Garten und landschaft 05 2010

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Mai 2010

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Stadtnatur


Inhalt 5/2010

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Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

120. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten.

Garten + Landschaft

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An guten Tagen Robert Schäfer

Journal

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Gute Statements für die Berliner Mitte Susanne Isabel Kröger Entscheidung des Schinkelwettbewerbs 2010

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Hamburger Blütenträume frei nach Joseph Beuys Thomas Armonat Mitglieder der Freien Kunstschule in Hamburg säen Wildblumenwiesen an

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Das Handbuch Stadtklima Carina Holl Ein Buch über Maßnahmen und Handlungskonzepte für Städte und Ballungsräume

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Ein Leben für den Karl-Foerster-Garten in Bornim Norbert Kühn Zum Tod der Gartenarchitektin Marianne Foerster

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Stadtgrün als Planungswerkzeug für die moderne Stadt Juliane Schneegans Ausstellung über Landschaftsarchitektur im Frankfurter Palmengarten

6 Wie identifiziert man durch Extremwetterlagen gefährdete Gebiete und mit welchen Maßnahmen passt man die Stadt an diese Gefahren an? Untersuchungen zu diesem Thema liefern die Autoren im „Handbuch Stadtklima”.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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Editorial

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7 Die Ausstellung „Stadt-Grün” im Palmengarten Frankfurt zeigt vom 21. Mai bis 22. August einen Querschnitt durch zeitgenössische Landschaftsarchitektur. Im Bild: „Le Jardin Sauvage” in Paris des ateliers le balto.

8 Anhand von drei Beispielen zeigt ein Forschungsprojekt, wie sich Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung nutzen lässt. Im Bild: das „Maurice Rose Airfield“ bei Frankfurt, gestaltet von GTL Landschaftsarchitekten.


Stadtnatur

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Mit Landschaft Stadt machen! Carlo W. Becker, Undine Giseke Das Forschungsvorhaben „Renaturierung als Strategie nachhaltiger Standortentwicklung” Biomasse zum Anfassen Frank Lohrberg, Hans-Peter Noll Der Biomassepark Hugo: Energiegewinnung in Gelsenkirchen Der Zauber des schwarzen Berges – Naturstandort Halde Antje Havemann Der Carl-Alexander-Park in Baesweiler

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Ein Picknick auf der Autobahn Bettina Krause Der Landschaftspark Rudow-Altglienicke in Berlin

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Ökologie und Design im Park am Nordbahnhof Susanne Isabel Kröger Ein Wiesenmeer für den ehemaligen Berliner Nordbahnhof

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Urbaner Wald – ein neuer Freiflächentyp Irene Burkhardt, Katharina Lohmann Forschungsvorhaben und Modellprojekt in Leipzig

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Vom Making of Landscape zur Machbarkeit von Natur Susanne Kost Ein neues Naturverständnis und Projektbeispiele aus den Niederlanden

12 Auf der verlassenen Zeche Hugo in Gelsenkirchen wachsen bald Pappeln und Weiden. Lohrberg stadtlandschaftsarchitektur verbinden in ihrem Entwurf Energiegewinnung und Erholungsnutzung zum Biomassepark.

17 Davids, Terfrüchte + Partner machen die jahrzehntelang unzugängliche Halde Carl Alexander in Baesweiler auf behutsame Art für Besucher erlebbar.

Urban Design Produkte Projekt

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GaLaBau Praxis Produkte Recht

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fokus Spiel + Bewegung Nachrichten Campus Personen Wettbewerbe Termine DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Nachtrag, Impressum

40 48 52 54 62 65 66 72 72

27 In Sichtweite des Berliner Fernsehturms gestalteten Fugmann Janotta den Park am Nordbahnhof auf Flächen, die früher zum Todesstreifen gehörten.

Bilder: Martin K./Panthermedia (aus: Handbuch Stadtklima), Yann Monel, bgmr, lohrberg stadtlandschaftsarchitektur, Davids, Terfrüchte und Partner, Fugmann Janotta Titel: Park am Nordbahnhof, Fugmann Janotta

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Ein Leben für den Karl-Foerster-Garten in Bornim Zum Tod der Gartenarchitektin Marianne Foerster

Die Situation von Gärtnerei und Garten in Bornim waren ihr durch Besuche zu Hause immer präsent. 1990, nach dem Fall der Mauer, entschloss sie sich, sich ihrer Mutter Eva und auch dem Garten ihres 1970 gestorbenen Vaters zu widmen. Zunächst dachte sie noch daran, ihre selbstständige Tätigkeit als Gartenplanerin aus Brüsseler Zeiten fortzusetzen. Schnell merkte sie aber, dass die Sorge um das väterliche Erbe ihre ganze Energie verschlang. Sie setzte sich offensiv für den Garten ein und setzte alles daran, Haus und Garten zu erhalten. So war sie auch maßgeblich an der Wiederherstellung des Foerster-Gartens zur Bundesgartenschau 2001 beteiligt, die Martin Heisig von der Freien Planungsgruppe Berlin leitete. Durch die neue Bepflanzung des Senkgartens, weitgehend unabhängig von den Vorstellungen ihres Vaters, hat sie ganz eigene Akzente gesetzt. So wie sich dieses bedeutende

Seit 1990 widmete sich Marianne Foerster dem Karl-Foerster-Garten in Bornim. Das Bild zeigt sie im Garten im Jahr 2007.

privat

Am 30. März 2010 starb in Potsdam im Alter von 79 Jahren das langjährige Kuratoriumsmitglied der Karl-Foerster-Stiftung, Marianne Foerster. Als Marianne Foerster 1931 geboren wurde, stand ihr Vater Karl Foerster im Zenit seines Schaffens. Ganz selbstverständlich ging sie in der väterlichen Gärtnerei in die Lehre, entschloss sich aber kurz darauf, den Betrieb und das elterliche Haus zu verlassen, um zuerst nach Schweden zu gehen. Danach begann sie, auf Empfehlung von Hermann Mattern, im Büro des Brüsseler Landschaftsarchitekten René Pechère zu arbeiten. Sie war dort 30 Jahre für die Pflanzpläne zuständig, die maßgeblich zur Atmosphäre der Pechèreschen Planungen beitrugen. Nach seinem Rückzug aus dem Büro machte sich Marianne Foerster in Brüssel als Gartenplanerin selbstständig. In dieser Zeit entstanden in Brüssel und Hamburg mehrere Gärten.

Haus und Garten in Bornim werden in das Eigentum der Marianne-Foerster-Stiftung übergehen, die Stadt Potsdam wird weiterhin die Gärtner stellen und die Foerster Stauden GmbH sich an der Sorge um das Gartendenkmal beteiligen. Leider reichen diese Anstrengungen jedoch nicht aus. Die Stiftung, die unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hilft, das Bornimer Erbe zu bewahren, ist auf Spenden angewiesen. Norbert Kühn, Vorsitzender der Karl-Foerster-Stiftung

Denkmal der Reformgartenzeit heute präsentiert ist es ein Marianne-Foerster-Garten. Über ihre Beziehung zu diesem Teil ihres Erbes schrieb sie 2005 auch das Buch „Der Garten meines Vaters Karl Foerster“, erschienen im DVA Verlag. Sie schildert hier nicht nur die Geschichte des Gartens, sondern weiß sich auch, charmant plaudernd, in die Riege der deutschen Gartenschriftstellerinnen einzureihen. Auch die Wiederherausgabe der Bücher ihres Vaters lag ihr sehr am Herzen.

Stadtgrün als Planungswerkzeug für die moderne Stadt

Die Ausstellung „Stadt-Grün, Europäische Landschaftsarchitektur für das 21. Jahrhundert“ präsentiert aktuelle Ansätze aus Europa. Entstanden als Kooperationsprojekt des Deutschen Architekturmuseums mit dem Palmengarten Frankfurt am Main, ist die Ausstellung vom 21. Mai bis 22. August in der Galerie am Palmenhaus zu besichtigen. Begleitend erscheint ein Katalog im Birkhäuser Verlag. Neue Lebensformen der modernen Großstadtbewohner verlangen nach neuen Ansätzen der städtischen Freiraumgestaltung. Ein Freiraumtyp zwischen Park und Platz, ein sogenannter urbaner Hybridraum, könnte den Anforderungen der Stadtbewohner gerecht werden. Gerade Landschaftsarchitekten werden konfrontiert mit Fragen, wie die städtische Umweltsituation zu verbessern sei oder mit Schrump-

fungsprozessen und Umnutzung von Industriebrachen umgegangen werden sollte. Städtisches Grün dient somit einem nachhaltigen, ökologischen Stadtumbau. Dieses Aufgabenspektrum des zeitgenössischen Stadtgrüns mit seinen verschiedenen Formen der Aneignung und Möglichkeiten der Naturerfahrung wird dargelegt und diskutiert. Bei der Auswahl der 27 Projekte aus den vergangenen 20 Jahren stand die typologische Vielfalt im Vordergrund. Zudem legte der wissenschaftliche Beirat einen Schwerpunkt auf den Umgang von Pflanzen. Die Beispiele reichen vom Privatgarten bis zu Großprojekten wie die Gestaltung von Flussufern (Quai de Saône, Lyon) oder Grün-Masterplanungen für ganze Metropolen (Pru Rubattino, Mailand). Außerdem zeigt die Ausstellung historisches Stadtgrün (Garten

des Landhauses Liebermann, Berlin), temporäre Installationen (Domplatz, Hamburg) und Areale, die dem Wildwuchs und der Pioniervegetation als Bühne dienen (Schöneberger Südgelände, Berlin). Sie umfasst Nutzgärten und Parks, spannt den Bogen vom städtischen Garten (Kulturgarten, Berlin) zu Stadtplätzen, vom Spielplatz (Georg-Freundorfer-Platz, München) zum Wohnwald, vom Friedhof (De Nieuwe Ooster, Amsterdam) bis zu hängenden Gärten (Caixa Forum, Madrid). Der Besucher soll einen Überblick über Positionen, Materialien und Techniken der Landschaftsarchitektur in Europa erhalten. Im Katalog begleiten zehn Essays zu ausgewählten Fragen zeitgenössischer Landschaftsarchitektur die vorgestellten Projektbeispiele. Juliane Schneegans

Yann Monel

Ausstellung über zeitgenössische Landschaftsarchitektur im Frankfurter Palmengarten

Eines der vorgestellten Projekte der Ausstellung „StadtGrün” im Frankfurter Palmengarten ist der Jardin Sauvage in Paris, entworfen vom atelier le balto aus Berlin.

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Mit Landschaft Stadt machen! Ein Forschungsprojekt untersucht, welchen Beitrag Brachflächen zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten können. Wesentlich ist es, mit verschiedenen Akteuren Nutzungsformen zu finden, die sich finanziell selbst tragen.

Carlo W. Becker, Undine Giseke „Aus Stadt Landschaft machen, ist bisher keine etablierte Praxis, wenngleich es eine wachsende Herausforderung im Zuge des Stadtumbaus darstellt“. So der einführende Kernsatz aus dem Forschungsprojekt „Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung. Und tatsächlich, wer eine ehemals bebaute Fläche nicht nur „grün“ zwischennutzen, sondern bewusst und dauerhaft als Landschaft gestalten möchte, betritt Neuland. Entsprechend der Wachstumslogik, die der Baugesetzgebung zugrunde liegt, folgen unsere Rechtsinstrumente, Planungsverfahren und Förderungen primär der Logik, eine bauliche Inanspruchnahme von Landschaft zu steuern. Der umgekehrte Weg, aus baulich genutzten Flächen neue Landschaften zu generieren, muss, wenn es mehr als ein nur zufälliges Brachfallen von Flächen sein soll, erst erlernt werden. „Aus Stadt Landschaft machen“ erfordert ein Umdenken. Die Transformationsprozesse in einigen deutschen Städten, demografischer und wirtschaftlicher Wandel sowie veränderte Wertschöpfungsketten zwingen die Städte jedoch immer häufiger dazu, auch diesen Weg zu gehen und eine dauerhafte Renaturierung von Flächen als Strategie der Stadtentwicklung einzusetzen. Was für Landschaften entstehen dabei? Welche Konzepte für die urbane Land-

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schaft gibt es und wie gestaltet sich der Prozess der Umwandlung? Diesen Fragen sind wir in der Forschungsarbeit anhand der Untersuchung von Fallstudien nachgegangen. Städtische Landschaft selbermachen Ein Blick auf die Fallstudien zeigt: Renaturierung als Strategie des Stadtumbaus bedeutet keine Rückkehr zu alten Kulturlandschaften. Es entstehen neue Bilder, Nutzungsmixe und Akteurskonstellationen. Neue Aneignungsformen werden entwickelt und durch die Landschaften neue Räume für soziale und kulturelle Interaktion gebildet. In vielen Fällen handelt es sich um wachsende Konzepte, um „learning by doing“. Auf der anderen Seite machen einzelne Beispiele wie Hoyerswerda oder Essen mit gesamtstädtischen oder teilräumlichen Leitbildern und informellen Freiraumkonzepten deutlich, wie hilfreich eine gemeinsam getragene und großräumige Landschaftsvision als Orientierung in diesem Prozess ist. Doch gibt es bislang nur wenige dieser übergeordneten Landschaftsideen. So bleiben häufig die Chancen noch ungenutzt, den Stadtraum durch die neuen Landschaften aktiv zu strukturieren und durch neue Nutzungskonzepte Synergien für die Stadt zu erzeugen. In Städten entstehen immer noch – und viel zu häufig – klassische Grünflächen für intensive wie extensive Erholung. Der im Forschungsprojekt genutzte Begriff der Renaturierung umfasst jedoch alle Maß-

nahmen und Projekte, die grundsätzlich auf eine dauerhafte Umwandlung von Bauland in Grün- und Freiflächen ausgerichtet sind – und spricht damit nicht die Frage nach den künftigen Funktionen des Freiraums für die Stadt an. So gibt es auch Beispiele für forst-, land- oder energiewirtschaftlich genutzte Flächen. Auffallend ist dabei, dass diese Transformationsprozesse häufig eng verknüpft sind mit der „Do-ityourself“-Gesellschaft. Das Selbermachen der urbanen Landschaften nimmt eine wichtige Rolle in diesen Prozessen ein. Die Städte und Kommunen wirken in diesem Prozess vor allem unterstützend, wenn sie die einzelnen Akteure zusammenbringen, die Ansätze mit gesamtstädtischen Konzepten in Einklang bringen, gewisse Vorleistungen erbringen und vor allem beratend tätig werden. Doch ohne die Kooperation mit zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren wie Landwirten aus der Nachbarschaft, Wohnungsgesellschaften oder Vereinen bleibt das alles Theorie. Einige Beispiele für die nicht-bauliche Nachnutzung von Stadt: Erholungslandschaft mit Partnern planen Der Militärflugplatz „Maurice Rose Airfield“ in der Niddaniederung im Frankfurter Grüngürtel gelegen, wurde 1992 geschlossen. Zunächst eroberten sich die Anwohner das Gelände, skateten dort oder ließen Drachen steigen. Nach langwierigen Grundstücksverhandlungen wurde 2003/2004 das Konzept von GTL


Animation: bgmr

Das Büro bgmr aus Berlin entwarf für einen ehemaligen Flugplatz in Berlin Gatow die Idee, urbane Landwirtschaft zu initiieren. Das Projekt ist Teil des Forschungsvorhabens „Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung“. Im Rahmen des Forschungsprojekts sieht bgmr Angebote wie die Direktvermarktung von Lebensmitteln vor.

Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten aus Kassel für den alten Flugplatz realisiert: Eine gestalterischen Inszenierung der Natur, kombiniert mit einer kulturellen Bespielung wie Konzerte. Der Prozess wird durch ein breites Netzwerk von Akteuren getragen. Neben der Stadt Frankfurt waren und sind der Verein Feuerwehrmuseum und die Werkstatt Frankfurt e.V. beteiligt, die als Ausbildungs- und Qualifizierungsprojekt das Tower Café betreibt und Teile der Landschaftspflege übernehmen. Die Naturschule Hessen GmbH und der Verein Umweltexploratorium e.V. bieten ein Programm rund um Natur und Fliegen an. Durch die ressortübergreifende Kooperation zwischen der Stadt Frankfurt und den Akteuren entstand auf dem ehemaligen Flugplatz kein klassischer Park, sondern ein Ort, der viele unterschiedliche Nutzungen ermöglicht. Urbane Landwirtschaft In Berlin Gatow wurden, nachdem der Flugplatz der Alliierten geschlossen wurde, auf einem Teil der Flächen Wohnhäuser gebaut. 90 Hektar wurden als Ausgleichsfläche ausgewiesen. Da ein klassischer Stadtpark an der Peripherie im Übergang zur ländlich geprägten Brandenburger Kulturlandschaft keine angemessene Antwort für diese Fläche war, entwickelte bgmr 2004 ein Konzept für urbane Landwirtschaft. Im Gegensatz zur ruralen Landwirtschaft stellt sich die urbane Landwirtschaft auf die besondere Situation der

Handlungsempfehlungen des Forschungsvorhabens „Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung“ Die Renaturierung ist ein Prozess, der sich schrittweise entwickelt, wächst, neu formiert und verändert • Leitvorstellungen und strategische Regeln als Grundlage eines dynamischen Prozesses entwickeln • Unschärfen informeller Planungen nutzen und Spielräume ermöglichen • Flexible Planungsinstrumente und -verfahren entwickeln und nutzen • Prozessuale Entwicklungen initiieren, organisieren und moderieren Mit Renaturierung neue Wertschöpfungsprozesse initiieren Nach Abbruch der baulichen Wertschöpfung • Das Aufkeimen neuer freiraumbezogener Wertschöpfungsprozesse erkennen und unterstützen • Ideen und Schnittstellen einer neuen Freiraumökonomie bewusst fördern • Hilfestellung durch ressortübergreifende Kooperation geben Renaturierung als eine baukulturelle Aufgabe kommunizieren Renaturierung bedeutet nicht nur wachsen lassen, sondern sie ist als eine gestaltende Strategie zu verstehen • Baukultur breit anlegen (Planungs-, Beteiligungs- und Verfahrenskultur) • Auch bei geringen Mitteln Baukultur fördern • Neue Landschaften als Gestaltungsaufgabe mit einer neuen Ästhetik verstehen • Mit Baukultur Zeichen setzen und so die Akzeptanz erhöhen Informelle Planungsinstrumente als Teil einer prozessualen Entwicklung einsetzen Informelle Pläne sind notwendig • Als Vision (Was kommt nach dem Rückbau?) • Für die politische und kommunale Legitimation und Abstimmung • Zur Ausrichtung des Handelns der Akteure

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Der Zauber des schwarzen Berges – Naturstandort Halde Besucher werden auf Stegen über die bestehende Vegetation geführt, die Abraumhalde wird zum Bergplateau mit Aussichtspunkt: Behutsame Eingriffe und die besondere Rücksichtnahme auf den Bestand ermöglichen die Umwandlung eines seit Jahrzehnten unzugänglichen Haldenstandortes in Baesweiler zum Carl-Alexander-Park.

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Vom Making of Landscape zur Machbarkeit von Natur In den Niederlanden zeichnete sich über die vergangenen Jahre ein neues Verständnis von Natur ab, das heute gesellschaftlich großen Zuspruch erfährt. Natur wird nicht mehr nur als Prozess eigenständigen Entstehens begriffen, sondern als Ergebnis gesteuerter Planung. Natur wird zum Standortfaktor.

Susanne Kost In den Niederlanden ließen sich in den vergangenen 20 Jahren gravierende landschaftsverändernde Prozesse beobachten, die einer raumplanerischen Neuordnung des Landes gleichkommen. Dieser „Umbau“ wird unter anderem durch demografische Verschiebungen im Land und eine neue Hochwasserschutzpolitik hervorgerufen. Eine wichtige Rolle spielt außerdem eine Umorientierung: Wohnen und Arbeiten konzentrieren sich nicht mehr nur in Ballungsgebieten wie der Randstad. Parallel dazu führte ein weiterer Prozess zu einem veränderten Umgang mit Landschaft. Auslöser war die „Wiederentdeckung der Natur“. In den 1980er-Jahren entstand auf dem jungen Flevolandpolder östlich von Amsterdam auf einer für Industriezwecke vorgehaltenen, aber nicht genutzten Fläche fast zufällig eine sekundäre Wildnis (heute: Oostvaardersplassen). Natur als Gesellschaftsbewegung Diese Entwicklung wurde in den Niederlanden als „neue Natur“ gefeiert und interessierte nicht nur Fachleute. Man kann diese Wiederentdeckung der Natur und ihre zunehmende Bedeutung in der Gesellschaft als Reaktion auf die gewaltige Ökonomisierung der Landschaft verstehen, die ihrerseits das Verlangen hervorbrachte, Mensch und Natur in Einklang zu bringen. Dieser Paradigmenwechsel im Umgang mit Landschaft lässt sich an einer

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wachsenden gesellschaftlichen Beliebtheit von „Natur“ und ihrer konkreten Realisierung in Naturentwicklungsprojekten ablesen. Er findet seine heutige Ausprägung in großmaßstäblichen Landschaftsveränderungen, bei denen „neue Natur“ den Regionen, aus denen Menschen wegziehen, aber auch Städten und Gemeinden, ein neues Image und einen neuen Standortfaktor liefert. Der Begriff „neue Natur“ löste eine regelrechte Naturentwicklungsbewegung aus und brachte sogar Interessen vormals extrem divergierender Gruppen zusammen. Naturschutzorganisationen verzeichneten einen großen Zulauf. Im Jahr 1990 hatte die Naturschutzorganisation Natuurmonumenten 292 000 Mitglieder. Innerhalb von 10 Jahren hat sich ihre Zahl mehr als verdreifacht (Quelle: Natuurmonumenten), auf fast sechs Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Journalistin Tracy Metz war bereits 1998 der Ansicht, dass diese Organisationen mit der „neuen Natur“ sowohl einen neuen Auftrag erhalten, als auch einen neuen Markt entdeckt haben. Den Zulauf und damit die Akzeptanz erklärt sich Metz aus der positiven Botschaft, die der Begriff vermittelt. Nach ihrer Einschätzung steht „neue Natur“ in der Popularität der niederländischen Öffentlichkeit höher im Kurs als der Begriff „Umwelt“, denn er ist weniger abstrakt. Das Bauen „neuer Natur“ ist nicht nur Sache der

Landschaftsplaner und -architekten, auch Politik, Städte und Gemeinden sowie Projektentwickler im Wohnungsbau und Industrieunternehmen sind beteiligt und engagieren sich. „Natur“ steht dabei nicht, wie der Begriff es vermuten ließe, für eine unberührte Landschaft, sondern für ökonomisch orientierte Planungen und Projekte sowie als Alternative für obsolet gewordene Nutzungen im urbanen Raum. Aus Naturbildern geschaffene Landschaft Bis heute spiegelt der Begriff der Natur die innerliche Vorstellungs- und Sehnsuchtswelt des Einzelnen wider und produziert ein abstrahiertes und individuelles Bild, das der Kompensation der Realität dient. Das Bild einer Landschaft entwickelt sich in unserem Kopf durch Wissen, Erfahrung, kulturelle Deutungen und Bedeutungen und spiegelt somit gesellschaftliche Wertvorstellungen, Referenzen und Sehnsüchte einer Zeit wider. Mit dem Prozess der Naturbeherrschung und dem Wissen um die Machbarkeit von Landschaft hat sich ein spezifisch materiell wie ästhetisch geprägtes Naturverhältnis herausgebildet. „Im Garten (beziehungsweise Park) eröffnet sich … die Chance der unmittelbaren Gestaltung. Der Garten wird zur Stätte ästhetischen Handelns, zu einer Arena mimetischer Prozesse. Indem im Garten die Erzeugung von Natur-, Landschafts- und folglich Selbstbildern durch


Oostvaardersplassen: Eigentum von Staatsbosbeheer (staatliche Forstbehörde) Seit Ende der 1970er-Jahre ungeplant als sekundäre Wildnis entstanden, seit 1985 Staatsnaturdenkmal Fläche: etwa 6 000 Hektar Grensmaas: Bauherr: Zweckverband „De Maaswerken“, Maastricht Planung: Consortium Grensmaas B.V., Born Fläche: 45 Kilometer langes Teilstück der Grensmaas, 50 000 Quadratmeter Neuaufforstungen, 2 500 Meter wiederhergestellte Mäander, 520 000 Quadratmeter Bodenabtrag und -sanierung, 150 000 Quadratmeter Flächennutzungsänderungen, 4 500 Meter Verbreiterung des Flusslaufs, Verlagerung des Deichvorlandes, etwa 1 000 Hektar Naturentwicklung Bauzeit: 1992 bis 2022 in elf Teilprojekten Kosten: geplante Kostenneutralität durch Erlöse aus der Kies- und Sandgewinnung Volgermeerpolder: Bauherr: Scheepsexploitatiemaatschappij BAVO bv./Gemeinde Amsterdam Milieudienst Planer: Vista Landscape and urban design B.V., Amsterdam Projektbüro Bodem, Amsterdam Fläche: 100 Hektar Bauzeit: Sanierungsentschluss seit 2000 Kosten: 106 Millionen Euro (geschätzt)

Susanne Kost: The Making of Nature. Eine Untersuchung zur Mentalität der Machbarkeit, ihre Auswirkung auf die Planungskultur und die Zukunft europäischer Kulturlandschaften. Am Beispiel Niederlande, Metropolis-Verlag, Marburg 2009 Frits van Beusekom: Landschap in Nederland. Verkade of McDonald’s? In: Lemaire, Ton; Kolen, Jan (red.): Landschap in meervoud, Perspectieven op het Nederlandse landschap in de 20ste/21ste eeuw, Uitgeverij Jan van Arkel, Utrecht 1999 Jürgen Hasse: Heimat und Landschaft. Über Gartenzwerge, Center Parks und andere Ästhetisierungen, PassagenVerlag, Wien 1993 Tracy Metz: Nieuwe Natuur, Reportages over verandernd landschap, Uitgeverij Ambo, Amsterdam 1998

Aus: Land der lebendigen Flüsse,KNNV Publishers & Stichting, Utrecht 2002

Literatur:

Die Oostvaardersplassen östlich von Amsterdam – Symbol der „neuen Natur”: Sie haben in den Niederlanden einen Umdenken im Umgang mit Natur und Landschaft eingeläutet.

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