April 2015
Garten+
Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur
Landschaft und Infrastruktur
Inhalt 4/2015
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Femern A/S
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Wesentliches Prinzip für die Einfahrt in den FehmarnbeltTunnel ist die Wahrnehmung der Landschaft durch den Autofahrer.
Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de
125. Jahrgang
Für die Zukunft gestalten.
Garten + Landschaft
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Grenzen überwinden Gesa Loschwitz-Himmel
Journal
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Zukunft Stadt Artikel-Reihe anlässlich des Jubiläums 125 Jahre Garten + Landschaft
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Schinkelpreis 2015 fördert Genrewechsel Susanne Isabel Yacoub Interdisziplinärer Werkstattcharakter statt Fachspartenaufgaben
10 Die technischen Bauwerke des Gotthardtunnels sind selbst bewusste Zeichen in den TalLandschaften.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org
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Editorial
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16 Bei der Planung des Fehmarnbelt-Tunnels zwischen Fehmarn und Lolland waren Landschaftsarchitekten bereits früh in der Entwurfsphase eingebunden.
22 Derzeit gibt es zwei Diskussionsstränge: Infrastruktur als baukulturelle Aufgabe und Landschaft als Infrastruktur.
Landschaft und Infrastruktur
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Combinare: die Formwerdung des integralen Planens Palle Petersen Die Schweizer Gotthardachse
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Apotheose des Profanen Camilla Hedegaard Møller Der Fehmarnbelt-Tunnel
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Landschaft – zwei neue Perspektiven? Daniel Czechowski Infrastruktur als baukulturelle Aufgabe und Landschaft als Infrastruktur
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Verantwortung für Landschaft übernehmen Anca Carstean Best-Practice-Beispiele aus dem In- und Ausland
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Landschaft unter Spannung Sören Schöbel Der Konflikt um Freileitungen
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Planen und Entwerfen für das postfossile Zeitalter Jasper Hugtenburg Die Energiewende als Landschaftsarchitekt mitgestalten
26 Die Lärmschutzwand „Barcode A40“ ist eines der Best-PracticeBeispiele aus Deutschland für gelungene Gestaltung von Infrastruktur-Bauwerken.
31 Wenig ist verhasster als Freileitungen. Eine Chance haben sie nur, wenn sie als planerische und gestalterische Aufgabe angenommen werden.
Nachrichten Projekt Produkte Wettbewerbe DGGL Nachrichten Vorschau, Autoren, Impressum
40 48 50 53 56 64
34 Anlagen für erneuerbare Energien können mit alten Indus triearealen kombiniert werden, wie hier die Speichervorrichtungen auf einer Kohlemine.
Bilder: Markus Frietsch, Femern A/S, Daniel Czechowski, Daniel Sadrowsky, Uschi Dreiucke, pixelio.de, aus: Landscape an Energy
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f n u k u Z 125 Jahre Garten + Landschaft
Zukunft Stadt
Garten + Landschaft wird 125 Jahre. Die ersten Jahrzehnte trug sie noch die Gartenkunst im Namen, der Schwerpunkt war entsprechend Gartendenkmalpflege. Mit dem Wandel der Themen der Landschaftsarchitektur hat sich auch die Zeitschrift geändert, heute deckt sie das komplette Spektrum des Planens in Landschaft und Stadt ab. Anlässlich des Jubiläums blickt Garten + Landschaft nach vorne und beleuchtet das Thema „Zukunft Stadt“. Denn sie eröffnet als Ressource Möglichkeiten: für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes. Doch die Ressource Stadt ist nicht unerschöpflich. Nur wenn sie nachhaltig
entwickelt wird und nicht nur kurzfristigen und partikularen Interessen dient, kann sie auch die Bedürfnisse künftiger Generationen erfüllen. Und: Die Entwicklung der Städte beeinflusst auch die der Landschaft, es ist also essentiell über die Stadt nachzudenken, über soziale und stadtplanerische Aspekte, über Resilienz und Teilhabe, über Planungsprozesse – und welche Rolle Landschaftsarchitekten spielen. Aus diesem Themenspektrum wollen wir von April bis September die Serie „Zukunft Stadt“ generieren. Sie startet mit dem Thema des öffentlichen Raums in der heterogenen Stadt. „Al ten glis ch e“ Idy lle :
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ndbury, www.princ ten Pou es-fo geleg u n dat 3 an ion 199 .or ab g
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ft t d a t S Die Stadt ist wieder in – auch die „inner städtische Wohnlage“ – das zeigen schon die Immobilienpreise. Nachdem mehrere Generationen ihr Glück im Grünen suchten und die Einfamilienhäuser mit Garten die ersehnte Landschaft zuversichtlich und furchterweckend konsequent zersiedelt haben, wird der Streit um das richtige Leben heute wieder in den Städten ausge tragen. Kinder leben heute nicht mehr im Tannenweg oder der Breslauer Straße, son dern in Frankfurts Nordend oder Berlins Prenzlauer Berg. Begleitet von Stichworten a h b n o a t n schlus Au s: In t mit d wie Gentrifizierung, Revitalisierung und a t gol s sta ein dt -Kl Bestandsschutz stellt sich die Frage der g Vil in lag pp Leitbilder für die Stadt und das Städ ho tische mit neuer Dringlichkeit. Im Herzen der Cities war dies lange Zeit die sogenannte Fußgänger zone, eine von Anwohnern möglichst bereinigte kommer zialisierte Fläche, die es dem mündigen Bürgern ermög lichen sollte, unter seines gleichen ungestört zu konsu mieren. Diese homogenen im Kern stadtfremden Gebilde erwiesen sich in ihrer Einseitig keit bald als anfällig. Gerade in den kleinen Städten war die Kon kurrenz der Gewerbeflächen auf der grünen Wiese (freie Parkplätze! Un schlagbare Preise!) bald übermächtig. Malls wie in Oberhausen ließen gleich ganze rz Sto ris Bo e,
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Die heterogene Stadt wird homogen
Stadtzentren veröden. Die Gegenrüstung der Stadtzentren erfolgte bis in unser Jahr tausend nun ebenfalls großmaßstäblich mit innerstädtischen Malls, wie den Berliner Friedrichstadtpassagen oder Frankfurts MyZeil. Braunschweig baute für die SchlossArkaden gleich ein kriegszerstörtes Schloss (wieder) auf. Kommerzielle Mega-Strukturen Das Raumgefüge der Städte hat sich damit weitgehend unbemerkt verändert. Seit den Agoren und Foren der antiken Städte gilt der öffentliche Raum als eine Kernqualität städtischen Lebens. Plätze und Straßen räume, wiewohl intensiv und vielfältig genutzt, waren und sind Stätten der Be gegnung und des Austausches, heterogene und verhältnismäßig wenig regulierte Orte sozialer Interaktion. Der Re-Import der kommerziellen Megastrukturen aus den Speckgürteln schuf nun innerstädtische Räume neuer, halböffentlicher Qualität. In der Regel barrierefrei und frei zugänglich sind sie gleichzeitig monofunktional auf Gewinnmaximierung gerechnet und zent ral überwacht. Hier werden die Regeln nicht öffentlich ausgehandelt, sondern von der Verwaltung festgelegt: Musizieren und Betteln verboten, das Herumsitzen von finanzschwachen Jugendlichen auch. Beim Kölner DuMont Carré sind die Konsequen zen besonders auffällig, weil sich hier auf der Mall eine exklusive Wohnanlage
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Combinare: die Formwerdung des integralen Planens Die neue Schweizer Gotthardachse verbindet Architektur, Infrastruktur und Landschaft. Seit über 20 Jahren begleitet eine interdisziplinäre Gruppe die Gestaltung aller sichtbaren Teile der transalpinen Flachbahn.
Palle Petersen 1882 wurde der legendäre Gotthard-Eisenbahntunnel eröffnet. Noch heute vermittelt die Bahnfahrt durch die Kehrtunnel eindrücklich, wie die Schweizer seinerzeit den Alpenraum verkehrstechnisch erschlossen. 2016 und 2019 wird mit den Gotthard- und Ceneri-Basistunneln ein weiteres Jahrhundertprojekt vollendet. Die erste transalpine Flachbahn ist das Herz der „Neuen Eisenbahn-Alpentransversale“ (NEAT). Als Teil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes, verbessert die neue Gotthardlinie den Transitverkehr auf der Nord-Süd-Achse und trägt d azu bei, den Schwerlastverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Während den 95 Minuten Fahrt von Zürich nach Lugano haben die Bahnreisenden wenig Zeit, die Faszination der Pionierleistung zu erfassen. Mit den 57 und 15 Kilometer langen Basistunneln und zwei weiteren im Tagbau bietet die Neubaustrecken nur punktuell Ausblicke. Es ist eine Reise in Dunkelheit. Umso wichtiger für die sichtbaren Auswirkungen der Gotthardachse sind daher „hervorragende architektonische Qualität“ und ein „kohärentes Erscheinungsbild“. Dies
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sind die erklärten Ziele der 1993 gegründeten, interdisziplinären Beratungsgruppe für Gestaltung (BGG). Dass die BGG das Projekt seit über zwanzig Jahren begleitet, ist einem Zufall geschuldet. 1992 besuchte der Ingenieur Peter Zuber († 2011) eine Ausstellung über den Tessiner Architekten Rino Tami. Der damalige Delegierte für die Gotthardachse der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) war beeindruckt von dessen Arbeit für die Autobahn A2 (Gotthardachse) ab den Sechzigerjahren. Er beschloss die BGG unter Vorsitz des damaligen SBB-Chefarchitekten Uli Huber zu gründen. Mit an Bord waren die Zürcher Architekten Pierre Feddersen, Rainer Klostermann und Pascal Sigrist sowie Flora Ruchat († 2012), seinerzeit Leiterin des Architekturdepartements der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und Gestalterin der Autobahn A16 (Transjurane). Der bekannte Brücken bauer Christian Menn wirkt als beratender Ingenieur bis 2006 und über die Jahre vertreten die Ingenieure Peter Zbinden, Walter Schneebeli und Alex Regli die Bauherrin AlpTransit Gotthard AG.
Lebensraum und Transitlandschaft Mit den Basistunneln entschwindet die Gebirgslandschaft Gotthard und Ceneri für die Bahnreisenden. Sie reduziert sich auf die Talschaften, später auf wenige kurze Zeit- und Raumfenster und wird immer mehr Erinnerung. Die großräumigen Bauwerke von AlpTransit erzählen davon. Sie helfen mit, das neue Verständnis für den veränderten Lebensraum zu definieren. Skizze: BGG
Die BGG koordiniert alle sichtbaren, sowohl temporären wie dauerhaften Auswirkungen der Gotthardachse zwischen Litti bei Baar und Lugano. Sie erarbeitet Gestaltungsvorgaben für Bautypen und -details, konzipiert mit Skizzen und Modellen ganze Landschaftsteile und einzelne Gebäude oder betreut sie von der Planung bis zur Ausführung mit immer anderen Ingenieurskonsor tien. Außerdem erstellt sie Entwürfe und Studien zu späteren Ausbauetappen der Gotthardachse. Im Rahmen der laufenden Bautätigkeit begleitet sie acht Portalbereiche, elf Hauptbauten (vorab Bahntechnikund Betriebsgebäude), über 40 Brücken und Unterführungen, sowie acht Aufschüttungen aus Aushubmaterial und über 100 Nebenbauten (beispielsweise Technikgebäude, Stollenzugänge, Tierdurchlässe, Brücken, Stützmauern, Unterwerke oder temporäre Arbeitersiedlungen). Von Nord nach Süd machen wir Halt an fünf Orten ihrer Arbeit.
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Die Apotheose des Profanen am Fehmarnbelt Dass der Tunnel von Fehmarn nach Lolland anfangs mit beeindruckenden Brückenentwürfen konkurrieren musste, gab der Landschaftsarchitektur eine Chance: Nicht zuletzt, weil die Landschaft und ihre Wahrnehmung
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in den Mittelpunkt rückte, überzeugte das Tunnelkonzept.
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Die Zufahrten zum FehmarnbeltTunnel auf dänischer Seite auf Lolland (oben) und auf deutscher Seite auf Fehmarn führen über Anhöhen mit Blick auf das Meer und die gegenüberliegende Seite, bevor die Straße im Tunnel verschwindet.
Camilla Hedegaard Møller Im Jahr 2022, so ist zu hoffen, werden die ersten Autos durch den Fehmarnbelttunnel rollen. Die Zufahrt zum Tunnel führt durch ein sanft ansteigendes Gelände bis auf eine Anhöhe von deren Kuppe der Blick bis zur gegenüberliegenden Küste schweift, dem Fahrtziel im Nachbarland. Dann geht es gemächlich abwärts zum Tunnelportal. Der 18 Kilometer lange Tunnel selbst ist, nach einer Zone, in die gefiltertes Tageslicht eindringt, abschnittsweise in wechselnden Farben beleuchtet. Die Vision hinter der Gestaltung für die Zufahrtszonen dieses in jeder Hinsicht künstlichen Projektes sei, dass die Nutzer des Tunnels wie selbstverständlich unter dem Meeresgrund hindurch fahren würden, erläutert Landschaftsarchitekt Jørgen Becker-Christensen, der dem dänischen
üro Schønherr angehört. Becker-ChristenB sen war zusammen mit dem in London ansässigen Architekturstudio Wilkinson Eyre Architects als Sub-Berater zum Aesthetic Design Team hingezogen worden. Die Tunnelpläne stachen 2011 ein parallel entwickeltes Brückenprojekt aus, woraufhin ein aus Rambøll, Arup und Tec bestehendes Joint Venture für den Auftrag geber Femern A/S die Arbeiten zur Entwurfsplanung aufnahm. Die Idee, den der Tunneleinfahrt zustrebenden Autofahrern wenigstens vorübergehend einen Blick auf Meer und Horizont zu gewähren, entstand bereits früh. Auf deutscher Seite gibt es eine natürliche Anhöhe. Auf dänischer Seite konnte die Idee mit einer über den vorhandenen Deich hinausragenden Aufschüttung verwirklicht werden. Garten + Landschaft
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Verantwortung f체r Landschaft 체bernehmen Infrastruktur wirkt auf Landschaft und auf Menschen. Nicht zuletzt die Energiewende erzeugt neue Infrastrukturelemente, daher ist es wichtiger denn je, die Weichen zu stellen. Dabei geht es weniger um Regelungen und Anordnungen von oben, sondern darum, dass unterschiedliche Akteure Infrastruktur in der Landschaft als eine sozial-r채umliche Verantwortung wahrnehmen.
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Philipp Eder
Der Landschaftspark Rudow-Altgienicke (Entwurf ag.u Lange) an der A113 in Berlin gibt den Anwohnern die durch die Straße verbrauchte Fläche, die sonst Rest und Ausgleich ist, als Parks zurück.
Anca Carstean Schön sind sie nicht. Die wenigsten Menschen sehen in Autobahnen, Energieanlagen, Windparks, Wasserwegen oder Müllanlagen Objekte der Baukultur. Im Gegenteil: solche Bauwerke werden als störend, als Fremdkörper in der Landschaft empfunden. Nicht zuletzt fehlt die Akzeptanz, da diese Anlagen vielerorts ohne gesellschaftlichen und ästhetischen Diskurs geplant werden. Sie gelten als Funktionsbauten und das hat Folgen: Der Bau neuer technischer Großstruktur ist oft mit Konflikten und Protesten verbunden. Damit Infrastrukturbauwerke Akzeptanz finden ist es notwendig, dass sie sich besser in ihre Umgebung integrieren, dass sie als eine umfassende, großräumige sowie qualitative Gestaltungsaufgabe verstanden und umgesetzt werden. Interdisziplinäre Projekte, gute Entwurfs-, Planungs- und Beteiligungsprozesse, also Baukultur, können hier helfen. Mit Baukultur meine ich allerdings keine rein ästhetische Kategorie, sondern Projekte, bei denen in Zusammenhängen gedacht wird, wo versucht wird, aus der inneren Logik des Ortes heraus geeignete, zukunftsfähige Konzepte und Strategien zu entwickeln. Nicht in jedem europäischen Land besteht ein Bedürfnis nach solchen Konzepten, oft ist Infrastruktur nur Mittel zum Zweck. Auch Deutschland gehört zu den zurückhaltenden Ländern. Doch auch hier gibt es sie: die guten Beispiele gelungener Infrastruktur in
ihrem landschaftlichen Umfeld. Einige Bundesländer (vor allem Bayern, NordrheinWestfalen, Berlin, Brandenburg) übernehmen schon heute eine Vorreiterrolle und zeigen, dass Kreativität auch in einem sach lichen Umfeld möglich ist, dass Gestaltung und Kalkül miteinander harmonieren. Dabei muss gute Gestaltung nicht notwendigerweise auch teuer sein – schon kleine Maßnahmen können viel bewirken, wie das Beispiel der Lärmschutzwand Barcode an der A40 im Ruhrgebiet (siehe Seite 28) zeigt. Dennoch stellen diese Beispiele nicht die gängige Praxis in Deutschland dar. Deswegen stellt sich stets die Frage: Welche Impulse, Akteurskonstellationen und Strukturen sind notwendig, um solche Projekte hervorzubringen? Unzweifelhaft können gute Projekte nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen. Doch in Deutschland ist diese Art der Zusammenarbeit und Kooperation im Planungsapparat nicht verankert. Ein Beispiel: Die Kriterien der Bewertung werden im Fall der Autobahnen durch das Bundesfernstraßengesetz, die Straßenverkehrsordnung und das Bundesfernstraßenausbaugesetz vorgegeben. Keine Straßenbauverwaltung verfügt über eine „Kreativ-Abteilung“ und im normalen Planungsablauf sind weder ein Budget für baukulturelle Fragen noch die d afür notwendigen Zeiten für interdisziplinäre Arbeit einkalkuliert. Der Bundesrechnungshof als Garten + Landschaft
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Basis für Planungsvisionen ist es, Gebiete für unterschiedliche Formen der Energiegewinnung zu finden und die Entwurfsaufgaben hinsichtlich Erzeugung, Transport und Speicherung definieren.
Planen und Entwerfen für das postfossile Zeitalter Landschaftsarchitekten und Stadtplaner müssen sich der Welt der Energie öffnen und sie mit gestalten. Ihre Kompetenzen prädestinieren sie dazu, an der Bewältigung einer der größten Herausforderungen unserer Zeit mitzuarbeiten, dem Übergang von fossilen
Aus: Landscape and Energy (9)
Brennstoffen zu erneuerbaren Energien.
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Jasper Hugtenburg Energiethemen werden täglich dringlicher. Die vielen geopolitischen Krisen der jüngsten Zeit führen uns die hochgradige Abhängigkeit unserer heutigen Gesellschaft von fossilen Brennstoffen regelmäßig vor Augen und erinnern uns an die damit verbundenen Verletzlichkeit. Sogar im Alltagsleben werden neue energietechnologische Entwicklungen zunehmend sichtbar. Elektroautos und Ladestationen verändern das Erscheinungsbild unserer Straßen. Wenn wir die Zeitung aufschlagen, lesen wir, dass sich die Welt in Befürworter und Gegner erneuerbarer Energien teilt. Auffällig ist, dass, obwohl es stets um ästhetische Bedenken geht, nicht die Entwurfsqualität im Mittelpunkt der Kontroverse steht. Es geht einzig um die Frage, ob etwas in die Landschaft eingefügt werden kann oder nicht. Vermittelnde Entwurfsoptionen, derer ein weites Spektrum zur Verfügung stünde, bleiben außen vor. Obwohl die Landschaft sozusagen das Turnier-
feld ist, auf dem die Schlacht um die erneuerbaren Energien ausgetragen wird, werden die Stimmen von Landschaftsarchitekten in der Regel kaum gehört. Raumplanung wird auf den ersten Blick vor allem durch wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben. Wirtschaftswachstum ist jedoch seinerseits nur möglich durch eine riesige Maschinerie, die ständig befeuert werden muss, nämlich die Energieversorgung. Diese Maschinerie wird kaum noch wahrgenommen, da die großen Anlagen dieser Art in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend aus dem öffentlichen Blickfeld entfernt wurden. Stadt- und Landschaftsplanung fungieren wie ein Mantel, der Apparaturen, Brennstoffe und Leitungsnetze diskret verhüllt. Unsere Alltagsumgebung ist heutzutage kaum noch von Anlagen zur Energieerzeugung geprägt, ein Grund, weshalb die meisten Menschen eine verlässliche Versorgung mit Energie als selbstverständlich erachten.
Erneuerbare Energien könnten mit Relikten von Energielandschaften kombiniert werden. Die Abbildung vom Braunkohletagebau Hambach am Niederrhein vermittelt eine grobe Vorstellung davon, wie die Energieerzeugung an diesem Ort – unter Hinzufügung einer Energiespeicheranlage – aufrechterhalten werden könnte.
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