiten behaftet. Garten + Landschaft
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