Garten und Landschaft 07 2013

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Juli 2013

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

K端ste und Ufer


Inhalt 7/2013

Newsletter Jetzt kostenlos abonnieren: www.garten-landschaft.de Regelmäßig Neuigkeiten aus der Branche. Ein aufgemalter Hornhecht und Heringe lassen auf dem Willy-Brandt-Platz in Bremerhaven die Nähe zur Nordsee erahnen (Seite 8).

Küste und Ufer

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Foto: Markus Tollhopf, bearbeitet von Boris Storz

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

Neue Hafenliebe Ljubica Heinsen Willy-Brandt-Platz und Deichpromenade in Bremerhaven

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Promenieren in Heiligenhafen Anette Kolkau Erlebnis-Seebrücke in die Ostsee und Promenade am Binnensee

Demokratisches Grün – Olympiapark München Udo Weilacher Ein Buch anlässlich des 40-jährigen Bestehens

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Wellen im Belag Gerhard Hauber Hafenplatz in Offenbach

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Hochwasserrisikomanagement – eine Generationenaufgabe Thomas Armonat Jahrhunderthochwasser lassen sich nicht kurzfristig abwenden

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Stadtmitte am Fluss Martin Rolshausen Ein Stadtentwicklungskonzept für Saarbrücken

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Zusammenarbeit auf Augenhöhe intensivieren Thomas Jakob Interview mit Goetz Stehr, Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz

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Strategien zur Treibselreduzierung Antje Bremermann, Martin Sprötge Über Biomasse, Treibgut und Deiche

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Besser mit Landschaftsarchitekten Thomas Jakob 35 Büros stellen sich und ihre Arbeit in einem Jahrbuch vor

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Natur in Tirschenreuth Peter Benecken Gartenschau in Bayern

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Strategic Urbanism: Topos-Tagung am 10. September Robert Schäfer Diskussion über Megatrends und Verleihung des Topos Landscape Awards 2013

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Zwischen Schloss und Fluss Thomas Jakob Gartenschau in Sigmaringen, Baden-Württemberg

Editorial

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Zum Donnerwetter Robert Schäfer

Journal

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5 Extremes Hochwasser wie Anfang Juni bei Deggendorf wird sich künftig häufen. Die notwendigen länderübergreifenden Umstrukturierungen werden Generationen dauern.

7 Bei einer Topos-Tagung zum Thema „Strategic Urbanism“ im September wird Peter Latz für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im Bild: Parco Dora in Turin.

8 Hinter der Flutmauer am Willy-­ Brandt-Platz in Bremerhaven türmen sich die Felsen des Zoos. Auf dem Platz schwimmen überdimensionale, auf den Asphalt gemalte Fische.

13 Heiligenhafen modernisiert seine Freiräume, darunter auch die in die Jahre gekommene Südpromande am Binnensee. Auf Holzdecks lässts sich jetzt Meeresluft schnuppern.

20 Der Hafenplatz in Offenbach ist der Mittelpunkt des neuen Quartiers Offenbacher Hafen, das nahezu komplett von Wasser umgeben ist.

Urban Design

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Nachrichten Campus Recht Wettbewerbe Termine DGGL Nachrichten Autoren, Vorschau, Nachtrag, Impressum

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24 Mit dem Stadtentwicklungskonzept „Stadmitte am Fluss“ hat Saarbrücken Großes vor. Die Berliner Promenade am Saarufer ist bereits fertiggestellt.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org 123. Jahrgang

Bilder: BSUG, Latz + Partner, Markus Tollhopf, Siller Landschaftsarchitekten/Arne Biederbeck, Ralf Heidenreich, Westeifel Werke Titel: Weserdeich in Bremerhaven, Markus Tollhopf

Für die Zukunft gestalten. 2

Garten + Landschaft

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Garten + Landschaft

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Neue Hafenliebe Der Willy-Brandt-Platz ist ein neues Element der „Havenwelten“ im Neuen und Alten Hafen von Bremerhaven. Prominent gelegen an der Einfahrt zum Museums- und Sportboothafen, erhielt der lange vernachlässigte Platz durch übergroße, aufgemalte Fische ein frisches, maritimes Flair. Möglich wurde die Neugestaltung, weil der sich anschließende Deich erhöht wurde.

Ein Knurrhahn ist dabei, ein Hornhecht und ein Schwarm Heringe. Auf dem Willy-BrandtPlatz in Bremerhaven scheinen aufgemalte Nordseefische in Richtung Innenstadt zu schwimmen. Eine Stadt, die sich selbst „Fishtown“ nennt, hat sich mit dem 1,2 Hektar großen Platz nicht nur ein neues Marken­ zeichen gebaut. Es hat einige Jahre gedauert, bis sie nach den Krisen im Schiffbau und der Fischerei ihre Reize als Seehafenstadt wertschätzen konnte. So springt einem auf dem Willy-Brandt-Platz Bremerhavens neue Lust ins Auge, auch mit der Gestaltung ihrer Freiräume ganz nah an ihren historischen Hafenanlagen und der Meeresküste dran sein zu wollen.

Der neu gestaltete Stadtraum liegt nur etwa 500 Meter von der zentralen Einkaufspas­ sage „Bürger“ in der Bürgermeister-SmidtStraße entfernt. Hinter dem Deich kann ­ man von dort aus weit in die Wesermündung blicken und die Nordsee erahnen. Der Platz sollte auch nach seiner Umgestaltung Anlegestelle für die Ausflugsschiffe nach Helgoland und die Weserfähren bleiben und im Sommer als temporärer Festplatz nutzbar sein. Zudem müssen alle Materialien und Ausstattungselemente den Überschwemmungen durch Sturmfluten in den Wintermonaten Stand halten. Eine Hochwasserschutzmaßnahme, mit der der Weserdeich im Bereich zwischen Strand-

bad und dem Zoo am Meer um ein bis zwei Meter erhöht werden sollte, bot den Anlass, dem Willy-Brandt-Platz als Endpunkt der neuen Deichpromenade ein neues Gesicht zu ­geben. Die direkte Lage an Küste und Schleuseneinfahrt zum Neuen Hafen wurde bisher weder in der Gestaltung noch in der Nutzung des Platzes gewürdigt. Nach einem VOF-Verfahren hatte die städtische BEAN Bremer­ havener Entwicklungsgesellschaft ­Alter/Neuer Hafen das Büro Latz + Partner aus Kranzberg mit der Gestaltung des Platzes beauftragt. Die Landschaftsarchitekten fanden eine nüchternen Parkplatz vor, ein ­Flickenteppich aus Betonstein und Schotter. Das Gelände schien in Richtung Weser zu kippen.

Markus Tollhopf (7)

Ljubica Heinsen

Der Willy-Brandt-Platz ist der Endpunkt einer neuen Deichpromenade zwischen dem Strandbad und dem Zoo. Die bis zu 20 Meter großen Fische sind am besten von der Aussichtsplattform eines nahegelegenen Hotels zu sehen.

In der Art von Fahrbahnmarkierungen aufgemalte Nordseefische schwimmen vom Willy-BrandtPlatz in Bremerhaven in Richtung Innenstadt.

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Willy-Brandt-Platz, Bremerhaven Bauherr: BEAN Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer ­Hafen mbH & Co. KG, Bremerhaven Landschaftsarchitektur: Latz + Partner LandschaftsArchitekten Stadtplaner, Kranzberg Ausschreibung und Bauleitung: Latz Riehl Partner Landschaftsarchitekten, Kassel Fläche: 11 500 Quadratmeter Bauzeit: 2012 bis 2013 Baukosten: 1,6 Millionen Euro

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Der Offenbacher Hafen bietet eine Szenerie wie nur wenige andere Städte sie besitzen. Zwischen Main und Binnenmain entsteht auf dem ehemaligen Hafenareal ein neuer Stadtteil, der von Wasser umgeben ist. Zentrum der städtebaulichen Planungen ist der Hafenplatz. Auch für das angrenzende Offenbacher Nordend entstehen neue Freiräume.

Mit der Wellenform der Hafentreppe greift das Atelier Dreiseitl das Thema Wasser für den Offenba­ cher Hafen auf. Die Treppe ermög­ licht den Menschen, sich am Wasser zu entspannen. Birken auf einer „grünen Insel“ spenden Schatten.

Gerhard Hauber wir das Bedürfnis, das Wasser noch viel stär­ ker im städtebaulichen Konzept sichtbar zu machen. Wir öffneten den bisher geplanten, introvertierten zentralen Dreiecksplatz zum Wasser hin und schufen die großzügige Hafentreppe. Den Hafenplatz zogen wir über beide Zufahrtsstraßen. Dieser verband nun mit seinem Wellenmuster im Belag den Main mit dem Binnenmain. ­Jeder, der die Halbinsel betritt, soll dies wahrnehmen. Diese Änderungen erforderten es, den gerade mühsam ­abgestimmten Bebauungsplan zu modifizie­ ren. Glücklicherweise standen Auftraggeber und Politik von Anfang an voll hinter dem Konzept und so konnten diese Ideen in den Bebauungsplan integriert werden. Gestalterisch sind Hafenplatz und Hafentrep­ pe das Herz des Gebietes. Uns war wichtig, auf der einen Seite großzügige Freiräume zu gestalten, auf der anderen Seite sollten aber keine unverhältnismäßig großen und kaum nutzbaren Flächen entstehen. Deshalb sind viele Nutzungen an den Platzrändern vorge­ sehen. Der Hafenplatz wird im Süden an die Arkaden des Nahversorgungszentrums gren­ zen, im Norden, vor dem Café, sollen Wasser­ spiele und eine Holzplattform unter Bäumen den Platz beleben. Eine wichtige Rolle spielte auch die Hafen­ vergangenheit. Neben dem ­Erhalt des riesi­ gen alten Krans war die Materialwahl sehr wichtig. Schlagworte dabei ­waren rau, robust und langlebig. Übersetzt in gebaute Realität bedeutet das: Natur-Großsteinpflaster, rosten­ des Metall an den Wänden und Geländern, Beton, auf dessen Oberfläche das Naturkorn freigestrahlt wurde und (Guss-)Asphalt. Die

Ralf Heidenreich

Es regnete, als wir zum ersten Mal auf das leergeräumte Hafengelände blickten. Wir ­begannen uns zu fragen, ob es die richtige Strategie war, mit einem kleinen Team drei Tage die Atmosphäre aufzunehmen und ­direkt vor Ort das Konzept zu entwickeln. Doch je länger wir dort waren und den Charme der rauen Vergangenheit spürten, desto mehr begeisterten wir uns für diesen Ort und seine Möglichkeiten. Immerhin ist die Wasserlage des ­Geländes, das sich teil­ weise auf einer Halb­insel befindet, im RheinMain-­Gebiet einzigartig; weltweit sind solche ­Lagen die F­ iletstücke der Stadtentwicklung. Offenbach erhält mit dem Hafen die Chance, sich modern, zukunftsfähig, kreativ, umwelt­ freundlich und nachhaltig zu präsentieren. So begann für uns der Einstieg in dieses Pro­ jekt. Seit 1900 industriell genutzt, vor allem als Umschlagplatz für Öl, Gas und Kohle, ­verlor der Binnenhafen in den 1990er-Jahren seine Bedeutung. Eine lange Geschichte der Konzeptfindung begann. 2004 entwarfen Ortner + Ortner aus Berlin eine städtebau­ liche Basis. Ein Mix aus Wohnen, Büro und Arbeiten, war schon damals die Grundlage der Planung. Nach einem langwierigen Ver­ fahren wurde schließlich 2008 das Baurecht erteilt. Das Projekt hatte aber weiter mit ­vielen Schwierigkeiten zu kämpfen und war ­damals kaum zu vermarkten. Niemand woll­ te den ersten Schritt auf die Insel machen. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, dass diese einzig­artige Wasserlage am Rand der Offenbacher ­Innenstadt nur fünf Kilometer vom Frankfurter Stadtzentrum entfernt ­liegt. Unbelastet von diesen Schwierigkeiten­hatten

Atelier Dreiseitl (2)

Wellen im Belag

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Heiko Lukas (2)

Die Berliner Promenade in Saar­ brücken, umgestaltet von einer Projektgemeinschaft mit Bierbaum. Aichele.landschaftsarchitekten, bringt die Menschen wieder direkt an das Wasser der Saar.

Martin Rolshausen

Stadtmitte am Fluss Das Herzstück des Stadtentwicklungsprojekts „Stadtmitte am Fluss“ in Saarbrücken ist die Verlegung der Stadtautobahn unter die Erde. Ob der Tunnel kommt, wird aber erst 2015 entschieden. Derweil ist mit der Umgestaltung der Berliner Promenade ein erster Abschnitt fertiggestellt, der das Flussufer für die Menschen wieder zugänglich und nutzbar macht.

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Rena Wandel-Hoefer hat sich das mit der neu­ en „Stadtmitte am Fluss“ einfacher vorge­ stellt. Als sie Anfang 2008 ihr Amt als Saarbrü­ cker Baudezernentin antrat, sei sie „optimis­ tischer“ gewesen in ihrer Einschätzung, „was man an Dynamik erzeugen kann“, räumte sie Ende Mai bei einer Diskussionsrunde der Pira­ tenpartei im saarländischen Landtag ein. ­Wenige Tage zuvor hatten sich die Landes­ hauptstadt und die Landesregierung darauf verständigt, das Herzstück des mit rund 350 Millionen Euro veranschlagten Vorhabens aus dem Großprojektantrag für die Europäische Union zu streichen: den rund 1,5 Kilometer langen Tunnel, in dem die Autobahn 620 ver­ schwinden sollte, die seit den 60er-Jahren mitten durch Saarbrücken führt. Die Autobahn, die sich direkt neben der Saar durch die Saarbrücker Innenstadt schlängelt, galt einst als Ausdruck moderner Verkehrs­ politik. Als sie gebaut wurde, konnten oder wollten Stadt- und Verkehrsplaner allerdings nicht ahnen, wie viele Autos diese vierspurige Straße ins Zentrum der 175 000-EinwohnerStadt bringen würde: rund 95 000 Fahrzeuge

täglich. Keine andere Autobahn in der Regi­ on sei so stark befahren, argumentieren die Saarbrücker Stadtplaner. Und in keiner ande­ ren der 36 deutschen Städte vergleichbarer Größe führe eine solche Autobahn durch das Stadtzentrum. Der Plan, erstmals vor etwa zehn Jahren vom Städtebaubeirat skizziert, klingt einleuch­ tend: Durch die Verlegung der Stadtautobahn in einen hochwassersicheren Tunnel könnte ein Teil des Lärms und der Abgase r­ eduziert werden. Die durch die „verschwundene“ Autobahn gewonnene Fläche mitten in der Stadt könnte genutzt werden, um die Uferzonen neu zu gestalten sowie attraktiven Wohn- und Geschäftsraum am Wasser zu schaffen. Um die Stadt wieder an den Fluss zu bringen, von dem sie die Autobahn trennt, sollte die in die Jahre gekommene Flaniermei­ le an der Saar, die Berliner Promenade, neu gestaltet werden. Am gegenüberliegenden Ufer sollte unter anderem ein Boulevard ent­ stehen, der dafür sorgt, dass die Innenstadt mit dem Auto gut erreichbar bleibt. Neue Brücken für Fußgänger und Radfahrer sollten

die Stadtteile über die Saar besser verbinden als bisher. Der Städtebaubeirat, dessen Vorsitzende die Architektin Rena Wandel-Hoefer war, erzeug­ te die Dynamik, die sie in ihrer jetzigen Funk­ tion als Baudezernentin vermisst. Der Saar­ brücker Stadtrat beauftragte die städtische Gesellschaft für Innovation und Unterneh­ mensförderung (GIU) mit ersten Entwürfen für das Projekt „Stadtmitte am Fluss“. ­ Ein Masterplan für das Großprojekt passierte den Stadtrat ohne Gegenstimmen und ohne kontroverse Debatte. Als sich im Herbst 2007 die in Saarbrücken ansonsten hart gegenein­ ander arbeitenden Parteien auf die partei­lose Rena Wandel-Hoefer als neue Baudezernen­ tin verständigten, schien das Projekt zusätz­ lich an Fahrt zu gewinnen. Ende 2008 ging ein Planerteam um das Land­ schaftsarchitekturbüro Atelier Loidl und Machleidt Büro für Städtebau, beide Berlin, als Gewinner des Wettbewerbs zum Projekt „Stadtmitte am Fluss“ hervor. Von Seiten der Stadt war gewünscht, die Lebensbedingun­ gen durch weniger Lärm, sauberere Luft und Garten + Landschaft

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