Garten + Landschaft 05/2015

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Mai 2015

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Impulse f端r die Stadt


Inhalt 5/2015

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Die Skizze zeigt die erste Idee zur Umgebungsgestaltung des übergroßen Glas-Bauernhofs in Schijndel (siehe Seite 12). MTD, MVRDV

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

125. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten.

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Bilbao ist schweißtreibend Gesa Loschwitz-Himmel

Journal

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Zukunft Stadt Landschaftsarchitektur und die Kunst des Gewähren-Lassens Undine Giseke

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Weltkulturerbe und Konversionsprojekt ausgezeichnet Thomas Armonat Deutscher Landschaftsarchitektur-Preis 2015 des BDLA entschieden

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Ein Platz für alle vor der Münchner Oper Gesa Loschwitz-Himmel Ideen für ein gestaltungsbedürftiges Stück Innenstadt präsentiert

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Unrecht erinnern Inga Bolik, Constanze A. Petrow Öffentliche Diskussion von Studenten-Entwürfen für ein Denkmal in Berlin

8 Der Park am Gleisdreieck i­n ­Berlin erhielt einen der beiden Deutschen Landschaftsarchitektur-Preise 2015.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

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Editorial

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10 Studenten des Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur und ­öffentlicher Raum der TU München entwarfen Ideen für den Platz vor der Münchner Oper.

12 Ein überdimensionaler Bauernhof aus Glas ist neuer Anziehungspunkt im Zentrum der ­niederländischen Ortschaft Schijndel.


Impulse für die Stadt

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Balanceakt in einem holländischen Dorf Marieke Berkers Spiel mit den Dimensionen im öffentlichen Raum von Schijndel

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Das schönste Zimmer der Stadt Christian Holl Die sanierte Altstadt im schweizerischen Baden

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Düsseldorf krempelt sich um Juliane von Hagen Kö-Bogen und Hofgarten-Terrassen als Bausteine der Innenstadtentwicklung

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Israels Plads: zwischen Park und Markt Virginie Corinne Le Goffic Neuer Treffpunkt in Kopenhagen

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Ein Regiebuch für die ganze Stadt Christian Holl Räumliches Leitbild für Karlsruhe

17 Im schweizerischen Baden werden die Straßen und Plätze der historischen Alstadt sukzessive ­saniert.

22 Der Kö-Bogen mit den Hofgarten-Terrassen ist ein wichtiger Baustein im Umgestaltungskonzept für die nördliche Innenstadt von Düsseldorf.

Nachrichten Produkte Leserbrief Projekt Wettbewerbe DGGL Nachrichten Vorschau, Autoren, Impressum

40 46 48 50 52 58 64

26 Nachdem er jahrzehntelang als Parkplatz missbraucht wurde, ist der Kopenhagener Israel Plads heute wieder ein wich­ tiger Treffpunkt.

Bilder: Julien Lanoo Photographs/Atlier Loidl, Sarah Schnelle/TUM, Daria Scagliola & Stijn Brakkee, René Rötheli, FSWLA, Rasmus Hjørtshoj

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Journal

Ein Platz für alle vor der Münchner Oper

darunter den Regisseur Marcus H. Rosenmüller. Der sagte: „Ich muss gestehen, es gehört schon einige Fantasie dazu, e ­ inen Platz in dieser Lage zu einem Parkplatz zu degradieren – aber nicht jede Fantasie ist ­ eine schöne.” Um das zu än­ dern, und um die öffent­liche Diskussion anzuregen, waren zeitgleich zur Petition Bachelor-­ Arbeiten von Studenten des Lehrstuhls für Landschafts­ architektur und öffentlicher Raum der TU München von ­Regine Keller in der Oper aus­ gestellt. Die Studenten streben alle an, den Verkehrsplatz zu einem Aufenthaltsort zu ma­ chen und den Platz räumlich zu gliedern, sei es durch eine er­ höhte Platz­mitte oder Baumrei­ hen. Viele ver­legen die Tiefga­ rage und machen den Platz zur Fußgängerzone, einige jedoch belassen die Tiefgarage und ­inszenieren das langsame Um­ fahren des Platzes – doch ein Parkplatz wäre er nicht mehr. Gesa Loschwitz-Himmel

Der Blick auf den Max-JosephPlatz zeigt, dass Handlungs­ bedarf besteht, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Mehr zu den Entwürfen: www.lao.wzw.tum.de/?id=194

Platz ist Ein schönereine Sackgasse z niemals ax-Joseph-Plat st, über den M Gerhard Polt,

Kabaretti

Das Licht der zum Kreativraum umgebauten Tiefgarage leuchtet im Entwurf von Theresia Loy durch runde, in den Boden eingelassen Glasplatten und erzeugt ein abstraktes ornamentales Muster.

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Tobias Drexl, TUM

Theresia Loy, TUM

Der Max-Joseph-Platz vor der Münchner Staatsoper in der ­Innenstadt könnte ein schöner Platz sein. Zumindest sollte er das, wenn man auf die Fassa­ den um ihn herum blickt: Resi­ denz, Nationaltheater und die Bogenhalle des ehemaligen ­Palais Törring-Jettenbach: ein Hauch Norditalien weht durch München. Doch der Blick auf den Platz ist ernüchternd, er ist mehr Tiefgaragenzufahrt und Reisebushalt als Stadtplatz. ­ Das kann auch die gepflasterte Mitte um die Statue von König Max I. Joseph nicht retten, denn dort wurde der wahr­ scheinlich holprigste Stein­belag Münchens verlegt, ein Katzen­ kopfpflaster. Doch selbst wenn es möglich wäre, dort bequem zu laufen: Sitz­gelegenheiten gibt es ohnehin keine. Seit März läuft daher die ­Online-Petition „Ein Platz für ­alle”, die der Münchner Unter­ nehmer Ferdinand Hirmer ini­ tiierte und dabei zahlreiche ­prominente Unterstützer hat,

Videostill: Felix Gutmann, Christian Motz

Ideen für ein gestaltungsbedürftiges Stück Innenstadt präsentiert

Tobias Drexl macht ins seinem Konzept den Platz frei von motorisiertem Verkehr und sieht zwischen leuchtend türkisen „Flüssen“ „Flussterrassen“ aus gefärbtem Ortbeton vor.


Unrecht erinnern Ausstellung und öffentliche Diskussion studentischer Entwürfe für ein weiteres Denkmal in Berlin

Denkmal für Menschen Entworfen werden sollte kein Mahnmal für beziehungsweise gegen ein abstraktes politi­ sches System (Kommunismus), sondern ein Denkmal für Men­ schen, denen Unrecht wider­ fahren ist, die gelitten haben und die das ­Erlebte meist für den Rest ihres Lebens geprägt hat: Inhaftierte in den Gefäng­ nissen der Staatssicherheit, ­Opfer von Zwangsadoptionen, Menschen, die „unbequem“ waren und deshalb nicht stu­ dieren durften oder Berufsver­ bot b ­ ekamen, Enteignete, an der Mauer Getötete. Welcher ­Aspekt des stattgefundenen Unrechts in den Mittelpunkt ­ zu stellen sei, entschied jede Entwurfsgruppe selbst. Der Student Christian Margarit thematisiert mit seinem Ent­ wurf die Zensur. Ein 2,5 Quadrat­ meter großer Betonkubus birgt, einem Tresor mit extrem dicken Wänden gleich, einen sehr kleinen, von oben belich­

teten Raum. Darin befinden sich elementare Werkzeuge der Meinungsäußerung: ein leeres Blatt Papier und ein handels­ üblicher Stift aus der DDR. ­Diese werden symbolisch „weg­ gesperrt“. Der Raum ist durch einen Sehschlitz einsehbar. Ein Schriftband mit der ersten Stro­ phe des altdeutschen Volks­ liedes „Die Gedanken sind frei“ umläuft den Kubus.

aus denen jeweils die Silhouet­ te eines Menschen ausgeschnit­ ten ist. Deren Körperhaltung und Gestik macht sie als Vertre­ ter unterschiedlicher Opfer­ gruppen erkennbar. Auf den Betonscheiben sind Informatio­ nen und Erlebnisberichte zu ­lesen. An anderer, zentraler Stelle im Park wird eine Kom­ position aus den ausgeschnitte­ nen Silhouetten positioniert.

Alona Antonow und Katarina Sopp

25 Jahre nach dem Ende der DDR gibt es in der an Denk­ malen so reichen Mitte der Hauptstadt noch keinen Ort des Erinnerns an die politisch Verfolgten in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR. Für dessen Errichtung engagiert sich die Union der Opferverbände Kommunis­ tischer Gewaltherrschaft (UOKG) und ihre Initiative „Mahnmal für die Opfer des Kommunis­ mus“. Im September wird das Anliegen im Kulturausschuss des Bundestags behandelt werden. Einer Anfrage der UOKG fol­ gend haben wir mit Studieren­ den der Architektur am Fach­ gebiet Entwerfen und Frei­ raumplanung der TU Darm­ stadt erste Ideen für ein solches Denkmal erarbeitet. Diese wur­ den Ende März in der KonradAdenauer-Stiftung in Berlin ausgestellt und öffentlich dis­ kutiert.

Der Entwurf von Isabella Muga­ vero und Robert-Maximilian Sand bezieht sich auf eine ex­ treme Form der Demütigung von Regimegegnern, die Was­ serzelle in Gefängnissen der Staatssicherheit. Historisch nicht eindeutig belegt, taucht sie jedoch in vielen Zeitzeugen­ berichten auf. Dargestellt wird sie als quaderförmige Bronze­ plastik in Zellengröße. Daraus drückt sich eine nur bruch­ stückhaft erkennbare mensch­ liche Gestalt heraus. Alona Antonow und Katarina Sopp sehen in ihrem Entwurf „Lebenseinschnitte“ Scheiben aus dunkelgrauem Beton vor,

Sie soll symbolisieren, dass je­ der Betroffene sein Schicksal ­allein tragen muss, aber die ­Erinnerung an das Leid gemein­ sam bewahrt wird. Denkmal im Spreebogenpark Als Standort für das Denkmal haben die Initiatoren den Spreebogenpark vorgeschla­ gen. Einer Veränderung des Parks müssten die Landschafts­ architekten Weber und Saurer allerdings zustimmen. Wir würden ein Denkmal an die­ sem Ort für eine Bereicherung halten. Inga Bolik, Constanze A. Petrow

Alona Antonow und Katarina Sopp entwarfen „Lebenseinschnitte“: Ausgeschnit­ tene Silhouetten in Beton­scheiben zeigen Vertreter der Gruppen, die Opfer politischer Verfolgung wurden. Die Entwürfe und Modelle der Studierenden werden ab Anfang Mai in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu sehen sein. www.stiftung-hsh.de

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Marieke Berkers Seit mittlerweile etwa fünfzig Jahren ist in ländlichen Ortschaften in den Niederlanden eine zunehmende Standardisierung zu beobachten. Die meisten Dörfer haben ähnliche Geschäfte, überall findet man die gleichen gesichtslosen Wohnblocks, Autos beherrschen Straßen und Plätze. Alle diese Ortschaften ­sehen aus wie Dörfer, die zu Städten werden wollen, obwohl die wenigsten von ihnen das schaffen werden. Schijndel entschied sich für einen anderen Weg. Die Gemeinde beauftragte zwei Planungsbüros, Entwurfsvorschläge zu machen. Bezeichnenderweise griffen beide Büros auf historische Elementen und Bezüge zurück, um die Identität des Dorfes zu stärken. Das Büro MVRDV entwarf ­einen Glas-Bauernhof, ein neues Gebäude ­für den Marktplatz von geradezu ikonischem Charakter. MTD Landschapsarchitecten erarbeitete einen Entwurf für die öffent­lichen Räume, der diesen ihren ländlichen Charakter zurück-

Balanceakt in einem holländischen Dorf Ein überdimensionaler gläserner Bauernhof und neu gestaltete Straßen und Plätzen geben der Mitte des niederländischen Orts Schijndel eine neue Identität. Die Planer griffen auf historische

Daria Scagliola & Stijn Brakkee (2)

Elemente zurück und interpretierten sie neu.

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gibt. Die Strategien der beiden Büros: sie vermieden Historisierung, recherchierten sorgfältig, was die Identität des Dorfes ausmacht, und übersetzten diese Elemente in etwas Neues. Erinnerungen spielten eine wichtige Rolle, um die Dorfbewohner und andere in den Prozess der Imagination einzubeziehen. Das Spiel mit der Imagination beginnt mit der Annäherung an den Glas-Bauernhof. Aus der Ferne betrachtet wirkt das Gebäude wie ein Steinhaus. Doch spätestens wenn der Betrachter direkt vor dem Gebäude steht, gibt es keine Zweifel mehr: der Bauernhof besteht aus Glas, auf dem lediglich das Bild eines Bauernhofes aufgedruckt ist. Außerdem scheint ­irgendwas mit dem Maßstab nicht zu stimmen. Türen, Fenster, Wände und Steine sind größer, als sie es normalerweise wären. Gijs Rikken von MVRDV erzählt, dass dem ­Büro die Volumenmaße für das Gebäude auf dem Markplatz mit der Bitte verbunden über-

mittelt wurde, traditionelle Materialien zu verwenden. Die Idee, einen Bauernhof zu bauen stand da bereits, doch erschien es den ­Architekten wenig attraktiv, dafür traditionelle Materialien zu verwenden. Historisierung sollte ja gerade vermieden werden. Um einschätzen zu können, was die Bauernhäuser in der Region Schijndel auszeichnet, unternahm MVRDV umfangreiche Recherchen. Sie maßen Gebäudevolumen, zählten Schornsteine, ­notierten die Größen von Fenstern und Türen, studierten alte Pläne. Das Ergebnis war eine riesige Datenbank, die es ermöglichte, einen Durchschnitt der Elemente eines klassischen Schijndeler Bauernhauses zu ­errechnen. Der nächste Schritt war, besonders schöne Beispiele von Einzelelementen bestehender Gebäude mit diesen Maßen ausfindig zu machen und zu fotografieren. Die ­Aufnahmen des Fotografen Frank van der Salm wurden dann auf das Glas aufgedruckt. So entstand aus vielen

Ein Glas-Bauernhaus, entworfen von MVRDV, mit Cafés und Geschäften ist nun Anziehungspunkt in Schijndel. Auch die Straßen und Plätze wurden neu gestaltet.

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Hofgarten

DreischeibenSchauspielhaus haus

Kö-Bogen Hofgartenpromenade

Corneliusplatz

In den kommenden Jahren werden unter anderem der GustavGründgens-Platz vor dem Schauspielhaus, der Corneliusplatz und die Freiräume um die Johannes­ kirche ein neues Gesicht bekommen. Die Hofgartenpromenade wird den Hofgarten und die ­Johanneskirche verbinden.

Johanneskirche

Düsseldorf krempelt sich um Als Stadt der herausragenden Architektur ist Düsseldorf nicht bekannt. Aber vor großen Umbauten scheut sie auch nicht zurück. Jetzt wird die nördliche Innenstadt umgekrempelt. Der Kö-Bogen und die Hof­gartenTerrassen bilden einen wichtiger Baustein im Umbau-Prozess.

Mit dem Bau des Rheinufertunnels hat Düsseldorf vor einigen Jahren bereits einen mutigen Schritt getan. Ein großer baulicher Aufwand hat zu einem großen Qualitätsgewinn geführt. Endlich trennen nicht mehr vielbefahrene Autospuren die Stadt vom Fluss, sondern eine vielgenutzte Promenade bringt beide ­einander näher. Sie führt die Altstadt bis zum Ufer, bietet Raum für Nutzungen verschiedener Art und komplettiert den Rheinufer-Weg auch im innerstädtischen Bereich. Kurzum, die Baumaßnahme hat das gesamte Gefüge der Stadt verändert. Ähn­liche einschneidende Veränderungen stehen im Norden der Innenstadt kurz vor der Vollendung. Mit dem Bau des neuen Kö-Bogens ist nicht nur eine weiterer edler Einzelhandelspalast entstanden. Der neue Baukörper ist ein Baustein in der umfas22

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senden Umgestaltung der nördlichen Innenstadt. Zahl­reiche Teilprojekte in Verkehr, Freiraum und Hochbau werden das Gefüge der Stadt in naher Zukunft verändern, schaffen neue Verbindungen und Stadträume; kurzum, ­die Stadt krempelt sich hier einmal um. Der Bau des Kö-Bogens nach dem Entwurf von Daniel Libeskind kommt nicht ganz ­allein daher. Am nördlichen Rand der Innenstadt, wo die stadtbildprägende Königsallee endet und auf den Hofgarten trifft, wo das bekannte Dreischeibenhochhaus aus den 1960er-Jahren neben dem geschwungenen Schauspielhaus liegt, wo Richard Meier dem Kaufhaus P&C eine außergewöhnliche Adresse gab, muss der Kö-Bogen sich als neuer Solitär behaupten. Immerhin hat dieses N ­ ebeneinander an Einzelbauten einen ­Störenfried verloren:

FSWLA (3)

Juliane von Hagen


Der Kö-Bogen (Entwurf Daniel ­Libeskind) mit den dazugehörigen Hofgartenterrassen (Entwurf: ­FSWLA Landschaftsarchitektur) ist ein Baustein in der Umgestaltung der gesamten nördlichen Düsseldorfer Innenstadt.

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Sweco & Cobe

Nachdem der Lebensmittelmarkt von Kopenhagen verlagert wurde hatte der Grønttorvet, wie er damals noch hieß, keine Funktion mehr. Seit 2014 ist er wieder Treffpunkt im Viertel.

Israels Plads: zwischen Park und Markt Gelegen zwischen dem Bahnhof Nørreport, dem Ørstedspark und den neuen Markthallen bringt der neu gestaltete Israelplatz Leben in das Quartier. Dort wo früher Gemüse verkauft wurde, tummeln sich heute Kinder und Erwachsene.

Virginie Corinne Le Goffic Der Israels Plads, ein Platz im Herzen Kopenhagens, wurde nach langen Diskussionen in den Jahren 2012 bis 2014 schließlich neu ­gestaltet. Neben dem überdachten Torvehallerne-Lebensmittelmarkt gelegen, der den alten Grønttorvet (Grünmarkt) ersetzt hat, besticht der neue Platz als belebter Ort, der bereits den Übergang zum Gelände des Ørstedsparken kennzeichnet. Noch vor zehn Jahren war der Platz eine zugige Fläche, die als Parkplatz genutzt wurde, an dem Bewohner aus der Nachbarschaft ­ihre Hunde ausführten und Schüler manchmal an improvisierten Körben Basketball spielten. Der Platz wirkte verlassen und trostlos. Heute tummeln sich dort jeden Tag unzählige Menschen. Bis 1958 war der Grønttorvet der Großmarkt Kopenhagens, auf dem Händler und Verbraucher frisches Gemüse kauften. Der Markt war für seinen Charme und s­ eine durchaus chaotische Atmosphäre ­bekannt, doch der zunehmende Verkehr und die 26

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komplexe Logistik führten schließlich ­dazu, dass ein neuer Standort gefunden werden musste. Der Grønttorvet verwaiste nach dem Umzug, der Platz hatte keine Funktion mehr, obwohl er allein schon aufgrund seine L­ age in der Mitte der Stadt ein enormes Potential barg. In gewisser Weise lässt sich der Grønttorvet, der heutige Israels Plads, mit Les Halles vergleichen, die berühmten Markthallen von Paris, die 1971 in ein südlich gelegenes Vorstadtgebiet umzogen. Die große Lücke, die der Abriss hinterließ, bot eine einzigartige ­Gelegenheit, im Zentrum der Stadt e ­ inen neuen lebendigen Platz entstehen zu lassen. Dennoch blieb der Grønttorvet über viele Jahre eine unansehnliche Brach­ fläche. Das änderte sich 2011, als nach 15 Jahren politischer Querelen und Diskus­ sionen um die Finanzierung zwei neue Markthallen auf der Nordseite des Platzes gebaut wurden. Die Torvehallerne wirkten wie ein Katalysator, sie erweckten die


Rasmus Hjortshøj (5)

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Ein Regiebuch für die ganze Stadt Karlsruhe als Residenzstadt des Absolutismus, gegründet mit der Vorstellung einer Idealstadt, ist eng mit der Landschaft verzahnt. Direkt hinter dem Schloss, in der Stadtmitte, beginnt der sich weit in den Norden erstreckende Hardtwald. Die Aufgabe, Landschaft als Teil der Stadt zu begreifen, stellt sich hier also in besonderer Weise; ihr gerecht zu werden setzt ein räumliche Vorstellung davon voraus, wie sich Stadtkörper und Freiflächen zueinander verhalten, wie die Ränder und Übergänge gefasst werden sollen. Das räumliche Leitbild, das dafür entwickelt wurde, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und beispielhaft.

Christian Holl 2015 feiert Karlsruhe sein 300-jähriges ­Bestehen. Die Stadt scheint darauf gut vorbereitet zu sein und hat allen Grund, sich mit breiter Brust zu präsentieren. Man rechnet mit knapp 14 000 neuen Arbeitsplätzen bis 2025, bis 2030 erwartetet man, dass die Bevölkerung moderat von 307 000 (2013) auf 314 000 Einwohner wächst. Ein gesamtstädtisches Leitbild, das geschicht­ liche Strukturen, Sicherung von Lebensqualität, stadtklimatisch wichtige Freiflächen und den Bedarf an neuen Bauflächen aufeinander abstimmt, hat lange gefehlt. Es ist möglicherweise nicht der öffentlichkeitswirksamste, doch für die Zukunft der Stadt ein wesentlicher Beitrag zum Jubiläumsjahr, dass mit dem „räumlichen Leitbild“ ein ­Planungen und Projekte bündelndes und strukturierendes „Regiebuch“, wie es die Planungsamtsleitern Anke KarmannWoessner nennt, präsentiert und zur Diskussion gestellt wird. Anders als in stadtweiten Nutzungs- oder Sektoralplanungen stehen in diesem Querschnittswerk raumprägende Konzepte im Mittelpunkt. Den Weg, den man in Karlsruhe eingeschlagen hat, verdient Beachtung. Denn er zeigt nicht nur, dass es gute Gründe dafür gibt, eine solches Gesamtbild zu entwickeln, gerade wenn man den einzelnen Quartieren 32

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und Stadtteilen gerecht werden will. Er zeigt auch, wie man in einem Prozess, der die geänderten Realitäten der Stadtgesellschaft ernst nimmt, zu einem tragfähigen Leitbild kommen kann. Auch aus leidvollen Erfahrungen mit ­Bürgerbeteiligung (1996 wurde in einem Bürgerentscheid die Planung eines zentralen Straßenbahntunnels abgelehnt) hat man in Karlsruhe den Schluss gezogen, früh die Entwicklung dieses gesamtstäd­ tischen Leitbilds transparent zu machen und es unter der Mitarbeit der Bürger entstehen zu lassen. Auch wenn Karlsruhe ­inzwischen auf einige Erfahrung und Routine in Betei­ligungsprozessen zurückgreifen kann, war es ein Wagnis, sich nun nicht mehr einem abgegrenzten Areal zu widmen. Die Stadt als Ganzes stellt höhere Anforderungen an alle Beteiligten: Der Grad der Abstraktion ist höher, die Adressaten sind heterogener. Bislang wurde das Wagnis belohnt, das aufwändige Verfahren stieß auf breite R ­ esonanz. Formulierung eines Entwicklungsziels Vorbereitet durch ein integriertes Stadtentwicklungskonzept mit programma­ tischen Vorgaben und eine Ausstellung ­ mit Beteiligung, fiel der Startschuss im


Die Karte „Coole Quartiere – Klimaanpassung geschieht im Quartier” ist eine der Themenkarten für die Ausstellung „Die Stadt neu denken”, die Teil des Prozesses für ein neues räumliches Leitbild für Karlsruhe ist. MESS GbR, Kaiserslautern + Stadtplanungsamt Karlsruhe

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