Garten + Landschaft 09/2015

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September 2015

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

125 Jahre Garten + Landschaft


Inhalt 9/2015

Wladimir Kaminer

Andreas Gottlieb Hempel

125. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten. 2

Garten + Landschaft

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Klaus Hurrelmann

Fotos: Jan Kopetzky, privat, ZDF/Kerstin Bänsch, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Hertie School of Government

Editorial

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Ad fontes Tanja Braemer

Stadtleben

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Die Burgsteige zu Tübingen Andreas K. Vetter

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Parkplätze Andreas Gottlieb Hempel

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Nancy – einfach merveilleux! Gundula Gause

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Lass blühen alle Blumen Wladimir Kaminer

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Drei Plätze Klaus Hurrelmann

10 Günter Grzimek propagierte mit dem Münchner Olympiapark den demokratischen Park, einen Ort der Freiheit.

Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL) Wartburgstraße 42 10823 Berlin www.dggl.org

Andreas K. Vetter

Fünf individuelle Blicke auf ­Facetten der Stadt ab Seite 4.

Garten + Landschaft startet Leser-Panel Uns interessiert, was Sie interessiert. Mehr dazu auf Seite 44. www.garten-landschaft.de/panel

Verlag: Callwey Verlag Streitfeldstraße 35 D-81673 München Fon +49 89 /43 60 05-0 Fax +49 89/43 60 05-113 www.garten-landschaft.de

Gundula Gause

14 Der realisierte Entwurf von Bernard Tschumi für den Parc de la Villette hatte Einfluss auf die Entwurfssprache der Landschaftsarchitektur.

20 Der Landschaftspark Duisburg Nord veränderte die Einstellung zu Industriekultur. Projekte wie die High Line stehen in der Tradition des Parks im Ruhrgebiet.


Das Öffentliche: Platz für alle Regine Keller Vom Hamburger Stadtpark über den Münchner Olympiapark zum Berliner Gleisdreieck

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Paradigmenwechsel im Entwurf Ulrike Böhm/Dr. Cyrus Zahiri Der Parc de la Vilette und sein Einfluss auf die Landschaftsarchitektur

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Kooperatives Grün Frauke Burgdorff, Oliver Brügge Der Park Spoor Noord in Antwerpen und

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Post-industrieller Paradigmenwechsel Wolfram Höfer Die neue Semantik des Landschaftsparks Duisburg Nord

infrastruktur

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Nachhaltiger Systemwandel: Urbane Flussräume der Zukunft Antje Stokman Die Neue Emscher im Ruhrgebiet und die Isar in München

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Transformationen der Landschaft Sören Schöbel, Sabine Kern Forderung nach einem Landschaftsvertrag

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Der Blick auf die Landschaft Uwe Rada Das Berliner Hansaviertel und die Stadtlandschaft

volkspark

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stadtumbau

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position

industriekultur

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Umbau bedeutet nicht Rückbau Cordelia Polinna Stadtumbau Ost: zwischen Abriss und Erhalt von Wohnquartieren

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„Man sitzt nicht mehr nur da und plant“ Tanja Braemer, Alexander Gutzmer Interview zum neuen Leitbild der DGGL mit Jens Spanjer und Rainer Schmidt

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Manifest zur Zukunft der Landschaftsarchitektur Udo Weilacher Über die Aktualität der 10 Thesen von Dieter Kienast

24 Flüsse sind Visitenkarten der ­Städte. Die Kiesufer der renaturierten Isar sind heute ein wich­ tiger Teil der Naherholungslandschaft Münchens.

32 Das Hansaviertel der Berliner ­Interbau 1957 versprach modernes Wohnen in viel Grün. Das Modell gilt als gescheitert – und ist dennoch aktueller denn je.

Nachrichten Bücher Produkte Projekt Campus Wettbewerbe DGGL Nachrichten Vorschau, Autoren, Impressum

44 50 52 60 66 68 74 80

Termine garten-landschaft.de

35 Wie Naumburg (Saale) ver­ loren nach 1990 viele ost­ deutsche Gemeinden einen Großteil der Bewohner. Das Förderprogramm Stadtumbau Ost sollte den Umgang mit dem Leerstand erleichtern.

Bilder: Boris Storz, www.lavillette.com/Pierre-Emmanuel Rastoin, Wolfram Höfer, Boris Storz, Landesdenkmalamt Berlin 2006/Quelle: Bauwelt 32/1957, Wolfgang Kil Titelbild: Collage; Boris Storz

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v o l k s p a r k

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Kooperatives Grün Parks geben im Idealfall Raum für das offene Miteinander einer heterogenen Stadtgesellschaft. Der Park Spoor Noord in Antwerpen und der Park am Gleisdreieck in Berlin realisieren diese Idee auf unterschiedliche ­Weise. ­Beide Entwürfe entstanden in enger Zusammenarbeit mit den künftigen Nutzern und zeigen: Ohne B ­ eteiligung und Teilhabe wird es künftig nicht mehr gehen.

Frauke Burgdorff, Oliver Brügge

Öffentlicher Raum als Plattform Kritisch wird dies, wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten nicht einmal mehr im Alltag begegnen – und es keine Formate gibt, in denen die einzelnen Teile der Gesellschaft Einblicke in das Ganze bekommen. Das Verständnis für die Lebens­ weisen des jeweils anderen droht zu schwinden. Dieses Verständnis ist aber die Grund­ lage für gesellschaftliche Abwägungs- und Aushandlungsprozesse jenseits des Sankt-­ Florian-Prinzips und Grundlage für ein fried­ liches Miteinander. Solche Plattformen sind auch und vor allem – möglichst gut gestaltete – öffentliche Räume. In ihnen kann die Stadtgesellschaft sich selbst begegnen: indem Menschen einfach nur die Ruhe haben, „den anderen“ überhaupt wahrzunehmen. Bestenfalls können sich Räume auftun, für die sich Bürger der Stadt verantwortlich fühlen. Parks stellen seit jeher eine herausragende Plattform für die unterschiedlichen Öffentlichkeiten einer Stadtgesellschaft dar. Sie wurden (und werden) neben ihrem ästhetisch-erbaulichen Ziel immer auch mit der ­Absicht ­entworfen, um Raum für Begegnung

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und Muße, das Neben- und Miteinander ­unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten und Gruppen zur Verfügung zu stellen. Nichts Neues, könnte man also meinen, wenn man Parks wie den Park Spoor Noord in Antwerpen oder den Park am Gleisdreieck in Berlin neben die Revierparks im Ruhr­ gebiet oder die Landschaftsparks der Renaissance stellt. Die Gestaltung ist vielleicht ein bisschen moderner, das Programm ein wenig bunter als „dazumal“. Vom Ergebnis her mag das also annähernd stimmen, aber die Zielsetzungen und die Produktionsweisen haben sich im Vergleich zu früher entscheidend verändert. War das „Herstellen“ ­öffentlichen Grüns noch weit über die IBA Emscherpark hinaus ein hoheitlich-staat­ licher und manchmal gar gönnerhafter Akt, sind die genannten Parks in Antwerpen und Berlin nicht nur im Interesse der Stadtgesellschaft, sondern in einem kooperativen Prozess mit den Menschen entwickelt und entworfen worden, die sie in Zukunft nutzen sollen. Klammer zwischen sozialen Schichten Der Park Spoor Noord ist ganz bewusst als ­öffentliche Klammer zwischen der östlichen Innenstadt Antwerpens – die in den 90erJahren ein denkbar schlechtes Image als Einwanderungsstandort hatte – und den neuen, teuren Entwicklungen in der Hafengegend angelegt. Die Angebote setzen im Osten auf Sport und Bewegung, im Westen auf Kultur und Konsum. Es wurden keine Überraschungen und wenig große Gesten inszeniert. Er ist robust gestaltet und doch so fein komponiert, dass er fünf Jahre nach der Eröffnung ein lebendiger Ort des guten und friedlichen Nebeneinanders geworden ist. Das heißt ­natürlich auch, dass der Traum der sozialen

Visit Antwerpen/Dave van Laere

Wie verhält es sich mit dem Traum vieler Planer von einer auf vielen Ebenen durchmischten Stadt? Unterschiedliche Herkünfte, Geldbeutel, Religionen, Bildungsstandards – jedes Quartier ein kleines Dorf der Harmonie, das sich möglichst selbstständig organisiert? Der reale Trend läuft umgekehrt: Segregation und Entmischung sind spürbar und durchaus nicht nur von den Wohlhabenden gewünscht. Der Traum von der Selbstorganisation heterogener Gruppen ist im Moment noch ein bürgerlich-deutscher, das „Unter-sich-sein“ ist ­offensichtlich eine Qualität, die von den Menschen in unseren Städten gesucht wird.


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Durchmischung ganz bewusst nicht forciert wurde. Aber die Möglichkeit ist da und wird – so jedenfalls der Eindruck – auf den Fußballfeldern und an den Tischtennisplatten vorsichtig genutzt. Im Park am Gleisdreieck in Berlin ist das ­Gegenteil der Fall. Nischen und Winkel prägen die Gestaltung und das Programm: hier Kleingärten, dort ein mobiles Café und nebenan großzügige Spielflächen. Dieser Park musste keine sozialen Brücken spannen, soll aber einer sehr aktiven Stadtgesellschaft Raum geben, sich mit ihren verschiedenen Vorstellungen von Muße, Freizeit und Erholung so zu verwirklichen, dass die soziale ­Basis für ein offenes Miteinander gelegt wurde. Beide Beispiele, Antwerpen und Berlin, verbinden gestalterische Qualität mit

­ ebrauchsqualität. Sie sind gleichermaßen G nützlich und schön. Diese Verbindung macht die Nützlichkeit und auch die Schönheit substanzieller. Vor allem aber wird die Behauptung entlarvt, Teilhabe und Mitwirkung führten zu mediokren gestalterischen Ergebnissen. Genau das Gegenteil ist dort der Fall. Bis hierher waren in diesen Parks weitsich­ tige Planer mit kooperativen Bürgern am Werk. Nun wird es in Zukunft darauf ankommen, wie das Miteinander der Menschen und Nutzungen vorsichtig zwar, aber doch immer wieder neu gestaltet und moderiert wird. Wenn dies auch perspektivisch gelingt, werden beide Parks zu Beispielen, die Maßstäbe setzen, weil sie die Menschen als Maßstab und Partner für ein neues, kooperatives Grün in der Stadt genommen haben.

Bernardo Secchi und Paola Viganò entwarfen den Park Spoor Noord als Ort, der soziale Interaktion ­ermöglicht, aber nicht erzwingt.

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Nachhaltiger Systemwandel: Urbane Flussräume der Zukunft Der Isar-Plan und der Masterplan Emscher:Zukunft zeigen wie Anforderungen an hydrologisch-infrastrukturelle Systeme und ökologische Ansprüche mit neuen Nutzungsmöglichkeiten und Gestaltungsstrategien verbunden werden können. Damit stehen sie für einen grundlegenden Paradigmenwechsel der Gestaltung von Infrastruktursystemen, bei der Landschaftsarchitekten eine neue Rolle einnehmen.

Emschergenossenschaft

Schnitte aus: Martin Prominski, Antje Stokman, Susanne Zeller, Daniel Stimberg, Hinnerk Voermanek: Fluss. Räume. Entwerfen. Birkhäuser, Basel 2012, S. 261/262

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Antje Stokman Unzählige Kommunen in Deutschland und Europa haben im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und EU-Hochwasserrichtlinie damit begonnen, ihre Fließgewässer naturnah zu entwickeln und dabei gleichzeitig Anforderungen an den Hochwasserschutz sowie der Stadtgestaltung und der Nutzung als Badegewässer Rechnung zu tragen. Flüsse sind heute nicht mehr die stinkende Rückseite der Stadt, sondern werden zur Visitenkarte. Damit kommt ihrer Gestaltung eine ganz neue Bedeutung zu: aus kanalisierten Fließgewässern werden attraktive Flusslandschaften. Diese Entwicklung ist Ausdruck eines grundlegenden Paradigmenwechsels: Das Prinzip der Naturbeherrschung, der Begradigung und des Ausbaus von Flüssen als technische Infrastruktursysteme wird abgelöst von ­einem Verständnis von Flüssen, die zugleich ­gesteuerte wasserwirtschaftliche Systeme, ­dynamische Ökosysteme sowie wichtige ­öffentliche Räume der Stadt sind. Wir müssen also unsere gestalterischen Mittel um Strategien zur Integration technischer und natür­ licher Anforderungen erweitern. Vor allem

in der Stadt müssen diese unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Ansprüche an Gewässer in der Stadt immer wieder neu ­verhandelt und gestaltet werden. Die beiden zukunftsweisenden Projekte, der Masterplan Emscher:Zukunft im Ruhrgebiet und der Isarplan in München, zeigen in unterschiedlicher Weise, wie der Umbau urbaner Flüsse gleichzeitig zu einer deutlich verbesserten ökolo­ gischen Qualität wie auch Lebensqualität in Stadt und Region beitragen kann. Vom Abwassersammler zur Neuen Emscher Wie wird aus einem 70 Kilometer langen, betonierten Abwasserkanal, der mitten durch das einst größte Industriegebiet Europas fließt, eine Flusslandschaft? Der Umbau des Emschersystems ist ein Generationenprojekt mit symbolischer Kraft für das Ruhrgebiet. Durch die industrielle Überformung der einst breiten Flussniederungen kann es nicht das Ziel sein, das vorindustrielle Emschertal wiederherzustellen – die Emscher ist und bleibt verbunden mit der Industriegeschichte des Ruhrgebiets. Die durch Bergsenkungen irreversibel veränderte Topografie, die Infra-

strukturbauwerke und die angrenzende ­Bebauung werden als identitätsstiftende ­Bestandteile der industriell geprägten ­Gewässerlandschaft des „Neuen Emschertals“ interpretiert. Der Masterplan Emscher:Zukunft basiert auf dem Bild eines verwobenen Kabelstrangs als Ausdruck der Verflechtung von Wasser, Landschaft und Stadt. In einer heterogenen Siedlungslandschaft setzt die Gestaltung bewusst auf klare, lineare Elemente im Wechselspiel zwischen der Emscher, ihrer Ufer, Wege, Deiche und Auenflächen. Diese werden durch den „Strom der Bäume“, parallel zur Emscher verlaufende, Baumreihen zu einem über­ greifenden Landschaftsmotiv verbunden. Die ­Emscher darf sich künftig innerhalb eines ­linearen Korridors mit punktuellen Aufweitungen wieder frei entwickeln. In den wasserbeeinflussten Auen wird ein Relief aus p ­ arallel verlaufenden, linearen Abgrabungen und Warften angelegt, die mit den Baumreihen des „Stromes der Bäume“ korrespondieren. Das Gesicht der Neuen Emscher ist geprägt vom positiven Spannungsverhältnis zwischen industriell-technischer Kultur­geschichte Die Emscher wird sich künftig zwischen den Dämmen ihren eigenen Weg suchen. Das Konzept setzt auf den Kontrast zwischen gestalteter Landschaft und natür­licher Dynamik des Flusses.

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Der Blick auf die Landschaft

Die Interbau 1957 hat mit dem Berliner Hansaviertel das Thema Stadtlandschaft auf die Agenda gebracht. Zwischenzeitlich verpönt, feiert es in alternativem Gewand

Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0083467/Fotograf: Karl-Heinz Schubert

seine Wiederauferstehung.

Mit dem Hansaviertel wollte WestBerlin eine Alternative zu den dichten Gründerzeitvierteln bieten: der Anteil an Grünflächen war um einiges höher als in den dicht bebauten Stadtteilen Berlins.

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Uwe Rada weitgehend zerstört worden. Anfang der fünfziger Jahre wurde daraus so etwas wie der Testfall moderner Stadtplanung. Der Westberliner Senat lud international renommierte Architekten, darunter Oscar Niemeyer, Alvar Aalto, Walter Gropius oder Max Taut ein, unter Beweis zu stellen, dass Baukunst und sozialer Wohnungsbau kein Gegensatz sein müssen. Bis 1960 entstanden im Tiergarten Punkthochhäuser und Wohnscheiben, eine Bibliothek, ein Ladenzentrum, eine Kita und die Akademie der Künste. Zum Interbaujahr 1957 strömte eine Million Menschen auf die Baustelle und den Pavillon, ein Provisorium, das heute noch steht. Viele von ihnen nutzten die neue Gondelbahn, die vom Bahnhof Zoo zum Gelände führte. Das neue Bauen und seine Landschaft, das zeigte schon das Plakat „Die Stadt von morgen“, ist aus der Vogelperspektive am besten zu bestaunen. Neue Verbundenheit mit Landschaft „Ein Stil wird im Bauen fraglos sichtbar“, urteilte bereits damals in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Willi Grohmann. „Er ist so international wie alle Kunst heutzutage, die Wurzeln stecken im Erdreich, aber die Krone geht frei über alle Grenzen hinweg.“ Das hübsche Bild, das zeigen soll, dass auch die in den Himmel stürmende Moderne durchaus bodenständig und ihren Traditionen verhaftet ist, war zugleich auch eine Metapher für die neue Landschaftsverbundenheit der Städte­ bauer. Und die ließ sich auch in Zahlen messen. Betrug in der Gründerzeit das Verhältnis zwischen bebauter und unbebauter Fläche das Verhältnis 1:1,5, wurde es im Hansaviertel auf 1:5,5 ausgeweitet. Was aber wird vom Hansaviertel und seiner Idee einer aufgelockerten,

Landesdenkmalamt Berlin 2006, Quelle: Bauwelt 32/1957

Der Blick auf die Stadt von einer Terrasse aus: In der Mitte fließt ein Fluss, seine Ufer gehören ganz der Natur und der Freizeit. Erst in gebührendem Abstand beginnt das städtische Leben. Autos, Lastkraftwagen, am Horizont die Hochhäuser für die neuen Städter, auch sie im Grünen. Menschen sieht man auf diesem Plakat mit der Überschrift „Die Stadt von morgen“ nur im Vordergrund. Sie stehen, als Zaunkönige, auf der Terrasse, ein kleiner Junge zeigt freudig auf das, was sich vor ihm ausbreitet. Die Stadtlandschaft als Glücksmaschine: Die Zeichnung ziert eine Broschüre der Interbau von 1957. Mit der Westberliner Bauausstellung wollte der Senat der geteilten Stadt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Dem Zuckerbäckerprotz der Stalin­allee im Ostteil Berlins das kosmopolitische Bauen gegenüberstellen, sich vom unmensch­lichen Wohnungskapitalismus der Gründerzeit distanzieren – und die Landschaft ins neue Bauen integrieren. Das Hansaviertel im Stadtteil Tiergarten sollte das erste Areal sein, in dem „die Stadt von morgen“ realisiert sein würde. Wer heute durch das Viertel spaziert, sieht vor allem eines: Anders als die gründerzeitlichen Quartiere, die den Sprung in die neue Zeit ­mühelos bewältigt haben (und entsprechend gentrifiziert sind), hat das Hansaviertel Mühe, den Anschluss zu finden. Zwar sind die Bewohner – meist Eigentümer – zufrieden mit den Wohnungen, doch das Umfeld lässt zu wünschen übrig. Die Infrastruktur, Kaufhalle, ­U-Bahnhof, sind verwahrlost. Nur die Vögel zwitschern wie eh und je. Hansaviertel: Das noble Quartier, vor dem Krieg dicht bebaut mit herrschaftlichen Gründerzeithäusern, war bei einem Bombenangriff 1943

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